Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 27.04.2006
LArbG Mainz: treu und glauben, quittung, ordentliche kündigung, arbeitsgericht, abrechnung, bargeld, beendigung, anfechtung, zeugnis, beweismittel
LAG
Mainz
27.04.2006
6 Sa 827/05
Ausgleichsquittung und Transparenzgebot
Aktenzeichen:
6 Sa 827/05
3 Ca 419/05
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 27.04.2006
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21. Juli 2005 - AZ: 3
Ca 419/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob durch das vom Kläger am 14.02.2005 unterschriebene Dokument (Bl. 41
d. A.) die Ansprüche erledigt sind, die der Kläger mit seiner Klage vom 17.02.2005, Gerichtseingang
21.02.2005, und der Klageerweiterung vom 27.05.2005 geltend gemacht hat.
Der Kläger war auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages für Leiharbeitnehmer ab 18.10.2004 bis
einschließlich 18.12.2004 bei der Beklagten beschäftigt, wobei das Arbeitsverhältnis durch eine
ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2004 innerhalb der Probezeit aufgekündigt worden ist.
Der Kläger hat seine Klage im Wesentlichen damit begründet,
dass für Oktober und November 2004 ein Guthaben aus dem geführten Arbeitszeitkonto von 6,25 und
10,13 Stunden offen stünde, welches mit 6,70 € brutto zu vergüten sei.
Außerdem habe er einen Anspruch auf Zahlung von Überstunden aus Oktober und November 2004 (18.
bis 29.10. - 18,75 und aus November 29,5 Stunden x 6,70 € x 25 %) von insgesamt 80,82 € brutto.
Außerdem seien für November 2004 noch acht Arbeitstage á 6 Stunden bei einem Bruttostundenlohn von
6,30 € deshalb zu vergüten, weil an diesen Tagen für den Kläger es keine Einsatzmöglichkeit gegeben
habe. Der Betrag mache weitere 302,40 € brutto aus.
Darüber hinaus habe die Beklagte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle vom 07. bis 17.12.2004 zu zahlen
und habe den Kläger an den anderen Arbeitstagen nicht eingesetzt. Der Zeitraum 01. bis 18.12.2004
umfasse 13 Arbeitstage, wovon die Beklagte neun nicht vergütet habe, so dass noch eine Restforderung
von 226,80 € brutto offen stünde, wobei die Beklagte von der Abrechnung Dezember 2004 unberechtigter
Weise einen Betrag von 30,56 € netto einbehalten habe, welcher ebenfalls gefordert werde.
Die Beklagte habe den sich aus der Abrechnung Dezember 2004 ergebenden Nettobetrag von 89,99 €
nicht ausbezahlt, wozu sie jedoch verpflichtet sei.
Die von der Beklagten herangezogene Ausgleichsquittung vom 14.02.2005 sei unwirksam, weil sie nicht
klarstelle, was der Inhalt sei, da drei Begriffe gleichwertig nebeneinander in der Überschrift stünden.
Auch, dass die Unterschriftenzeile erst nach einer allgemeinen Ausgleichsklausel vorhanden sei, habe
dem Kläger nicht ermöglicht, separat den Empfang, der in der Erklärung genannten Dokumente zu
bestätigen. Vielmehr habe er sich mit dem gesamten Inhalt einverstanden erklären müssen, auch wenn er
nur die Papiere habe in Empfang nehmen wollen.
Das Transparenzgebot der §§ 305, 307 BGB sei durch das Wort "damit" verletzt, weil nicht klar sei, womit
oder wodurch alle Ansprüche erloschen sein sollten. Eine missverständliche Formulierung gehe zulasten
des Verwenders, wobei es sich bei dem Schreiben um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des
§ 305 Abs. 1 BGB handele.
