Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 30.03.2006
LArbG Mainz: ordentliche kündigung, arbeitsgericht, abmahnung, interessenabwägung, stadt, überwiegendes interesse, fahrzeug, urlaub, baustelle, betriebsrat
LAG
Mainz
30.03.2006
11 Sa 892/05
Verhaltensbedingte Kündigung und Interessenabwägung
Aktenzeichen:
11 Sa 892/05
10 Ca 354/05
ArbG Mainz
Entscheidung vom 30.03.2006
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31.08.2005 (Az.: 10 Ca
354/05) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der
Beklagten vom 27.01.2005 zum 31.07.2005.
Der Kläger (geb. am 01.01.1957, verheiratet, zwei Kinder im Alter von 12 und 14 Jahren) ist seit dem
12.06.1989 im Betrieb der Beklagten als Tiefbaufacharbeiter zu einem Stundenlohn von € 14,78 brutto mit
einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden tätig. Die Beklagte beschäftigt ca. 250 Arbeitnehmer. Es
besteht ein Betriebsrat.
Der Kläger wohnt in A-Stadt und hat keinen Führerschein. Seit September 2004 wurde er auf einer
auswärtigen Baustelle in Frankfurt am Main (Waldstadion) eingesetzt. Die Bauarbeiter sammelten sich
morgens um 5:30 Uhr oder 6:00 Uhr auf dem Bauhof der Beklagten in C-Stadt. Von dort wurden sie mit
einem Firmenfahrzeug zur Baustelle befördert. In der Vergangenheit wurde der Kläger von seinem
Arbeitskollegen Dieter W, der ebenfalls in A-Stadt wohnt, von dort nach C-Stadt und zurück in dessen
Fahrzeug mitgenommen. Diese Mitfahrgelegenheit bestand für den Kläger ab dem 06.10.2004 nicht mehr.
Der erste Zug von A-Stadt nach C-Stadt fährt um 4:51 Uhr ab und trifft um 5:55 Uhr in C-Stadt ein. Der
Fußweg vom Bahnhof C-Stadt zum Bauhof der Beklagten dauert ca. 20 Minuten.
Am 06.10.2004 erschien der Kläger, der sich um 5:30 Uhr an der Sammelstelle in hätte einfinden sollen,
nicht zur Arbeit. Die Beklagte erteilte ihm deshalb unter dem 06.10.2004 eine Abmahnung.
Am Mittwoch, dem 12.01.2005, erschien der Kläger erneut nicht zur Arbeit. Er meldete sich telefonisch bei
dem Mitarbeiter V und teilte mit, das Fahrzeug seines Bekannten, der ihn nunmehr jeden Morgen zum
Bauhof bringe, sei defekt. Am nächsten Tag meldete der Leiter der Baustelle in Frankfurt dem Disponen-
ten der Beklagten Andreas U um 7:30 Uhr, dass der Kläger erneut nicht erschienen sei. Der Kläger teilte
später telefonisch mit, er sei bereits um 5:30 Uhr auf dem Bauhof gewesen und habe bis 6:00 Uhr
vergeblich auf den Firmenbus gewartet. Von dort sei er zur Tankstelle gelaufen. Auch dort habe er seine
Arbeitskollegen nicht angetroffen. In der Annahme, man habe ihn vergessen, sei er zum Bahnhof gelaufen
und mit dem nächsten Zug nach A-Stadt zurückgefahren.
Mit Schreiben vom 26.01.2005 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung des
Arbeitsverhältnisses an. Die Kündigungsgründe wurden zusätzlich mündlich erläutert. Der Betriebsrat
stimmte noch gleichtägig der beabsichtigten Kündigung zu.
Der Kläger hat vorgetragen, die Abmahnung vom 06.10.2004 sei nicht gerechtfertigt. Ihm sei erst am
05.10.2004 gegen 16:00 Uhr erklärt worden, dass er am nächsten Tag um 5:30 Uhr auf dem Bauhof
erscheinen müsse. Dies sei ihm jedoch am 06.10.2005 mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich
gewesen. Deshalb habe er am 06.10.2004 um 8:26 Uhr den Disponenten der Beklagten angerufen und
einen Tag Urlaub beantragt. Das habe Herr U akzeptiert.
