Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 30.01.2007
LArbG Mainz: betriebsrat, beschwerdeschrift, kündigungsschutz, ersatzmitglied, anhörung, beschwerdekammer, bad, beendigung, datum, arbeitsgericht
LAG
Mainz
30.01.2007
5 TaBV 60/06
Zustimmungsersetzung
Aktenzeichen:
5 TaBV 60/06
11 BV 4/06
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Entscheidung vom 30.01.2007
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige
Kammern Bad Kreuznach - vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - wie folgt abgeändert:
Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin (= Beteiligte zu 1) wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die am 28.10.1957 geborene Beteiligte zu 3 ist seit dem 07.10.1992 bei der Arbeitgeberin beschäftigt (s.
dazu den Arbeitsvertrag vom 09.10./22.10.1992 nebst den Zusatzverträgen Bl. 18 ff., 21 ff. d.A.). Die
Beteiligte zu 3 ist in der Filiale 1312, B., als Assistentin des "Store-Managers" tätig. Während der
urlaubsbedingten Abwesenheit des Store-Managers L. nahm die Beteiligte zu 3 am 07.01.2006 die aus Bl.
28 f. d.A. ersichtliche Kassenabrechnung vor (- vgl. dazu auch die von der Arbeitgeberin nachträglich
erstellte Auflistung der Einzelbelege der Kasse 3, Bl. 95 d.A. - vorgelegt mit dem Schriftsatz vom
25.07.2006). Die Beteiligte zu 3 gehörte bis zu den im Frühjahr 2006 durchgeführten Betriebsratswahlen
als Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat "Mitte 9" an. Seit den Betriebsratswahlen vom Frühjahr 2006
gehört die Beteiligte zu 3 keinem Betriebsrat an, - die Arbeitgeberin und die Betriebsratsvorsitzende T.
machen geltend, die Beteiligte zu 3 sei Ersatzmitglied. Die Betriebsratsvorsitzende erklärt weiter, dass die
Beteiligte zu 3 als Ersatzmitglied nicht zu Betriebsratstätigkeiten herangezogen worden sei.
Seit den Betriebsratswahlen im Frühjahr 2006 ist für den "Store" in B. nicht mehr der Betriebsrat Mitte 9,
sondern der Betriebsrat Süd 1 zuständig.
Mit dem Schreiben vom 22.02.2006 richtete die Arbeitgeberin die aus Bl. 31 f. d.A. ersichtliche
"Kündigungsanfrage" an den Betriebsrat - dieser damals noch vertreten durch den
Betriebsratsvorsitzenden N.. Am Ende des Schreibens vom 22.02.2006 heißt es u.a.:
"… Wir bitten Sie, falls Sie auf das BetrVG gestützte Bedenken gegen die Kündigung haben, diese uns
unter Angabe von Gründen baldmöglichst mitzuteilen….".
Der Betriebsrat erklärte sich "aus folgenden Gründen" nicht einverstanden:
"Der Betriebsrat der DSM Süd 1 gibt keine Stellungnahme zur fristlosen Kündigung des BR-Mitglieds Frau
B. ab".
Mit der Antragsschrift vom 23.02.2006, die am 28.02.2006 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist,
begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen
Kündigung der Beteiligten zu 3 gemäß § 103 BetrVG.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird
in analoger Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den tatbestandlichen Teil des
Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - (dort S. 2 bis 7 = Bl. 111 ff. d.A.). Das
Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der
Beteiligten zu 3 ersetzt und seinen Beschluss vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - mit der aus S. 10 des
Beschlusses (= Bl. 119 d.A.) ersichtlichen Rechtsmittelbelehrung versehen. Gegen den am 28.09.2006
zugestellten Beschluss vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - hat der Verfahrensbevoll-mächtigte der Beteiligten
zu 3 am 09.10.2006 mit dem Schriftsatz vom 04.10.2006 (Bl. 129 ff. d.A.) Beschwerde eingelegt und diese
am 27.11.2006 mit dem Schriftsatz vom 22.11.2006 (Bl. 140 ff. d.A.) begründet. Zwecks Darstellung aller
Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 22.11.2006 verwiesen. Ergänzend
äußert sich die Beteiligte zu 3 in den Schriftsätzen vom 18.01.2007 (Bl. 176 f. d.A.) und vom 26.01.2007
(Bl. 182 f. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.
