Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 31.08.2006

LArbG Mainz: angestellter, telekommunikation, einkauf, ausbildung, rente, telefonist, assistent, behinderung, akte, abweisung

LAG
Mainz
31.08.2006
6 Sa 996/05
Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen
Aktenzeichen:
6 Sa 996/05
2 Ca 758/03
ArbG Kaiserslautern
Entscheidung vom 31.08.2006
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger gegebenenfalls nach Vertragsänderung, vorbehaltlich der
Zustimmung des Betriebsrats und gegebenenfalls nach Durchführung des Zustimmungsverfahrens
als Verwaltungsangestellter (Einkauf),
alternativ Sachbearbeiter (Telekommunikation),
alternativ Housingmanagement (Assistent),
alternativ Angestelter (Materialverwaltung)
alternativ Frachtabfertiger,
alternativ Telefonist/Verwaltungsangestellter (Bürokommunikation),
alternativ Lagerangestellter (Material- und Gütebestimmung),
alternativ Sachbearbeiter (Frachtabwicklung),
alternativ Angestellter (Arbeitskontrolle),
alternativ Kassierer (T 3),
zu beschäftigen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der US-Streitkräfte, dem Kläger einen behinderungsgerechten
Arbeitsplatz zuzuweisen.
Der mit einem Grad von 100 schwer behinderte Kläger ist seit 01.05.1981 auf dem Flughafen Ramstein in
Vollzeit als Feuerwehrmann angestellt. Der Kläger ist seit 16.07.2000 ohne Unterbrechung arbeitsunfähig
erkrankt und kann ausweislich Ärzteatteste - Bescheinigung vom 08.11.2000 und 11.05.2001 - nur noch
eingeschränkte Tätigkeiten verrichten.
Der Kläger hat mit Anwaltschreiben vom 21.11.2001 die Arbeitskraft angeboten, was von den Streitkräften
unter dem 28.11.2001 mit der Begründung abgelehnt wurde, dass er seine bisherige vertragliche Tätigkeit
aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne und eine andere, seinen gesundheitlichen
Einschränkungen entsprechende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben sei.
Mit der Klage vom Mai 2003 hat der Kläger die Zuweisung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes
gefordert.
Nachdem das Landesarbeitsgericht unter Aufrechterhaltung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die
Klage abgewiesen hatte, ist durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 10.05.2005 - Az: 9
AZR 230/04 - die Revision insoweit als zulässig und begründet erachtet worden, als der Kläger in seinem
Hilfsantrag die Beschäftigung auf konkret benannten Arbeitsposition gefordert hat. Das
Bundesarbeitsgericht hat insoweit die Entscheidung aufgehoben und sie an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen.
Im Übrigen wird auf den Tatbestand der bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidung (Bl. 111 Rs. bis 113 Rz.
9) Bezug genommen.
Der Kläger führt weiter aus,
dass es nicht auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ab dem Jahr 2003 ankomme, da der Kläger bereits mit
Schreiben vom 21.11.2001 die Zuweisung eines behinderten gerechten Arbeitsplatzes verlangt habe. Die
Beklagte müsste alle offenen Stellen angeben und zwar nicht nur bezogen auf den Standort Flugplatz R/L
und Standort S, sondern auch alle im Bundesgebiet gelegenen offenen Stellen, da der Kläger keine
örtliche Beschränkung für seinen Einsatz vorgenommen habe.
Außerdem sei nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass nicht nur
tatsächlich freie und zu besetzende Arbeitsstellen, sondern auch diese anzugeben seien, die zwar
tauglich für den Kläger seien, besetzt seien und durch eine Versetzung frei gemacht werden könnten.