Am 12.01.2005 sei das Fahrzeug des Freundes, der ihn nach C-Stadt habe bringen wollen, nicht
angesprungen. Dies habe er um 6:40 Uhr Zeugen U telefonisch mitgeteilt, der ihm erklärt habe, dass dies
in Ordnung gehe.
Am 13.01.2005 sei er bereits gegen 5:20 Uhr auf dem Bauhof eingetroffen und habe bis 6:00 Uhr auf den
Firmenbus gewartet. Weil niemand gekommen sei, habe er angenommen, dass man ihn vergessen habe.
Er sei deshalb nach Hause gefahren. Um 8:18 Uhr habe er den Disponenten angerufen. Der habe ihm
erklärt, die Abfahrtszeit sei jetzt um 6:00 Uhr. Die Änderung der Abfahrtszeit sei ihm vorher nicht bekannt
gegeben worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der
Beklagten vom 27.01.2005 aufgelöst worden ist;
2. im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen
Bedingungen als Fachwerker weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil der Kläger trotz einschlägiger
Abmahnung zweimal unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen sei. Der Kläger hätte am 12.01.2005 zur
Arbeit erscheinen müssen. Selbst bei einer Verspätung hätte er noch für andere Arbeiten eingeteilt oder
von anderen Fahrern zur Baustelle gebracht werden können. Am 13.01.2005 habe sich der Kläger erst
gegen 9.00 Uhr telefonisch gemeldet. Seine Arbeitskollegen seien pünktlich um 6.00 Uhr auf dem Bauhof
gewesen, um nach Frankfurt zu fahren. Weil sie den Kläger nicht am Bauhof angetroffen hätten, seien sie
noch an der Tankstelle vorbeigefahren. Auch dort habe der Kläger nicht gewartet. Selbst wenn aber die
Arbeitskollegen den Kläger "vergessen" hätten, habe er nicht einfach nach Hause fahren dürfen, sondern
hätte sich auf dem Bauhof melden müssen. Er hätte möglicherweise mit einem anderen Fahrzeug
mitfahren können; andernfalls wäre er mit Sicherheit auf dem Bauhof beschäftigt worden.
Das Arbeitsgericht hat gemäß Beschluss vom 17.08.2005 Beweis darüber erhoben, ob der Disponent der
Beklagten dem Kläger für den 06.10.2004 Urlaub bewilligt hat, durch Vernehmung des Disponenten
Andreas U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift
vom 31.08.2005 (Bl. 76 ff. d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz wird auf den Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften
verwiesen.
Mit Urteil vom 31.08.2005, das der Beklagten gemäß dem Empfangsbekenntnis des
Beklagtenprozessbevollmächtigten (Bl. 94 d.A.) am 18.11.2005, richtig ist aber: 18.10.2005, das das
Empfangsbekenntnis laut Gerichtsstempel bereits am 21.10.2005 beim Arbeitsgericht zurückgekommen
ist, zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt
begründet: Der Kläger habe zwar seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch verletzt, dass er am
begründet: Der Kläger habe zwar seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch verletzt, dass er am
12.01.2005 und am 13.01.2005 nicht gearbeitet habe. Der Kündigung sei auch eine erfolglose
Abmahnung vom 06.10.2004 wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung vorausgegangen. Auch die
Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe, die der Kläger für sein Fehlen am 06.10.2004 sowie am
12.01.2005 und am 13.01.2005 vorgetragen habe, könnten ihn nicht entlasten. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe vielmehr zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Disponent Andreas U dem
Kläger für den 06.10.2004 keinen Urlaub gewährt habe. Der Umstand, dass der Kläger mit öffentlichen
Verkehrsmitteln erst um 5:51 am Bahnhof in C-Stadt hätte eintreffen können, entschuldige allenfalls eine
Verspätung, nicht jedoch sein Fehlen für die Dauer eines ganzen Arbeitstages. Die schriftliche
Abmahnung vom 06.10.2004 sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme daher gerechtfertigt gewesen.
