Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 24.02.2006

LArbG Mainz: herausgabe, geschäftsführer, stadt, arbeitsgericht, vergütung, auflage, base, verfügung, beendigung, zugang

LAG
Mainz
24.02.2006
8 Sa 927/05
Vergütung wegen Annahmeverzuges
Aktenzeichen:
8 Sa 927/05
6 Ca 21/05
ArbG Kaiserslautern
- AK Pirmasens -
Entscheidung vom 24.02.2006
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Anerkenntnisurteil und Endurteil des Arbeitsgerichts
Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 30.06.2005 - 6 Ca 21/05 - wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über erstinstanzlich anerkannte Lohnzahlungsansprüche
hinausgehende Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug, des weiteren über Urlaubsabgeltung, die
Erteilung von Lohnabrechnungen und die Herausgabe der Arbeitspapiere.
Der bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldete Kläger wurde aufgrund einer
Stellenanzeige an die Beklagte vermittelt. Die Stelle war für einen Eisenverlegerhelfer als Vollzeittätigkeit
von 07.00 Uhr bis 17.00 Uhr zu einem Stundenlohn in Höhe von 10,50 € ausgeschrieben. Der Kläger
nahm am Donnerstag, den 04.11.2004 die Tätigkeit bei der Beklagten auf. Er arbeitete am 05.11.2004 und
06.11.2004 sowie- am 08.11.2004 bzw. - so der Vortrag der Beklagten - am 09.11.2004. Der
Geschäftsführer der Beklagten teilte dem Kläger mit, dass er nicht mehr beschäftigt werden könne.
Eine schriftliche Kündigung erfolgte zum 15.03.2005.
Die Beklagte hat einen Teil der Forderung für den Monat November 2004 in Höhe von 1.186,50 € brutto
anerkannt und darüber hinaus Herrn C., C-Straße, C-Stadt als Insolvenzverwalter über den Nachlass nach
Herrn A. den Streit verkündet.
Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern
- Auswärtige Kammern Pirmasens - und die erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß §§ 69 Abs. 2
ArbGG, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - die
Beklagte zur Zahlung der Vergütung bis zum Wirksamwerden der Kündigung der Beklagten, zur Erteilung
von Lohnabrechnungen und zum Ausfüllen und Herausgabe der Arbeitspapiere verurteilt. Der Vortrag zur
regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden sei nicht substantiiert und widersprüchlich, weil die Beklagte
regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden sei nicht substantiiert und widersprüchlich, weil die Beklagte
für den 09.11.2004 (wohl 08.11.2004) neun Stunden eingeräumt habe, auf der anderen Seite aber
behaupte, acht Stunden seien niemals überschritten worden. Für den Annahmeverzug sei ein
tatsächliches Angebot des Klägers nicht erforderlich gewesen, weil es der Arbeitgeber versäumt habe,
dem Arbeitnehmer einen funktionsgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Das sei nicht der Fall,
da der Kläger vom Polier zum Mitnehmen seiner Arbeitstasche aufgefordert worden sei und der
Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt habe, dass der Kläger nicht mehr beschäftigt werden könne. Der
Kläger sei entsprechend leistungsfähig und -willig gewesen. Die Beklagte habe sich bis zum Ablauf der
ordentlichen Kündigungsfrist am 15.03.2005 in Annahmeverzug befunden. Für November 2004 ergebe
sich ein Gesamtlohnanspruch in Höhe von 1.827,00 €, wobei der Kläger lediglich 1.701,00 € geltend
gemacht habe, von der Beklagte 1.186,50 € anerkannt und 304,50 € gezahlt worden seien. Für
September 2004 seien 231 Arbeitsstunden und eine Vergütung von insgesamt 2.425,50 €, für Januar
2005 ergäben sich bei 219 Arbeitsstunden ein Bruttomonatslohn 2.299,50 €. Der Kläger habe jedoch nur
2.136,50 € geltend gemacht, wobei 423,95 € netto aufgrund der Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit
in Abzug zu bringen seien. Für Februar 2005 ergäbe sich ein Anspruch in Höhe von 2.142,00 € abzüglich
von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 578,12 € netto. Zugrunde lägen 204 Stunden. Für März sei ein
Anspruch in Höhe von 1.165,50 € abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit gezahlter 292,37 € netto
gegeben. Zugrundezulegen seien 111 Arbeitsstunden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch belaufe sich auf
714,00 € brutto. Im Übrigen habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf ordnungsgemäße
Ausfüllung der genannten Arbeitspapiere aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht.
Gegen das der Beklagten am 21.10.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.11.2005 eingelegte und
am 30.11.2005 begründete Berufung.
