Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 17.06.2005
LArbG Mainz: kündigung, vollmacht, direktor, entlassung, arbeitsgericht, vertreter, arbeitsfähigkeit, arbeitsunfähigkeit, geschäftsordnung, unmöglichkeit
LAG
Mainz
17.06.2005
8 Sa 168/05
Krankheitsbedingte Kündigung
Aktenzeichen:
8 Sa 168/05
7 Ca 348/04
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Entscheidung vom 17.06.2005
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied -
vom 07.10.2004 - 7 Ca 348/04 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung.
Die Klägerin wurde am 27.06.1996 im Krankenhaus Firma C. in C-Stadt als Medizinische-Radiologie-
Assistentin (MTRA) eingestellt. Der Beschäftigungsumfang betrug 45,46 %; die Bruttomonatsvergütung ca.
2.000,- EUR. Ab dem 11.01.2001 lag eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vor. Mit
Schreiben vom 26.01.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2004.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes wird auf den umfassenden Tatbestand im
angefochtenen Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 07.10.2004 - 7
Ca 348/04 - gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit dem vorerwähnten Urteil wurde die Klage der Klägerin vom 17.02.2004 abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung der Beklagten sei formell nicht zu
beanstanden, da die Mitarbeitervertretung schriftlich über die beabsichtigte Kündigung unter Darlegung
der Kündigungsgründe unterrichtet worden sei und nach Verweigerung der Zustimmung der Kündigung
zwischen der Hausleitung und der Mitarbeitervertretung eine gemeinsame Sitzung zwecks Beratung der
Einwendung stattgefunden habe. Die Klägerin könne die Kündigung auch nicht erfolgreich unter
Bezugnahme auf § 174 BGB zurückweisen, da das Kündigungsschreiben von zwei Mitgliedern des
Krankenhausdirektoriums unterzeichnet worden sei; hierbei habe es sich um Vertreter der Beklagten
gehandelt, die eine Stellung begleiteten, die üblicherweise mit einer Vollmacht zur Einstellung und
Entlassung von Arbeitnehmern ausgestattet sei. Die Kündigung sei auch materiell rechtmäßig, da die
Voraussetzungen der Rechtsprechung des BAG für eine krankheitsbedingte Kündigung im vorliegenden
Fall erfüllt seien. Die Klägerin sei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits seit drei Jahren
arbeitsunfähig erkrankt und eine Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit im Zeitpunkt der Kündigung nicht
absehbar gewesen. Im ärztlichen Attest des Arztes Dr. W. vom 29.03.2004 sei festgestellt, dass die
Klägerin körperlich nicht belastungsfähig sei und jede körperliche Belastung zu einer Verschlimmerung
des Gesundheitszustandes, eventuell zur Invalidität führen könne. Unerheblich sei, dass Herr Dr. W. die
Klägerin als Lehr-MTA für Radiologie für arbeitsfähig gehalten habe; denn ausweislich des
Arbeitsvertrages sei die Klägerin als MTRA und nicht als Lehr-MTA bei der Beklagten beschäftigt. Die
dauerhafte Unmöglichkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als MTRA zu erbringen, führe auf
Dauer zu einer erheblichen Störung des Arbeitsverhältnisses. Umstände, die die Klägerin besonders
schutzbedürftig erscheinen ließen, seien im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht
ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen
Urteil (S. 5-8 = Bl. 178-181 d. A.) Bezug genommen.
Gegen das der Klägerin am 26.01.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.02.2005 eingelegte und
am 12.04.2005 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
Zur Begründung ihrer Berufung bringt die Klägerin weiter vor,
das Arbeitsgericht habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen es sich bei dem Kaufmännischen Direktor
und dem Pflegedirektor um Vertreter der Beklagten gehandelt habe, die eine Stellung begleiteten, die
üblicherweise mit einer Vollmacht zur Anstellung und Entlassung von Arbeitnehmern ausgestattet sei. Ein
Nachweis dafür, dass die Herren V. und U. die unterstellte Stellung begleiteten, sei nicht geführt. Die
streitgegenständliche Kündigung sei wegen rechtzeitigem Widerspruch der Klägerin vollmachtslos erfolgt.
Sie - die Klägerin - habe in ihrem Schreiben vom 25.11.2003 mitgeteilt, dass sich ihr Gesundheitszustand
zum Positiven entwickele. Dieses Schreiben habe das Arbeitsgericht nicht beachtet. Außerdem sei eine
dauernde Arbeitsunfähigkeit nicht bewiesen. Insofern fehle eine Beweiserhebung. Die Klägerin habe die
beiden Arztberichte des Dr. W. vom 29.03.2004 und 16.09.2004 zur Stützung einer günstigen Prognose in
den Prozess eingeführt. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit der Entscheidung des BAG vom 12.04.2002
- 2 AZR 148/01 -, wo das BAG gerügt habe, dass trotz widerstreitender Behauptungen das angebotene
Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden sei. Gründe, wonach es nicht möglich gewesen sei,
eine eventuelle weitere Leistungsunfähigkeit betrieblich auszugleichen, fehlten. Es habe ständiger Übung
der Beklagten entsprochen, nicht voll belastbarer Arbeitnehmer umzusetzen. Sie - die Klägerin - hätte
entsprechend dem Attest vom 29.03.2004 beschäftigt werden können (Beweis: Sachverständiges Zeugnis
des Dr. W.; Sachverständigengutachten). Außerdem habe sich das Berufsbild der Klägerin gewandelt, da
sie zwar als MTRA eingestellt worden, aber auch als Lehr-MTA tätig geworden sei. Diese Tätigkeit hätte
sich ausüben können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom
12.04.2005 (Bl. 212-215 d. A.) sowie vom 15.06.2005 (Bl. 223 -225 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat zweitinstanzlich beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 07.10.2004 - Az.: 7 Ca
348/04 - abzuändern und nach den Schlussanträgen 1. Instanz zu erkennen.
