Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 12.02.2008

LArbG Mainz: unwirksamkeit der kündigung, reformatio in peius, arbeitsgericht, wirtschaftliche identität, wiederkehrende leistung, vergleich, abrechnung, vergütung, klageerweiterung, beendigung

LAG
Mainz
12.02.2008
1 Ta 282/07
Gegenstandswert - vergleichsweise Vereinbarung der ordnungsgemäßen Abrechnung
vergütungsbezogener Ansprüche nach rechtskräftiger Beendigung eines parallel geführten
Kündigungsrechtsstreits
Aktenzeichen:
1 Ta 282/07
3 Ca 2643/06
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 12.02.2008
Tenor:
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom
15.11.2007 - 3 Ca 2643/06 - wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.
2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang
mit einer Zahlungsklage.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.10.2002 als Kranken- bzw. Altenpfleger beschäftigt. Mit
Schreiben vom 20.11.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, hilfsweise
ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Diese Kündigung hat der Kläger im Verfahren der Parteien vor
dem Arbeitsgericht Ludwigshafen, AZ: 3 Ca 2519/06, mittels Kündigungsschutzklage angegriffen. Mit bei
Gericht am 18.12.2006 eingegangener Klage begehrte der Kläger im vorliegenden Verfahren von der
Beklagten die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 in Höhe von 2.476,51 Euro. Im Laufe
der folgenden Monate erweiterte der Kläger mehrfach seine Klage jeweils im Hinblick auf die ihm von der
Beklagten nicht mehr gezahlten Monatsvergütungen. So beantragte er
- mit seiner Klageerweiterung vom 08.01.2007, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.070,00 Euro
nebst Zinsen zu zahlen (Vergütung für Dezember 2006);
- mit seiner Klageerweiterung vom 03.03.2007, die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate
Januar und Februar 2007 jeweils 3.010,50 Euro nebst Zinsen zu zahlen und
- mit seiner Klageerweiterung vom 30.04.2007, die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate
März und April 2007 jeweils 3.033,52 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Nachdem die Agentur für Arbeit die dem Kläger gegenüber anfänglich verhängte Sperrzeit mit Bescheid
vom 30.04.2007 aufgehoben und an ihn für den Zeitraum von Dezember 2006 bis einschließlich April
2007 Arbeitslosengeldleistungen in Höhe von insgesamt 6.600,00 Euro erbracht hatte, erklärte der Kläger
mit Schriftsatz vom 11.05.2007 den Rechtsstreit in Höhe dieser 6.600,00 Euro für erledigt. Mit Schriftsatz
vom 08.06.2007 erweiterte der Kläger seine Klage schließlich hinsichtlich der Vergütung für den Monat
Mai.
Das vorliegende, auf Zahlung des Weihnachtsgeldes und der Vergütungen für die Monate Dezember
2006 bis Mai 2007 gerichtete Verfahren beendeten die Parteien im Kammertermin vom 22.06.2007 durch
Vergleich. Darin vereinbarten sie unter anderem sinngemäß, dass
1. die Beklagte bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens bezüglich
Vergütungsansprüchen und sonstigen geldwerten Ansprüchen des Klägers auf die Einhaltung der
tarifvertraglichen Ausschlussfrist verzichtet;
2. die Beklagte sich verpflichtet, die dem Kläger zustehenden vergütungsbezogenen Ansprüche, wie im
vorliegenden Verfahren angesprochen, d. h. das Weihnachtsgeld 2006 sowie die monatlichen
Vergütungen nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens dem Kläger gegenüber
abzurechnen. Dabei sind hinsichtlich des Weihnachtsgeldes die tarifvertraglichen Vorgaben zugrunde zu
legen und als Monatsvergütung werden 2.964,19 Euro brutto (2.842,27 Euro Grundvergütung, 40 Euro
Schichtzulage, 35,70 Euro Geriatriezulage sowie 46,22 Euro Wochenendzuschläge) veranschlagt;
3. eine entsprechende Abrechnungspflicht die Beklagte nur trifft, wenn das der Kündigungsschutzklage
stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen durch das mittlerweile mit der Sache befasste
Berufungsgericht bestätigt werden sollte.
Das bei dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz rechtshängige Kündigungsschutzverfahren hat die
Beklagte am 10.09.2007 durch die Zurücknahme der Berufung beendet.
