Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 05.11.2004

LArbG Mainz: arbeitsgericht, vergleich, rechtskraft, unverzüglich, lückenfüllung, auflage, unterzeichnung, eigenhändig, quelle, zustellung

LAG
Mainz
05.11.2004
11 Ta 168/04
Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens
Aktenzeichen:
11 Ta 168/04
3 Ca 479/04
ArbG Ludwigshafen
Verkündet am: 05.11.2004
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.06.2004
- 3 Ca 479/04 – abgeändert:
Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin YY mit Wirkung ab
25.05.2004 bewilligt.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat von dem Beklagen, der Student ist und bei ihr geringfügig beschäftigt war,
Schadensersatz wegen eines vom Beklagten verursachten Autounfalls in Höhe von 2.148,21 € verlangt.
Erstmals im Kammertermin am 25.05.2004 hat der anwaltlich vertretene Beklagte, dem die Klageschrift
der anwaltlich vertretenen Klägerin – soweit ersichtlich - ohne Belehrung nach § 11 a ArbGG zugestellt
worden war, einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe "angekündigt".
Das Arbeitsgericht hat ihm daraufhin unter Fristsetzung bis zum 27.05.2004, "aufgegeben, unverzüglich
einen Prozesskostenhilfeantrag mit entsprechenden Belegen zur Gerichtsakte zu reichen".
Nach Antragstellung und Erörterung der Sach- und Rechtslage haben die Parteien schließlich auf
Vorschlag des Gerichts einen für die Beklagtenseite bis zum 07.06.2004 widerruflichen Vergleich
geschlossen.
Am 27.05.2004 ging durch Einwurf in den Nachtbriefkasten ein schriftlicher Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe nebst beigefügter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
und verschiedenen Belegen beim Arbeitsgericht ein. Unter der handschriftlich ausgefüllten Erklärung über
die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, der die notwendigen Beläge beigefügt waren, fehlte
die Unterschrift des Beklagten.
Nach Rechtskraft des Vergleichs wies das Arbeitsgericht am 14.06.2004 den Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zurück. Der gegen diesen am 25.06.2004 zugestellten Beschluss gerichteten
sofortigen Beschwerde vom 08.07.2004, mit der der Beklagte eine unterschriebene Erklärung über seine
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt hat, hat es mit Beschluss vom 12.07.2004 nicht
abgeholfen.
II.
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht
eingelegt worden und damit insgesamt zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das
Arbeitsgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil nicht rechtzeitig eine
vom Antragsteller unterschriebene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
vorgelegen habe.
1.
Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf
Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei
summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht, was
vorliegend zu bejahen war, und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt.
Für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse schreibt § 117 Abs.
4 ZPO die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor, nach § 117 Abs. 2 ZPO müssen alle Angaben durch
Vorlage entsprechender Belege glaubhaft gemacht werden. Eine Frist für das PKH-Gesuch sieht das
Gesetz zwar nicht vor, jedoch muss es bis zum Abschluss der Instanz oder des Verfahrens beim
zuständigen Gericht eingehen, denn sonst bietet die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung keine Aussicht
auf Erfolg mehr (Zöller-Philippi ZPO § 117 Rn 2a). Ist der PKH-Antrag vor Ende der Instanz oder des
Verfahrens gestellt, werden die Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
und/oder die entsprechenden Belege gemäß § 117 Abs. 2 ZPO aber erst nach Instanz- oder
Verfahrensbeendigung eingereicht, kann Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr bewilligt werden.
Entsprechendes wird im Allgemeinen gelten, wenn der PKH-Vordruck und/oder die Unterlagen erst nach
Instanz- oder Verfahrensbeendigung vervollständigt werden. Eine PKH-Bewilligung ist hingegen auch
dann noch für die Instanz möglich, wenn zwischen Abschluss des Prozessvergleichs und Ablauf der
Widerrufsfrist ein vollständiges PKH-Gesuch bei Gericht eingeht (vgl. LAG Hamm 03.09.2003 - 4 TA
245/03 - juris Rz. 10 f.). Vollständig ist die PKH-Antragstellung, wenn sie § 117 Abs. 2 ZPO entspricht. Es
muss also die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen
Vordruck abgegeben werden und es müssen alle "entsprechenden Belege" eingereicht sein.