Der Kläger habe zudem bis 11:00 Uhr im Büro ab 9:00 Uhr warten müssen, bis ihm die entsprechenden
Dokumente vorgelegt worden seien. Er habe spätestens um 13:00 Uhr abfahren müssen, um zur
Spätschicht auf seiner neuen Arbeitsstelle einzutreffen, weswegen er unter Zeitnot gestanden habe. Auf
seine Forderung, ihm von den unterschriebenen Dokumenten Kopien zu machen, damit er sie von seiner
Rechtsanwältin prüfen lassen könne, sei er wieder aus dem Büro geschickt worden und ihm sei danach
ein verschlossener Umschlag übergeben worden und das Schreiben, welches mit
Abwicklungsvereinbarung/Bestätigung/Ausgleichsquittung überschrieben sei, zur Unterschrift vorgelegt
worden, wobei klar gemacht wurde, dass er ohne Unterzeichnung seine Unterlagen nicht erhalten werde.
Kopien habe er nicht erhalten, sich aber schließlich gezwungen gesehen, die vorbelegten Dokumente zu
unterzeichnen.
Mit Schreiben vom 18.03.2005, die der Beklagten spätestens am 24.03.2005 zugegangen sei, habe er die
Ausgleichsquittung angefochten.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn den sich aus 493,21 € brutto ergebenden Nettobetrag zuzüglich
Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2004 auszuzahlen und
abzurechnen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn den sich auf 226,80 € brutto ergebenden Nettobetrag und 30,56 €
netto jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
20.01.2005 auszuzahlen und abzurechnen.
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 89,99 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich gegen die Klage im Wesentlichen damit verteidigt,
dass der Kläger ordnungsgemäß abgerechnet worden sei und der Kläger eine Abwicklungsvereinbarung
am 14.02.2005 ohne eine Täuschungshandlung der Beklagten unterschrieben habe. Dabei übersehe der
am 14.02.2005 ohne eine Täuschungshandlung der Beklagten unterschrieben habe. Dabei übersehe der
Kläger die Regelungen, die im anwendbaren Tarifvertrag, Art. 3 des Arbeitsvertrages, geregelt seien.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 21.07.2005 die Klage insgesamt abgewiesen und dies im
Wesentlichen damit begründet, dass die vom Kläger am 14.02.2005 unterschriebene Erklärung alle
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zum Erlöschen gebracht hätte.
Der Kläger habe keinen Anfechtungsgrund, zumindest habe er keinen Beweis angetreten, der die
Möglichkeit der Durchführung einer Beweisaufnahme über die Tatsachenbehauptungen des Klägers
ermöglicht hätte.
Auch die über § 310 Abs. 4 BGB anwendbaren Vorschriften zur Überraschungsklausel,
Unklarheitenregelung und der Grundsätze der Inhaltskontrolle, § 305 c Abs. 1 und 2, 307 BGB führten zu
keiner Unwirksamkeit der Erklärung. Das unterschriebene Formular sei eine Abwicklungsvereinbarung,
Bestätigung als auch Ausgleichsquittung, weil der Kläger mit seiner Unterschrift den Erhalt der im
Schriftstück angekreuzten Unterlagen bestätigt habe, ebenso wie die Korrekturabrechnung für November
und Dezember und außerdem sei die Lohnrestnachzahlung November und Dezember 2004 bar an den
Kläger zur Auszahlung gekommen, so dass keine Unklarheit erkannt werden könne.
Wenn der Kläger, wie unter e) in dem Formular ausdrücklich aufgeführt, die Lohnrestezahlung erhalten
habe, so gebe es keine Bedenken, dass sich die Beklagte die Zahlung, sowie das Nichtbestehen weiterer
Vergütungsansprüche durch den Kläger bestätigen lässt. Das Schreiben sei übersichtlich aufgebaut und
ohne Schwierigkeit nachvollziehbar verständlich. Der Kläger, der um seine restlichen
Vergütungsansprüche gegenüber der Beklagten wusste, habe eindeutig auf die Abgeltung weiterer
Ansprüche durch Abwicklung entsprechender Buchstabenaufzählung im Schreiben verzichtet, wobei der
Inhalt seiner Willenserklärung klar verständlich gewesen sei.
