Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 06.05.2005
LArbG Mainz: zumutbare arbeit, arbeitsgericht, unterlassen, firma, tarifvertrag, gehalt, arbeitsstelle, bad, fahrtkosten, teilzeitbeschäftigung
LAG
Mainz
06.05.2005
11 Sa 741/04
Einzelvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag
Aktenzeichen:
11 Sa 741/04
6 Ca 1641/02
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Entscheidung vom 06.05.2005
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammer Bad
Kreuznach vom 12.03.2004 (Az.: 6 Ca 1641/02) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten den Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit vorliegender, am 24.09.2002 beim Arbeitsgericht eingegangener, in der Folgezeit mehrfach
geänderter Klage, die im Berufungsverfahren allein streitgegenständlich ist, begehrt die Klägerin von der
Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die Zahlung der Gehälter für die Monate Mai
2002 bis zum 03.10.2002, die Zahlung eines des zusätzlichen Urlaubsgeldes für das Jahr 2002 sowie die
Gewährung einer tarifvertraglichen Sonderzahlung 2002, abzüglich des vom Arbeitsamt erhaltenen
Arbeitslosengeldes.
Die Beklagte betreibt in B. einen Fachmarkt des Elektro-Einzelhandels. Sie beschäftigt dort ca. 60
Arbeitnehmer. Die Klägerin war in dem Betrieb der Beklagten seit dem 02.03.2001 als Fachberaterin im
Bereich Kleingeräte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich nach dem schriftlichen
Arbeitsvertrag vom 01.03.2001, in dessen § 12 die Parteien die Geltung der Bestimmungen des
Manteltarifvertrages und des jeweils gültigen Gehaltstarifvertrages für die Arbeitnehmer im Einzelhandel
am Sitz der Gesellschaft vereinbart haben.
Der Manteltarifvertrag in der Fassung vom 06.08.1996 enthält in § 16 – soweit hier interessierend -
folgende Regelung:
1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb der nachstehenden Fristen schriftlich geltend
zu machen:
a)...
b)...
c) alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von sechs
Monaten nach Fälligkeit.
2. Sofern die Ansprüche nicht innerhalb der genannten Fristen oder in der vorgeschriebenen Form
erhoben werden, verfallen sie.
Bei Ansprüchen von ArbeitnehmerInnen gegenüber dem Arbeitgeber gilt dies nicht, falls der Arbeitgeber
die nach § 2 Ziffer 1 und § 17 Ziffer 4 obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat.
§ 17 Ziffer 4 lautet:
1. Dieser Tarifvertrag ist im Betrieb an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen oder auszuhängen. Er
kann stattdessen auch allen ArbeitnehmerInnen ausgehändigt werden.
§ 2 Ziffer 1 hat folgenden Inhalt:
1. Arbeitsverträge bedürfen der Schriftform. Der Arbeitsvertrag muss die vorgesehene Tätigkeit, die
entsprechende Eingruppierung, tarifliche oder zusätzlich vereinbarte Zulagen, die ihrer Art nach genau zu
bezeichnen sind, Pauschalabgeltungen für Mehrarbeit sowie die beiderseitigen Kündigungsfristen
enthalten. Die Dauer der Arbeitszeit und der Arbeitseinteilung soll ebenfalls im Arbeitsvertrag vereinbart
werden. ...“
Ausweislich der Abrechnung für den Monat Februar 2002 bezog die Klägerin ein Brutto-Gehalt in Höhe
von 1.754,28 EUR. In diesem einhalten sind 2,60 EUR, die als „Prämie“ bezeichnet sind.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 12.04.2002 ordentlich zum 15.05.2002 gekündigt. Der
hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage (Az.: 6 Ca 743/02) hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom
30.08.2002 stattgegeben. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Die hiergegen
gerichtete Berufung ist ebenso erfolglos geblieben wie die hiergegen beim Bundesarbeitsgericht
eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. Beschluss vom 13.11.2003 - 5 AZN 607/03 -). Das
Arbeitsverhältnis der Parteien endete schließlich auf Grund einer Eigenkündigung der Klägerin zum
