Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 18.10.2007
LArbG Mainz: betriebsrat, ordentliche kündigung, anhörung, arbeitsgericht, wechsel, aufhebungsvertrag, firma, sozialplan, form, beweiserleichterung
LAG
Mainz
18.10.2007
2 Sa 458/07
Kündigung - Betriebsratsanhörung
Aktenzeichen:
2 Sa 458/07
3 Ca 172/07
ArbG Trier
Entscheidung vom 18.10.2007
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.05.2007 - 3 Ca 172/07 -
wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer vom Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten
Kündigung. Über das Vermögen der Firma A. wurde am 01.01.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und
der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 29.01.2007 kündigte der Beklagte das
Arbeitsverhältnis des Klägers, der seit 04.02.1991 bei der Gemeinschuldnerin bei einem zuletzt erzielten
Bruttoverdienst von 2.459,05 EUR beschäftigt war zum 30.04.2007. Der Kläger ist am 04.10.1952
geboren, er ist zu 40 % schwerbehindert.
Nachdem sich der Beklagte entschlossen hatte, den Betrieb fortzuführen, eine Fortführung aus
betriebswirtschaftlichen Gründen jedoch in der bisherigen Form nicht möglich war, trat er mit dem
Betriebsrat der Gemeinschuldnerin in Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen. Diese
endeten mit einem am 22.01.2007 vereinbarten Interessenausgleich, wegen dessen Einzelheiten auf die
in der Akte befindlichen Abschrift Bezug genommen wird und die bezüglich der wesentlichen Passagen
auch im Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.05.2007 wiedergegeben sind. Im wesentlichen hat der
Interessenausgleich zum Gegen-stand, dass ein Abbau von mindestens 40 Arbeitsplätzen notwendig
wird, sich Betriebsrat und Insolvenzverwalter auf die Errichtung einer Transfergesellschaft verständigt
haben, dass alle Arbeitnehmer, die in einer Anlage namentlich genannt sind, bis zum 20.01.2007 das
Angebot erhalten, zum 01.02.2007 das Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin zu beenden und
durch Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses ab dem 01.02.2007 in die Transfergesellschaft zu
wechseln. Arbeitnehmer, die weder das Angebot auf Wechsel in die Transfergesellschaft annehmen noch
einen Aufhebungsvertrag abschließen, würden betriebsbedingt unter Einhaltung der jeweils
maßgeblichen tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist gekündigt. Im
Interessenausgleich ist als Anlage 1 die Liste der Arbeitnehmer aufgeführt, die das Angebot zum Wechsel
erhalten bzw. denen bei Ablehnung des Angebots betriebsbedingt gekündigt werden soll. Weiter ist eine
Liste sämtlicher Arbeitnehmer beigefügt. Weiter findet sich auf Seite 2 letzter Satz des
Interessenausgleichs wörtlich:
"Die Rechte des Betriebsrates aus § 102 BetrVG bleiben unberührt".
Eine wortgleiche Formulierung findet sich auch in dem am 22.01.2007 von beiden Betriebspartnern
schriftlich unterzeichneten Sozialplan. Der Kläger wechselte nicht in die Transfergesellschaft. Mit
Schreiben vom 26.01.2007 an den Betriebsratsvorsitzenden Molitor teilte der Beklagte mit, dass ein Teil
der betroffenen Mitarbeiter nicht in die Transfergesellschaft gewechselt sei, es sei daher erforderlich,
betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Er begründete den Personalabbau und zwar unanhängig
davon, ob das Unternehmen dauerhaft durch einen Erwerber fortgeführt werden könne oder nicht. In dem
Schreiben führt er wörtlich aus:
"… Eine Alternative ist nicht ersichtlich. Die Alternative wäre die Stilllegung des gesamten Betriebes und
somit die Kündigung aller Arbeitsverhältnis. Das Verfahren nach § 102 BetrVG ist im Rahmen der
Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen abgeschlossen. Der Betriebsrat hat keine
Stellungnahme abgegeben. Wir wollen auf diesem Wege allerdings nochmals auf die Anhörung als
solche dokumentieren."