Nach Zustellung des Urteils am 26.09.2005 ist Berufung am 11.10.2005 eingelegt und innerhalb
verlängerter Frist am 27.12.2005 im Wesentlichen damit begründet worden, dass das Arbeitsgericht zu
Unrecht von der Wirksamkeit der vom Kläger unterzeichneten Erklärung vom 14.02.2005 ausgegangen
sei, weil es nicht erkannt habe, dass es sich bei dem Schreiben vom 14.02.2005 um vorformulierte
Vertragsbedingungen handele, die den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffne.
Die Ausgleichsquittung, die in der Erklärung neben drei weiteren Regelungsgegenständen stecke, sei
bereits nach § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam, weil der Kläger lediglich bei der Beklagten vorgesprochen
hatte, um seine Arbeitspapiere am 14.02.2005 in Empfang zu nehmen. Das negative Schuldanerkenntnis,
das darin zu sehen sei, dass damit alle Ansprüche der Unterzeichner/in an die Firma C. GmbH abgegolten
sein sollen, stehe, ohne optisch abgesetzt oder sonst wie anders gestaltet zu sein, zwischen den Klauseln
zum Klageverzicht, mit dem der Kläger die Beendigung zum 18.12.2004 anerkenne.
Der Kläger, der als Beweismittel seine Einvernahme im Verfahren beantragt habe, sei unter zeitlichen
Druck gesetzt worden und habe, als ihm angedeutet wurde, ohne Unterzeichnung der Quittung werde er
seine Arbeitspapiere nicht erhalten, in der Annahme, er quittiere nur den Erhalt der Papiere, das
Dokument unterzeichnet.
Da der Bestand oder das Ende des Arbeitsverhältnisses unter den Parteien nie streitig gewesen sei, habe
der Kläger auch nicht damit rechnen müssen, mit seiner Erklärung noch Dinge zu regeln, die entweder
nicht geltend gemacht worden seien oder aber im Streit stünden. Insbesondere habe er nicht damit
rechnen müssen, im Hinblick auf die von ihm mehrfach schriftlich und mündlich angeforderten finanziellen
Ansprüche nunmehr einen Verzicht zu erklären.
Es liege auch in der Vermischung der Empfangsbestätigung der Arbeitspapiere mit einem Globalverzicht
auf sonstige Ansprüche ein Überraschungseffekt, der zur Unwirksamkeit der Erklärung führe.
Das Schreiben sei zudem mehrdeutig im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB weil nicht erkannt werden könne,
was mit dem Wort "damit", welches zur Abgeltung aller Ansprüche führen solle, tatsächlich gemeint sei.
Auch § 307 Abs. 1 und 2 BGB stünden entgegen, weil der Kläger entgegen dem Gebot von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligt werde, da er neben dem negativen Schulderkenntnis auch noch
einen Klageverzicht erkläre.
Darüber hinaus habe der Kläger auch seine Erklärung wirksam angefochten. Da der Kläger das
Dokument lediglich für eine Art Quittung bzw. Empfangsbekenntnis gehalten habe, liege schon keine
Willenserklärung des Klägers vor. Wenn man dennoch eine solche annehmen wolle, weiche der innere
Wille von dem tatsächlich erklärten ab, so dass eine Anfechtung wegen Irrtums möglich sei.
Der Kläger habe erst am 15.03.2005 in der Güteverhandlung erfahren, dass er eine Ausgleichsquittung
unterschrieben habe, die er auch wegen arglistiger Täuschung und Drohung angefochten habe.