15.10.2002. Ab dem 04.10.2002 hat die Klägerin eine neue Tätigkeit aufgenommen.
Die Beklagte hat ihrerseits Klage gegen die Klägerin auf Erteilung einer Auskunft über deren
anderweitigen Erwerb im Zeitraum vom 16.05.2002 bis 04.10.2002 erhoben. Diese Klage (Az.: 6 Ca
2386/03) hat das Arbeitsgericht mit der streitgegenständlichen Zahlungsklage der Klägerin zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Sie ist damit zur Widerklage geworden.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte im Kammertermin vom 03.03.2005 ihre Widerklage
zurückgenommen.
Die Klägerin hat vorgetragen, da die Kündigung der Beklagten vom 12.04.2002 zum 15.05.2002
rechtsunwirksam gewesen sei, habe sie Anspruch auf die Zahlung der Gehälter für die Zeit von Mai 2002
bis einschließlich 03.10.2002 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Für Mai 2002 habe die
Beklagte - was unstreitig ist - lediglich 818,49 EUR brutto gezahlt. Bei einem Gehaltsanspruch in Höhe
von 1.754,28 EUR brutto ergebe sich mithin ein Gesamtbetrag von 8.181,72 EUR brutto.
Nach dem Tarifvertrag über Sonderleistungen im Einzelhandel habe sie nach § 2 Anspruch auf ein
Urlaubsgeld für das Jahr 2002. Der Anspruch bestehe in Höhe von 50% des Endgehaltes der
Gehaltsgruppe II, das sich ab 01.01.2002 auf 1.857,00 EUR brutto belaufen habe. Für die Zeit vom 01.01.
bis 30.09.2002 ergebe sich also ein Anspruch in Höhe von 696,38 EUR brutto. Nach § 3 des
Tarifvertrages habe sie darüber hinaus einen Anspruch auf eine Sonderzahlung, der sich auf 62,5% des
monatlichen tariflichen Entgeltes belaufe. Das Tarifentgelt betrage im 5. Tätigkeitsjahr 1.704,00 EUR
brutto. Da sie eine Einzelhandelslehre über einen Zeitraum von zwei Jahren absolviert habe, die am
31.07.1998 beendet gewesen sei, und anschließend ununterbrochen im Einzelhandel tätig gewesen sei,
habe sie sich im Oktober 2002 im 5. Beschäftigungsjahr befunden. Die Sonderzahlung sei also wie folgt
zu berechnen: 1.704,00 EUR x 62,5%, davon 75% = 798,75 EUR.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe es nicht böswillig unterlassen, einen Zwischenverdienst zu
erzielen.
Eine Stelle bzw. Halbtagsstelle bei der Firma Sch. habe sie nicht ausgeschlagen. Vielmehr habe sie eine
schriftliche Absage (auch hinsichtlich einer eventuellen Halbtagsstelle) erhalten. Sie habe ab dem
01.09.2002 auch keine neue Arbeitsstelle angetreten. Ursprünglich habe sie gehofft, ab diesem Zeitpunkt
wieder eine neue Arbeit zu erhalten. Dies habe sich dann aber leider zerschlagen.
