Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 17.12.2009
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LAG
Mainz
17.12.2009
7 Ta 270/09
Prozesskostenhilfe und Erfolgsaussichten bei Schmerzensgeldklage wegen Ermittlungsverfahren
Aktenzeichen:
7 Ta 270/09
4 Ca 2105/09
ArbG Mainz
Beschluss vom 17.12.2009
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom
02.11.2009, Az.: 4 Ca 2105/09 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Schmerzensgeld gegen die Beklagte eingereicht und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu
Unrecht eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Mainz zunächst gegen unbekannt gestellt und diese
sodann auf die Person der Klägerin konkretisiert. Dabei habe die Beklagte die Klägerin fahrlässig
verdächtigt und beschuldigt, das Briefgeheimnis verletzt zu haben und Geld gestohlen bzw. unterschlagen
zu haben. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Klägerin mit Verfügung vom
29.04.2009 eingestellt habe, schulde die Beklagte der Klägerin Schmerzensgeld für eine
dreiviertelstündige Hausdurchsuchung in Höhe von 1.000,00 EUR sowie für jedes der beiden Kinder der
Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 EUR, zumal diese psychische
Beeinträchtigungen bei der Hausdurchsuchung erlitten hätten. Zudem habe die Beklagte Schadenersatz
in Höhe von 589,75 EUR zu leisten, zumal die Klägerin gezwungen gewesen sei, anwaltliche Hilfe gegen
die zu Unrecht erhobenen Vorwürfe im Ermittlungsverfahren in Anspruch zu nehmen und hierbei Kosten
in Höhe von 589,75 EUR angefallen sein.
Die Klägerin hat unter anderem beantragt,
ihr unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt D Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das
erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen.
Die Beklagte hat auf die Klage im Wesentlichen erwidert, für sie hätten konkrete Anhaltspunkte dafür
vorgelegen, dass die Klägerin Briefsendungen mit Bargeld entwendet und das Briefgeheimnis verletzt
habe. Mithin beruhe die Erstattung der Strafanzeige nicht bloß auf einer vagen Vermutung. Soweit die
Staatsanwaltschaft und der zuständige Ermittlungsrichter eine Hausdurchsuchung angeordnet hätten, sei
dies von der Beklagten nicht beeinflussbar gewesen und falle nicht in ihren Verantwortungsbereich.
Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 02.11.2009 den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle für die beabsichtigte
Rechtsverfolgung an der notwendigen Aussicht auf Erfolg. Nach gängiger Rechtsprechung handele nicht
treuwidrig, wer ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren einleite. Ein Anspruch auf
Schmerzensgeld scheide aus, da die Beeinträchtigungen der Klägerin auf staatliche Maßnahmen
zurückzuführen seien, deren Rechtmäßigkeit von den zuständigen Organen eigenverantwortlich geprüft
worden sei.
Die Klägerin, der diese Entscheidung am 04.11.2009 zugestellt worden ist, hat am 10.11.2009 sofortige
Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt,
die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sei gemäß § 823 BGB nur
gerechtfertigt, wenn das Verfahren redlich, gutgläubig und ohne Aufstellung bewusst oder leichtfertig
unwahrer Behauptungen eingeleitet werde. Vorliegend habe sich aber die Beklagte nicht hinreichend von
der Täterschaft der Klägerin überzeugt. So sei nicht von der Beklagten festgestellt worden, wann die
Poststücke zur Zuteilung des Postbezirksbereichs der Klägerin gelangt seien. Des Weiteren habe die
Beklagte versäumt zu untersuchen, ob die Schriftstücke nach Einwurf in den gelben Postbriefkasten
abhanden gekommen oder auf dem Weg zur Postverteilerstelle verloren gegangen seien. Darüber hinaus
könne es sein, dass die Post in der Filiale, in welcher die Klägerin beschäftigt sei, abhanden gekommen
sei.
Darüber hinaus sei die Klägerin nicht allein für den Postzustellungsbezirk zuständig gewesen. Trotzdem
habe die Beklagte die Ermittlungen in fahrlässiger Weise auf die Klägerin begrenzt.