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15.11.2007
den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf
17.634,55 Euro für das Verfahren bis zum 10.05.2007, auf
12.724,96 Euro für das Verfahren danach sowie auf
48.295,24 Euro für den Vergleich
festgesetzt. Dabei hat das Arbeitsgericht den Mehrwert des Vergleichs in Höhe von 35.570,28 Euro mit
einer Veranschlagung des 12-fachen Bruttomonatsgehalts des Klägers von jeweils 2.964,19 Euro
begründet.
Gegen diesen Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 05.12.2007
Beschwerde
bewerten. Zur Begründung führen sie aus, bei dem Lohn, zu dessen ordnungsgemäßer Abrechnung sich
die Beklagte in dem Vergleich verpflichtet habe, handele es sich um eine wiederkehrende Leistung im
Sinne von § 42 Abs. 3 GKG, weswegen als Gegenstandswert der 36-fache Monatswert zugrunde zu legen
sei.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist nach § 33 III RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt,
übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 Euro und ist auch sonst zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Der Mehrwert des Vergleichs wurde vom
Arbeitsgericht eher zu hoch, aber keinesfalls zu niedrig bemessen.
Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob die Parteien in ihrem Vergleich überhaupt eine
Vereinbarung hinsichtlich wiederkehrender Leistungen, die eine Anwendung des § 42 Abs. 3 GKG
rechtfertigen könnten, getroffen haben. In Ziffer 2.) des Vergleichs verpflichtet sich die Beklagte zur
Abrechnung der "dem Kläger zustehenden vergütungsbezogenen Ansprüche, wie im vorliegenden
Verfahren angesprochen, d. h. (des) Weihnachtsgeld(es) 2006 sowie (der) monatlichen Vergütungen". "Im
vorliegenden Verfahren angesprochen" wurden von den Parteien aber nur die Ansprüche auf das
Weihnachtsgeld 2006 sowie die monatlichen an den Kläger zu zahlenden Vergütungen für den Zeitraum
von Dezember 2006 bis Mai 2007. Der Kläger hatte im Verfahren keinen Antrag auf zukünftige Leistungen
(§§ 257 bis 259 ZPO) gestellt gehabt, sondern jeweils für bestimmte abgelaufene Zeiträume bezifferte
Zahlungsansprüche verfolgt. Zukünftige wiederkehrende Leistungen i. S. v. § 42 Abs. 3 GKG waren somit
nicht Streitgegenstand. Daher liegt es nahe, die unter Ziffer 2.) des Vergleichs getroffene Vereinbarung
nur auf die von den Parteien im Laufe des Verfahrens ausdrücklich bezifferten geldwerten Ansprüche zu
beziehen.
Selbst wenn man dies anders sehen und annehmen wollte, dass sich die im Vergleich getroffene
Vereinbarung der Parteien auf alle monatlichen Vergütungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens bezieht, vermag auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zukunftsbezogenen Ansprüche des Klägers auf die
Monatsvergütungen ab Juni 2007 waren nicht nur nicht Streitgegenstand im Verfahren gewesen, sondern
es bestand oder drohte zwischen den Parteien insoweit auch kein Streit darüber, dass die Beklagte diese
Vergütungen nicht ordnungsgemäß an den Kläger auszahlt, wenn sich im Kündigungsschutzverfahren die
Unwirksamkeit der Kündigung und damit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses herausstellen sollte.
Die Beklagte hat gegen die auf Annahmeverzug gestützten Vergütungsansprüche des Klägers keinerlei
weitergehende Einwände vorgebracht. Vielmehr hing ihre Zahlungsbereitschaft allein von der
Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung ab. Damit bestand hinsichtlich der Vergütung kein
zusätzlicher Streitpunkt. Im Vergleich haben die Parteien vielmehr nur die ohnehin geltende und zwischen
ihnen unstreitige Rechtslage festgeschrieben. War die Kündigung wirksam, entfiel eine
Abrechnungsverpflichtung der Beklagten, war sie unwirksam, musste die Beklagte den Lohn abrechnen.
