Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 23.03.2011

LArbG Mainz: vergleich, zwangsgeld, bad, auflage, form, kopie, nichterfüllung, datum, arbeitsgericht, zwangsvollstreckung

LAG
Mainz
23.03.2011
3 Ta 251/10
Zeugnisanspruch und Zwangsvollstreckung
Aktenzeichen:
3 Ta 251/10
11 Ca 194/10
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Entscheidung vom 23.03.2011
Tenor:
Unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen und unter Aufhebung des (Teil-)Beschlusses des
Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13.09.2010 - 11 Ca 194/10 - wird
festgestellt, dass sich der Zwangsmittelantrag der Klägerin erledigt hat, soweit die Beklagte damit
angehalten werden sollte, der Klägerin ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen. Im Übrigen, d.h. soweit
die Beklagte angehalten werden sollte, der Klägerin ein Endzeugnis gemäß dem Entwurf der Klägerin im
Schreiben vom 11.03.2010 zu erteilen, wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Vollstreckungs- und Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2300,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Mit dem undatierten Schreiben (Bl. 9 d. A.= Anlage K 3) kündigte die Beklagte (Schuldnerin) der Klägerin
(Gläubigerin) zum 31.03.2010, hilfsweise zum nächsten rechtlich möglichen Zeitpunkt.
Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Im Rahmen der Güteverhandlung vom 30.03.2010
beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch den (nicht widerrufenen) Vergleich gemäß
Sitzungsniederschrift vom 30.03.2010 - 11 Ca 194/10 - (Bl. 15 ff. d. A.). Wegen aller Einzelheiten des
Vergleichs wird auf die zitierte Sitzungsniederschrift verwiesen. Dort heißt es u.a.:
"Vergleich:
Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis ….mit Ablauf des 31.05.2010 sein Ende
finden wird.
Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein ordentliches, qualifiziertes Zwischenzeugnis und bei
Ausscheiden der Klägerin Endzeugnis zu erteilen gemäß dem Entwurf der Klägerin im Schreiben vom
11.03.2010.
Die Klägerin ist berechtigt, einseitig vorzeitig mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche das
Arbeitsverhältnis zu lösen. In diesem Fall verpflichtet sich die Beklagte, noch nicht genommenen Urlaub
abzugelten.
….
…"
Die der Klägerin am 30.04.2010 erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 30.03.2010 - 11
Ca 194/10 - wurde der Beklagten (über den Prozessbevollmächtigten) am 17.06.2010 zugestellt.
Mit dem Schriftsatz vom 01.07.2010 (Bl. 22 f. d. A.) beantragte die Klägerin (soweit für das vorliegende
Beschwerdeverfahren von Interesse) gegen die Beklagte zur Erzwingung der im Vergleich niedergelegten
Verpflichtung gemäß Ziffer 2 (Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin bei Ausscheiden ein Endzeugnis
zu erteilen gemäß dem Entwurf der Klägerin im Schreiben vom 11.03.2010) ein Zwangsgeld, ersatzweise
Zwangshaft, festzusetzen (wegen der genauen Höhe der beantragten Zwangsmittel siehe Seite 2 des
Schriftsatzes vom 01.07.2010, Bl. 23 d. A.). Mit Schriftsatz vom 22.07.2010 (Bl. 27 f. d. A.) wies die
Beklagte u.a. darauf hin, dass am 09.07.2010 das für die Klägerin bestimmte ordentliche qualifizierte
Endzeugnis am 09.07.2010 nochmals zur Post gegeben worden sei. Unter Bezugnahme auf das
Schreiben vom 01.04.2010 (Bl. 29 f. d. A. = Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin) brachte
die Beklagte vor, dass sich die Parteien zwischenzeitlich auf eine geringfügige Modifizierung des
Zeugnisses geeinigt hätten. Mit Schriftsatz vom 06.09.2010 (Bl. 35 f. d. A.) wies die Klägerin darauf hin,
dass der Vortrag der Beklagten, das Endzeugnis sei bereits übersandt worden, eine reine
Schutzbehauptung darstelle, - der Klägerin sei lediglich ein Zwischenzeugnis erteilt worden.
Mit dem Teilbeschluss vom 13.09.2010 - 11 Ca 194/10 - (Bl. 41 ff. d. A.) setzte das Arbeitsgericht gegen
die Beklagte wegen Nichterfüllung der Ziffer 2 des Vergleichs vom 30.03.2010 (der Klägerin ein
ordentliches, qualfiziertes Endzeugnis zu erteilen gemäß dem Entwurf der Klägerin im Schreiben vom
11.03.2010) ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, ersatzweise Zwangshaft bis zu zwei Tagen fest.