Entsprechendes gelte für den 12.01.2005. Schließlich habe der Kläger auch am 13.01.2005 ganztägig
unentschuldigt gefehlt. Dessen Vorbringen für diesen Tag sei nicht überzeugend, sondern so unglaubhaft,
dass es nur als Schutzbehauptung gewertet werden könne.
Die festgestellten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten genügten aber unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen nach Auffassung der Kammer ausnahmsweise nicht zur Rechtfertigung der
streitgegenständlichen Kündigung
Hiergegen richtet sich die am 08.11.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung der
Beklagten, die mit einem am 09.01.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet
wurde, nachdem mit Beschluss vom 13.12.2005 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.01.2006
verlängert worden ist.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt im Wesentlichen vor, das
Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger trotz einschlägiger Abmahnung wiederholt
seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe und die von diesem vorgebrachten Rechtfertigungs- und
Entschuldigungsgründe nicht überzeugten. Das Erstgericht habe aber nach der Abwägung der
beiderseitigen Interessen der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Das Arbeitsgericht habe seine aus § 139 ZPO folgenden Pflichten dadurch verletzt, dass es sie – die
Beklagte – nicht darauf hingewiesen habe, dass die Kammer trotz der zu ihren Gunsten ausgefallenen
Beweisaufnahme davon ausgehen könnte, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Das
Arbeitsgericht hätte ihr daher nochmals Gelegenheit geben müssen, zur Interessenabwägung Stellung zu
nehmen.
Darüber hinaus habe das Erstgericht die Interessenabwägung nicht unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles vorgenommen, insbesondere habe es die Schwere der Pflichtverletzungen
des Klägers verkannt, weil es nicht berücksichtigt habe, dass der Kläger nicht nur zu spät gekommen,
sondern einfach nach Hause gefahren sei.
Zudem sei sie davon überzeugt, dass sich der Kläger von einer (weiteren) Abmahnung nicht hätte
beeindrucken lassen. Dies zeige sich bereits daran, dass dieser kurz nach der Abmahnung vom
06.10.2004 zwei volle Tage unentschuldigt gefehlt habe. Dafür spreche auch, dass die Entschuldigungen
des Klägers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme völlig aus der Luft gegriffen seien.
Zugunsten des Klägers könne auch nicht berücksichtigt werden, dass er erst seit dem Ausscheiden des
Arbeitnehmers, er ihn bisher mitgenommen habe, Schwierigkeiten gehabt habe, nach C-Stadt zu
gelangen. Der Kläger habe stets Vorsorge dafür treffen müssen, dass dieser Arbeitnehmer etwa wegen
Urlaub oder Krankheit ausfalle. Zudem sei der betreffende Mitarbeiter bereits seit dem 06.10.2004 nicht
mehr bei ihr beschäftigt, so dass der Kläger nach der Abmahnung genügend Zeit gehabt habe, seine
Fahrt zum Bauhof zu organisieren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31.08.2005 – Az.: 10 Ca 354/05 – aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Ausführungen in der Berufungsbegründung rechtfertigten keine Änderung des
angegriffenen Urteils. Entgegen der Meinung der Beklagten sei auch die Interessenabwägung des
Erstgerichts nicht zu beanstanden. Die Beklagte übersehe bei ihrer Argumentation, dass er bereits seit
1989 bis zur Abmahnung am 06.10.2004 beanstandungsfrei gearbeitet habe.
Zudem habe die Beklagte zu der Situation, die zum Ausspruch der Abmahnung geführt habe, selbst
beigetragen, indem sie ihn - den Kläger - im Oktober 2004 ohne Einhaltung einer Ankündigungsfrist vor
vollendete Tatsachen gestellt habe und die bis dahin jahrelang geübte Praxis der Beförderung zum
Arbeitsplatz bzw. zum Bauhof der Beklagten abrupt eingestellt habe. Im Übrigen habe er die Abmahnung
sehr wohl zum Anlass genommen, sein Verhalten zu ändern. Immerhin sei es ihm über einen Zeitraum
von mehr als drei Monaten gelungen, jeweils pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Darüber hinaus beruhten
die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu seinem angeblichen Fehlverhalten am 12. und 13.01.2005
jedenfalls teilweise auf Vermutungen, so dass daraus aus seiner Sicht bereits nicht mit der erforderlichen
Sicherheit auf eine schuldhafte Pflichtverletzung geschlossen werden könne.