Die Parteien haben sich lediglich zur Klarstellung der Abrechnung auf einen einheitlichen Betrag für die
Monatsvergütungen verständigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz sind im Hinblick auf den
sozialen Schutzzweck des § 42 Abs. 4 GKG bei wirtschaftlicher Identität zwischen einem
Kündigungsschutzantrag und einem Entgeltantrag beide Anträge nicht gesondert zu bewerten, sondern
es ist auf den jeweils höheren abzustellen. Dabei liegt eine wirtschaftliche Identität beider
Streitgegenstände dann vor, wenn der Erfolg der Entgeltklage von dem der Kündigungsschutzklage
abhängt, also Entgelt für einen Zeitraum nach dem vermeintlichen Ende des Arbeitsverhältnisses
gefordert wird (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.07.2007 - 1 Ta 167/07; Beschluss vom
10.04.2007 - 1 Ta 80/07; Beschluss vom 15.03.2006 - 2 Ta 51/06; ebenso BAG, Beschluss vom
16.01.1968, AP Nr. 17 zu § 12 ArbGG 1953; a.A. etwa Sächsisches LAG, Beschluss vom 21.06.2007 - 4 Ta
10/07 - mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand). Sofern in diesem Fall andere
Landesarbeitsgerichte, die ebenfalls eine uneingeschränkte Anwendung des § 42 Abs. 3 GKG ablehnen,
einen eigenständigen Gegenstandswert der von der Wirksamkeit der Kündigung abhängigen
Entgeltansprüche mit einem Bruttomonatsgehalt (LAG Hamm, Beschluss vom 30.01.2002, NZA - RR 2002,
380, 381), mit maximal drei Bruttomonatsgehältern (Hessisches LAG, Beschluss vom 02.09.1999, LAGE
Nr. 119 a zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert) bewerten oder sich an der voraussichtlichen weiteren Dauer des
Kündigungsschutzverfahrens orientieren (LAG Bremen, Beschluss vom 17.06.1999 - 1 Ta 36/99), kann
dahinstehen, ob und welcher dieser Auffassungen zu folgen ist, da das Arbeitsgericht vorliegend den
Vergleichsmehrwert mit 12 Bruttomonatsgehältern und damit in jedem Fall deutlich höher bewertet hat.
Selbst wenn man hier mit dem LAG Bremen auf die voraussichtliche Dauer des
Kündigungsschutzverfahrens abstellt, erscheint die Bewertung des Arbeitsgerichts noch sehr großzügig
zu sein. Zum Zeitpunkt des Vergleichs im Juni 2007 konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der
bereits in der Berufungsinstanz anhängige Rechtsstreit noch weitere 12 Monate dauern würde. So wurde
er denn auch bereits drei Monate nach Vergleichsabschluss beendet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die vorstehenden Grundsätze nicht für getrennte
Verfahren entwickelt wurden, sondern für solche, in denen die Entgeltansprüche neben dem
Kündigungsschutzantrag im Wege der objektiven Klagehäufung in einem Verfahren geltend gemacht
werden. Daraus ergibt sich allenfalls, dass im Falle zweier voneinander getrennter Verfahren für beide ein
eigenständiger Wert festzusetzen ist. Auch dieser wäre jedoch entsprechend dem Schutzzweck des § 42
Abs. 4 GKG pro Verfahren jedenfalls nicht mit mehr als drei Bruttomonatsgehältern anzusetzen.
Schließlich erscheint die durch das Arbeitsgericht getroffene Wertfestsetzung auch dann nicht zu niedrig,
wenn man dem Vergleich insoweit einen eigenständigen Inhalt und damit auch einen eigenen
Gegenstandswert beimisst, als er letztlich den Verzicht der Beklagten auf die Geltendmachung tariflicher
Ausschlussfristen sowie die Bezifferung einer einheitlichen Berechnungsgrundlage für die künftigen
Monatsvergütungen beinhaltet. Auch ein insoweit eigenständig festzusetzender Gegenstandswert könnte
keinesfalls den Wert von 12 Bruttomonatsgehältern auch nur annähernd erreichen.
Nach alledem war die unbegründete Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Abänderung des vom Arbeitsgericht sehr hoch festgesetzten Gegenstandswertes war der Kammer
verwehrt, da im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG, anders als im Beschwerdeverfahren nach §
68 Abs. 1 GKG, das Verbot der reformatio in peius gilt.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs.
2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist, anders als das Verfahren nach § 33 Abs. 9
RVG, nicht gebührenfrei. Die Gerichtsgebühr haben die Beschwerdeführer gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu
tragen.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.