Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 18.01.2005

LArbG Mainz: betriebsrat, kündigung, arbeitsgericht, tarifvertrag, rechtsbegehren, gefahr, form, ausbildung, mitbestimmungsrecht, anhörung

LAG
Mainz
18.01.2005
2 TaBV 31/04
Nachwirkung eines Haustarifvertrages
Aktenzeichen:
2 TaBV 31/04
8 BV 29/04
ArbG Koblenz
Verkündet am: 18.01.2005
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.06.2004 - 8
BV 29/04 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Eingruppierung von neu
eingestellten Auszubildenden.
Die Arbeitgeberin hat mit der zuständigen Fachgewerkschaft am 21.03.1997 einen Haustarifvertrag
abgeschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt und auch in der Folgezeit gehörte die Arbeitgeberin keinem
Arbeitgeberverband an. Nach § 1 dieses Haustarifvertrages fanden durch Blankettverweisung insgesamt
16 verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung.
Die Arbeitgeberin hat diesen Haustarifvertrag mit Schreiben vom 10.03.2003 teilweise gekündigt, und
zwar kündigte sie 4 verschiedene Tarifverträge, die nach § 1 des Haustarifvertrages für die Angestellten in
Zeitungsverlagen in Rheinland-Pfalz und Saarland Anwendung fanden. Die restlichen Bestimmungen des
Haustarifvertrages wurden vom Inhalt des Kündigungsschreibens (vgl. Bl. 25 d.A.) nicht tangiert. Zwischen
den Beteiligten ist unstreitig, dass die restlichen Tarifverträge nach wie vor bei der Arbeitgeberin
Anwendung finden.
Die Arbeitgeberin beabsichtigte zum 01.08.2004 mehrere Auszubildende zum
Verlagskaufmann/Verlagskauffrau einzustellen. Sie hat deshalb ihren Betriebsrat Ende Dezember 2003,
Anfang Januar 2004 unter Hinweis auf § 99 BetrVG an der beabsichtigten Einstellung beteiligt (vgl. im
Einzelnen Bl. 6-12 d.A.). Bei der vorgesehenen Ausbildungsvergütung hat die Arbeitgeberin jeweils
angegeben: "frei vereinbart". Der Betriebsrat hat der Einstellung zugestimmt, jedoch gleichzeitig der
beabsichtigten Eingruppierung bzw. Entlohnung gemäß § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG widersprochen mit der
Begründung, für die Auszubildenden zum Verlagskaufmann/Kauffrau seien die vereinbarten
Ausbildungsvergütungen im Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in Zeitungsverlagen in den Ländern
Rheinland-Pfalz und Saarland maßgeblich. Die Beschäftigten seien nach diesem Tarifvertrag
einzugruppieren. Die Teil-Kündigung des Haustarifvertrages durch die Arbeitgeberin sei nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtlich nicht zulässig gewesen.
Dieser Gehaltstarifvertrag vom 18.06.2002, auf dessen sonstigen Inhalt hiermit Bezug genommen wird (Bl.
123-127 d.A.), enthält in § 3 hinsichtlich der Ausbildungsvergütungen folgende Regelung:
"…
Ausbildungsvergütungen
1. Jahr der Ausbildung 735,53
2. Jahr der Ausbildung 786,66
3. Jahr der Ausbildung 837,79."
Die Arbeitgeberin hat dieser Rechtsauffassung des Betriebsrates widersprochen.
Darauf hin hat der Betriebsrat mit einer beim Arbeitsgericht Koblenz am 23.04.2004 eingereichten
Antragsschrift die Auffassung vertreten, die Teil-Kündigung des Haustarifvertrages sei unwirksam und die
Arbeitgeberin müsse daher die Auszubildenden entsprechend der Vergütungsordnung des Betriebes in
den einschlägigen Gehaltstarifvertrag für Zeitungsverlage eingruppieren.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. der Arbeitgeberin aufzugeben, die ab dem 01.08.2004 einzustellenden Auszubildenden
Verlagskaufmann/Verlagskauffrau I. K., K. Sch., A. C. S., S. W., F. N., N. B. und S. P. in die ab 01.10.2003
gültige Gehaltstabelle zum Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in Zeitungsverlagen in Rheinland-Pfalz
und Saarland einzugruppieren.