Der Umstand, dass am 12.01.2005 das Fahrzeug seines „Fahrers“ ausgefallen sei, könne ihm nicht
angelastet werden, zumal er die Beklagte hiervon frühzeitig in Kenntnis gesetzt habe. Es gebe auch
keinen Anlass dafür, seinen Vortrag für den 13.01.2005 als bloße Schutzbehauptung anzusehen.
Schließlich sei die streitgegenständliche Kündigung auch wegen der nicht ordnungsgemäßen
Betriebsratsanhörung unwirksam. Der Inhalt des Anhörungsschreibens vom 26.01.2005 habe den
Betriebsrat nicht in die Lage versetzt, sich ein abschließendes Bild von der Berechtigung der
beabsichtigten Kündigung zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes der zweiten Instanz wird auf den Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist
gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 511 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie
begründet worden.
B. Die zulässige Berufung ist in der Sache aber nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien ist nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.01.2005 zum 31.07.2005
aufgelöst worden. Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
I. Entgegen der Meinung des Klägers erweist sich das erstinstanzliche Urteil nicht bereits wegen eines
Verfahrensverstoßes als rechtsunwirksam, insbesondere hat das Arbeitsgericht nicht gegen seine
Hinweispflichten gemäß § 139 ZPO verstoßen.
Soweit die Beklagte meint, das Erstgericht habe seine diesbezüglichen Pflichten dadurch verletzt, dass es
sie – die Beklagte – nicht darauf hingewiesen habe, dass die Kammer trotz der zu ihren Gunsten
ausgefallenen Beweisaufnahme davon ausgehen könnte, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt,
insbesondere hätte das Arbeitsgericht ihr daher nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zur
Interessenabwägung geben müssen, vermag dies nicht zu überzeugen.
Nach § 139 Abs. 1 ZPO hat das Gericht das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den
Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu
wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären,
insbesondere ungenügende Angaben zu geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel
bezeichnen und sachdienlichen Anträge stellen. Auf einen Gesichtspunkt, den eine Parteien erkennbar
übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung
betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung
dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide
Parteien (§ 139 Abs. 2 ZPO). Darüber hinaus hat das Gericht auf die Bedenken aufmerksam zu machen,
die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen (§ 139 Abs. 3 ZPO). Die
Verletzung der Prozessleitungspflicht nach § 139 Abs. 1 bis 3 ZPO stellt einen Verfahrensfehler dar. Ist der
erforderliche Hinweis nicht dokumentiert, muss von dessen Nichterteilung ausgegangen werden.
Nach dieser Gesetzlage war das Arbeitsgericht nach Überzeugung der Kammer nicht verpflichtet, den von
der Beklagten vermissten Hinweis und eine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Kriterien der
Interessenabwägung zu geben.
1. Den anwaltlich vertretenen Parteien, insbesondere der durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht
vertretenen Beklagten, musste bekannt sein, dass das Gericht auch bei einer – hier vorliegenden -
ordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen stets eine Interessenabwägung vorzunehmen
hat und es daher eines entsprechenden Vortrags der Parteien bedarf.
Damit hatten die Parteien auch hierzu bereits im Rahmen des im Gütetermin vom 09.03.2005 ergangenen
Auflagenbeschlusses vorzutragen. Die Beklagte hat dies im Übrigen in ihren erstinstanzlichen
Schriftsätzen auch getan.
