Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 23.06.2006

LArbG Mainz: arbeitsgericht, hauptsache, gefahr, quelle, abweisung, bindungswirkung, abrechnung, datum, stufenklage

LAG
Mainz
23.06.2006
10 Ta 65/06
Hinreichende Erfolgsaussicht i. S. v. § 114 ZPO bei Streit der Parteien über die Zulässigkeit des
Rechtswegs
Aktenzeichen:
10 Ta 65/06
5 Ha 6/05
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Entscheidung vom 23.06.2006
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen -
Auswärtige Kammern Landau - vom 07.03.2006, AZ: 5 Ha 6/05, aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung über den PKH-Bewilligungsantrag des
Antragstellers zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller beabsichtigt die Erhebung einer Klage gegen den Antragsgegner auf Zahlung von
Schadensersatz sowie - im Wege einer Stufenklage - auf Abrechnung und Zahlung von Vergütungen nach
Maßgabe einer zwischen den Beteiligten am 20.08.2002 getroffenen "Kooperationsvereinbarung".
Der Antragsteller hat zunächst beim Landgericht Landau Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die von
ihm beabsichtigte Klage beantragt. Mit Beschluss vom 21.10.2005 hat das Landgericht Landau diesen
Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen
Gerichten sei nicht gegeben; vielmehr sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet, da
der Antragsteller als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen sei.
Daraufhin hat der Antragsteller sein PKH-Bewilligungsgesuch beim Arbeitsgericht unter Vorlage eines
Klageentwurfes vom 01.12.2005 sowie unter Hinweis auf die ablehnende Entscheidung des Landgerichts
eingereicht. Das Arbeitsgericht hat den PKH-Antrag mit Beschluss vom 07.03.2006 zurückgewiesen und
zur Begründung ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht gegeben, da der Kläger
weder als Arbeitnehmer noch als arbeitnehmerähnliche Person angesehen werden könne.
Gegen diesen, ihm am 14.03.2006 zugestellten Beschluss, richtet sich die vom Antragsteller am Dienstag
nach Ostern, dem 18.04.2006, eingereichte sofortige Beschwerde. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde
nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und vorliegend insgesamt zulässige sofortige Beschwerde
des Antragstellers ist begründet.
Die nach § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht
der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann vorliegend nicht mit der Begründung verneint werden, der
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht eröffnet. Dies ergibt sich vorliegend jedenfalls aus dem
Umstand, dass das PKH-Gesuch des Antragstellers bereits vom Landgericht Landau mit der Begründung,
das Arbeitsgericht sei in der Hauptsache zuständig, zurückgewiesen worden ist.
Zwar ist das Arbeitsgericht - auch im PKH-Verfahren - nicht an die Entscheidung des Landgerichts bzw. an
dessen Rechtsansicht bezüglich des Rechtsweges gebunden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das
Landgericht das Verfahren an das Arbeitsgericht verwiesen hätte, wobei allerdings eine Bindungswirkung
ausschließlich für das PKH-Verfahren, nicht hingegen auch für das sich u. U. anschließende
Hauptsacheverfahren eingetreten wäre (vgl. BAG, Beschluss v. 27.10.1992, AZ: 5 AS 5/92).