Das Arbeitsgericht Mainz hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere
auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
565 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht Mainz hat den Antrag
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes zu Recht
zurückgewiesen, da es für die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung an der gemäß § 114 Satz
1 ZPO notwendigen hinreichenden Aussicht auf Erfolg fehlt.
Die Beklagte kann die geltend gemachte Klageforderung nicht auf §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB stützen,
da Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld hiernach nur geschuldet ist, wenn eine rechtswidrige
Verletzungshandlung vorliegt. Grundsätzlich indiziert ein subjektiv redliches Verhalten in einem gesetzlich
geregelten Rechtspflegeverfahren nicht schon durch die Beeinträchtigung von in § 823 BGB geschützten
Rechtsgütern gleichzeitig seine Rechtswidrigkeit, da das schadensursächliche Verhalten angesichts
seiner verfahrensrechtlichen Legalität zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit genießt, (vgl. BGH, Urt.
v. 12.05.1992 - VI ZR 257/91 = NJW 1982, 2014 ff.). Von einem subjektiv redlichen Verhalten kann aber
nicht ausgegangen werden, wenn jemand bei der Einleitung des Rechtspflegeverfahrens bewusst oder
leichtfertig unwahre Behauptungen aufstellt oder offensichtliche, leicht überprüfbare Hinweise auf die
Unrichtigkeit seiner Rechtsposition nicht beachtet (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 68. A., § 823 Rz. 37 m.w.N.).
Im gegebenen Fall finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei der Einleitung des
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens unwahre Behauptungen aufgestellt hat.
Darüber hinaus gibt es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte leicht
überprüfbare Hinweise auf die Unschuld der Klägerin außer Acht ließ. Denn in dem Zustellbezirk -XX beim
Zustellstützpunkt Y, in welchem die Klägerin tätig ist, sind nach Information der Beklagten im
Zusammenhang mit der Eheschließung von Frau W am 23.08.2008 mindestens drei Geldbriefe
unterschiedlicher Absender mit Bargeld nicht eingegangen. Darüber hinaus sind im gleichen Zustellbezirk
drei weitere Geldbriefe, die anlässlich der Beerdigung von Herrn V Mitte Juni 2008 an dessen Sohn
gesendet wurden, nicht angekommen. Aufgrund dieser ungewöhnlichen Häufung des
Abhandenkommens von Geldsendungen im Zustellbezirk der Klägerin bestand hinreichender Anlass für
die Beklagte, ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren einzuleiten und die Klägerin als
Tatverdächtige zu benennen.
Aufgrund der Vielzahl der in relativ kurzer Zeit abhanden gekommenen Geldsendungen bedurfte es auch
nicht der vorherigen Prüfung, wann die Poststücke in den Postbezirksbereich der Klägerin gelangten, ob
diese nach Einwurf in die Postbriefkästen abhanden gekommen oder auf dem Weg zur Postverteilerstelle
verloren gegangen waren. Auch war nicht zu prüfen, ob die Geldsendungen in der Filiale in welcher die
Klägerin beschäftigt ist, abhanden gekommen sind. Denn das Abhandenkommen dieser Geldsendungen
wies einen unmittelbaren Bezug zu dem Postzustellungsbezirk der Klägerin auf, hier konzentrierte sich
der Geldverlust von Sendungen, die an verschiedenen Postbriefkästen eingeworfen worden waren.
Darauf, ob die Klägerin allein in dem Postzustellbezirk tätig war oder dort auch andere Mitarbeiter zu den
Zeiten, zu welchen die Geldbriefsendungen abhanden gekommen sind, beschäftigt wurden, kommt es
nicht an. In letzterem Fall hätte die Beklagte im Rahmen der zunächst von ihr gegen unbekannt
eingereichten Strafanzeige neben der Klägerin auch diese als mögliche Täter benennen können. Dies
hätte aber die nachfolgenden staatlichen Ermittlungsmaßnahmen gegen die Klägerin nicht
ausgeschlossen.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2
ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.