Im Termin zur streitigen Verhandlung vom 20.01.2004, in dem die Beklagte trotz ordnungsgemäßer
Ladung nicht vertreten war, ist auf Antrag der Klägerin folgendes Versäumnisurteil ergangen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.676,85 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent
über dem Basiszinssatz der EZB aus 935,79 EUR seit dem 01.06.2002, aus weiteren 1.754,28 EUR seit
dem 01.07.2002, aus weiteren 1.754,28 EUR seit dem 01.08.2002, aus weiteren 1.754,28 EUR seit dem
01.09.2002, aus weiteren 1.754,28 EUR seit dem 01.10.2002, aus weiteren 228,81 EUR seit dem
01.11.2002 und aus weiteren 1.495,13 EUR seit dem 09.12.2003 zu zahlen, abzüglich eines durch das
Arbeitsamt Bad Kreuznach gezahlten Netto-Betrages in Höhe von 1.340,38 EUR.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
4. Der Streitwert wird auf 9.336,47 EUR festgesetzt.
Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Sie hat vorgetragen, das monatliche Gehalt der Klägerin habe lediglich 1.751,68 EUR brutto betragen. Die
im Monat Februar 2002 gezahlte Prämie in Höhe von 2,60 EUR brutto, sei eine einmalige Prämie
gewesen.
Die Klägerin habe es böswillig unterlassen, einen Zwischenverdienst zu erzielen.
Für die Zeit vom 16.05. bis zum 17.06.2002 stehe der Klägerin deswegen kein Anspruch auf
Gehaltszahlung zu, weil diese sich nach Zugang der Kündigung vom 12.04.2002 erst mehr als einen
Monat später arbeitslos gemeldet habe.
Darüber hinaus habe die Klägerin in dem Kündigungsschutzverfahren selbst erklärt, dass sie eine
Halbtagstätigkeit bei der Firma Sch. ab dem 01.07.2002 abgelehnt habe. Eine solche Teilzeittätigkeit sei
mit monatlich 1.500,00 EUR brutto anzusetzen, so dass die Klägerin sich für die Monate Juli bis
September 2002 4.500,00 EUR brutto anrechnen lassen müsse. Schließlich habe die Klägerin in dem
Vorverfahren auch angegeben, sie habe ab dem 01.09.2002 eine neue Arbeitsstelle. Jedenfalls ab
diesem Zeitpunkt ende ihre Zahlungsverpflichtung also ohnedies.
Darüber hinaus müsse sich die Klägerin die ersparten Fahrtkosten vom Wohnort zur Arbeitsstelle in Höhe
von 360 EUR anrechnen lassen.
Es werde bestritten, dass die Klägerin lediglich 1.340,38 EUR Arbeitslosengeld erhalten habe.
Die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Urlaubsgeld und Sonderzahlung seien nach § 16 MTV
verfallen.
Das am 30.09.2002 fällige Urlaubsgeld hätte daher bis spätestens 30.03.2003 schriftlich geltend gemacht
werden müssen. Der am 15.10.2002 fällige Anspruch auf die Sonderzahlung 2002 hätte bis spätestens
15.04.2003 schriftlich geltend gemacht werden müssen. Da beide Ansprüche aber erst mit der
Klageerweiterung vom 03.07.2003 erhoben worden seien, seien sie verfallen.
§ 16 Ziff. 2 MTV stehe nicht entgegen. Der einschlägige Manteltarifvertrag sei in ihrem Betrieb ausgelegt.
Eine eventuelle Verletzung der tarifvertraglichen Pflichten zum Abschluss eines schriftlichen
Arbeitsvertrags berühre deren Verfall nicht.
Die tarifliche Sonderzahlung sei im Übrigen fehlerhaft berechnet, weil die Klägerin nur in das 2. Berufsjahr
einzugruppieren sei. Damit betrage die Sonderzahlung 2002 lediglich 846,88 EUR brutto. Davon 9/12
ergäben 635,16 EUR brutto.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
das Versäumnisurteil vom 20.01.2004 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
Das Arbeitsgericht hat die Akte des Kündigungsschutzverfahrens (Az.: 6 Ca 743/02) beigezogen und eine
Auskunft bei der Bundesanstalt für Arbeit - Arbeitsamt B. - über die Höhe des an die Klägerin gezahlten
Arbeitslosengeldes eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Stellungnahme des Arbeitsamtes vom
15.12.2003 (Bl. 121 d.A.) verwiesen.