Allein der Umstand, dass das Arbeitsgericht im Kammertermin sodann Beweis über die Berechtigung der
Abmahnung vom 06.10.2004 erhoben hat, ändert an dieser Rechtslage nichts. Zwar mag es im Hinblick
darauf, dass Beweis grundsätzlich nur über entscheidungserhebliche Tatsachen zu erheben ist,
nachvollziehbar sein, dass die Beklagte aus dem Umstand der Beweiserhebung für sich geschlossen hat,
dass die Kammer im Falle eines zu ihren Gunsten ausfallenden Beweisergebnisses auch unter
Berücksichtigung der Interessenabwägung zu einer Klageabweisung kommen würde. Zwingend ist dies
indes bereits deswegen nicht, weil erst nach Durchführung der streitigen Kammerverhandlung die
Endberatung der Kammer erfolgt und erst in dieser alle rechtlich erheblichen Umstände des Streitfalles
abschließend bewertet werden und es zu einer Urteilsfindung kommt. Zudem musste die Beklagte bereits
zuvor zu den Kriterien der Interessenabwägung vortragen und dies auch getan hat. Der Gewährung einer
(weiteren) Stellungnahme bedurfte es daher nicht. Die Verfahrensrüge geht mithin bereits aus diesem
Grunde ins Leere.
2. Lediglich ergänzend weist die Kammer daher darauf hin, dass ein Urteil wegen eines Verstoßes gegen
§ 139 ZPO nur dann aufzuheben ist, wenn es auf diesem Verfahrensfehler beruht (§§ 513 Abs. 1, 546
ZPO).
Damit das Rechtsmittelgericht indes die Kausalität einer Verletzung der Prozessleitungspflicht prüfen
kann, muss in der Rechtsmittelbegründung angegeben werden, was auf einen entsprechenden Hinweis
hin vorgetragen worden wäre (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO; zur Revision BGH NJW-RR 1988, 208; 1998,
1268/70). Auch hieran fehlt es im vorliegenden Falle. Die Beklagte hat weder im Zusammenhang mit der
von ihr erhobenen Verfahrensrüge, noch in ihrem Übrigen Berufungsvorbringen Umstände vorgetragen,
die das angefochtene Urteil im Ergebnis als rechtsfehlerhaft erscheinen lassen.
II. Das Arbeitsgericht gelangt auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche
Kündigung der Beklagten rechtsunwirksam ist, weil sie im Hinblick auf die vorzunehmende
Interessenabwägung sozial nicht gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Ein die Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigender Grund nach § 1 Abs. 2
KSchG liegt zwar grundsätzlich dann vor, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten
eine Vertragspflicht - schuldhaft - verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, eine
zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des
Vertragsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien billigenswert und angemessen
erscheint.
1. Vorliegend hat der Kläger auch nach Überzeugung der Berufungskammer seine arbeitsvertraglichen
Pflichten in nicht unerheblicher Weise dadurch verletzt, dass er am 12.01.2005 und am 13.01.2005 nicht
gearbeitet hat. Der Kündigung ist auch eine berechtigte, wenn auch erfolglose, Abmahnung vom
06.10.2004 wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung vorausgegangen.
Der Arbeitnehmer verletzt durch nicht pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz seine Arbeitspflicht.
Wiederholtes unentschuldigtes Fehlen und wiederholte Verspätungen des Arbeitnehmers sind daher
nach vorheriger Abmahnung grundsätzlich dazu geeignet, eine ordentliche Kündigung aus
verhaltensbedingten Gründen sozial zu rechtfertigen. Beruht eine Verspätung allerdings auf
unvorhersehbaren Ereignissen (z.B. auf Naturereignissen), so liegt keine Pflichtwidrigkeit vor. Beruhen die
Verspätungen auf einem vorwerfbaren Verhalten des Arbeitnehmers, so sind im Rahmen der
Interessenabwägung insbesondere die Ursachen (z.B. familiäre Verpflichtungen), die Häufigkeit und
Dauer der Verspätungen sowie die unbelastete Dauer des Arbeitsverhältnisses) zu berücksichtigen (vgl.
KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rz. 444, m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich auch die erkennende Kammer anschließt,
muss der Arbeitgeber jedenfalls bei einem unentschuldigten Fehlen des Arbeitnehmers für die Dauer
eines ganzen Arbeitstages regelmäßig nicht im Einzelnen Betriebsablaufsstörungen in Folge des
unentschuldigten Fehlens des Arbeitnehmers und der nicht bzw. nicht rechtzeitig erfolgten
Benachrichtigung konkret darlegen. Solche Betriebsablaufsstörungen sind mit einem derartigen
Fehlverhalten des Arbeitnehmers üblicherweise verbunden. Würden bei einem unentschuldigten Fehlen
des Arbeitnehmers, das zudem ohne rechtzeitige Benachrichtigung des Arbeitgebers erfolgt, solche
Betriebsablaufsstörungen ausnahmsweise nicht auftreten, wäre der Arbeitnehmer in der fraglichen Zeit
eigentlich überflüssig und sein Einsatz für den Arbeitgeber nicht von Nutzen, was regelmäßig nicht
angenommen werden kann (BAG Urteil vom 27.02.1997 - 2 AZR 302/96 - AP KSchG 1969 § 1
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 36).
a) Die Berufungskammer folgt, trotz des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz, auch den
nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, wonach die vom Kläger
jedenfalls für sein Fehlen am 06.10.2004 sowie am 12.01.2005vorgebrachten Rechtfertigungs- oder
Entschuldigungsgründe, diesen nicht zu entlasten vermögen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht vielmehr auch zur Überzeugung der Berufungskammer
fest, dass der Disponent Andreas U dem Kläger für den 06.10.2004 keinen Urlaub gewährt hat. Vielmehr
hat der Zeuge U anlässlich seiner Vernehmung bekundet, dass ihn der Kläger am 06.10.2004 erst gegen
8:30 Uhr angerufen und ihm mitgeteilt hat, er habe keine Möglichkeit gefunden, um nach C-Stadt zu
kommen. Daraufhin habe er – der Disponent - dem Kläger gerade keinen Urlaub bewilligt, sondern ihm
mitgeteilt, dass sein Verhalten nicht korrekt sei und der Kläger unentschuldigt fehle. Er habe dem Kläger
außerdem erklärt, dass er schon vorher hätte anrufen müssen, da man ihn dann auf einer anderen
Baustelle hätte einsetzen können. Nach dem Telefongespräch habe er sich an den Personalleiter
gewandt und diesen gebeten, den Kläger abzumahnen.
Die schriftliche Abmahnung vom 06.10.2004 war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerechtfertigt.
Der Kläger fehlte am 06.10.2004 unentschuldigt. Zu Recht geht das Arbeitsgericht auch davon aus, dass
der Umstand, dass der Kläger mit öffentlichen Verkehrsmitteln erst nach 5.50 Uhr am Bahnhof in C-Stadt
hätte eintreffen können, allenfalls ein um wenige Minuten verspätetes Erscheinen im Betrieb, nicht jedoch
ein Fehlen für die Dauer eines ganzen Arbeitstages gerechtfertigt hätte.
Das gleiche gilt für den 12.01.2005. An diesem Tag ist der Kläger – unstreitig - ebenfalls für die Dauer
eines ganzen Arbeitstages nicht erschienen, weil das Fahrzeug seines Freundes, der ihn von A-Stadt
nach C-Stadt bringen wollte, angeblich nicht angesprungen ist. Auch dieses Entlastungsvorbringen hätte,
wenn überhaupt, nur eine verspätete Arbeitsaufnahme, nicht jedoch ein ganztägiges Fehlen entschuldigt.
b) Der Kläger hat schließlich auch am 13.01.2005 ganztägig unentschuldigt gefehlt. Dabei kann
dahinstehen, ob – wofür auch nach Auffassung der Berufungskammer einiges spricht - dessen Vorbringen
so unglaubhaft ist, dass es nur als Schutzbehauptung gewertet werden kann.
Für diese Annahme spricht jedenfalls, dass der Kläger bereits nicht dargetan hat, wie er denn so früh nach
C-Stadt gelangt ist. Auch die Berufungskammer geht daher zugunsten der Beklagten von einer
Schutzbehauptung aus.