Der Kläger beziehe eine Berufsunfähigkeitsrente seit 01.09.2000.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 24.07.2003 - Az: 2 Ca 758/03 - die
Beklagte zu verurteilen, den Kläger gegebenenfalls nach entsprechender Vertragsänderung, vorbehaltlich
der Zustimmung des Betriebsrats und gegebenenfalls nach Durchführung des
Zustimmungsersetzungsverfahrens
als Verwaltungsangestellter (Einkauf),
alternativ Sachbearbeiter (Telekommunikation),
alternativ Housingmanagement (Assistent),
alternativ Angestelter (Materialverwaltung)
alternativ Frachtabfertiger,
alternativ Telefonist/Verwaltungsangestellter (Bürokommunikation),
alternativ Lagerangestellter (Material- und Gütebestimmung),
alternativ Sachbearbeiter (Frachtabwicklung),
alternativ Angestellter (Arbeitskontrolle),
alternativ Kassierer (T 3),
zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie führt weiter aus, das nicht erkennbar sei, zu welchem Zeitpunkt der Kläger einen
behinderungsgerechten Arbeitsplatz verlange, könne auf den Klageeingang am 25.04.2003 abgestellt
werden.
Aufgrund der ärztlichen Bescheinigung könne der Kläger noch Arbeiten mit folgenden Vorgaben:
leicht körperliche Tätigkeiten
ohne hohe Laufbelastung
bevorzugt im Sitzen
in geschlossenen und temperierten Räumen
vollschichtig ausüben.
Für die vom Kläger benannten Stellen fehlten die Qualifikationen wie mittlere Reife oder kaufmännische
Lehre (Verwaltungsangestellte, Einkauf) Ausbildung zum Kommunikationselektroniker (Sachbearbeiter
Telekommunikation), abgeschlossene Ausbildung im Handel oder Verwaltung (Hausingmanagement,
Angestellter, Materialverwaltung).
Für die Stellen: Frachtabfertiger fehle der mittlere Bildungsabschluss und für die Stellen -
Verwaltungsangestellter, Bürokommunikation und Lagerangestellter, Material- und Güterbestimmung,
fehle es an der erforderlichen Sprachkompetenz, ebenso wie für die Stelle des Frachtassistenten, des
Angestellten in der Arbeitskontrolle und des Kassierers in T-3.
Der Sachbearbeiter Frachtabwicklungsposten könne dem Kläger nicht zugewiesen werden, weil er nicht
über die Fahrerlaubnis CE verfüge und die körperlichen Erfordernisse nicht gegeben seien.
Als Polizeiangestellter könne er nicht beschäftigt werden, weil er die körperliche Fitness nicht mitbringe.
Die Beklagte hat zudem eine Liste der freien Stellen mit Schreiben vom 02.06.2006 vorgelegt, die die
freien Stellen im Zeitraum 01.11.2001 bis 01.10.2005 beinhalten. Diese sind in Kopie als Anlage 15
eingereicht worden (Bl. 161 bis 170 d. A.).
Auch der Einwand des Klägers, dass er über ausreichend Englischkenntnisse verfüge, müsse bestritten
werden, zumal bei der Dienststelle keine Kenntnisse von dem Ablegen des dritten Englischtestes
vorhanden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schreiben, die nach dem 01.01.2006 zur Akte
gereicht wurden nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind,
ebenso Bezug genommen, wie auf den Tatbestand des Urteils des Bundesarbeitsgerichtes vom
10.05.2005.
Entscheidungsgründe:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Abweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des
Arbeitsgerichtes Kaiserslautern vom 24.07.2003 - Az: 2 Ca 758/03 - dahingehend abgeändert, dass die
Beklagte verpflichtet wird, den Kläger alternativ auf die im Urteilstenor aufgeführten Positionen zu
beschäftigen, nachdem erforderlichenfalls der Arbeitsvertrag der Parteien abgeändert wurde,
vorbehaltlich der Zustimmung der Betriebsvertretung oder bei deren Versagung, nach dem
entsprechenden Ersetzungsverfahren.