Nachfolgend beschreibt der Beklagte, welche Mitarbeiter nach dem derzeitigen Stand der Dinge nicht in
die Transfergesellschaft wechseln, so dass ihnen gegenüber betriebsbedingte Kündigungen
ausgesprochen werden sollen und bezeichnet hierin auch den Kläger. Weiter schreibt er am Ende:
"Es besteht die Möglichkeit, sich noch bis spätestens 31.01.2007 abschließend zu erklären."
Der Kläger hat geltend gemacht, aufgrund des erteilten Zeugnisses könne er unter Berücksichtigung
geringfügiger Einweisungszeiten von wenigen Stunden oder Tagen aufgrund seiner qualifizierten
Ausbildung jederzeit jeden anderen technischen Arbeitsplatz der Firma A. ausfüllen und zwar im Werk
und auch im Werk V. im XY-Bundesland. Er hat die dringenden betrieblichen Erfordernisse, die einer
Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen bestritten, fehlerhafte Sozialauswahl angesprochen und
geltend gemacht, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung des
Beklagten vom 29.01.2007 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer sei dem Interessenausgleich fest
verbunden als Bestandteil beigefügt gewesen. Er hat die betriebliche Notwendigkeit zur Entscheidung,
Arbeitsplätze abzubauen, durch umfangreichen Tatsachenvortrag untermauert und vorgetragen, durch
den verringerten Umsatz im Arbeitsbereich des Klägers seien dort mehrere Arbeitsplätze entfallen. Ein
anderweitiger gleichwertiger oder geringwertiger freier Arbeitsplatz sei nicht vorhanden. Die
Sozialauswahl sei zutreffend, im übrigen könne sie nur auf grobe Fehlerhaftigkeit hin untersucht werden.
Der Kläger sei nur eingeschränkt einsetzbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den
Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.05.2007 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte trage die
Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Eine Beweiserleichterung
des § 125 Abs. 1 Ziff. 1 InsO komme dem Beklagten nicht zugute, ein Interessenausgleich, in dem die
Arbeitnehmer, denen gekündigt werden sollen, namentlich bezeichnet sind, läge nicht vor. Zwar habe der
Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbart, dem auch Namenslisten beigefügt
werden, es handelte sich jedoch nicht um Namenslisten der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden solle.
In der Anlage 1 seien Arbeitnehmer namentlich benannt, die vom Arbeitsplatzabbau betroffen seien,
welche bis zum 20.01.2007 das Angebot erhielten, zum 01.02.2007 das Arbeitsverhältnis mit der Firma zu
beenden und durch Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses in die Transfergesellschaft zu
wechseln. Es handele sich also um eine Liste der Arbeitnehmer, denen das Angebot gemacht werden
solle, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, nicht aber um eine Liste der zu kündigenden
Arbeitnehmer.
Im übrigen lasse das Vorbringen des Beklagten zu dringenden betrieblichen Erfordernisse nicht ohne
weiteres erkennen, inwieweit der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Das Arbeitsgericht hat auch
festgestellt, dass eine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen sei, weil der Beklagte lediglich
Arbeitnehmer der Abteilung Werkzeugwartung einbezogen habe mit der Behauptung, der Kläger sei
grundsätzlich nur mit Mitarbeitern dieser Abteilung vergleichbar. Hierzu führt das Arbeitsgericht ebenfalls
aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 25.06.2007 zugestellt. Der Beklagte hat hiergegen am 11.07.2007
Berufung eingelegt und diese Berufung gleichzeitig begründet.
Er macht geltend, das Arbeitsgericht verkenne, dass der Interessenausgleich sehr wohl eine Namensliste
der Mitarbeiter enthalte, die betriebsbedingt gekündigt werden sollten. Der Interessenausgleich und der
Sozialplan seien vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen vereinbart und unterschrieben
worden. Die Anlage 1 enthalte alle Namen der Arbeitnehmer mit den entsprechenden Sozialdaten, die für
den Fall, dass sie Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft nicht annehmen, aus
betriebsbedingten Gründen gekündigt werden sollten. Es könne kein Unterschied zur Fallgestaltung
machen, dass einzelne in einer Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer, die betriebsbedingt gekündigt
werden sollten, einen Aufhebungsvertrag mit dem Insolvenzverwalter später abschließen. Bei einer
solchen Fallgestaltung bestehe kein Zweifel, dass die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Ziff. 1 InsO
greife. Vorliegend seien alle Arbeitnehmer, die vom Personalabbau betroffen worden seien, aufgelistet. Es
habe von vorneherein festgestanden, dass die Arbeitnehmer, die in die Transfergesellschaft wechseln
und deren Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages beendet werde, nicht
betriebsbedingt gekündigt würden. Andererseits sei klar geregelt, dass alle anderen Arbeitnehmer
betriebsbedingt gekündigt werden.
