Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 28.10.2009
LArbG Mainz: einstellung der zahlungen, unterbrechung, datum, nachzahlung, zulage, arbeitsgericht, entstehung, quelle, zivildienst, fälligkeit
LAG
Mainz
28.10.2009
7 Sa 210/09
Kinderbezogener Entgeltbestandteil
Aktenzeichen:
7 Sa 210/09
4 Ca 11/09
ArbG Kaiserslautern
- AK Pirmasens -
Urteil vom 28.10.2009
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige
Kammern Pirmasens - vom 25.02.2009 - 4 Ca 11/09 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die
Klägerin 633,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 407,52
€ seit 13.02.2008 bis 21.05.2008 und aus 633,92 € seit dem 22.05.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 11/25 und die Beklagte 14/25.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um kinderbezogene Entgeltbestandteile des Bundesangestellten-Tarifvertrages (im
Folgenden: BAT).
Die Klägerin ist seit dem 16.02.1986 bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, beschäftigt. Sie hat
vier Kinder: Z, Y. X, W (geboren am 29.05.1988). Auf das Arbeitsverhältnis fand bis zum 30.09.2005 der
BAT und danach der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (im Folgenden: TVöD) Anwendung. Für das
Kind W bezog die Klägerin zumindest bis zum November 2007 durchgehend Kindergeld von der
Familienkasse Kaiserslautern.
Ab dem Monat Juni 2006 zahlt die Beklagte den kinderbezogenen Entgeltbestandteil des BAT für das
Kind W C. nicht mehr. Mit Schreiben vom 23.11.2007 (vgl. Bl. 4 f. d.A.) machte die Klägerin die Zahlung
dieses Vergütungsbestandteiles sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft geltend. Nachdem
die Beklagte nicht leistete hat die Klägerin die vorliegende Zahlungsklage beim Arbeitsgericht
Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - erhoben.
Die Klägerin hat unter anderem geltend gemacht,
sie habe - ausweislich der Bescheinigung über den Bezug von Kindergeld vom 13.11.2007 (vgl. Bl. 7 d.A.)
- für das Kind W durchgehend Kindergeld bezogen, so dass ihr nach § 11 Abs. 1 des Tarifvertrages zur
Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des
Übergangsrechts vom 13.09.2005 (im Folgenden: TVÜ-VKA) für die Monate Juni 2006 bis Juni 2008 die
monatliche Besitzstandszulage in Höhe von insgesamt 1.131,44 € zuzüglich Zinsen zustehe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.131,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz aus 905,04 € seit 13.02.2008 bis 21.05.2008 und aus 1.131,44 € brutto seit
22.05.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ausgeführt,
die Klägerin sei zwei Monate vor Wegfall der streitigen Zulage auf ihrer Gehaltsmitteilung für März 2006
durch einen Vermerk gebeten worden, Unterlagen zur Weitergewährung der Besitzstandszulage
vorzulegen. Diesen Hinweis habe sie unbeachtet gelassen. § 11 TVÜ-VKA stelle nicht auf die tatsächliche
Kindergeldbezugsberechtigung, sondern ausschließlich auf deren Nachweis ab.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat mit Urteil vom 25.02.2009 der
Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin
stünden die kinderbezogenen Entgeltbestandteile im Sinne des § 11 TVÜ-VKA zu, da unstreitig die
Klägerin kindergeldbezugsberechtigt gewesen sei und für sie auch keine Verpflichtung bestanden habe,
der Arbeitgeberin unverzüglich eine Änderung anzuzeigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 5 des Urteils
vom 25.02.2009 (= Bl. 40 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung, die ihr am 24.03.2009 zugestellt worden ist, am 09.04.2009
Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 22.06.2009 ihr Rechtsmittel
begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.06.2009 verlängert worden war.
Die Beklagte macht geltend,
§ 11 Abs. 1 TVÜ-VKA benenne die Tatbestände einer unschädlichen Unterbrechung für die Zahlung der
Besitzstandszulage abschließend. Dabei sei in diese Tatbestände der unterbliebene Nachweis
hinsichtlich der Bezugsberechtigung für die Zahlung von Kindergeld nicht aufgenommen worden. Darüber
hinaus habe die Klägerin auch, trotz entsprechender Aufforderung, nicht sofort Unterlagen zur
Weitergewährung der entsprechenden Zulage vorgelegt. § 11 TVÜ-VKA stelle aber gerade auf den
Nachweis der tatsächlichen Kindergeldbezugsberechtigung ab. Dieser schriftliche Nachweis sei durch die
Klägerin erst im November 2007 erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zahlung der
Besitzstandszulage bereits seit 1 ½ Jahren eingestellt gewesen sei. Der zunächst fehlende Nachweis der
Kindergeldberechtigung habe zum Wegfall des entsprechenden Anspruchs der Klägerin auf Dauer
geführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 25.02.2009,
Az.: 4 Ca 11/09 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung,
das Kind W sei zu keinem Zeitpunkt aus der Kindergeldberechtigung herausgefallen, so dass eine
Unterbrechung der Verpflichtung zur Zahlung der Besitzstandszulage zu keinem Zeitpunkt eingetreten sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom
13.07.2009 (vgl. Bl. 67 ff. d.A.) verwiesen.
Hinsichtlich aller weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und
insbesondere auf alle von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der
Sache jedoch nur teilweise begründet.
A.
(einschließlich) bis Juni 2006 eine Besitzstandszulage in Höhe von 633,92 € nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 407,52 € seit 13.02.2008 bis 21.05.2008 und aus 633,92
€ seit dem 22.05.2008 verlangt.