Gegen den ihr am 21.09.2010 zugestellten Beschluss vom 13.09.2010 - 11 Ca 194/10 - legte die Beklagte
mit dem Schriftsatz vom 05.10.2010 am 05.10.2010
sofortige Beschwerde
damit,
dass die Beklagte mittlerweile ein Zeugnis erstellt habe, - zudem sei der abgeschlossenen Vergleichstext
in dieser Form nicht vollstreckungsfähig. Der Beschwerdeschrift war als Anlage u.a. beigefügt Kopie des
auf den 22.09.2010 datierten Arbeitszeugnisses (Bl. 64 d. A.).
Im Schriftsatz vom 18.10.2010 (Bl. 76 f. d. A.) bringt die Klägerin vor, dass das Zeugnis an vielerlei Fehlern
mangele und dass das Zeugnis nicht den vergleichsweise getroffenen Regelungen entspräche. Mit dem
Schriftsatz vom 02.11.2010 (Bl. 97 d. A.) legte die Klägerin u.a. vor:
das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 11.03.2010 mit dem darin enthaltenen Formulierungsvorschlag
für ein Zwischenzeugnis (s. Bl. 99 ff. d.A.)
sowie
die von der Beklagten unter den Daten 31.05.2010 und 22.09.2010 erteilten Arbeitszeugnisse (Bl. 102 f. d.
A.).
Mit dem Beschluss vom 12.11.2010 - 11 Ca 194/10 - (Ziffer 1 des Tenors) half das Arbeitsgericht der
sofortigen Beschwerde der Beklagten gegen den Teilbeschluss vom 13.09.2010 nicht ab und legte
insoweit die sofortige Beschwerde der Beklagten dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Zur
näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird in
entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des
Beschlusses vom 12.11.2010 - 11 Ca 194/10 - (Beschluss unter Ziffer I. = Bl. 111 ff. d. A.).
Im Anschluss an das gerichtliche Schreiben vom 02.12.2010 - 3 Ta 251/10 - konkretisiert die Klägerin ihr
Antragsbegehren wie folgt:
Gegen die Beklagte wird wegen Nichterfüllung der Ziffer 2 des Vergleichs vom 30.03.2010, der Klägerin
ein ordentliches, qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen gemäß dem Entwurf der Klägerin im Schreiben vom
11.03.2010 ein Zwangsgeld festgesetzt und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann,
Zwangshaft.
Der Klägerin ("dem Kläger") wird zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eine vollstreckbare Ausfertigung
des Festsetzungsbeschlusses gemäß Ziffer 1 erteilt.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen/abzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf: - die
Schriftsätze der Klägerin vom 16.12.2010 (Bl. 122 f. d.A.), vom 28.01.2011 (Bl. 166 f. d.A.) und vom
01.03.2011 (Bl. 216 f. d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10.01.2011 (Bl. 145 ff. d.A.), vom
14.02.2011 (Bl. 183 f. d.A.), vom 18.02.2011 (Bl. 189 d.A.), vom 25.02.2011 (Bl. 210 d.A.) und vom
17.03.2011 (Bl. 222 d.A.).
Mit Rücksicht auf das Schreiben der Beklagten vom 25.02.2011 (Bl. 218 d.A. nebst Anlage -
Arbeitszeugnis vom 31.05.2010, Bl. 219 d.A.)
erklärt
Zeugnisses für erledigt
und
beantragt,
der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Die Beklagte widerspricht der Erledigungserklärung der Klägerin.
Die Beklagte beantragt,
den (Teil-)Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 05.10.2011
aufzuheben.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt
verwiesen.
II. 1.
worden. Die hiernach zulässige Beschwerde hat zum Teil Erfolg, da sie teilweise begründet ist. Die
einseitige Erledigungserklärung der Klägerin ist nur teilweise begründet, - im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Zwangsvollstreckungsantrag ist nur insoweit begründet gewesen, als die Beklagte damit angehalten
werden sollte, der Klägerin überhaupt ein ordnungsgemäßes qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen.
2. a)
Zwangsmitteln dazu angehalten wird, dass die Beklagte der Klägerin "ein ordentliches, qualifiziertes
Endzeugnis… gemäß dem Entwurf der Klägerin im Schreiben vom 11.03.2010 erteilt". Ein derartiger
Anspruch, den die Klägerin vollstrecken wollte, ist allerdings im Vollstreckungstitel selbst nicht genügend
bestimmt festgelegt ("tituliert") worden. In Bezug auf dieses Vollstreckungsbegehren ist der
verfahrensgegenständliche Titel, also der Vergleich vom 30.03.2010 - 11 Ca 194/10 - dort Ziffer 2. (= Bl.
16 d. A.), zu unbestimmt. Es ist anerkanntes Recht, dass das, was der Schuldner (hier die Beklagte) zu
leisten hat, allein aus dem Titel erkennbar sein muss. Daher ist ein Titel zu unbestimmt, wenn die Leistung
nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke, insbesondere aus der Gerichtsakte, ermittelt werden kann (vgl.