Da die Anlage 1 mit dem Interessenausgleich körperlich fest verbunden sei und daher eine einheitliche
Urkunde darstelle, werde vermutet, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliege, so dass der
Beklagte nur das Vorliegen der geplanten Betriebsänderung sowie die namentliche Bezeichnung des
Klägers im Interessenausgleich darzulegen und zu beweisen habe.
Im übrigen führt der Beklagte zur betriebsbedingten Notwendigkeit und zur Sozialauswahl umfangreich
aus.
Der Beklagte beantragt,
1. auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.05.2007 - 3 Ca 172/07 -
abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, rügt mangelnde Aktivlegitimation für das vorliegende
Prozessverfahren, weil nach vorliegender Kenntnis der Insolvenzbetrieb zwischenzeitlich an einen
holländischen Investor übertragen worden sei.
Im übrigen rügt der Kläger, dass der Beklagte im Laufe des Verfahrens verschiedene Namenslisten
vorgelegt habe, die mit den Namenslisten des Interessenausgleichs nicht identisch seien.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 18.10.2007 wurde ausführlich die Frage der
ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung erörtert. Der Beklagte hat erklärt, mit dem Betriebsrat habe er in
ständiger Kooperation gestanden und der Betriebsrat habe erklärt, dass er im Falle einer Kündigung des
Klägers keine Stellungnahme abgeben werde.
Diesen Vortrag hat der Kläger bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 18.10.2007.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
II.
Das arbeitsgerichtliche Urteil ist zumindest im Ergebnis richtig.
Allerdings folgt das Ergebnis nicht schon aus der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung, aus der
Namensliste, selbst wenn sie Bestandteil des Interessenausgleichs gewesen sein sollte, folgten keine
Darlegungs- bzw. Beweiserleichterung für den Beklagten, weil in der Namensliste nicht die zu
kündigenden Arbeitnehmer bezeichnet seien. Damit hat das Arbeitsgericht den Inhalt des
Interessenausgleichs fehlerhaft ausgelegt. In der Interessenausgleichsvereinbarung ist klar und deutlich
geregelt, dass die Namensliste diejenigen Arbeitnehmer bezeichnet, welche vom Arbeitsplatzabbau
betroffen sind, welche ein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft erhalten und welche, sofern
sie das Angebot nicht annehmen bzw. einen Aufhebungsvertrag schließen, eine betriebsbedingte
Kündigung enthalten sollen. Damit ist der Kreis der zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich festgelegt
ohne Rücksicht auf die Frage, ob den betreffenden Arbeitnehmern tatsächlich eine betriebsbedingte
Kündigung ausgesprochen wird.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist aber gleichwohl im Ergebnis richtig. Die Kündigung ist
unwirksam, weil der Beklagte den Betriebsrat nicht ausreichend angehört hat (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG).
Dies ergibt sich aus folgenden, kurz zusammengefassten Erwägungen:
Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit
Namensliste ist nach § 102 BetrVG eine Betriebsratsanhörung erforderlich. Weder aus Wortlaut noch aus
Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber beim Vorliegen
eines Interessenausgleichs mit Namensliste die Anwendung des § 102 BetrVG auch nur einschränken
wollte. Die gesetzlichen Regelungen dienen unterschiedlichen Zwecken. Die Aufstellung eines
Interessenausgleichs mit Namensliste dient mehr einem betrieblichen Gesamtkonzept, § 102 BetrVG stellt
auf eine Betrachtung des Einzelfalles ab. Vereinbaren die Betriebspartner einen Interessenausgleich mit
Namensliste, lässt dies nicht notwendigerweise darauf schließen, dass auch die Einzelbetrachtung jeder
Kündigung, die § 102 BetrVG sicher stellen soll, in ausreichender Weise stattgefunden hat (vgl. BAG Urt. v.