Die Beklagte bringt
zweitinstanzlich
der Kläger habe am Donnerstag, den 04.11.2004 sechs Stunden, am Freitag, den 05.11.2004 acht
Stunden und am Samstag, den 06.11.2004 sechs Stunden auf einer Baustelle in der Air Base V.-Stadt
gearbeitet, nachdem er in einem von der Beklagten gestellten Firmenbus an einer vereinbarten Stelle in F-
Stadt abgeholt und abends zurückgebracht worden sei. Am Montag, den 08.11.2004 sei der Kläger nicht
an der vereinbarten Stelle erschienen. Am 09.11.2004 habe er neun Stunden gearbeitet. Am Ende des
Arbeitstages habe der Polier dem Kläger mitgeteilt, dass die Tätigkeit wegen mangelnder Arbeitsleistung
nicht fortgeführt werden könne. Der Geschäftsführer der Beklagten habe diese Entscheidung in einem
Telefongespräch bestätigt. Der Kläger sei einsichtig und einverstanden gewesen (Beweis: U.). Weder am
10.11.2004 noch irgendwann später habe er seine Arbeitsleistung angeboten. Erst mit Schreiben seiner
späteren Prozessbevollmächtigten vom 20.12.2004 habe sich der Kläger gemeldet und mitgeteilt, dass er
arbeitswillig sei. Sie - die Beklagte - habe mit Schreiben vom 22.12.2004 (Bl. 13 d. A.), das vom
Geschäftsführer unterzeichnet worden sei, mitgeteilt, dass der Kläger bei der Beklagten nicht mehr
beschäftigt werden könne. Sie habe sich in der Zeit vom 10.11.2004 bis zum Zugang des Schreibens der
Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.12.2004 nicht in Annahmeverzug befunden. Hierzu hätte das
tatsächliche Anbieten der Arbeitsleistung gehört. Insoweit habe beim Kläger ein entsprechender
Leistungswille gefehlt. Im Übrigen enthielte das Ablehnungsschreiben des Geschäftsführers vom
22.12.2004 eine Kündigungserklärung, sodass das Arbeitsverhältnis entsprechend der Kündigungsfristen
im BRTV-Bau zum 29.12.2004 geendet habe. Im Übrigen würden die tariflichen Arbeitszeiten eingehalten.
Diese hätten nach § 3 Nr. 1.2 BRTV-Bau, 37,5 Wochenstunden mit Ausgleichsmöglichkeiten betragen.
Insofern hätten für den restlichen November 112,5 Stunden, für Dezember 2004 172,2 Stunden, für Januar
2005 157,5 Stunden, für Februar 150 Stunden und für März 82,5 Stunden zugrunde gelegt werden
müssen.
Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 30.06.2005 - Az.: 6
Ca 21/05 - abzuändern und die Klage, soweit ein höherer Arbeitslohn als 1.186,50 € brutto begehrt wird,
abzuweisen.
Der Kläger hat
Zurückweisung der Berufung
beantragt
aufgrund der klaren Erklärungen, dass die Arbeitsleistung nicht mehr entgegen genommen würde, sei
kein tatsächliches Angebot mehr nötig geworden. Er - der Kläger - sei auch am Montag, den 08.11.2004
am vereinbarten Ort gewesen und nicht mehr abgeholt worden. Dem Schreiben der Beklagten vom
22.12.2004 sie auch keine Kündigung zu entnehmen. Der Vortrag zum Umfang der Arbeitszeit sei nicht
substantiiert bestritten. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten gäben die Stundenkarten keine exakte
Abbildung der an den jeweiligen Tagen geleisteten Arbeitsstunden wieder. Zur Urlaubsabgeltung und zur
Ausfüllung sowie Herausgabe der Arbeitspapiere läge im Übrigen keine Berufungsbegründung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsschrift der Beklagten vom 29.11.2005 (Bl. 84 bis
88 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen, hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den
Schriftsatz des Klägers vom 09.01.2006 (Bl. 124 bis 129 d. A.) sowie auf die Feststellungen in der
Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 24.02.2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. (b) ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66
Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist
insgesamt zulässig.
II.
In der Sache selbst bleibt die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts o h n e Erfolg.
Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die
Beklagte zur Zahlung der Bruttovergütung nebst Zinsen bis zum Wirksamwerden der Kündigung zum
15.03.2005, zur Erteilung von Lohnabrechnungen für die Monate November 2004 bis März 2005 und zur
Herausgabe der ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitspapiere des Klägers verpflichtet ist.
Die Kammer nimmt gemäß §§ 569 Abs. 2, 540 ZPO Bezug auf begründenden Teil im angefochtenen
Urteil, stellt dies fest und sieht hier, unter Übernahme der Entscheidungsgründe, von einer weiteren
Darstellung ab.
Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden
Ausführungen:
1.
