Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 15.07.2010
LArbG Mainz: koch, abrechnung, quelle, beruf, arbeitsgericht, sozialstaatsprinzip, zivilprozess, datum
LAG
Mainz
15.07.2010
8 Ta 142/10
Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts
Aktenzeichen:
8 Ta 142/10
2 Ca 602/10
ArbG Kaiserslautern
Entscheidung vom 15.07.2010
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom
14.06.2010 - 2 Ca 602/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 78 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers
ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die
Zahlungsklage die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt.
Die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da weder die Beklagte
in dem Verfahren anwaltlich vertreten war noch die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich
erscheint.
Was "erforderlich erscheint" ist im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem in Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten
Rechtsstaats- und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip auszulegen. Nach diesen
Grundsätzen muss die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des
Rechtsschutzes weitgehende angeglichen werden. Ein Rechtsanwalt ist daher beizuordnen, wenn ein
Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner
Interessen beauftragt hätte. Das gebietet eine auf die jeweilige Lage bezogene Einzelfallprüfung und lässt
eine Herausbildung von Regelsätzen, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer
oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen zu. Die
Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts beurteilen sich vielmehr im Einzelfall nicht nur
nach Umfang und Schwierigkeit sowie Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch nach der
Fähigkeit des Beteiligten, seine Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich mündlich und schriftlich
auszudrücken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Partei der Hilfe eines Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle, hier: Der Rechtsantragstelle eines Arbeitsgerichts, vergewissern kann.
Eine Beiordnung ist daher regelmäßig dann erforderlich, wenn in Kenntnisstand und Fähigkeiten der
Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht oder der Antragsteller nicht in der Lage ist, die
Hilfe der Rechtsantragstelle in Anspruch zu nehmen.
Gleiches gilt, falls bereits im Gütetermin mit einer Erörterung des gesamten Streitverhältnisses durch den
Vorsitzenden zu rechnen ist, die auch die Würdigung rechtlicher und tatsächlicher Umstände verlangt, und
an der auch eine begüterte Partei im Interesse einer sachgerechten Rechtsverfolgung nicht ohne
anwaltlichen Beistand teilnehmen würde. Allein die Möglichkeit, dass der Klagegegner Einwendungen
erhebt, hat allerdings keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Schwierigkeit einer Sache. Dies ist
jedem Zivilprozess immanent. Das kann dazu führen, dass es der antragstellenden Partei zuzumuten ist,
den Verlauf des arbeitsgerichtlichen Gütetermins abzuwarten. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn derartige
Einwendungen nicht nur möglich, sondern auch konkret zu erwarten sind (BAG v. 18.05.2010 - 3 AZB 9/10
-).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass vorliegend die Beiordnung eines Anwalts nicht zu
erfolgen hatte. Auch eine bemittelte Partei in der Lage des Klägers hätte vernünftigerweise erst nach einer
erfolglosen Güteverhandlung einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.
Der Kläger war, als er den Prozess einleitete, 33 Jahre alt. Er ist von Beruf Koch. Irgendwelche Hinweise,
dass er nicht in der Lage war, eine Rechtsantragstelle aufzusuchen und auf diesem Weg Klage zu
erheben, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat gegenüber der Zahlungsklage keinerlei Einwendungen
erhoben. Darüber hinaus hatte die Beklagte den streitbefangenen Arbeitsentgeltanspruch des Klägers
bereits vor Klageerhebung mit Abrechnung vom 07.04.2010 abgerechnet und den eingeklagten Betrag
noch vor Durchführung der auf den 17.05.2010 anberaumten Güteverhandlung beglichen. All dies zeigt,
dass der Beklagten keinerlei Rechtsgründe für die Nichtzahlung des Entgelts zur Seite standen.
Angesichts dessen war es zwar möglich, aber unwahrscheinlich, dass es in der Güteverhandlung zu
ernsthaften rechtlichen und tatsächlichen Erörterungen kommen würde. Es war dem Kläger daher ohne
weiteres zumutbar, den Verlauf der Güteverhandlung abzuwarten, um zu klären, ob anwaltlicher Beistand
in Anspruch genommen werden musste.
Die sofortige Beschwerde des Klägers war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden
Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Diese Entscheidung ist daher
unanfechtbar.