Die Beklagte hat
Zurückweisung der Berufung
beantragt und erwidert,
die Zurückweisung der Klägerin wegen Fehlen der Vollmacht zur Kündigung sei nicht unverzüglich erfolgt,
da diese erst am 16.02.2004 nach Zugang der Kündigung am 07.02.2004 erfolgt sei. Die Herren V. und U.
seien beide Direktoriumsmitglieder. Der Klägerin sei auch durch den von der Oberin unterzeichneten
Arbeitsvertrag bekannt gewesen, dass ein Mitglied allein über die Einstellungskompetenz verfüge. Die
Kündigung sei auch gerechtfertigt, da die Klägerin über drei Jahre arbeitsunfähig sei. Aus dem Attest vom
29.03.2004 ergäbe sich gerade keine positive Zukunftsprognose. Es bestünde vielmehr eine dauerhafte
Unmöglichkeit, der arbeitsvertraglich übernommenen Verpflichtung als MTRA nachzukommen. Eine
Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhaltes mit dem in der Entscheidung des BAG vom 12.04.2002
bestünde nicht, da aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin hervorginge, dass keine
Arbeitsfähigkeit hinsichtlich der vertraglich geschuldeten Tätigkeit bestünde. Im Übrigen ergäbe sich aus
der ärztlichen Bescheinigung, dass die Klägerin nur als Lehr-MTA arbeitsfähig sei. Unzutreffend sei die
Behauptung der Klägerin, dass sich ihr Berufsbild im Laufe der Anstellungszeit bei der Beklagten so
gewandelt habe, dass auch die Tätigkeit als Lehr-MTA zu ihren Aufgaben gehörte. Eine solche
Vereinbarung sei nie getroffen worden. Die Klägerin habe in Nebentätigkeit einige Stunden als Dozentin
in der Krankenpflegeausbildung verbracht.
Zum weiteren Berufungsvorbringen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27.04.2005 (Bl. 220-222 d.
A.) Bezug genommen.
Stellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, sämtliche vorgelegten
Unterlagen und insbesondere die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts
vom 27.06.2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Rechtsmittel der Berufung der Klägerin ist nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Es ist gem. §§ 66 Abs.
1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Es
ist somit zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch n i c h t begründet.
Das Gericht ist im angefochtenen Urteil vom 07.10.2004 - 7 Ca 348/04 - im Ergebnis und der Begründung
zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die von der Beklagten am 30.06.2004 ausgesprochene
Kündigung weder formell noch materiell zu beanstanden ist und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
geführt hat.
Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gem. § 69 Abs. 2 ArbGG, § 540 Abs. 1 ZPO auf
den diesbezüglichen begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest
und sieht unter Übernahme der Entscheidungsgründe hier von einer weiteren Darstellung ab.
Die Angriffe der Berufung und die Feststellungen in der mündlichen Verhandlung vor der
Berufungskammer geben lediglich zu folgenden Ergänzungen Anlass:
1.
Soweit die Berufung beanstandet, das Arbeitsgericht habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen sich bei
dem Kaufmännischen Direktor, Herr V. und dem Pflegedirektor, Herrn U., um Vertreter der Beklagten
gehandelt habe, die eine Stellung begleiteten, die üblicherweise mit einer Vollmacht zur Einstellung und
Entlassung der Arbeitnehmer ausgestattet sei, kann der darin liegenden Auffassung der Klägerin, wonach
die Kündigung vollmachtslos erfolgt sei, nicht gefolgt werden. Hierbei kann offen bleiben, ob eine
unverzügliche Zurückweisung wegen Mängeln der Vollmacht im Sinne des § 174 BGB angesichts der erst
unter dem am 16.02.2004 erfolgte Zurückweisung vorlag - so die Auffassung der Beklagten - (vgl. LAG
Düsseldorf, Urteil vom 22.02.1995 - 4 Sa 1817/94 -); denn die in der mündlichen Verhandlung vor dem
Landesarbeitsgericht vorgelegte Geschäftsordnung des Direktoriums vom 28.10.2003 weist unter B
(Interne Organisation des Direktoriums), dort § 1 (Zusammensetzung des Krankenhausdirektoriums) die
Herren V. als Kaufmännischen Direktor (KD) und U. als Pflegedirektor (PD) als gleichberechtigte
Mitglieder des Direktoriums, die das Gemeinschaftskrankenhaus im Kollegialsystem führen, aus. Allein
aus dieser ausdrücklichen Kompetenzregelung im § 1 erfolgt im Ergebnis die zutreffende Einordnung des
Arbeitsgerichts, wonach die durch Herrn V. und Herrn U., dem Kaufmännischen Direktor und dem
Pflegedirektor, unterzeichnete Kündigungserklärung formell in Ordnung ist. Im Übrigen ergibt sich aus §
17 in der vorerwähnten Geschäftsordnung, dass bei Einstellungen die Arbeitsverträge vom zuständigen
Direktoriumsmitglied und dem KD unterschrieben werden und ferner, dass arbeitsrechtliche
Auseinandersetzungen das Direktoriumsmitglied für seinen Bereich selbst führt. Hieraus ist zu folgern,
dass der Kaufmännische Direktor und das zuständige Direktoriumsmitglied, nämlich der Pflegedirektor,
dass der Kaufmännische Direktor und das zuständige Direktoriumsmitglied, nämlich der Pflegedirektor,
auch eine entsprechende Kündigungskompetenz haben; dies gilt unabhängig davon, ob nach § 17 Abs. 2
der Pflegedirektor allein kündigungskompetent wäre.