20.05.1999 - 2 AZR 148/99).
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, neben den Verhandlungen über den Interessenausgleich mit
Namensliste nach § 112 BetrVG auch den Betriebsrat zu den auszusprechenden Kündigungen nach §
102 BetrVG anzuhören, macht allerdings keine Verdoppelung des Beteiligungsverfahren notwendig. Es ist
vielmehr zulässig und meist sogar zweckmäßig, dass beide Verfahren zusammengefasst werden, damit
der Betriebsrat gleichzeitig mit dem Abschluss des Interessenausgleichs auch zu den beabsichtigten
Kündigungen Stellung nehmen kann. Die Möglichkeit, beide Verfahren miteinander zu verbinden,
bedeutet jedoch nicht, dass in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich mit
Namensliste zugleich die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG zu den auszusprechenden
Kündigungen zu sehen wäre. Die Einleitung des Anhörungsverfahrens unter Beachtung der in § 102 Abs.
1 BetrVG umschriebenen Erfordernisse ist Aufgabe des Arbeitgebers. Dabei ist es stets erforderlich, dass
der Arbeitgeber den Betriebsrat um die Stellungnahme zu einer konkreten Kündigungsabsicht ersucht.
Sollen deshalb Interessenausgleich und Betriebsratsanhörung miteinander verbunden werden, ist dies
schon bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen. Außerdem ist es dann zweckmäßig,
dass die Betriebspartner im Wortlaut des Interessenausgleichs zum Ausdruck bringen, mit der
Unterzeichnung des Interessenausgleichs solle auch das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG
hinsichtlich sämtlicher auszusprechender Kündigungen abgeschlossen sein. Bei Vorliegen eines
Interessenausgleichs mit Namensliste unterliegt die Betriebsratsanhörung nicht etwa erleichterten
Anforderungen. Sie muss vielmehr wie die Anhörung des Betriebsrates zu jeder anderen Kündigung den
von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zu § 102 BetrVG entsprechen (vgl. BAG Urt. v.
20.05.1999 - 2 AZR 532/98 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 "Namensliste").
Unter Anwendung dieser Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erweist sich die
Betriebsratsanhörung, deren Ordnungsgemäßheit der Kläger bestritten hat, als unwirksam. Wenn der
Kläger fehlerhafte Betriebsratsanhörung rügt, der Sachvortrag des Arbeitgebers ergibt, dass eine
ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates nicht vorliegt, ist Folge die Feststellung, dass die
Kündigung gemäß § 102 BetrVG rechtsunwirksam ist.
Zur Anhörung des Betriebsrates hat der Beklagte die vorliegenden Urkunden in Bezug genommen und
auf sein Schreiben vom 26.01.2007 Bezug genommen. Wenn in diesem Schreiben er die Auffassung
vertritt, das Anhörungsverfahren sei im Rahmen des Interessenausgleichs und Sozialplanverfahrens
abgeschlossen gewesen, stellt er hiermit lediglich eine Rechtsbehauptung auf, die nicht durch Tat-sachen
begründet ist.
Sowohl im Interessenausgleich als auch im Sozialplan ist die Formulierung enthalten, dass die Rechte
des Betriebsrates nach § 102 BetrVG unberührt bleiben. Dies ist genau das Gegenteil der Feststellung,
dass Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit der Anhörung des Betriebsrates zur
geplanten Kündigung verbunden worden sind und somit schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens
eine Klarstellung erfolgte, wonach die Verbindung dieser Verfahren beabsichtigt war.