Zöller/Stöber 27. Auflage ZPO § 704 Rz. 4 f. und § 794 Rz 14 a; Thomas/Putzo/Hüßtege, 31. Auflage, ZPO
§ 704 Vorbemerkung IV Rz. 16 und § 794 RZ 49; LAG Rheinland-Pfalz, 06.02.2007 - 5 Ta 14/07 -). Zwar
wird in der Ziffer 2 des Vergleichs vom 30.03.2010 - 11 Ca 194/10 - der Entwurf der Klägerin im Schreiben
vom 11.03.2010 erwähnt. Dieser Entwurf (s. Bl. 100 d. A.) bezieht sich jedoch nicht auf ein qualifiziertes
Zeugnis ("Endzeugnis") im Sinne des § 109 Abs. 1 und Abs. 2 GewO, sondern auf ein davon zu
unterscheidendes "Zwischenzeugnis", wie es im Vergleich vom 30.03.2010 unter Ziffer 2 - erster Teil des
dortigen Halbsatzes - genannt wird. Außerdem soll zwischenzeitlich außergerichtlich eine Modifikation
"ausgehandelt" worden sein (s. S. 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10.01.2011 unter Bezugnahme
auf das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 01.04.2010). Abgesehen davon - und dies ist hier
entscheidend - ist das Anwaltsschreiben vom 11.03.2010 (Bl. 99 f. d. A.) nicht als Anlage zum Bestandteil
des Titels, also der Sitzungsniederschrift vom 30.03.2010 - 11 Ca 194/10 -, gemacht worden. Der genaue
Inhalt des von der Beklagten der Klägerin zu erteilenden qualifizierten Zeugnisses ("Endzeugnis") lässt
sich jedenfalls ohne Hinzuziehung des Anwaltsschreibens der Klägerin vom 11.03.2010 nicht feststellen.
Ist das Ziel der Vollstreckung nicht unmittelbar aus dem Titel, sondern nur mit Hilfe von nicht aus dem Titel
erkennbaren Umständen bestimmbar, dann ist der Titel insoweit nicht vollstreckbar (vgl. OLG Koblenz
07.02.2002 - 3 W 44/02 -). Es ist den Vollstreckungsorganen grundsätzlich verwehrt, auf außerhalb des
Titels liegende Umstände zurückzugreifen (Musielak/Lackmann, 7. Auflage, ZPO, § 704, Rz. 6). Wegen
der insoweit gegebenen Unbestimmtheit des Vollstreckungstitels (Vergleich vom 30.03.2010) ist es der
Klägerin verwehrt, ihr Ziel, dass ihr die Beklagte ein "Endzeugnis…gemäß dem Entwurf der Klägerin im
Schreiben vom 11.03.2010" erteilt, im Vollstreckungsverfahren gemäß § 888 Abs. 1 ZPO durchzusetzen.
b)
ihr die Beklagte überhaupt ein ordnungsgemäßes qualifiziertes Zeugnis i.S.d. § 109 Abs. 1 GewO erteilt.
Die Auslegung von Vollstreckungsantrag und -begründung ergibt, dass die Klägerin (zumindest
hilfsweise) auch dieses Vollstreckungsbegehren verfolgt hat. Im Vollstreckungsverfahren kann geprüft
werden, ob ein erteiltes Zeugnis nach Form und Inhalt den Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes
Zeugnis zu stellen sind, genügt. Dies ist in Bezug auf die Zeugnisse, die die Beklagte der Klägerin vor
dem 01.03.2011 erteilt hat und die die Klägerin in Kopie ihrem Schriftsatz vom 27.10.2010 beigefügt hat,
nicht der Fall.
Hinsichtlich des auf den 31.05.2010 datierten Zeugnisses (Bl. 103 d.A.) ergibt sich dies (- ohne dass noch
auf weitere von der Klägerin gerügte Fehler einzugehen ist -) bereits daraus, dass dort ein Schreibfehler
enthalten ist ("dir" statt "die") und dass nicht alle Zeilenumbrüche fehlerfrei vorgenommen wurden.
Hinsichtlich des auf den 22.09.2010 datierten Zeugnisses ist eben dieses Datum ("22.09.2010" statt
"31.05.2010") sowie derselbe Schreibfehler ("dir" statt "die") zu beanstanden. Zu beanstanden ist auch,
dass sich das jeweilige Zeilenende teilweise im Text des Briefbogens befindet, - was die Lesbarkeit
unnötig erschwert.
Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie den
Zeugnisanspruch der Klägerin rechtzeitig und ordnungsgemäß vor dem 01.03.2011 erfüllt hat. Im Hinblick
auf die substantiiert bestreitende Einlassung der Klägerin hätte die Beklagte ihr diesbezügliches
Vorbringen noch weiter in eine Darstellung konkreter Einzelheiten zergliedern müssen. Daran hat es die
Beklagte fehlen lasse. Folglich erweist sich die Erledigterklärung der Klägerin teilweise als begründet und
dementsprechend die Beschwerde der Beklagten teilweise als unbegründet.
3.
Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.