Mit Urteil vom 12.03.2004 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil vom 20.01.2004 im Wesentlichen
aufrecht erhalten und dieses nur insoweit aufgehoben und die Klage (nebst Zinsen) abgewiesen, wie die
Klägerin den Annahmeverzugslohn aus einem Gehalt in Höhe von 1.754,28 EUR statt aus 1.751,68 EUR
berechnet hat. Nur in Höhe dieses Differenzbetrages von 13,33 EUR hat es die Klage unter Aufhebung
des Versäumnisurteils abgewiesen. Im Übrigen hat es den Antrag der Beklagten, die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils auszuschließen, zurückgewiesen.
Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Gehaltsanspruch für die Zeit vom 16.05.2002 bis zum 03.10.2002 ergebe sich aus dem Gesichtspunkt
des Annahmeverzugs. Auszugehen sei von einem monatlichen Brutto-Gehalt der Klägerin in Höhe
1.751,68 EUR. Die Klägerin habe die Behauptung der Beklagten, die im Monat Februar 2002 gezahlten
2,60 EUR brutto seien eine einmalige Prämie gewesen, nicht ausreichend widerlegt. Der Klägerin stehe
insoweit mithin ein Betrag in Höhe von 8.168,39 EUR brutto zu. Hierauf müsse sich die Klägerin das
Arbeitslosengeld gemäß der Auskunft des Arbeitsamtes B. vom 15.12.2003 anrechnen lassen.
Der Anspruch mindere sich nicht deswegen, weil die Klägerin sich erst verspätet arbeitslos gemeldet
habe. Die Vorschriften über den Annahmeverzug begründeten keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, die
Vermittlung der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen. Eine Anrechnung ersparter Fahrtkosten
komme nicht in Betracht; dies folge aus § 11 KSchG. Auf ihren Gehaltsanspruch brauche sich die Klägerin
auch nichts wegen einer behauptete Arbeitsaufnahme ab dem 01.09.2002 anrechnen zu lassen, da diese
tatsächlich nicht erfolgt sei. Auch eine Anrechnung eines Betrages von 4.500 EUR wegen Nichtaufnahme
einer (Halbtags-)Tätigkeit bei der Firma Sch. habe nicht zu erfolgen. Die Klägerin habe im Einzelnen
dargelegt, dass sie auch insoweit eine Absage erhalten habe. Die insoweit darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte habe demgegenüber weder vorgetragen, noch unter Beweis gestellt, dass die
Klägerin von sich aus eine zumutbare Halbtagsstelle bei der Firma Sch. abgelehnt habe.
Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung eines zusätzliches Urlaubsgeld nach § 2 des Tarifvertrags über
Sonderleistungen für die Beschäftigten des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz vom 26.08.1999 in
unstreitiger Höhe von 696,38 EUR brutto. Dieser sei entgegen der Meinung der Beklagten im Hinblick auf
die Bestimmung des § 16 Ziff. 2, 2. Abs. MTV nicht verfallen, da entgegen der Regelung in § 2 Ziffer 1 MTV
der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien keine Bestimmung darüber enthalte, in welche Gehaltsgruppe
die Klägerin eingruppiert sei. Die Tarifvertragsparteien hätten aber vereinbart, dass die tariflichen
Verfallfristen dann nicht gelten sollten, wenn die von ihnen normierten zusätzlichen Pflichten durch den
Arbeitgeber nicht erfüllt würden. Dabei spiele es entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rolle,
dass die Klägerin im Entscheidungsfall übertariflich entlohnt worden sei.
Der Hinweis auf die nach Auffassung der Beklagten einschlägige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts überzeuge nicht. Vorliegend gehe es nicht darum, dass tarifliche Ansprüche
eventuell auch dann verfallen, wenn der Arbeitnehmer keine Kenntnis von den Verfallfristen habe,
sondern darum, dass tarifvertragliche Verfallfristen in bestimmten Fällen überhaupt erst gar nicht gelten
sollten.