Auch nach der Auffassung des Arbeitsgerichtes hätte dem Kläger der aus der Abrechnung Dezember
2004 sich ergebende Nettobetrag von 89,99 € ausgezahlt werden müssen, was nicht der Fall sei, da die
Beklagte lediglich eine Quittung über einen Betrag von 44,47 € netto, den Nettobetrag für November 2005,
vorlege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21. Juli 2005, Az.: 3 Ca 419/05, zugestellt am 26.
September 2005, wird abgeändert. Es wird nach den Schlussanträgen erster Instanz erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit,
dass dem Kläger, ungeachtet der Ausgleichsquittung, keine Ansprüche mehr zustünden, weil die Beklagte
das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung vollständig und korrekt abgerechnet habe und der sich aus den
Abrechnungen ergebende Nettolohn vollständig an den Kläger ausbezahlt worden sei, weil dem Kläger
über den Monatslohn auch die für Dezember errechneten 89,99 € netto gezahlt worden seien, was sich
aus der Quittung vom 14.02.2005 (Bl. 339 d. A.) ergebe.
Weitere Ansprüche seien im Übrigen aufgrund der Abwicklungsvereinbarung erloschen, weil diese
wirksam sei, weil Anfechtungsgründe für den Kläger nicht bestünden und auch eine Unwirksamkeit nach
§§ 305 ff. BGB ausscheide.
Wegen des weiteren Vorbringens wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die im Berufungsverfahren
zur Akte gereichten Schreiben nebst deren Anlagen ebenso Bezug genommen, wie auf den Tatbestand
des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist deshalb unbegründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht die Klage
insgesamt abgewiesen hat.
Dem Kläger stehen keine weitergehenden Ansprüche gegen die Beklagte mehr zu, weil die Erklärung, die
der Kläger am 14.02.2005 abgegeben hat, einem derartigen Begehren entgegenstehen, so dass auf die
Behauptung der Beklagten, alle geltend gemachten Ansprüche seien erfüllt, nicht einzugehen ist.
Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass das Schreiben, das eine Erklärung des Klägers
darstellt, sowohl eine Abwicklungsvereinbarung ist, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum
18.12.2004 festgestellt wird, eine Bestätigung im Sinne einer Quittung enthält, weil der Kläger den Erhalt
verschiedener Arbeitspapiere bestätigt und eine Ausgleichsquittung, weil der Kläger zugleich erklärt, dass
weitere Ansprüche gegen die Beklagte nicht mehr bestehen.
Die Berufungskammer geht davon aus, dass die §§ 305 ff. BGB anwendbar sind, weil es sich vorliegend
um eine allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB handelt, weil die Beklagte der
Behauptung des Klägers nicht dezidiert entgegengetreten ist, dass derartige Formulare von der Beklagten
in einer Reihe von Fällen verwendet werden, wofür auch spricht, dass es nicht anlässlich des
Vorsprechens des Klägers am 14.02.2005 eigens erstellt wurde, sondern als Leerformular der Beklagten
vorgehalten wird, da sowohl der Name des Klägers als auch die Daten und die einzelnen Markierungen
von Hand in das Formular eingesetzt worden sind.
Die Erklärung des Klägers ist auch unter Berücksichtigung der §§ 305 ff. BGB als wirksam zu erachten,
wobei sich das Hauptaugenmerk auf die in dem Schreiben enthaltene Ausgleichsquittung im vorletzten
Satz konzentriert. Vorab ist festzuhalten, dass, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist, die Erklärung
des Klägers eine Abwicklungsvereinbarung im Hinblick auf das bereits zum 18.12.2004 beendete
Arbeitsverhältnis der Parteien enthält und festgestellt wird, was auch dem insoweit übereinstimmenden
Willen der Parteien entsprochen hat, dass der Kläger mit dem Austritt zum 18.12.2004 einverstanden ist.
Ein möglicher darin steckender Verzicht des Klägers auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist
rechtlich deshalb irrrelevant und führt nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung, weil der Kläger hätte sich
innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung gegen die Kündigung im Klagewege wenden
müssen, so dass er durch diese Erklärung auf etwas verzichtet, das er nicht mehr wirksam hätte geltend
machen können.
