Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2007

LArbG Mainz: arbeitsgericht, unnötige kosten, vergütung, kündigung, klageerweiterung, vergleich, archivierung, bewilligungsverfahren, datenbank, mehrheit

LAG
Mainz
19.12.2007
9 Ta 270/07
Festsetzung der PKH-Vergütung
Aktenzeichen:
9 Ta 270/07
3 Ca 481/07
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 19.12.2007
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des
Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 02.08.2007, AZ: 3 Ca 481/07 sowie 3 Ca 598/07, teilweise
abgeändert:
Die dem Rechtsanwalt der Klägerin aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung gemäß § 55 RVG wird
für das Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein, AZ: 3 Ca 481/07 auf 568,08 EUR und für das
Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein, AZ: 3 Ca 598/07 auf 904,40 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Mit ihrer Klage im Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein, AZ 3 Ca 481/07 hat die Klägerin die
Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit einer durchschnittlichen
wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden als Angestellte, Erfassungskraft für Krankenakten in einer
Datenbank, sowie deren Archivierung, in Teilzeit unter Berücksichtigung der Stellenbeschreibung der
Beklagten vom 04.12.1998 im Krankenhaus in der Straße, L, zu beschäftigen und die Beklagte zu
verpflichten, ihrer Beschäftigung die Vergütungsgruppe nach BAT/VKA-Angestellte, Gruppe 8, Stufe 11,
zugrunde zu legen. In dieser Sache hatte das Arbeitsgericht Termin zur Güteverhandlung bestimmt auf
den 27.03.2007. Der Klägerin wurde mit Beschluss vom 11.05.2007 rückwirkend zum 13.04.2007 unter
Beiordnung des Beschwerdeführers Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. Der
Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wurde für dieses Verfahren auf 2.888,00 EUR festgesetzt.
Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2007 kündigte, erhob
die Klägerin am 27.03.2007 im Verfahren Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein, AZ: 3 Ca 598/07
Kündigungsschutzklage, beantragte für den Fall des Obsiegens ihre Beschäftigung als Erfassungskraft für
Krankenakten und deren Archivierung in Teilzeit mit 19,25 Stunden sowie die Erteilung eines
Zwischenzeugnisses. In dieser Sache wurde Gütetermin auf den 13.04.2007 bestimmt. Die Klägerin
beantragte auch in diesem Verfahren beschränkt auf den Kündigungsschutzantrag und den
Weiterbeschäftigungsantrag die Gewährung von Prozesskostenhilfe. In diesem Umfang wurde ihr mit
Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 30.04.2007 unter Beiordnung ihres
Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Beide Verfahren endeten
durch den am 13.04.2007 vor dem Arbeitsgericht im Verfahren 3 Ca 598/07 geschlossenen (Gesamt-
)vergleich. Der Gegenstandswert für das Verfahren 3 Ca 598/07 wurde für das Verfahren auf 4.410,00
EUR und für den Vergleich auf 7.298,00 EUR festgesetzt.
Mit Anträgen vom 09.05.2007 beantragte der Beschwerdeführer in beiden Verfahren die Festsetzung der
Gebühren gegen die Landeskasse ausgehend von den jeweils gerichtlich festgesetzten
Gegenstandswerten. Danach errechnete sich in dem Verfahren 3 Ca 481/07 eine Gebührenforderung in
Höhe von 586,08 EUR und in dem Verfahren 3 Ca 598/07 eine solche in Höhe von 966,99 EUR. Wegen
der Einzelheiten der Gebührenberechnung wird auf Bl. 28 ff. der Verfahrensakte Arbeitsgericht
Ludwigshafen, AZ 3 Ca 481/07, Bezug genommen.
Mit (einheitlichem) Beschluss vom 02.08.2007 der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte diese die
dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung gem. § 55 RVG für beide Verfahren
zusammen auf 981,75 EUR fest und begründete die vorgenommenen Absetzungen - zusammengefasst -
wie folgt: Da im Verfahren 3 Ca 598/07 Prozesskostenhilfe nur für die Klageanträge Ziffer 1.) und 2.)
bewilligt worden sei, könne lediglich der Wert von 3.920,00 EUR zugrunde gelegt werden.
Ein Gebührenanspruch bestehe nur in der Höhe, als wenn alle Klagen in einem einheitlichen Verfahren
geltend gemacht worden wären. Deshalb seien die Gegenstandswerte beider Verfahren zu addieren und
daraus jeweils nur einmal eine 1,3 Verfahrensgebühr, eine 1,2 Terminsgebühr und eine 1,0
Einigungsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer festzusetzen. Der Grundsatz der
Verfahrensverbilligung gelte auch bei PKH-Verfahren. Das Gericht habe im Rahmen der
Kostenfestsetzung zu prüfen, ob der Anwalt dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt habe oder ob durch
die getrennte Geltendmachung der Ansprüche ungerechtfertigt erhöhte Kosten verursacht worden seien.