Dass der Eingruppierung des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag auch praktische Bedeutung zukomme,
zeige sich im vorliegenden Fall nicht zuletzt bei der geltend gemachten Sonderzahlung. Hätte der
schriftliche Arbeitsvertrag das Berufsjahr, in das die Klägerin am 01.03.2001 eingruppiert gewesen sei,
enthalten, würde sich der Streit der Parteien, ob sie sich im Jahr 2002 erst im 2. oder aber schon im 5.
Berufsjahr befunden habe, erübrigen.
Der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 2002 bestehe auch in Höhe von 798,75 EUR
brutto. Das Gehalt nach Tarifgruppe G II, 5. Berufsjahr habe im Jahr 2002 1.704,00 EUR brutto monatlich
betragen. Zu zahlen seien davon 62,5% = 1.065,00 EUR brutto, davon für die Klägerin 9/12 = 798,75 EUR
brutto. Die Klägerin habe im Einzelnen dargelegt, dass sie sich im Jahr 2002 bereits im 5. Berufsjahr
befunden habe. Demgegenüber sei das Bestreiten der Beklagten unsubstantiiert und daher unbeachtlich.
Insgesamt sei die Beklagte daher verpflichtet, an die Klägerin 9.663,52 EUR brutto abzüglich des
erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.340,38 EUR netto zu zahlen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammer Bad Kreuznach – vom 12.03.2004 ist der
Beklagten am 02.08.2004 zugestellt worden.
Hiergegen richtet sich die am 02.09.2004 eingelegte Berufung, die nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.11.2004 mittels eines am 02.11.2004 eingegangenen Schriftsatzes
begründet wurde.
Im Kammertermin vom 03.03.2005 hat die Beklagte ihre Widerklage zurückgenommen.
Die Beklagte trägt vor, die Grundsätze des Annahmeverzuges dürften zugunsten der Klägerin vorliegend
bereits deswegen nicht zur Anwendung kommen, weil die Klägerin im Kammertermin des
Kündigungsschutzverfahrens (Az.: 6 Ca 743/02) am 30.08.2002 erklärt habe, dass sie nicht mehr zur
Beklagten „zurück“ wolle.
Ein böswilliges Unterlassen einer anderweitigen Erwerbsaufnahme liege bereits in der verspätet erfolgten
Arbeitslosmeldung. Insoweit werde auf §§ 2 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, 37 b SGB III verwiesen.
Zudem habe die Klägerin nach ihren eigenen Angaben in den Kammerterminen vom 02.08.2002 und
12.09.2003 ab dem 01.07.2002 eine Teilzeitbeschäftigung bei der Fa. Sch abgelehnt. In der Sitzung vom
02.08.2002 habe die Klägerin außerdem bekundet, dass sie ab dem 01.09.2002 eine Vollzeittätigkeit in
einem anderen Unternehmen aufnehmen könne. Letztlich müsse die Klägerin sich die ersparten
Fahrtkosten anrechnen lassen.
Die Ansprüche der Klägerin auf ein Urlaubsgeld und eine Sonderzahlung seien nach den
tarifvertraglichen Bestimmungen entfallen. Dem stehe die Vorschrift in
§ 16 Ziff. 2 MTV nicht entgegen.
Die Klägerin sei unstreitig übertariflich vergütet worden, so dass die Angabe der tariflichen
Eingruppierung der Klägerin ohnehin unerheblich und ihr – der Beklagten - objektiv betrachtet gar nicht
möglich gewesen sei. Zudem solle die tarifliche Regelung ausschließlich die Rechte des Arbeitnehmers
schützen. Dieser Schutz sei aber obsolet, wenn der Arbeitnehmer Kenntnis von seiner Eingruppierung
habe. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei es ausschließlich Sache der Klägerin
gewesen, sich über die Höhe ihrer tariflichen „Grundvergütung“ zu informieren, was dieser auch ohne
weiteres möglich gewesen sei. Es bestehe mithin kein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem
eventuellem Pflichtverstoß und der Unkenntnis der Klägerin über ihre tarifliche „Grundvergütung“.