Dieser Anspruch ergibt sich daraus, dass der nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes
bestimmte Antrag, der frühere Hilfsantrag ist zum Hauptantrag worden, nachdem der Hauptantrag
rechtskräftig abgewiesen ist, die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als schwer behinderten Menschen
auf einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen, der seinen Fähigkeiten und Kenntnissen unter
Berücksichtigung seiner Behinderung entspricht (§ 81 Abs.4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX).
Der Kläger hat unter Zugrundlegung der Ausführungen des Bundesarbeitsgerichtes seiner Darlegungslast
entsprochen, in dem er die ärztliche Bescheinigung vorgelegt und die verschiedenen
Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt hat, die er nach seiner Behauptung angesichts seiner Vorbildung
und unter Berücksichtigung seiner Behinderung noch ausfüllen kann.
Dem gegenüber ist die Beklagte der ihr auferlegten Erwiderungspflicht nicht in vollem Umfange
nachgekommen. Sie hat zwar im Schreiben vom 02.06.2006 als auch ergänzend im Schreiben vom
07.06.2006 eine Reihe von Arbeitsplätzen aufgelistet und deren Voraussetzungen angegeben, die ein
Bewerber erfüllen muss, dabei aber nur, so der berechtigte Einwand des Klägervertreters, bei regional
begrenzten Dienststellen, nämlich Ramstein AB, K, K die entsprechenden Ausschreibungen vorgelegt.
Angesichts der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes ist dieser Vortrag deshalb nicht als ausreichend
zu bewerten, weil der Kläger nicht nur bezüglich des Arbeitsplatzes dem Umstand der
Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers Rechnung trägt, sondern auch ausdrücklich keine Begrenzung im
Hinblick auf den örtlichen Einsatz im Antrag oder in der Begründung vorgenommen hat, so dass, der
Arbeitgeber, der der Entsendestaat ist, in der Bundesrepublik weitere Standorte mit Dienststellen
unterhält, alle diese hätte einbeziehen müssen.
Die Beklagte hätte also ihren Vortrag nicht nur auf den örtlich begrenzten Raum ausrichten dürfen und
auch nicht nur Beförderungsstellen aufführen, worauf der Kläger abhebt, sondern auch alle anderen
Stellen, die der Vergütungsgruppe P 03 entsprechen, was der Vergütungsgruppe C 4 a entspricht.
Da die Beklagte diesem prozessualen Gebot nicht umfassend nachgekommen ist, geht die
Berufungskammer davon aus, dass ein Beschäftigungsanspruch des schwer behinderten Menschen, des
Klägers, besteht.
Die Frage, die das Bundesarbeitsgericht weiter aufwirft und die sich auf die rechtzeitige Geltendmachung
des Beschäftigungsanspruches bezieht, ist durch die unbestrittene Mitteilung des Klägers, dass der
Rentenbescheid, zumindest geht die Kammer davon aus seit der Kläger mit Schreiben vom 08.06.2006
den Rentenbescheid vom 15.02.2002 vorgelegt und die Beklagte hier zu keinen weitere Erklärungen
abgegeben hat und sich die Rente als Berufungsfähigkeitsrente und nicht als Rente der
Erwerbsunfähigkeit darstellt, spätestens im November 2001 seinen Anspruch auf Zuweisung einer
Arbeitsstelle rechtzeitig geltend gemacht hat.
Der Beschäftigungsanspruch des Klägers besteht also fort und ist von der Beklagten zu erfüllen,
weswegen die Berufung des Klägers insoweit erfolgreich ist, was dazu führt, dem Kläger die
Berufungsverfahrenskosten zur Hälfte und der Beklagten die Berufungsverfahrenskosten zur Hälfte sowie
die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91, 92, 97 ZPO.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist für die Beklagte deshalb zugelassen, weil die Frage der
Darlegungslast bei Beschäftigungsansprüchen des schwer behinderten Menschen weiterer Klärung
bedarf, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.