Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 11.02.2010
LArbG Mainz: arbeitsgericht, betriebsrat, vergleich, zahl, behinderung, anhörung, besitz, zugang, unterlassen, gewährleistung
LAG
Mainz
11.02.2010
1 Ta 7/10
Wertfestsetzung - Unterlassungsanspruch wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit
Aktenzeichen:
1 Ta 7/10
8 BVGa 6/09
ArbG Kaiserslautern
Beschluss vom 11.02.2010
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des
Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16.12.2009, 8 BVGa 6/09, wie folgt geändert:
"Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsstellers
wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Für den Vergleich wird der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten
des Antragsstellers auf 5.000 EUR festgesetzt."
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu 1/2 zu tragen.
4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe:
I.
Verfahrensbevollmächtigten des Antragsstellers (im Folgenden Betriebsrat) die Festsetzung eines
höheren Gegenstandswertes und eines Vergleichsmehrwertes.
Der Betriebsrat hat - neben einem bereits laufenden Hauptsachverfahren - durch seine
verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwälte mit Schriftsatz vom 23.11.2009 ein einstweiliges
Verfügungsverfahren mit folgendem Antrag eingeleitet:
"Die Beteiligte zu 4) wird verurteilt, es zu unterlassen, den bisherigen Betriebsrat der P. S. S. GmbH
[Beteiligte zu 2)] Bereich KL/LH/PS an der Wahrnehmung seiner Betriebsratstätigkeiten für den
Gemeinschaftsbetrieb des Betriebsteils der Beteiligten zu 4) und der Beteiligten zu 3) zu behindern,
insbesondere die Freistellung des 1. Vorsitzenden F. und des 2. Vorsitzenden M. zu gewährleisten und
den übrigen Betriebsratsmitgliedern der P. S. S. GmbH Bereich KL/LH/PS den Zugang zu den
Betriebsratssitzungen des Gemeinschaftsbetriebs des Betriebsteils P. S. K. GmbH [Beteiligte zu 3)] und P.
S. RP Ltd. & Co. KG [Beteiligte zu 4)] / ehemalige P. S. S. GmbH Bereich LH/PS zu gewähren."
Die ursprüngliche Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) im Hauptsacheverfahren) hat nach der Neugründung
zweier Gesellschaften (Beteiligte zu 3) und 4) im Hauptsacheverfahren) und - zwischen den Beteiligten im
Einzelnen streitigen - Betriebsspaltungen und Betriebs(teil)übergängen die Auffassung vertreten, der
Betriebsrat habe kein (Übergangs)mandat für die neuen Gesellschaften bzw. den nach Ansicht des
Betriebsrats entstandenen Gemeinschaftsbetrieb. Hinsichtlich des Vorliegens eines
Gemeinschaftsbetriebs und des Fortbestands seines Mandats hat der Betriebsrat das
Hauptsacheverfahren anhängig gemacht. Der Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren richtete sich
(nur) gegen die neu gegründete Beteiligte zu 4) des Hauptsacheverfahrens.
Am 27.11.2009 einigten sich die Beteiligten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf folgenden
Vergleich:
"1. Die Antragsgegnerin gewährt die Freistellung des 1. Vorsitzenden F. und des 2. Vorsitzenden M. und
gewährt diesen sowie den übrigen Betriebsratsmitgliedern der P. S. S. GmbH Bereich KL/LH/PS den
Zugang zur P. S. K. GmbH und P. S. RP Ltd. & Co. KG / ehemalige P. S. S. GmbH Bereich LH/PS.
2. Die Antragsgegnerin sorgt dafür, dass die Dateien aus dem Betriebsratsordner und dem Ordner R. F.
für den Antragsteller zugänglich im Bereich der P. S. RP Ltd. & Co. KG sind.
3. Am 01.12.2009 wird der Antragsteller sämtliche Unterlagen und Arbeitsmittel des Gesamtbetriebsrats,
die in seinem Besitz sind, einschließlich des Laptops, im Büro des Gesamtbetriebsrats in D-Stadt
deponieren.