1.
sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 des auf das Arbeitsverhältnis unstreitig anwendbaren TVÜ-VKA. Diese
Tarifregelung lautet: Für im September 2005 zu berücksichtigende Kinder werden die kinderbezogenen
Entgeltbestandteile des BAT/BAT-O oder MTArb/MTArb-O in der für September 2005 zustehenden Höhe
als Besitzstandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem
Einkommenssteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ununterbrochen
gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder des § 4 BKGG
gezahlt würde.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im September 2005 unter anderen W C. als ein nach dieser
Regelung zu berücksichtigendes Kind. Für dieses Kind standen ihr die kinderbezogenen
Entgeltbestandteile des BAT für September zu, zumal sie zu diesem Zeitpunkt unstreitig Kindergeld
bezogen hat. Dementsprechend hat sie auch einen Anspruch auf Fortzahlung dieser kinderbezogenen
Entgeltbestandteile als Besitzstandszulage.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer den Nachweis über
den Bezug von Kindergeld für September 2005 erbracht hat, vielmehr ist allein maßgeblich, dass
tatsächlich Kindergeld im September 2005 bezogen worden ist. Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die
Entstehung eines Anspruchs auf die tarifliche Besitzstandszulage, also im September 2005 bestand auch
für die Beklagte - dies zeigen die monatlichen Zahlungen der Besitzstandszulage aus dieser Zeit - kein
Zweifel an der Anspruchsberechtigung der Klägerin.
An dieser Anspruchsberechtigung hat sich während der Zeit vom Mai 2007 bis Juni 2008 nichts geändert,
da die Klägerin auch während dieser Zeit wie sich aus der schriftlichen Bescheinigung der Familienkasse
vom 13.11.2007 (vgl. Bl. 7 d.A.) ergibt, durchgehend Kindergeldzahlungen für das Kind W bezogen hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten gehört zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 TVÜ-
VKA nicht die Vorlage der schriftlichen Kindergeldbezugsberechtigung innerhalb eines bestimmten
Zeitraumes. Dies ist dem Tarifwortlaut an keiner Stelle zu entnehmen.
Soweit die Nachzahlung der kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT von der Klägerin erst längere
zeit nach Einstellung der Zahlungen geltend gemacht worden ist, führt dies - wie unten näher ausgeführt -
zu einem Anspruchsverfall nach § 37 TVöD; darüber hinaus ändert aber die verspätete Vorlage einer
Kindergeldbezugsberechtigung oder die verspätete Geltendmachung des Anspruchs auf Leistung von
Besitzstandszulage nichts an der Entstehung des Anspruchsgrundes im Sinne von § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA.
Auch soweit die Beklagte darauf verweist, dass Unterbrechungen nur in bestimmten tariflich normierten
Fällen unschädlich seien, ergibt sich aus diesem Einwand nicht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf
Besitzstandszulage während der Zeit ab Mai 2007 mehr hatte. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-VKA sind
Unterbrechungen wegen der Ableistung von Grundwehrdienst, Zivildienst oder Wehrübungen sowie die
Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres unschädlich. Aus dem Zusammenhang
der Tarifregelung ergibt sich, dass mit diesen Unterbrechungen ausschließlich jene gemeint sind, die bei
der Zahlung von Kindergeld eintreten, nicht jedoch Unterbrechungen der Zahlung der Besitzstandszulage
selbst. Denn der zweite Halbsatz in § 11 Abs. 1 Satz 3 lautet: "… soweit die unschädliche Unterbrechung
bereits im Monat September 2005 vorliegt, wird die Besitzstandszulage ab dem Zeitpunkt des
Wiederauflebens der Kindergeldzahlung gewährt." Mithin haben die Tarifparteien unschädliche
Unterbrechungen der Kindergeldleistungen geregelt, bei deren Vorliegen die Besitzstandszulage weiter
zu gewähren ist. Allein die Einstellung der Zahlung der Besitzstandszulage vermag für sich genommen,
den Anspruch hierauf nicht zu vernichten; ansonsten hätte es jeder Arbeitgeber in der Hand durch
Nichtzahlung eine Anspruchsvernichtung herbeizuführen.
Mithin hat die Beklagte der Klägerin die Besitzstandszulage in Höhe von unstreitig monatlich 45,28 EUR
brutto für die Zeit von Mai 2007 bis Juni 2008, also für 14 Monate in Höhe von insgesamt 633,92 EUR
brutto nachzuzahlen.
2.
B.
vom Juni 2006 bis April 2007 nach § 37 Abs. 1 TVöD verfallen ist. Nach dieser Vorschrift verfallen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis dann, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs
Monaten nach Fälligkeit von der Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.
Vorliegend erfolgte die Geltendmachung einer Nachzahlung der Besitzstandszulage mit Schreiben des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23.11.2007; es ist davon auszugehen, dass dieses
Geltendmachungsschreiben der Beklagten spätestens am 27.11.2007 zugegangen ist, zumal unter
diesem Datum eine schriftliche Erwiderung auf die Geltendmachung erfolgte (vgl. Bl. 6 d.A.). Die von der
Klägerin geltend gemachten kindergeldbezogenen Entgeltbestandteile wurden nach § 11 Abs. 2 TVÜ-
VKA i. V. m. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD am letzten Tag des Monats für den laufenden Kalendermonat fällig.
Das Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 23.11.2007 vermochte somit letztmals für den Monat
Mai 2007 fristwahrende Wirkung zu entfalten, nicht mehr jedoch für den Monat April 2007 und die
davorliegende Zeit. Dementsprechend sind die von der Klägerin für diesen Zeitraum geltend gemachten
Ansprüche verfallen.
Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 92
Abs. 1 Satz 1 ZPO teilweise abzuändern.
Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem
gesetzlich begründeten Anlass.