Zu Recht führt das Arbeitsgericht auch aus, dass selbst dann, wenn die Behauptung des Klägers zuträfe,
dieser nicht einfach nach Hause fahren durfte, sondern gehalten gewesen wäre, sich an den Disponenten
zu wenden, um der Beklagten einen anderen Einsatz zu ermöglichen.
Nach alledem hat der Kläger trotz einschlägiger Abmahnung seine Vertragspflichten schuldhaft verletzt,
weil er am 12.01.2005 und am 13.01.2005 unentschuldigt ganztägig gefehlt hat. Es liegen mithin – wovon
das Arbeitsgericht zu Recht ausgeht – Umstände vor, die grundsätzlich geeignet sind, eine ordentliche
Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial zu rechtfertigen.
2. Um den jeweiligen Besonderheit des Einzelfalles gerecht zu werden, erfordert die Beurteilung der
Sozialwidrigkeit auch bei einer verhaltensbedingten ordentliche Kündigung stets eine umfassende
Interessenabwägung (KR/Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rz. 210, 409 ff., jeweils m.w.N.).
Die Interessenabwägung muss alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, die für und
gegen eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz sprechen, und
vollständig und widerspruchsfrei sein.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die von dem Arbeitsgericht letztlich zugunsten des Klägers
vorgenommene Interessenabwägung weder inhaltlich noch im Ergebnis zu beanstanden.
a) Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die festgestellten und grundsätzlich zur sozialen
Rechtfertigung einer ordentliche Kündigung geeigneten und abgemahnten Vertragspflichtverletzungen
bei der stets vorzunehmenden Abwägung der Interessen des Klägers am Bestand des
Arbeitsverhältnisses und derjenigen der Beklagten an dessen Beendigung ausnahmsweise nicht
ausreichen, um die streitgegenständliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.
Der Beklagten sei zuzugeben, dass es Sache des Arbeitnehmers sei, seinen Weg zur Arbeit so
organisiert, dass er pünktlich erscheint. Gerade von einem einschlägig abgemahnten Arbeitnehmer könne
erwarten, dass er in einem erhöhten Maße Vorsorge dafür treffe.
Zugunsten des Klägers sei jedoch zu berücksichtigen, dass dieser offenbar erst seit dem Ausscheiden des
Arbeitnehmers W, der ihn bis dahin nach C-Stadt mitgenommen habe, Schwierigkeiten gehabt habe, von
seinem Wohnort A-Stadt zum Bauhof der Beklagten nach C-Stadt zu gelangen.
Darüber hinaus seien auch die Sozialdaten des Klägers sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass
mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen sei, dass dieser langjährig beanstandungsfrei
gearbeitet habe. Zudem sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seines Lebensalters als
Tiefbaufacharbeiter auf dem Arbeitsmarkt voraussichtlich erhebliche Schwierigkeiten haben werde, eine
neue Arbeitsstelle zu bekommen. Der Beklagten sei daher zuzumuten, dem Kläger noch eine letzte
Chance zu geben, sein Verhalten in Zukunft zu ändern. Angesichts der Gesamtumstände hätte der
Beklagten das mildere Mittel einer zweiten Abmahnung zur Verfügung gestanden, um den Kläger zu
einem vertragsgerechten Verhalten zu veranlassen.
b) Diese vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist auch nach Überzeugung der
Berufungskammer auch bei Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Beklagten weder inhaltlich
noch im Ergebnis zu beanstanden.
Soweit die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe die Interessenabwägung nicht unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles vorgenommen und insbesondere die Schwere der Pflichtverletzungen
des Klägers verkannt, trifft dies nicht zu.
Das Arbeitsgericht hat vielmehr – wie oben im Einzelnen dargelegt - sorgfältig und eingehend, die dem
Kläger vorzuwerfende Vertragspflichtverletzungen festgestellt und deren Schwere keineswegs verkannt.