Die Beteiligte zu 3 beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 24.08.2006 - 11
BV 4/06 - in der Weise abzuändern, dass durch das angerufene Gericht die Zustimmung zur
außerordentlichen Kündigung der Beschwerdeführerin nicht ersetzt wird.
Der
Betriebsrat
dass er beschlossen habe, gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts kein Rechtsmittel einzulegen (vgl.
dazu auch das Schreiben der Betriebsratsvorsitzenden T. vom 12.12.2006 (Bl. 158 d.A.) sowie deren E-
Mail vom 24.11.2006 (Bl. 171 d.A.) sowie das Schreiben des früheren Betriebsratsvorsitzenden N. vom
24.01.2007 (Bl. 180 d.A.).
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebeantwortung der Arbeitgeberin wird auf deren
Schriftsatz vom 28.12.2006 (Bl. 166 ff. d.A.) Bezug genommen. Aus den dort - auf den S. 1 bis 3 der
Beschwerdebeantwortung (= Bl. 166 bis 168 d.A.) - genannten Gründen ist die Arbeitgeberin der Ansicht,
dass sich der Beschwerdeschrift vom 04.10.2006 nicht entnehmen lasse, dass die Beschwerde im
alleinigen Auftrag der Beteiligten zu 3 eingelegt worden sei. Damit erweise sich die Beschwerde bereits
als unzulässig. Jedenfalls sei die Beschwerde aus den Gründen, die auf den S. 3 ff. der
Beschwerdebeantwortung sowie im erstinstanzlichen Vortrag der Arbeitgeberin und im Beschluss vom
24.08.2006 - 11 BV 4/06 - genannt würden, unbegründet. Ergänzend äußert sich die Arbeitgeberin in den
Schriftsätzen vom 24.01.2007 (Bl. 181 d.A.) und vom 29.01.2007 (Bl. 186 f. d.A.). Hierauf wird ebenfalls
verwiesen.
Im Rahmen der im Anhörungstermin vom 30.01.2007 erfolgten Erörterung der Sach- und Rechtslage
wurde die Arbeitgeberin vom Kammervorsitzenden darauf hingewiesen, dass es nach dem Ausscheiden
der Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat keiner Zustimmungsersetzung mehr bedürfe.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug
genommen.
II.
1.
ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 und des § 66 Abs. 1 S. 1
ArbGG eingelegt und begründet worden. In der rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist bei dem
Landesarbeitsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift vom 04.10.2006 wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, nach Datum genau bezeichnet. Der
Beschwerdeschrift lassen sich weiter die Beteiligten des Beschlussverfahrens entnehmen sowie das
Aktenzeichen des erstinstanzlichen Verfahrens. Auch wird - wie in § 89 Abs. 2 S. 1 ArbGG vorgeschrieben
- erklärt, dass gegen den Beschluss vom 24.08.2006 Beschwerde eingelegt werde. Bei den
Rechtsanwälten, die die Beschwerdeschrift verfasst haben handelt es sich um die
Verfahrensbevollmächtigten, die die Beteiligte zu 3 bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertreten haben
(s. dazu das Rubrum auf S. 1 des Beschlusses vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - = Bl. 110 d.A.; dieses
Rubrum entspricht weitgehend den Partei- bzw. Beteiligtenbezeichnungen nebst
Verfahrensbevollmächtigten wie sie auf S. 1 der Beschwerdeschrift enthalten sind). Aus der
Beschwerdeschrift ergibt sich eindeutig, dass die Beschwerde für die Beteiligte zu 3 eingelegt werden
sollte, - dass also die Beteiligte zu 3 Beschwerdeführerin ist. Die von der Arbeitgeberin insoweit in der
Beschwerdebeantwortung geäußerten Zweifel teilt die Beschwerdekammer nicht. In den angekündigten
Beschwerdeanträgen (- s. Schriftsatz vom 04.10.2006 dort S. 2 = Bl. 130 d.A. -) wird als
"Beschwerdeführerin" alleine die Beteiligte zu 3 genannt. Von dem Betriebsrat oder von einem
Beschwerdeführer ist dort keine Rede. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, - insbesondere ist
die erforderliche Beschwer gegeben. Allerdings bedarf der Beschwerdeantrag der Beteiligten zu 3 der
Auslegung. Die Auslegung ergibt, dass die Beteiligte zu 3 mit ihrem Antrag die Aufhebung des
arbeitsgerichtlichen Beschlusses und die Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrages der
Arbeitgeberin begehrt.