2. der Arbeitgeberin für den Fall der Zuwiderhandlung nach Rechtskraft der Entscheidung zum Antrag
zu Ziff. 1) ein Zwangsgeld anzudrohen, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber für
jeden Tag und jeden Fall der Zuwiderhandlung einen Betrag von 100,00 € nicht unterschreiten sollte.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung sei die teilweise Kündigung des Haustarifvertrages rechtswirksam, weil bei der
streitgegenständlichen Teil-Kündigung nicht die Gefahr bestehe, dass in ein komplexes Normengebilde,
dessen einzelne Regelungen das Ergebnis eines ausgewogenen Kompromisses sind, eingegriffen
werde. Sie habe den gesamten Kompromiss eines einzelnen Tarifvertrages nicht einseitig aufgebrochen,
sondern lediglich alle Tarifverträge einer bestimmten Branche einheitlich gekündigt.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 22.06.2004, auf dessen Sachverhaltsdarstellung hiermit zur
näheren Darlegung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, die Anträge zurückgewiesen. In
den Entscheidungsgründen hat es angegeben, der Gehaltstarifvertrag für Zeitungsverlage vom
23.09.2003 finde auf die Ausbildungsverhältnisse von neu eingestellten Auszubildenden keine
Anwendung. Diese seien nicht Mitglied der Gewerkschaft. Die von der Arbeitgeberin erklärten
Kündigungen von einzelnen namentlich benannten Tarifverträgen bei Weitergeltung der restlichen
Tarifverträge sei rechtlich zulässig. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich in erheblichen Punkten
von den einschlägigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, bei denen nicht einzelne Tarifverträge
insgesamt gekündigt wurden, sondern einzelne Teile davon. Zur näheren Darstellung der
Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 8-12 dieses Beschlusses Bezug genommen.
Hiergegen hat der Betriebsrat form- und fristgerecht Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und
diese in gleicher Weise begründet.
Nach Auffassung des Betriebsrats sei das Arbeitsgericht zu Unrecht von der Wirksamkeit der Teil-
Kündigung ausgegangen. Der beiderseitige Kompromiss im Haustarifvertrag, Reduzierung von tariflichen
Sonderleistungen bei gleichzeitigem Verzicht der Arbeitgeberin auf betriebsbedingte Kündigungen, sei
längst abgelaufen gewesen. Im Übrigen müsse die Arbeitgeberin ein bisheriges Eingruppierungssystem
weiter anwenden, bis es durch ein neues ersetzt worden sei. Ohne Zustimmung des Betriebsrates könne
die Arbeitgeberin nicht einseitig das bestehende Tarifwerk ändern.
Der
Betriebsrat wiederholt
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen,
da das Arbeitsgericht die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt habe. Im Übrigen liege bei den
Auszubildenden auch keine Eingruppierung vor, weil diese nicht in verschiedene Gehaltsgruppen
eingruppiert würden und auch keine unterschiedlichen Entlohnungsgrundsätze auf sie Anwendung
fänden.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Anhörung der
Beteiligten vor dem Beschwerdegericht vom 18.01.2005 waren, Bezug genommen.
II.
1.
Die Beschwerde des Betriebsrats war nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie wurde insbesondere form-
und fristgerecht eingelegt und begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.
Der Antrag zu 1) des Betriebsrats war auszulegen. Der Betriebsrat hat in seinem Antrag zu 1) beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, die ab dem 01.08.2004 namentlich benannten Auszubildenden in die ab
dem 01.10.2003 gültige Gehaltstabelle zum Gehaltstarifvertrag für die Angestellten in Zeitungsverlagen in
Rheinland-Pfalz und Saarland "einzugruppieren". Der Betriebsrat stützt dieses Rechtsbegehren auf § 101
BetrVG. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber
aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben, falls der Arbeitgeber eine solche im Sinne des § 99
Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt. Dieser im Gesetz erwähnte
Aufhebungsantrag passt nur auf die Einstellung und Versetzung, nicht aber auf die Ein- und
Umgruppierung. Da die Eingruppierung selbst zu keiner tatsächlichen Veränderung der Verhältnisse im
Betrieb führt, kann auch eine betriebsverfassungswidrige Eingruppierung nicht aufgehoben werden.
Vielmehr kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG in diesem Falle verlangen, dem Arbeitgeber
aufzugeben, die Zustimmung des Betriebsrats zur vorgesehenen Eingruppierung nachträglich einzuholen
und im Verweigerungsfalle durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen (BAG AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG
1972; BAG AP Nr. 14 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung; Erfurter Kommentar/Kania, 5. Aufl., 210
BetrVG § 101 Rz 2). In diesem Sinne ist das tatsächliche Rechtsbegehren des Betriebsrates auszulegen.
Er ist der Auffassung, die Arbeitgeberin sei nach wie vor verpflichtet, die neu einzustellenden
Auszubildenden nach dem jedenfalls bis zum 30.06.2003 im Betrieb geltenden Gehaltstarifvertrag für die
Angestellten der Zeitungsverlage "einzugruppieren". Das tatsächliche Rechtsbegehren des Betriebsrates
ist damit in der Sache zweifelsfrei erkennbar, denn er meint, dieser Tarifvertrag fände nach wie vor wegen
unwirksamer Teil-Kündigung durch die Arbeitgeberin Anwendung; auch beruft er sich als
Anspruchsgrundlage für sein Vorgehen ausdrücklich auf § 101 BetrVG. Damit verlangt der Betriebsrat die
Verpflichtung der Arbeitgeberin, seine Zustimmung zur richtigen Eingruppierung einzuholen.