Auch der Umstand, dass eine Bestätigung enthalten ist, führt nicht zur Unwirksamkeit der
Gesamterklärung, weil der Kläger tatsächlich neben den angekreuzten Papieren und Unterlagen auch
noch Bargeld erhalten hat und zwar auch die vom Kläger noch reklamierte Dezember-Abrechnung, weil
die Beklagte diesbezüglich eine Quittung vorgelegt hat, die den Erhalt der Restsumme für Dezember 2004
in Höhe von 89,99 € belegt. Der Kläger ist insoweit lediglich seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 368
Satz 1 BGB nachgekommen und hat ein schriftliches Empfangsbekenntnis, landläufig Quittung genannt,
erteilt.
Die Berufungskammer sieht keinen Grund, warum derartige Erklärungen, wenn sie insgesamt zutreffend
sind, nicht in einer Erklärung zusammengefasst abgegeben werden können, so dass allein dem Umstand,
dass drei Tatbestände umschrieben sind, die Wirksamkeit nicht tangieren kann.
Die weiter enthaltene Ausgleichsquittung ist nach den gegebenen Umständen, worunter auch das äußere
Erscheinungsbild des Schreibens zählt, nicht derart ungewöhnlich, dass der Kläger hätte nicht damit
rechnen müssen, dass also gerade kein Überraschungseffekt gegeben ist, wenn die Bestätigung des
Empfangs von Arbeitspapieren, der Erhalt von Bargeld, die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis
tatsächlich zum 18.12.2004 bereits beendet ist, mit der Erklärung des Klägers verbunden werden, dass
damit alle Ansprüche abgegolten sind. Angesichts des Wortlautes, der sehr übersichtlich und ohne
schwierige Begriffe zu verwenden formuliert ist, kann die Kammer nicht annehmen, dass die
Ausgleichsquittung versteckt in der Erklärung aufgenommen worden ist, zumal die Überschrift bereits von
einer Ausgleichsquittung spricht. Auch wenn der Satz, der mit dem Wort "damit sind" beginnt, nicht
drucktechnisch hervorgehoben ist, so ist doch der Gesamttext übersichtlich und nicht komplex. Auch wenn
nicht verkannt werden kann, dass grundsätzlich durch die Platzierung der Unterschriftzeile der
Arbeitnehmer genötigt wird, entweder die Ausgleichsquittung und damit alles zurückzuweisen oder den
Verzichtsteil in der Quittung durchstreichen zu müssen, womit die Initiativlast auf den Arbeitnehmer
verlagert wird, obwohl es eigentlich Sache des Arbeitgebers ist, den Arbeitnehmer darauf anzusprechen,
ob er auf mögliche Ansprüche verzichten will und dies möglicherweise auszuhandeln. Dennoch sieht die
Kammer diese formularmäßige Vertragsbestimmung deshalb nicht als unangemessen an, weil die
Belange des Klägers durch die Überlassung der korrigierten Lohnabrechnung für November/Dezember
2004 unter Ausbezahlung der jeweils sich daraus ergebenden Nettobeträge ausreichend berücksichtigt
worden sind. Eine Überrumpelung kann die Kammer ebenfalls nicht feststellen, sieht man die Schreiben
der Klägerseite an, die unter dem 30.12.2004 und 11.02.2005 von der Klägervertretung an die Beklagte
geschickt worden sind. Im Schreiben vom 30.12.2004 (Bl. 248 - 249 d. A.) stehen ausdrücklich offene
Gehaltsansprüche und ein Zeugnis im Vordergrund und nicht die Herausgabe von Arbeitspapieren, wie
im Berufungsverfahren behauptet wird. Im Schreiben vom 11.02.2005, in dem der Termin für den Kläger
für den 14.02.2005 angemeldet wird, sind auch die Gehaltsabrechnungen für Dezember 2004, der
Gehaltsscheck und das Zeugnis angesprochen, woraus sich ergibt, dass der Kläger gerade nicht nur
erschienen ist, um die Arbeitspapiere abzuholen, sondern was sich aus den beiden Schreiben eindeutig
ergibt, um sein ausstehendes Geld und die Abrechnung und das Zeugnis zu erhalten.