Ungeachtet dessen erfülle die konkrete Bezifferung des Gehaltsanspruchs in § 3 des Arbeitsvertrages
denselben Zweck, die die Benennung der Eingruppierung habe. Die Klägerin könne aufgrund ihrer
Vergütungshöhe selbst beurteilen, ob die vereinbarte Vergütung unterhalb der tarifvertraglich geregelten
– mit der Möglichkeit weiterer Ansprüche – oder gar darüber liege. Deswegen seien die
Zumutbarkeitskriterien des Bundesarbeitsgerichts an einen verständigen Arbeitnehmer in vollem Umfang
erfüllt.
Die Beklagte beantragt zuletzt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammer Bad Kreuznach, Az.: 6 Ca 1641/02, vom
12.03.2004 wird abgeändert.
Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 20.01.2004 insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenfällig zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie habe nicht, insbesondere auch nicht im Kammertermin vom 30.08.2002 erklärt, dass sie
nicht mehr zu der Beklagten „zurück“ wolle. Dagegen spreche bereits ihre Kündigungsschutzklage, die sie
– unstreitig - aufrechterhalten habe.
Sie habe es auch zu keinem Zeitpunkt unterlassen anderweitigen Verdienst zu erzielen. Zwar habe sie
sich tatsächlich verspätet arbeitslos gemeldet. Darin liege aber kein böswilliges Unterlassen. Dies zeige
sich bereits daran, dass sie nicht durch die Vermittlung des Arbeitsamtes, sondern nur durch inständige
persönliche Suche einen neuen Arbeitsplatz gefunden habe. Sie habe auch keinen Arbeitsplatz bei der
Fa. Sch. abgelehnt. Insbesondere habe sie auch nicht erklärt, dass sie nur die Stelle einer Filialleiterin
habe annehmen wollen. Nachdem ihr eine Teilzeitbeschäftigung angeboten worden sei, habe sie nur den
Wunsch geäußert ganztags zu arbeiten. Sie habe sodann von der Fa. Sch. insgesamt, d.h. auch bezogen
auf eine Teilzeitarbeit, eine Absage erhalten.
Ihre weiteren Ansprüche seien auch nicht verfallen seien. Die angeführte Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig. Sie habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass sie die
Verfallfristen nicht gekannt habe. Sie sei vielmehr der Auffassung, dass wegen des § 16 Abs. 2 MTV die
Verfallfristen nicht eingreifen würden.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes des Berufungsverfahrens wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten und zu den Akten gelangten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf das
Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Rechtsmittel der Berufung, das form- und
fristgerecht eingelegt und begründet wurde (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 511 ff. ZPO), hat in
der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit einer in jeder Hinsicht zutreffenden Begründung die Beklagte
verurteilt, an die Klägerin insgesamt 9.663,52 EUR brutto abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes in
Höhe von 1.340,38 EUR netto zu zahlen.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen hat die Kammer lediglich noch folgendes hinzuzufügen:
I. Der Anspruch der Klägerin auf Gehaltszahlung für die Zeit vom 16.05.2002 bis zum 03.10.2002 folgt aus
dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§§ 615, 611 BGB i.V.m. §§ 293 ff. BGB).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, hat der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, ihm ferner Arbeit zuzuweisen
und somit eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung gemäß § 296 BGB vorzunehmen.
Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines
Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf (Bundesarbeitsgericht Urteil vom
19.01.1999, EzA § 615 BGB Nr. 93). Nach dem Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung bedarf es
– u.a. bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist - mithin auch keines wörtlichen
Dienstleistungsangebots des Arbeitnehmers, um den Arbeitgeber in Annahmeverzug zu setzen
(Bundesarbeitsgericht Urteile vom 09.08.1994, 18.12.1986 und 19.04.1990, EzA § 615 BGB Nr. 43, 53
und Nr. 66). Da der Arbeitgeber mit Ausspruch der Kündigung seinen entgegengesetzten Willen
unzweideutig zu erkennen gibt, muss er den Arbeitnehmer wieder zur Arbeit auffordern, wenn er trotz der
Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten will.
Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte nach Ablauf der Kündigungsfrist, dem 16.05.2002, in
Annahmeverzug geraten.
Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, die Grundsätze des Annahmeverzuges
kämen zugunsten der Klägerin vorliegend deswegen nicht zur Anwendung, weil die Klägerin im
Kündigungsschutzverfahren im Kammertermin am 30.08.2002 erklärt habe, dass sie nicht mehr zur
Beklagten „zurück“ wolle, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis.
Zutreffend ist zwar, dass gemäß § 297 BGB der Arbeitgeber dann nicht in Verzug kommt, wenn der
Schuldner zur Zeit des Leistungsangebots oder im Fall des § 296 BGB zu der für die Handlung des
Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken; der Annahmeverzug ist also dann
ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungswillig und leistungsbereit ist
(Bundesarbeitsgericht Urteil vom 24.09.2003, EzA § 615 BGB 2002 Nr. 5). Denn das Leistungsvermögen
und die Leistungsbereitschaft des Schuldners zum maßgeblichen Zeitpunkt der termingebundenen
Mitwirkungshandlung des Gläubigers ist Voraussetzung des Annahmeverzuges (Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 18.12.1986, EzA § 615 BGB Nr. 53).
Es kann vorliegend dahinstehen, ob die von der Beklagten behauptete Aussage, nach dem ihr
zugrundeliegenden Erklärungswillen und ihrem Erklärungsinhalt überhaupt ausreichen würde, um daraus
auf eine ernsthafte Leistungsunwilligkeit der Klägerin ab diesem Zeitpunkt zu schließen.
Eine entsprechende Erklärung ergibt sich zunächst nicht aus dem Protokoll des Kammertermins vom
30.08.2002 im Verfahren 6 Ca 743/02 (Bl. 64 der dortigen Akten). Im Übrigen hat die Klägerin den Vortrag
der Beklagten ausdrücklich bestritten.
Die Beweislast für das Leistungsunvermögen und den fehlenden Leistungswillen des Schuldners trägt,
wie sich aus der Fassung des § 297 BGB unzweideutig ergibt, der Gläubiger der Leistung (Palandt-
Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 297 Rz 3, m.w.N.), mithin vorliegend die Beklagte.
Als beweispflichtige Partei hat sie aber für ihre Behauptung - trotz des Bestreitens der Klägerin -
insbesondere auch in ihrem Schriftsatz vom 25.08.2003 keinen Beweis angeboten. Dies wäre
insbesondere aber auch deswegen erforderlich gewesen, weil – worauf die Klägerin zu Recht
hingewiesen hat – der Umstand, dass die Klägerin ihre Kündigungsschutzklage aufrecht erhalten und
keinen Auflösungsantrag gestellt hat, gegen ihre Leistungsunwilligkeit spricht. Die Beklagte ist mithin
beweisfällig geblieben.
2. Zutreffend geht das Arbeitsgericht auch davon aus, dass die Klägerin sich auf ihren Anspruch aus dem
Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nichts dafür anrechnen lassen muss, weil sie es böswillig
unterlassen hätte, einen anderweitigen Erwerb zu erzielen (§ 615 S. 2 BGB, § 11 S. 1 Ziff. 2 KSchG).