4. Diese Regelung gilt bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren 1 BV 61/09 in der 1. Instanz, längstens
jedoch bis zum 28.02.2010."
Nach Anhörung mit Schreiben vom 01.12.2009 hat das Arbeitsgericht auf Antrag der
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit Beschluss vom 16.12.2009 den Gegenstandswert für das
einstweilige Verfügungsverfahren auf 4.000,00 EUR festgesetzt. Einen Vergleichsmehrwert hat es in
diesem Beschluss nicht angesetzt. Im Rahmen der Anhörung hatte es die Festsetzung eines
Vergleichsmehrwerts von 1.000,00 EUR angekündigt.
Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 17.12.1009 zugegangenen
Beschluss haben sie mit am 29.12.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde
eingelegt. Sie haben geltend gemacht, der Gegenstandswert für das Verfahren müsse auf 22.000,00 EUR
festgesetzt werden, weil die Zahl der betroffenen Betriebsratsmitglieder zu berücksichtigen sei. Unter
Vornahme eines Abschlags von 50% für das einstweilige Verfügungsverfahren ergebe sich unter
Heranziehung des Regelwertes nach § 23 RVG ein Gegenstandswert von 22.000,00 EUR. Weiterhin hätte
für die weitergehenden Regelungen im Vergleich ein Vergleichsmehrwert von 1.000,00 EUR angesetzt
werden müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der zu
Grunde liegenden Rechtsfrage im vorliegenden Fall die Zahl der Betriebsratsmitglieder nicht maßgeblich
sei.
II. 1.
übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 €.
Sie ist auch sonst zulässig. Das Beschwerdegericht legt die Beschwerde vom 28.12.2009 dahingehend
aus, dass sie im eigenen Namen des Verfahrensbevollmächtigten und nicht im Namen des Betriebsrats
eingelegt wurde. Zwar hat der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die
Beschwerde in eigenem Namen einlegen wolle. Die Kammer geht aber davon aus, dass die Einlegung
des nur insoweit zulässigen Rechtsmittels beabsichtigt war.
Eine Beschwerde, die im Namen des Betriebsrats eingelegt worden wäre, wäre nämlich unzulässig. Im
Hinblick auf die Kostentragungspflicht gem. §
40
Abs.
1 BetrVG wäre der Betriebsrat durch einen zu
niedrigen Gegenstandswertsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts nicht im Sinne des
§ 33 Abs. 3
RVG
beschwert. Die im eigenen Namen geführte Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des
Betriebsrats ist hingegen zulässig.
2.
EUR festzusetzen war. Eine Erhöhung des Gegenstandswerts für das einstweilige Verfügungsverfahren
auf 22.000,00 EUR, wie sie der Beschwerdeführer geltend macht, kommt nicht in Betracht.
a) Im Ergebnis hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit des
Beschwerdeführers zu Recht auf 4.000,00 EUR veranschlagt.
Da es sich bei dem Unterlassungsantrag um einen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand handelt,
der weder auf einer vermögensrechtlichen Beziehung beruht noch auf Geld oder Geldeswert gerichtet ist,
bestimmt sich der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Nach ständiger Rechtsprechung der
Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v.
17.07.2007 - 1 Ta 173/07; Beschl. v. 14.06.2007 - 1 Ta 147/07) stellt der Wert von 4.000,00 EUR keinen
Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern vielmehr
einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle
Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich u.a. aus der wirtschaftlichen
Interessenlage der Beteiligten, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Mit
Blick auf die Bedeutung des Unterlassungsantrags für die Weiterführung der Betriebsratsarbeit und die
Komplexität der Sache erscheint der Kammer die Verdopplung des Hilfswertes, wie sie das Arbeitsgericht
vorliegend vorgenommen hat, ausreichend und angemessen.