Gleichwohl ist die Entscheidung des Landgerichts bei der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der
beabsichtigten Klage zu berücksichtigen. Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO liegt
nämlich bereits dann vor, wenn der Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung
und der vorhandenen Unterlagen vertretbar erscheint (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, § 114 Rz. 19 m. w. N.). Es
genügt, wenn es aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich erscheint,
dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Die Anforderungen an die rechtlichen und
tatsächlichen Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden. § 114 ZPO verlangt keine
überwiegende, sondern lediglich eine "hinreichende" Erfolgsaussicht (vgl. Zöller/Philippi aaO.). Die
Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die
Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss v. 10.12.2001, AZ: 1 BvR 1803/97).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die hinreichende Erfolgsaussicht der vom Kläger
beabsichtigten Klage nicht mehr mit der Begründung verneint werden kann, der Rechtsweg zu den
Gerichten für Arbeitssachen sei nicht eröffnet. Die Rechtsansicht des Klägers bezüglich der Zulässigkeit
dieses Rechtsweges ist nämlich unter Berücksichtigung der den PKH-Antrag abweisenden Entscheidung
des Landgerichts Landau vom 21.10.2005 als jedenfalls vertretbar anzusehen, was bei der im Rahmen
des § 114 ZPO durchzuführenden summarischen Prüfung für die Bejahung einer hinreichenden
Erfolgsaussicht ausreicht. Darüber hinaus begegnet die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung
des Arbeitsgerichts nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Antragsteller würde in
Konsequenz dieser Entscheidung mit seinem Prozesskostenhilfegesuch bei den Gerichten beider
Rechtswege wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs scheitern, obwohl unzweifelhaft einer von beiden
Rechtswegen für das Hauptsacheverfahren gegeben ist. Dies widerspräche dem sich aus Art. 3 Abs. 1 GG
in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist,
ergebenden Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei
der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.12.2001, AZ: 1 BvR 1803/97, m- w.
N.). Es muss also ein Gericht geben, das dem Antragsteller, falls der Klage - abgesehen von der Frage
des zulässigen Rechtsweges - hinreichende Erfolgsaussicht zukommt, Prozesskostenhilfe gewährt (vgl.
auch BAG, Beschluss v. 27.10.1992, AZ: 5 AS 5/92). Dies entspricht im Übrigen auch der Regelung des §
17a Abs. 2 GVG, nach der im Falle der Unzulässigkeit des bestrittenen Rechtsweges eine Abweisung der
Klage als unzulässig nicht möglich ist. Zwar besteht im Streitfall die Gefahr, dass über das
Prozesskostenhilfegesuch das Gericht eines Rechtswegs entscheidet, dem das in der Hauptsache
entscheidende Gericht nicht angehört. Dieser Nachteil wiegt aber erheblich weniger schwer als der
Nachteil, der darin bestünde, dass der Antragsteller mit seinem Prozesskostenhilfegesuch bei den
Gerichten beider Gerichtsbarkeiten schon deshalb erfolglos bleibt, weil beide den Rechtsweg für
unzulässig halten (vgl. BAG, Beschluss v. 27.10.1992, AZ: 5 AS 5/92).
Aus alldem ergibt sich, dass es dem Arbeitsgericht verwehrt ist, das PKH-Gesuch des Antragstellers mit
der Begründung abzulehnen, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht gegeben.
Da sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts ausschließlich mit der Frage der Zulässigkeit des
Rechtswegs befasst, demzufolge konsequenterweise keinerlei Ausführungen zur hinreichenden
Erfolgsaussicht der Klage im Übrigen enthält, sowie in Ansehung des Umstandes, dass bislang keine
Prüfung der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen (diesbezüglich fehlt es - soweit ersichtlich - noch
an jeglichen Angaben seitens des Antragstellers) stattgefunden hat, macht das Beschwerdegericht von
der in § 572 Abs. 3 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Sache zur erneuten Entscheidung an das
Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Arbeitsgericht ist an die Rechtsauffassung des
Beschwerdegerichts, wonach eine Ablehnung des PKH-Gesuchs wegen Unzulässigkeit des bestrittenen
Rechtswegs nicht in Betracht kommt, gebunden. Falls das Arbeitsgericht die hinreichende Erfolgsaussicht
der beabsichtigten Klage auch unter allen anderen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten sowie
das Vorliegen der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen bejaht, so ist dem Antragsteller
Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Gelangt das Arbeitsgericht in dem sich u. U. anschließenden
Hauptsacheverfahren erneut zu dem Ergebnis, der bestrittene Rechtsweg sei unzulässig, so ist der
Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 GVG zu verweisen. Bejaht das Arbeitsgericht hingegen seine
Zuständigkeit, so ist § 17a Abs. 3 GVG zu beachten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.