2.
In der Sache ist das Rechtsmittel nicht begründet. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist die
Arbeitgeberin nicht verpflichtet, die Zustimmung des Betriebsrats zur vorgesehenen Eingruppierung der
Auszubildenden nachträglich einzuholen und sie im Verweigerungsfalle durch das Arbeitsgericht ersetzen
zu lassen.
Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf des Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine
andere Abmachung ersetzt werden. Die ratio dieser gesetzlichen Regelung besteht in der Verhinderung,
dass die bestehenden Arbeitsverhältnisse im Nachwirkungszeitraum inhaltslos werden; es tritt also ein
Vertragsinhaltsschutz ein. Ein derartiger Schutz gilt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts nicht für neu eingestellte Arbeitnehmer, die erst im Nachwirkungszeitraum in den
Betrieb eingestellt werden. Dieses war bei den Auszubildenden der Fall, da sie nach dem 30.06.2003,
und zwar am 01.08.2004 erst in den Betrieb eingestellt wurden. Deren Arbeitsverhältnisse wurden auf
rechtlich neue Grundlagen gestellt, so dass nicht die Gefahr besteht, dass durch Kündigung eines
Tarifvertrages die bestehenden Inhaltsnormen dieser Arbeitsverhältnisse verändert werden.
Es mag vorliegend dahin gestellt bleiben, ob im Streitfalle das tatsächliche Rechtsbegehren des
Betriebsrates nicht schon daran scheitert, dass bei den neu eingestellten Auszubildenden keine
"Eingruppierung" im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG vorgenommen wurde. Zwar hat das BAG (AP Nr. 42 zu
§ 99 BetrVG) entschieden, dass der Betriebsrat einer vom Arbeitgeber geplanten Eingruppierung die
Zustimmung verweigern kann mit der Begründung, die vom Arbeitgeber angewandte
Vergütungsgruppenordnung sei nicht diejenige, die im Betrieb Anwendung finden müsse. Selbst wenn die
Arbeitgeberin nach wie vor den einschlägigen Gehaltstarifvertrag anwenden würde, bestünden Zweifel,
ob er dann eine Eingruppierung bei den Auszubildenden vornehmen würde. Auf die bloße Höhe des
vereinbarten Entgeltes bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG
nicht. Der Ausdruck Eingruppierung ist ebenso wie der der Umgruppierung ein terminus technicus des
Tarifrechts und bedeutet die Einstufung in eine bestimmte, im Tarifvertrag vorgesehene Lohn- oder
Gehaltsgruppe. Die Eingruppierung ist die erstmalige Festsetzung der für den Arbeitnehmer
maßgeblichen Lohn- oder Gehaltsgruppe (Richardi/Thüsing, Komm. zum BetrVG, 9. Aufl. § 99 Rz 5;
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Komm. zum BetrVG, 22. Aufl. § 99 Rz 73 m.w.N.). Eine
Eingruppierung in eine bestimmte Gehaltsgruppe scheidet bei den Auszubildenden auch nach dem
einschlägigen Gehaltstarifvertrag aus. Dieser enthält lediglich eine inhaltliche Regelung der Höhe der
Ausbildungsvergütung für die diesem Tarifvertrag unterliegenden Auszubildenden für die jeweiligen
Ausbildungsjahre. So bestimmt der Tarifvertrag lediglich, dass der Auszubildende im ersten
Ausbildungsjahr eine Ausbildungsvergütung von 735,53 € enthält. Mit irgendeiner Rechtsanwendung, die
von den Betriebspartnern unterschiedlich aufgefasst werden könnte, hat diese tarifliche Regelung nichts
zu tun. Nach dieser Tarifregelung erhöhen sich die Ausbildungsvergütungen in den folgenden
Ausbildungsjahren um jeweils rund 50,-- €. Das gleiche Schema - wenngleich mit reduzierter Höhe -
wendet die Arbeitgeberin auch bei den ab dem 01.08.2004 neu begründeten Ausbildungsverhältnissen
an. Auch die Arbeitgeberin erhöht die Ausbildungsvergütung pro Ausbildungsjahr um 50,-- €. Ob bei
dieser Sachlage überhaupt ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bei
der "Eingruppierung" dieser Auszubildenden besteht, mag zweifelhaft sein.