Deshalb konnte der Kläger auch nicht überrascht werden, dass ihm zusätzlich zu den Abrechnungen und
dem Bargeld noch weitere Arbeitspapiere ausgehändigt worden sind, zumindest in der Form, dass er nicht
auf den Erhalt von Geld eingestellt gewesen ist.
Mit dem Vorgehen der Beklagten ist zugleich auch der Vorwurf, es habe keine Kompensation auf Seiten
des Arbeitgebers für den Verzicht des Klägers auf sonstige Ansprüche gegeben, erledigt.
Die Wirksamkeit der Verzichtserklärung scheitert auch nicht an der Wortwahl, weil mit dem Wort "damit
sind alle Ansprüche abgegolten" nicht unklar ist, weil sich dieses "damit" auf alle vorstehenden
Erklärungen bezieht, nämlich die Empfangsbestätigung und Abwicklungsvereinbarung und zwar nach
entsprechender tatsächlicher Erledigung bzw. Erfüllung. Die Ausführung der Klägerseite im Schreiben
vom 27.12.2005 unter 5) mögen grammatikalisch insgesamt vertretbar sein, werden aber dem Wortlaut
des Satzes nicht gerecht, weil sich dieses "damit" auf alles davor stehende bezieht, was dem normalen
Sprachgebrauch auch insoweit entspricht, den der Kläger und die Beklagte pflegen dürften.
Dem Kläger steht auch kein Anfechtungsrecht zu, weil er die Unterschrift ohne das Schriftstück zu lesen,
gesetzt hat. Wer sich keine Vorstellungen macht, wie der Kläger bei seiner Unterschrift und seinem
eigenen Einlassen, kann sich auch nicht irren, so dass eine Anfechtung wegen Irrtums schon nach
eigenem Bekunden ausscheidet.
Eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB scheitert auch im Berufungsverfahren daran, dass der Kläger
keine tauglichen Beweismittel angeboten hat, sondern nur sich als Partei hierzu vernehmen lassen will,
was jedoch deshalb nicht zulässig ist, weil dies bei einem 4-Augen-Gespräch wie im vorliegenden Fall die
Parteieinvernahme auch gegen den Willen der Gegenseite oder als Zeuge zulässig ist, wenn der einzige
Zeuge der Gegenseite gehört wurde, um wieder eine offene Beweislage herzustellen. Es ist nicht
ausreichend, dass der Kläger allein sich als Partei zur Einvernahme anbietet. Die Gesprächspartnerin des
Klägers, Frau X, ist Angestellte der Beklagten, also Zeugin, und hätte vom Kläger vorrangig als
Beweismittel für seine Behauptungen angeboten werden müssen.
Es kommt deshalb nicht darauf an, dass es an einem Tatsachenvortrag des Klägers fehlt, was er getan
hätte, wenn er aus seiner Sicht nicht genötigt worden wäre und ob dann, wenn die Erklärung vom
14.02.2005 unwirksam sein sollte, sich die fehlende Stellungnahme des Klägers auf die eingehende
Darlegung der Beklagten, dass nämlich der Kläger mit den überreichten Abrechnungen tatsächlich alle
Leistungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis erhalten hat, als Nichtbestreiten auswirkt. Die Kosten hat
der Kläger als die unterlegene Partei zu tragen, für den die Berufungskammer die Revision an das
Bundesarbeitsgericht deshalb zugelassen hat, weil es die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG
als erfüllt ansieht.