Auch die Staatskasse könne einwenden, dass der beigeordnete Anwalt Kosten und Gebühren erst durch
die Vornahme zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Parteien nicht erforderlicher
Handlungen verursacht habe. Es sei die Verfahrensgestaltung zu wählen, bei der die geringsten Kosten
angefallen wären.
Gegen diesen ihm am 09.08.2007 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit einem am
17.08.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Zur Begründung macht
er geltend, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung in dem ersten Verfahren bereits Termin
bestimmt gewesen sei. Eine Klageerweiterung hätte zu einer Gefährdung des anberaumten Gütetermins
geführt. Auch habe das Gericht in beiden Verfahren keine einschränkende Bewilligung der
Prozesskostenhilfe vorgenommen.
Nach Nichtabhilfe durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am
Rhein mit Beschluss vom 04.10.2007 die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Zwar
entspreche es durchaus dem Vorgehen der Kammer, Kündigungsschutzanträge, die klagehäufend in
einem anhängigen Rechtsstreit eingebracht würden, vom Ausgangsverfahren zur gesonderten
Verhandlung und Entscheidung abzutrennen, wenn der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens in
keinerlei Sachzusammenhang mit der Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehe.
Vorliegend sei aber in beiden Verfahren zumindest mittelbar die Frage der arbeitsvertraglich von der
Klägerin geschuldeten und zu fordernden Arbeitsleistung bzw. Beschäftigung und deren Eingruppierung
zumindest mittelbar betroffen gewesen. Die Staatskasse sei nicht verpflichtet, auf Kosten des
Steuerzahlers Kosten zu tragen, die bei Beachtung der Grundsätze einer wirtschaftlichen einer
wirtschaftlichen Prozessführung nicht entstanden wären. Einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
entspreche ein Vorgehen in zwei getrennten Klagen nur, wenn dies sachlich notwendig sei. Daran ändere
auch nichts die einschränkungslose Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da hier mit nicht entschieden
würde, in welche Höhe dem beigeordneten Rechtsanwalt Ansprüche gegen die Staatskasse zustünden.
Diese Entscheidung sei erst im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG zu treffen. Insoweit sei
§ 46 RVG Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes. Hinsichtlich der Einzelheiten der
Beschlussbegründung wird auf Bl. 44 ff. d. A. Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 05.10.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 05.10.2007 beim
Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 19.11.2007 aus den
Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt hat.
Zur Begründung ihrer Beschwerde machen die Beschwerdeführer nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom
11.12.2007 (Bl. 58 ff. d. A.), auf den ergänzend Bezug genommen wird, geltend, der Landeskasse stehe
über § 46 Abs. 1 RVG hinaus ein Einredetatbestand unsachgemäßer Prozessführung nicht zu. Bei §§ 46
Abs. 1, 54 RVG handele es sich um abschließende, nicht verallgemeinerungsfähige Regelungen. Im
Übrigen habe auch ein hinreichender Grund zur Geltendmachung der Ansprüche in getrennten Verfahren
bestanden, da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits Termin unter Anordnung des
persönlichen Erscheinens der Parteien verfügt worden war und durch Klageerweiterung die zeitnahe
Verhandlung des ersten Verfahrens gefährdet gewesen wäre. Es habe sich auch nicht um die
Geltendmachung ähnlicher, auf den gleichen Lebenssachverhalt beruhender Ansprüche gehandelt.
II.
Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 02.08.2007 ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und
gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG auch ansonsten zulässig.
2.) Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist auch überwiegend begründet.
Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle allerdings davon
ausgegangen, dass im Verfahren der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen
und Vorschüsse nach § 55 RVG geprüft werden kann, ob die Geltendmachung mehrerer Ansprüche in
getrennten Verfahren sachlich gerechtfertigt und deshalb erforderlich war. Dieser Prüfung steht die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den getrennten Verfahren nicht entgegen. Die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe bezieht sich nur auf die Prüfung, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen und darauf, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist. Der Einwand hingegen, es seien
vermeidbare Kosten verursacht worden, betrifft ausschließlich die Höhe der durch die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe entstandenen Kosten und ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu erledigen
(ebenso LAG Berlin, 27.04.2006 - 17 Ta (KOST) 6012/06; LAG Schleswig-Holstein, 16.03.1999 - 4 Ta
147/98; LAG München, 09.02.2007 - 10 Ta 193/05; OLG Stuttgart, 03.07.2001 - 8 W 87/01 - MDR 2002,
117 f.). Der beigeordnete Rechtsanwalt ist ebenso zu einer kostengünstigen Rechtsverfolgung verpflichtet
wie ein Rechtsanwalt, der für seinen Mandanten ohne die Bewilligung der Prozesskostenhilfe tätig wird.