Es kann vorliegend auch dahin gestellt bleiben, welche tatsächliche Ausbildungsvergütung die
Arbeitgeberin den Auszubildenden gewährt hat. Die Höhe der Ausbildungsvergütung hat die
Arbeitgeberin dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, sondern im Anhörungsschreiben lediglich mitgeteilt "frei
vereinbart". Denkbar wäre, dass der Betriebsrat auch darüber zu wachen hat, dass der Arbeitgeber keine
Drückerei der Ausbildungsvergütung vornimmt, in dem er in rechtlich unzulässiger Weise weit
untertarifliche Vergütungen an seine Auszubildenden leistet (vgl. dazu BAG v. 08.05.2003 - 6 AZR 191/02;
BAG v. 24.10.2002 - 6 AZR 626/00; BAG v. 30.09.1998 - 5 AZR 690/97). Mit dieser Begründung hat der
Betriebsrat der Eingruppierung der neu eingestellten Auszubildenden nicht widersprochen; insbesondere
hat er kein entsprechendes Informationsdefizit geltend gemacht und seine Zustimmungsverweigerung
hierauf gestützt.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss entschieden, dass jedenfalls bei der
Fallkonstellation des vorliegenden Streitfalles die Kündigung von Teilen des Haustarifvertrages durch die
Arbeitgeberin mit Schreiben vom 10.03.2003 nach allgemeinen rechtlichen Gesichtspunkten nicht
unwirksam war. Das Beschwerdegericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts
im angefochtenen Beschluss und sieht zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes insoweit von der
erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Eine Teil-Kündigung eines Tarifvertrages wird -
worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - damit begründet, dass sich eine Seite nicht
einseitig "die Rosinen" aus dem Tarifwerk "herauspicken" kann, in dem die als vorteilhaft erachteten Teile
eines Gesamtkompromisses weiter gelten sollen, während die als negativ eingestuften Teile nicht weiter
Anwendung finden sollen. Eine derartige Gefahr bestand im Streitfalle nicht. Hier hat die Arbeitgeberin
komplett sämtliche einzelne Tarifverträge einer bestimmten Branche gekündigt. Diese Tarifverträge stellen
ein in sich abgeschlossenes Ganzes dar und können somit insgesamt auch als ein einheitliches
Gesamtwerk gekündigt werden. Zutreffend weist die Arbeitgeberin im Streitfalle darauf hin, dass nach der
Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht jede Teil-Kündigung generell unwirksam ist. Einen
derartigen Rechtssatz hat das Bundesarbeitsgericht in den von den Beteiligten im Streitfalle diskutierten
und vom Arbeitsgericht aufgezeigten Entscheidungen in dieser Form nicht aufgestellt.
Im Streitfalle kommt noch eine weitere Besonderheit hinzu. Der Firmentarifvertrag vom 21.03.1997 enthält
in § 1 eine Blankettverweisung auf 16 verschiedene eigenständige Tarifverträge. Bei diesem
Regelungsinhalt stellt sich schon die Frage, ob die Tarifvertragsparteien des Firmentarifvertrages der
Sache nach nicht 16 Einzelregelungen getroffen haben mit der Folge, dass einzelne Tarifverträge ohnehin
als Ganzes kündbar wären und die Tarifvertragsparteien diese 16 unterschiedlichen Tarifverträge
lediglich in einem einzigen Tarifwerk zusammengefasst haben.
Soweit der Betriebsrat im Beschwerdeverfahren auf die Sonderregelungen von §§ 2 und 3 dieses
Haustarifvertrages hinweist, ergibt sich daraus für den Streitfall keine Lösungsansätze. Dort wurden
Spezialregelungen für die Jahre 1997 und 1998 getroffen. Sie haben schon von ihrem Wortlaut her und
was im Termin zur Anhörung der Beteiligten vor dem Beschwerdegericht nochmals klargestellt wurde, nur
für die Kalenderjahre 1997 und 1998 gegolten und wurden danach nicht mehr angewendet.
Im Streitfalle ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch nicht daraus, dass die
Arbeitgeberin diesen Tarifvertrag im Nachwirkungszeitraum für eine längere Zeit als fortbestehend
angewendet hätte mit der Folge, dass die tariflichen Bestimmungen als betriebliche Übung weiter
gegolten haben. Entsprechende Tatsachen hierfür hat der Betriebsrat nicht vorgetragen, sie sind auch
nicht ersichtlich; erst recht nicht für neu eingestellte Auszubildende. Damit bestand auch keine
Veranlassung, dass bei einer Veränderung eines möglicherweise betrieblich praktizierten
Eingruppierungsschemas der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hätte mitbestimmen müssen.
Nach alledem war die unbegründete Beschwerde des Betriebsrats gegen den zutreffenden
erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.