Grundsätzlich ist der Vordruck vollständig auszufüllen, eine Lückenfüllung durch andere Erklärungen und
Belege kann nur in engem Rahmen hingenommen werden, insbesondere um zu verhindern, dass bloße
Unbeholfenheit dem Antragsteller zum Nachteil gereicht. Die eigenhändige Unterzeichnung des
Vordrucks ist grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung der Antragstellung (LAG Hamm 08.11.2001 - 4 Ta
708/01- juris Rz. 10 f.; Kalthünner/Büttner/Wrovel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 2. Auflage
1999 S. 44 Rz. 131 ff.). Allerdings darf nach Eingang eines PKH-Gesuchs das Arbeitsgericht nicht bis zur
Instanzbeendigung zuwarten und dann den PKH-Antrag wegen Unvollständigkeit des Vordrucks und/oder
der Unterlagen zurückweisen. Das Arbeitsgericht muss den Antragsteller zwar nicht unverzüglich (§ 121
Abs. 1 BGB), wohl aber so rechtzeitig unter Fristsetzung auf die Mängel des PKH-Gesuchs hinweisen,
dass diese noch vor der (möglichen) Instanzbeendigung behoben werden können (LAG Hamm
08.11.2001 aaO Rz. 15; LAG Thüringen 17.11.2002 – 8 Ta 119/02 - juris).
2.
Von diesen Grundsätzen ausgehend war dem Beklagten Prozesskostenhilfe zu bewilligen:
Das Verfahren war mit Eingang der Erklärung der Klägerin, den Vergleich nicht widerrufen zu wollen, am
07.06.2004 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt lag eine Erklärung des Beklagten nebst Belegen vor; es
fehlte jedoch die nach dem oben Ausgeführten erforderliche Unterschrift des Beklagten. Dies geht aber
nicht zu seinen Lasten. Denn das Arbeitsgericht hätte ihn vor Eintritt der Rechtskraft des Vergleichs darauf
hinweisen müssen, dass unter dem vom Kläger offensichtlich eigenhändig ausgefüllten Antragsbogen
dessen Unterschrift fehlte, um ihm Gelegenheit zu geben, diese noch rechtzeitig vor dem möglichen
Abschluss des Verfahrens nachzuholen. Dies gilt selbst dann, wenn man entgegen der vorstehend
dargestellten Auffassung annehmen wollte, das Gericht sei grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus
auf die Vervollständigung einer in wesentlichen Punkten unvollständigen Erklärung hinzuweisen, da der
Vordruck hinreichend deutlich mache, welche Angaben gefordert würden und dass entsprechende
Belege beizufügen sind (vgl. dazu BFH 22.01.2002 - VII B 177/00 -) Denn einerseits handelt es sich bei
der fehlenden Unterschrift um ein typisches Versehen, das vorkommen kann und auf das ebenso
hinzuweisen ist wie etwa auf das Fehlen einer Anlage zu einer Klageschrift. Hinzu kommt vorliegend die
hinzuweisen ist wie etwa auf das Fehlen einer Anlage zu einer Klageschrift. Hinzu kommt vorliegend die
besonders kurze Fristsetzung, die Flüchtigkeitsfehler provoziert und derer es im Hinblick auf die Dauer der
Widerufsfrist nicht bedurft hätte, sowie der Umstand, dass es an einem frühzeitigen Hinweis - mit
Zustellung der Klageschrift - auf die Regelung in § 11 a ArbGG gefehlt hat, die im Zweifel eine
frühzeitigere Antragstellung nach §§ 114, 121ZPO gefördert hätte.
Auf die Beschwerde war somit dem Beklagten, nachdem die Erfolgssaussicht der Rechtsverteidigung zu
bejahen und sich aus der zu berücksichtigenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse ergibt, dass er die Kosten für die Prozessführung auch nicht ratenweise aufbringen kann,
Prozesskostenhilfe in vollem Umfang unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.