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, sie habe sich in der Zeit vom 10.11.2004 bis zum Zugang des
Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.12.2004 nicht in Annahmeverzug befunden,
weil kein tatsächliches Anbieten der Arbeitsleistung erfolgt und insoweit von einem fehlenden
Leistungswillen des Klägers auszugehen sei, kann dem auch bei an dieser Stelle als richtig unterstellten
Berufungsvorbringen nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass ein ernsthafter Leistungswille
Mitvoraussetzung für die Zuerkennung von Vergütungsansprüchen aus Annahmeverzug gemäß §§ 611,
615 BGB ist. Ein fehlender Leistungswillen schließt den Annahmeverzug jedoch nicht aus, wenn der
Arbeitgeber zuvor auf die Arbeitsleistung verzichtet hat (vgl. Ascheid/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar, 5.
Auflage, BGB 230, § 615 Rz. 47). Dieser Verzicht ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten darin zu
sehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Entscheidung des Poliers, die Tätigkeit des Klägers
nicht mehr anzunehmen, in einem Telefonat bestätigt hat. Ein eventuelles Einverständnis des Klägers, das
die Beklagte durch den Zeugen U. unter Beweis gestellt hat, ist irrelevant, weil für die Annahme eines
eventuell darin liegenden Auflösungsangebotes die zwingende Schriftform des § 623 BGB vorgesehen ist.
Im Übrigen ist unstreitig, dass der Kläger nicht mehr an der vereinbarten Stelle zur Mitnahme an den
Arbeitsort bei der Air Base in V.-Stadt abgeholt wurde. Insofern hat die Beklagte eine rechtlich gebotene
Mitwirkungshandlung unterlassen. Deshalb sind die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Verzug der
Beklagten richtig, wonach der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur
Verfügung zu stellen, ihm ferner Arbeit zuzuweisen und somit eine nach dem Kalender bestimmte
Mitwirkungshandlung gemäß § 296 BGB vorzunehmen hat. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die
Leistungserbringung ermöglichen. Erst durch die Wahrnehmung seines Leistungsbestimmungsrechts
konkretisiert der Arbeitgeber die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers im Zuge der Arbeitssteuerung und
schafft so die Grundlagen für den Leistungserfüllungsvorgang. Kommt der Arbeitgeber dieser
Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne das es eines weiteren Angebots der
Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.10.2005 - 11 Sa
796/04 - m.w.N. auf BAG, Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97 - = NZA 1999, 925 und BAG, Urteil vom
21.01.1993 - 2 AZR 309/92 = NZA 1993, 550).
2.
Auch soweit sich die Beklagte darauf bezieht, dass das Schreiben vom 22.12.2004.(Bl. 13. d. A.) eine
Kündigungserklärung enthielte und dies zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.12.2004
entsprechend den Kündigungsfristen im Bundesrahmentarifvertrages des Baugewerbes geführt habe, trifft
dies nicht zu. In der dort enthaltenen Formulierung: "Zwischen mir und ihrem Mandanten besteht kein
Arbeitsverhältnis." liegt lediglich die Wiedergabe einer - fehlerhaften - Rechtsauffassung. Das Schreiben
der Beklagten ist als bloße Reaktion auf das des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.12.2004
(Bl. 10 d. A.) aufzufassen. Eine eigenständige schriftliche Gestaltungserklärung gegenüber dem Kläger
kann ihm - insoweit in Übereinstimmung mit der Ansicht des Klägers - nicht entnommen werden (zur
Auslegung: Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 29.09.2005 - 1 Sa 283/05 - m.w.N. auf
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Auflage, § 133, Rz. 15 m.w.N.).
Eine Beendigung des Annahmeverzuges zum 29.12.2004 kann mit vorgenannten Gründen nicht
angenommen werden.
3.
Auch soweit die Berufung die Höhe der vom Arbeitsgericht angenommen Arbeitsstunden im Hinblick auf
die im BRTV-Bau enthaltenen tarifliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden beanstandet, führt ihr Vorbringen zu
keiner vom Arbeitsgericht abweichenden Beurteilung.
Neben den zutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts zur tatsächlichen Tätigkeit des Klägers und
der Ausschreibung der Stelle bei der Bundesagentur für Arbeit, wird von der Beklagten übersehen, dass
zur Einhaltung der tariflichen Arbeitszeit mit den Ausgleichsmöglichkeiten bei nichtbestehendem
Betriebsrat eine einzelvertragliche Vereinbarung gemäß § 3 Ziffer 1.41 erforderlich ist. Hierzu waren der
Berufungskammer keine Feststellungen möglich. Darüber hinaus stellen die zu den Akten gereichten
Stundenkarten von Arbeitnehmern der Beklagten nach dem eigenen Vortrag keine exakten Abbildungen
der an den jeweiligen Tagen geleisteten Arbeitsstunden dar. Sie sind daher nicht geeignet, die in der
Berufungsbegründung angenommene - geringere - Stundenzahl zu belegen.
4.
Zum zuerkannten Urlaubsabgeltungsanspruch, dem Ausfüllen und der Herausgabe der Arbeitspapiere
fehlen Angriffe der Berufung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Von der Zulassung der Revision wurde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgesehen (§ 72 Abs. 2
ArbGG).
Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72
Abs. 2 a ArbGG), wird hingewiesen.