Die Geltendmachung der Verletzung dieser Pflicht kann bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
jedoch von der Partei selbst nicht mehr geltend gemacht werden, weil sie zur Zahlung der Vergütung nicht
verpflichtet ist. Die Landeskasse ist demgegenüber an dem Bewilligungsverfahren nicht beteiligt und kann
daher dort ebenfalls nicht einwenden, der Rechtsanwalt verursache durch seine Rechtsverfolgung
unnötige Kosten. Die Rechtslage ist insoweit keine andere als bei der Kostenfestsetzung aufgrund einer
Kostengrundentscheidung im Urteil. Auch hier ist erst im Rahmen der Kostenfestsetzung und erst in
diesem Stadium des Verfahrens zu prüfen, welche Kosten überhaupt erstattungsfähig sind. Dabei ist
anerkannt, dass der Einwand der unnötigen Geltendmachung mehrerer Ansprüche im getrennten
Verfahren im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist (vgl. etwa Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., §
91 Rz. 13 "Mehrheit von Prozessen" m. w. N.).
Allerdings gilt der Grundsatz der kostengünstigen Prozessführung nicht einschränkungslos. Durch die
Geltendmachung von Ansprüchen in getrennten Verfahren entstandene Mehrkosten sind zu erstatten,
wenn für diese Verfahrensgestaltung vernünftige Gründe vorgelegen haben (vgl. LAG München,
09.02.2007 aaO.; Zöller/Herget, aaO.).
Derartige Gründe liegen nach Auffassung des Beschwerdegerichts im vorliegenden Fall vor. Die in den
beiden Verfahren geltend gemachten Ansprüche beziehen sich auf völlig unterschiedliche
Streitgegenstände. Hieran ändert auch nichts, dass es zum Teil eine Überschneidung dahingehend gab,
dass es in beiden Verfahren um die Beschäftigung der Klägerin ging. In dem ursprünglich von der
Klägerin eingeleiteten Verfahren ging es um Art und Inhalt und zeitlichen Umfang der von der Klägerin
auszuführenden Tätigkeit. Diese Frage war hauptstreitgegenständlicher Inhalt des entsprechenden
Feststellungsantrags. Demgegenüber wurde im Rahmen der Kündigungsschutzklage nur ein
Weiterbeschäftigungsantrag als Annex zum Kündigungsschutzantrag gestellt. Zutreffend weisen die
Beschwerdeführer zudem darauf hin, dass bei einer Erweiterung der zuerst erhobenen Klage der dort
bereits anberaumte Gütetermin in Frage gestellt worden wäre, so dass es aus seinerzeitiger Sicht
zumindest zu einer Verzögerung des Verfahrens hätte kommen können, was nicht den Interessen der
Klägerin entsprach. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Kündigungsschutzgesetz der von einer
Kündigung betroffenen Partei eine Frist von drei Wochen zur Erhebung der Kündigungsschutzklage
einräumt. Diese Frist kann auch im Interesse der ordnungsgemäßen Vorbereitung einer
Kündigungsschutzklage ausgeschöpft werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die
Beschwerdeführer für die Klägerin die Kündigungsschutzklage erst mit Schriftsatz vom 27.03.2003
erhoben haben. Eine Zustellung dieser Klage an die Beklagte noch vor dem ursprünglich anberaumten
Gütetermin war damit nicht zu erwarten.
Zu Recht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle jedoch eine Absetzung in dem Verfahren 3 Ca
598/07 deshalb vorgenommen, weil in diesem Verfahren Prozesskostenhilfe nicht für sämtliche
Klageansprüche beantragt wurde, sondern nur umfänglich beschränkt auf die Anträge zu Ziffer 1.) und 2.)
aus der Klageschrift (Kündigungsschutzantrag, Weiterbeschäftigungsantrag). Ein
Prozesskostenhilfeantrag für den auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichteten Klageantrag war
nicht gestellt. Deshalb konnte für die Berechnung der Prozesskostenhilfevergütung der festgesetzte
Streitwert nicht vollständig in Ansatz gebracht werden, sondern war vielmehr um den auf den
Zeugniserteilungsantrag entfallenden Teilbetrag zu mindern. Nicht zu beanstanden ist insoweit, dass die
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle von einem Gegenstandswert für die Berechnung der
Prozesskostenhilfevergütung von 3.920,00 EUR und nicht von 4.410,00 EUR ausgegangen ist.
Dementsprechend verringerte sich auch der für die Einigungsgebühr zu berücksichtigende Wert von
7.298,00 EUR auf 6.808,00 EUR, so dass sich eine festzusetzende Vergütung von 904,40 EUR und nicht -
wie beantragt - von 966,99 EUR ergab.
3.) Der angefochtene Beschluss war daher wie geschehen nur teilweise abzuändern und die Beschwerde
der Beschwerdeführer im Übrigen zurückzuweisen. Diese Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 56 Abs. 2
Satz 2 und 3 RVG). Sie ist unanfechtbar, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).