2.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24.08.2006 - 11 BV 4/06 - ist - wie geschehen - unter
Zurückweisung des Zustimmungsersetzungsantrages der Arbeitgeberin abzuändern.
a)
§ 103 Abs. 1 BetrVG genannten Mitglieder betriebsverfassungsrechtlicher Organe) der Zustimmung des
Betriebsrates. Dieses Erfordernis (Zustimmung des Betriebsrates bzw. die gerichtliche Ersetzung der
Zustimmung gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG) besteht jedoch nur solange wie das entsprechende
Betriebsratsmitglied den vollen besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG i.V.m. § 103
Abs. 1 BetrVG genießt. Seit dem Frühjahr 2006
- genauer mit der Beendigung der Amtszeit des Betriebsrates, für den die Beteiligte zu 3 bei der vorletzten
Betriebsratswahl gewählt worden war, - endete der volle besondere Kündigungsschutz der Beteiligten zu
3 nach den beiden vorgenannten gesetzlichen Vorschriften. Die Beendigung des vollen
Kündigungsschutzes führt dazu, dass ab diesem Zeitpunkt die Zustimmung des Betriebsrates zur
außerordentlichen Kündigung nicht mehr erforderlich ist (vgl. Erfurter Kommentar, Kiel, 7. Aufl. KSchG § 15
Rz 19).
b)
Konstituierung des neuen Betriebsrates keinem Betriebsrat mehr angehört. Diese Feststellung der
Beschwerdekammer stützt sich auf das Vorbringen der Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 29.01.2007 (dort
S. 1 = Bl. 186 d.A.). Dort werden die Mitglieder des Betriebsrates "Süd 1" im Einzelnen namentlich
aufgeführt. Der Name der Beteiligten zu 3 befindet sich nicht unter den dort genannten
Betriebsratsmitgliedern. Dieser Vortrag der Arbeitgeberin steht in Einklang mit der Darlegung der
Beteiligten zu 3 im Schriftsatz vom 26.01.2007, wo die Beteiligte zu 3 darauf hinweist, dass sie nicht mehr
Mitglied eines Betriebsrates sei. Da schließlich auch der Betriebsrat, der Beteiligte zu 2, nicht dargelegt
hat, die Klägerin sei doch noch Betriebsratsmitglied, musste die Beschwerdekammer im
entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung feststellen, dass die Mitgliedschaft
der Beteiligten zu 3 im Betriebsrat beendet ist. Dahingestellt bleiben kann, ob die Beteiligte zu 3
Ersatzmitglied ist - wie die Arbeitgeberin und der Betriebsrat geltend gemacht haben - oder ob die
Beteiligte zu 3 - wie diese im Schriftsatz vom 26.01.2007 behauptet hat - seinerzeit "durch irgendeine
Person oder Institution von der Wahlliste gestrichen worden" ist. Bloße Ersatzmitglieder des Betriebsrates
genießen den qualifizierten Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG nicht.
Dies ergibt sich aus dem Gesetz und ist anerkanntes Recht. Der genannte besondere Kündigungsschutz
(mit dem Erfordernis der Zustimmung des Betriebsrates) beginnt erst mit dem Nachrücken des
Ersatzmitglieds in das Gremium (Betriebsrat). Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligte zu 3 als
Ersatzmitglied im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in dieser Weise bereits dauerhaft oder
zumindest vorübergehend nachgerückt wäre, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beteiligten nicht.
c)
zu 3 die Zustimmung des Betriebsrates entbehrlich. Eine Zustimmung, die entbehrlich ist, kann aber nicht
durch das Gericht ersetzt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit, der Verfahrensökonomie und mit
Rücksicht auf den Zweck des § 103 Abs. 2 BetrVG wird zur Klarstellung festgestellt, dass - abgestellt auf
den entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung - eine Zustimmung des
Betriebsrates zur Kündigung der Arbeitgeberin gegenüber der Beteiligten zu 3 entbehrlich ist. Allerdings
wird diese klarstellende Feststellung ohnehin schon von dem Beschluss-Tenor des vorliegenden
Beschlusses umfasst.
d)
Arbeitgeberin beabsichtigte außerordentliche Kündigung von einem wichtigen Grund im Sinne des § 15
Abs. 1 S. 2 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB getragen ist, nicht veranlasst. Ebensowenig ist die Zulassung der
Rechtsbeschwerde veranlasst.