Auf die Zahl der Betriebsratsmitglieder und auf die Präzisierung des Unterlassungsantrags hinsichtlich der
Gewährleistung der Freistellungen und des Zugangs zu den Sitzungen des Gesamtbetriebsrats kam es
hingegen vorliegend nicht entscheidend an. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem mit dem Antrag
verfolgten Ziel. Vorliegend sollte die Antragsgegnerin es unterlassen, den Betriebsrat bei der
Wahrnehmung seiner Aufgaben zu behindern. Für diesen Verfahrensgegenstand des einstweiligen
Verfügungsverfahrens ist nicht von entscheidender Bedeutung, wie viele Mitglieder der betroffene
Betriebsrat hat. Der Verfahrensgegenstand bezog sich erkennbar auf das Gremium des Betriebsrats und
nicht auf die Anzahl der Mitglieder. Die Zahl der freigestellten und nicht freigestellten Mitglieder spielt für
die Beurteilung der Rechtsfragen hinsichtlich der im einstweiligen Verfügungsverfahren beantragten
Unterlassung allenfalls eine untergeordnete Rolle, wie das Arbeitsgericht in seinem Nichtabhilfe-
Beschluss richtig ausführt. Die weitere Antragsformulierung hinsichtlich der Gewährleistung der
Freistellungen / Zugangsrechte diente - wie auch die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt -
lediglich zur Präzisierung. Sie erfasste kein eigenständiges weiteres Begehren, sondern war nur ein
Beispiel für die behauptete Behinderung.
Damit ist auch unerheblich, dass für die Frage der Bewertung von Anträgen zum Fortbestand eines
Betriebsratsmandats, wie sie im Hauptverfahren verfolgt wurden, die Auffassung vertreten wird, dass sich
die Wertfestsetzung am Gegenstandswert für ein Wahlanfechtungsverfahren orientieren sollte (LAG
Hamm v. 18.04.2008 - 13 Ta 174/08, juris). Der vorliegende Unterlassungsantrag - noch dazu im
einstweiligen Verfügungsverfahren - stellt einen eigenen Streitgegenstand dar, der eigenständig zu
bewerten ist (so auch LAG Hamm a.a.O. zum Unterlassungsantrag im Hauptsacheverfahren).
Da im einstweiligen Verfügungsverfahren nur eine vorläufige Regelung angestrebt (und eine solche
letztlich auch durch den Vergleich erreicht) wurde, war ein Abschlag von 50% vorzunehmen, so dass sich
die Festsetzung auf 4.000,00 EUR als richtig erweist.
b) Da in dem Vergleich auch Regelungen zu Gegenständen getroffen wurden, die im einstweiligen
Verfügungsverfahren noch nicht anhängig waren, war ein Vergleichsmehrwert festzusetzen. Unter Ziffer 2
regelt der Vergleich die Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Zugriff auf Dateien in bestimmten Ordnern
ihres EDV-Systems wieder zu ermöglichen. Ziffer 3 regelt die Verpflichtung des Betriebsrats, die in seinem
Besitz befindlichen Unterlagen und Arbeitsmittel des Gesamtbetriebsrats (einschließlich Laptop) am
01.12.2009 im Büro des Gesamtbetriebsrats zu deponieren. Wenn auch der Zugriff auf Dateien (Ziffer 2)
möglicherweise noch als Beispiel für die behauptete Behinderung des Betriebsrats angesehen werden
möglicherweise noch als Beispiel für die behauptete Behinderung des Betriebsrats angesehen werden
könnte, gilt dies jedenfalls nicht für Ziffer 3 des Vergleichs. Dort wird eine mit der behaupteten
Behinderung des Betriebsrats durch die Antragsgegnerin offensichtlich nicht im Zusammenhang stehende
Streitfrage sogar endgültig geregelt. Das Beschwerdegericht sieht keinen Anlass, von der vom
Arbeitsgericht ursprünglich vorgesehenen Festsetzung des Vergleichsmehrwerts auf 1.000,00 EUR
abzuweichen, zumal auch die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde vom 01.02.1010
die vom Arbeitsgericht angekündigte Festsetzung des Vergleichsmehrwerts für zutreffend gehalten hat.
3.
nicht das sich anschließende Beschwerdeverfahren wegen des festgesetzten Gegenstandswerts (vgl.
LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 26.11.2007 - 1 Ta 256/07).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren dem Beschwerdeführer im Umfang seines Unterliegens
aufzuerlegen (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 RVG nicht gegeben.