Insbesondere hat das Arbeitsgericht auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur zu spät gekommen,
sondern einfach nach Hause gefahren ist, obwohl er sich in ihrem Betrieb hätte melden müssen und dort
zur Arbeit hätte eingeteilt werden können.Überdies hat es dessen Vorbringen zum Ablauf des 13.01.2005
als Schutzbehauptung bewertet. Allein der Umstand, dass es diese Erwägungen im Rahmen der
Interessenabwägung nicht noch einmal im Einzelnen wiederholt hat, rechtfertigt nicht die Annahme, das
Arbeitsgericht habe diese Umstände bei der Interessenabwägung nicht (mehr) berücksichtigt. Im
Gegenteil: das Arbeitsgericht hat im Rahmen seiner Interessenabwägung ausdrücklich auf die
festgestellten Gesamtumstände verwiesen und diese auch beachtet. Das Arbeitsgericht hat daher auch
nicht verkannt, dass der Kläger seinen Weg zur Arbeit so organisieren musste, dass er zu dieser pünktlich
erscheint. In diesem Zusammenhang hat das Arbeitsgericht vielmehr – im Tatsächlichen zutreffend –
lediglich festgestellt, dass der Kläger offenbar erst nach dem Wegfall der Mitnahmemöglichkeit durch den
Mitarbeiter W auffällig geworden ist.
Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass der Kläger nach der Abmahnung genügend Zeit hatte, um seine
Fahrt zum Bauhof zu organisieren, ist auch dies zutreffend. Indes hat der Kläger dies offensichtlich
(zunächst) auch getan, da er über mehr als drei Monate jeweils pünktlich erschienen ist.
Darüber hinaus sind zugunsten des Klägers – auch davon geht das Arbeitsgericht zu Recht aus - dessen
Sozialdaten zu beachten. Der Kläger war bei Klageerhebung 48 Jahre alt, verheiratet und zwei
minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Darüber hinaus ist mangels gegenteiliger
Anhaltspunkte davon auszugehen sei, dass der Kläger bis zur Abmahnung vom 06.10.2004 mehr als 15
Jahre bei der Beklagten beanstandungsfrei gearbeitet hat und aufgrund seines Lebensalters als
Tiefbaufacharbeiter auf dem Arbeitsmarkt voraussichtlich erhebliche Schwierigkeiten haben wird, eine
neue Arbeitsstelle zu finden.
Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles gelangt auch die Berufungskammer zu der
Überzeugung, dass es der Beklagten zuzumuten ist, dem Kläger noch eine letzte Chance zu geben, sein
Verhalten in Zukunft zu ändern. Angesichts der Gesamtumstände hätte der Beklagten das mildere Mittel
einer zweiten Abmahnung zur Verfügung gestanden, um den Kläger zu einem vertragsgerechten
Verhalten zu veranlassen.
Soweit die Beklagten meint, der Kläger hätte sich auch von einer weiteren Abmahnung nicht
beeindrucken lassen, stellt dies eine bloße Einschätzung der Beklagten dar.
Nach alledem war die Interessenabwägung im vorliegenden Fall noch ein letztes Mal zu Gunsten des
Klägers vorzunehmen. Dieser wird sich aber vergegenwärtigen müssen, dass er durch sein pflichtwidriges
und abgemahntes Verhalten bereits jetzt das Arbeitsverhältnis so schwer belastet hat, dass die
streitgegenständliche Kündigung nur deswegen nicht sozial gerechtfertigt war, weil die vorzunehmende
Interessenabwägung ausnahmsweise noch einmal zu seinen Gunsten ausgefallen ist.
III. Das Arbeitsgericht hat zu Recht auch festgestellt, dass der Kläger während der Dauer des Rechtsstreits
auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fachwerker hat.
Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 27.02.1985
(GS 1/ 84 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen
arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der ordentlichen
Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die
Kündigung unwirksam ist und überwiegende schützenswerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen
Beschäftigung nicht entgegenstehen.
Da der Kläger ein die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 27.01.2005 feststellendes Urteil
erstritten hat, vermag die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein schutzwertes Interesse
der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers nicht zu begründen. Hinzukommen müssen dann
vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des
Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Solche Umstände hat die Beklagte nicht
vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
V. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§ 72 ArbGG) war die Zulassung der Revision nicht
veranlasst.