Des Weiteren kann schon in dem Abschluss des Interessenausgleichs, der die Rechte des Betriebsrates
nach § 102 BetrVG ausdrücklich unberührt lässt, schon deswegen kein Beginn oder Abschluss eines
Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG gesehen werden, weil das Anhörungsverfahren durch den
Arbeitgeber zwingend voraussetzt, dass der Arbeitgeber bei Einleitung des Anhörungsverfahrens zum
Ausspruch der Kündigung entschlossen ist, der Kündigungswille also feststeht. Anhörungen auf Vorrat
sind nicht zulässig. Im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Interessenausgleichs stand nicht fest, dass dem
Kläger überhaupt betriebsbedingt gekündigt werden musste. Der Ausspruch der betriebsbedingten
Kündigung war vielmehr von einer weiteren Entwicklung abhängig, nämlich der Frage, ob der Kläger
freiwillig in die Transfergesellschaft wechselt und demgemäß mit dem Beklagten einen Aufhebungsvertrag
schließt oder nicht. Zum Zeitpunkt des 22.01.2007 stand also nicht verbindlich fest, dass der Beklagte das
Arbeitsverhältnis des Klägers kündigen wollte oder musste.
Zugunsten des Beklagten wird unterstellt, dass das Schreiben vom 26.01.2007 an den Betriebsrat die
Einleitung des Anhörungsverfahrens darstellt. In diesem Schreiben hat der Beklagte dem Betriebsrat
mitgeteilt, dass er nunmehr nachdem feststand, dass der Kläger nicht in die Transfergesellschaft wechselt,
das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger kündigen werde. Er hat den Kläger namentlich bezeichnet und hat
im übrigen die Gründe, die für die Kündigung sprechen, dem Betriebsrat mitgeteilt, er hat auch im
wesentlichen die Gründe, die zur Sozialauswahl führten, dargestellt und auf die Sozialdaten verwiesen,
die dem Betriebsrat angesichts der vorangegangenen Interessenausgleichs- und
Sozialplanverhandlungen allesamt bekannt waren. Selbst wenn durch dieses Schreiben eine Einleitung
des Anhörungsverfahrens gegenüber dem Betriebsrat gesehen werden kann, war das
Anhörungsverfahren noch nicht abgeschlossen, als der Beklagte die betriebsbedingte Kündigung
gegenüber dem Kläger abgesprochen hat, weil die 7-Tage-Frist des § 102 BetrVG zu diesem Zeitpunkt
noch nicht abgelaufen war.
Die dem gegenüber vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, der
Betriebsrat habe erklärt, im Falle der Kündigung des Klägers keine Stellungnahme abzugeben, ist nicht
durch nähere Tatsachen begründet. Insbesondere ist dieser Behauptung nicht zu entnehmen, dass eine
etwaige Erklärung des Betriebsrates nach dem 26.01.2007 erfolgt sein soll und vor dem Tag, als
gegenüber dem Kläger die Kündigung ausgesprochen wurde.
Das Ergebnis, dass eine nochmalige Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG zwingend
erforderlich war, wird insbesondere erhärtet durch den Umstand, dass wie zwischen den Parteien
unstreitig, zumindest ein Arbeitnehmer aus der Werkzeugabteilung in die Transfergesellschaft gewechselt
ist, der gar nicht in der Liste der zum Arbeitsplatzabbau anstehenden Arbeitnehmer aufgenommen worden
ist. Es liegt insbesondere nahe, dass sich dann möglicherweise die tatsächlichen Verhältnisse, die
Gegenstand des Interessenausgleichs gewesen waren, sich nach der Vereinbarung geändert haben und
möglicherweise eine Freistellung des Klägers gar nicht notwendig gewesen wäre.
Da nach allem nicht festgestellt werden kann, dass eine Betriebsratsanhörung im Sinne des § 102 BetrVG
entweder eingeleitet oder rechtzeitig abgeschlossen wurde, ist die vom Beklagten ausgesprochene
Kündigung allein aus diesem Grunde rechtsunwirksam.
Der vom Kläger gemachte Hinweis, der Beklagte sei nicht mehr befugt, gegen das Urteil Berufung
einzulegen, weil der Betrieb mittlerweile veräußert war, schlägt nicht durch. Gemäß § 325 ZPO tritt selbst
im Falle einer Betriebsveräußerung vor der mündlichen Verhandlung, die zweifelsfrei überhaupt nicht
festgestellt werden kann, eine Rechtsnachfolge ein. An der Parteistellung ändert sich nichts.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.