2.
Soweit die Klägerin eine fehlende Beweiserhebung zu der zur Grundlage der Kündigung gemachten
dauernden Arbeitsunfähigkeit bemängelt und insoweit auf ihr Schreiben vom 25.11.2003 (Bl. 50 d. A.) und
die beiden Arztberichte des Dr. W. vom 29.03.2004 und 16.09.2004 zur Stützung einer günstigen
Prognose verweist, bedarf es zunächst des Hinweises, dass für die Beurteilung der von der
Rechtsprechung geforderten Prognose die objektive Sachlage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
maßgeblich ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.02.2004 - 8 Sa 1391/03 - m. w. auf BAG, Urteil
vom 15.08.1984 = AP-Nr.: 16 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, Urteil vom 17.06.1999 = AP-Nr.: 37 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit sowie Ascheid in Erfurter Kommentar 430 KSchG § 1 Rz 155, 195 m. w. N.). Für
diesen Zeitpunkt fehlt es an einem nach § 138 Abs. 2 ZPO erforderlichen Sachvortrag der Klägerin zu
einer positiven Prognose. Das Schreiben der Klägerin vom 25.11.2003 enthält u. a. lediglich die
allgemeine Aussage, dass sich der Gesundheitszustand "z. Positiven" entwickelt. Würde das Gericht den
Inhalt der ärztlichen Bescheinigung des Arztes W. vom 29.03.2004 berücksichtigen können, so wird aus
ihm (Bl. 89 d. A.) deutlich, dass gerade keine positive Prognose getroffen werden kann; in dieser
Bescheinigung wird nämlich darauf abgehoben, dass die Klägerin körperlich nicht belastungsfähig sei
und eine körperliche Belastung unweigerlich zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes, evtl.
zu einer Invalidität führe. Eine Arbeitsfähigkeit wird allenfalls für den Beruf einer Lehr-MTA für Radiologie
gesehen. Vorliegend sind nach Auffassung der Berufungskammer zudem keine Gründe erkennbar, die es
der medizinisch vorbelasteten Klägerin nicht ermöglicht hätten, zum Vortrag der Beklagten substantiierte
und qualifizierte Stellung hinsichtlich einer positiven Prognose zu nehmen. Insofern liegt kein Sachverhalt
vor, der mit dem in der Entscheidung des BAG vom 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 -, vergleichbar wäre.
3.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass sich aufgrund der Wandlung ihres Berufsbildes eine
Verpflichtung der Beklagten zur Beschäftigung als Lehr-MTA ergäbe, vermag dem die Berufungskammer
nicht zu folgen. Die mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsverträge (Bl. 22 ff. d. A.) sehen nämlich eine
Tätigkeit als MTRA und nicht als Lehr-MTA vor. Eine Konkretisierung der geschuldeten Arbeitsleistung auf
den von der Klägerin gewünschten Einsatz kann nach dem Stand der Rechtsprechung nicht
angenommen werden, weil neben der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit noch andere Umstände
hinzutreten müssen, die final auf die von der Klägerin gewünschte Änderung ihrer Tätigkeit hinauslaufen
(vgl. Dörner in Handbuch Arbeitsrecht, 4. Auflage, A 664 m. w. auf LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
05.07.1969 = NZA 1997, 1113). Solche zusätzlichen Umstände, die eine Veränderung der
arbeitsvertraglich übernommenen Tätigkeit begründen könnten, sind von der Klägerin nicht vorgetragen.
Nach dem Stand der Rechtsprechung reichen auch die im Schriftsatz der Klägerin vom 15.06.2005
angeführte Stundenkurse ohne die ausdrücklich schriftlich geforderte Veränderung des Arbeitsvertrages
nicht aus, um dem diesbezüglichen Begehren zu entsprechen.
III.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine
Notwendigkeit.