Böswillig handelt der Arbeitnehmer, der in Kenntnis der objektiven Umstände, d.h. der Arbeitsmöglichkeit,
der Zumutbarkeit der Arbeit und der Nachteilsfolge für den Arbeitgeber, vorsätzlich untätig bleibt oder die
Arbeitsaufnahme verhindert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer grundlos
zumutbare Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm zumutbare Arbeit angeboten wird
(Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.05.2000, EzA § 615 BGB Nr. 99). Eine Absicht, den Arbeitgeber zu
schädigen, ist hingegen nicht erforderlich (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.06.1985, AP Nr. 2 zu § 615
BGB Böswilligkeit).
a) Dem Anspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass sich die Klägerin unstreitig erst verspätet
arbeitslos gemeldet hat.
Zu Recht hat folgt das Arbeitsgericht insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach es
auf eine unterlassene Meldung beim Arbeitsamt als Arbeitssuchender regelmäßig nicht ankommt. Die
Vorschriften über den Annahmeverzug begründen keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, die Vermittlung
der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen (so Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.05.2000 - 9
AZR 203/99 - AP Nr. 7 zu § 615 BGB "Böswilligkeit"; LAG Berlin Urteil vom 03.09.2003 – 17 Sa 808/03 –
EzA SD 23/2003, S. 6 Ls.).
Soweit die Beklagte auf die §§ 2 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, 37 b SGB III verweist, ergibt sich nichts anderes.
Abgesehen davon,dass die genannten Vorschriften erst nach dem hier interessierenden Zeitraum in Kraft
getreten sind, handelt es sich um Verpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber der Arbeitsverwaltung
und tangieren ggf. dessen Ansprüche dieser gegenüber.
Der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus dem Gesichtpunkt des Annahmeverzuges
folgt indes aus den zivilrechtlichen Bestimmungen der § 615 BGB bzw. des § 11 KSchG, die im hier
interessierenden Zeitraum keine Änderung erfahren haben.
b) Die Klägerin braucht sich auch keine ersparten Fahrtkosten anrechnen zu lassen. Dies ergibt sich –
wovon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeht - aus § 11 KSchG.
Der Regelungsgehalt des § 11 KSchG erstreckt sich allein auf die Frage, was sich der Arbeitnehmer für
den zwischen der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Wiederaufnahme der Arbeit
liegenden Zeitraum anrechnen lassen muss. Es handelt sich somit um eine Sonderregelung (lex
specialis) gegenüber der allgemeinen Anrechnungsvorschrift des § 615 S. 2 BGB (Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 06.09.1990, EzA § 615 BGB Nr. 67; KR-Spilger, 6. Aufl., § 11 KSchG Rz 4; ErfK - Preis, 4. Aufl.,
§ 615 BGB Rz. 89).
In § 11 KSchG sind diejenigen Tatbestände, auf Grund derer eine Anrechnung erfolgen kann,
abschließend aufgezählt. Im Unterschied zu § 615 Satz 2 BGB sieht § 11 KSchG indes keine Anrechnung
von ersparten Aufwendungen vor. Es handelt sich hierbei um solche Aufwendungen, die dem
Arbeitnehmer im Falle der Weiterarbeit entstanden wären (z.B. Fahrtauslagen). Im Hinblick auf die
Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Beträge hat der Gesetzgeber davon abgesehen, diese
Ersparnisse des Arbeitnehmers für anrechnungspflichtig zu erklären (KR-Spilger, aaO., Rz 50, m.w.N.).
c) Zu Recht geht das Arbeitsgericht auch davon aus, dass die Klägerin sich gemäß § 11 S. 1 Ziff. 1 und 2
KSchG auf ihren Gehaltsanspruch auch nichts wegen einer möglichen Arbeitsaufnahme ab dem
01.09.2002 anrechnen zu lassen muss.
Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, in dem Kündigungsverfahren gleichen Rubrums (Az.: 6 Ca 743/02)
habe die Klägerin in der Kammerverhandlung (Bl. 48 der dortigen Akten) vom 02.08.2002 zwar gesagt, sie
könne möglicherweise am 01.09.2002 eine neue Arbeitsstelle antreten. In der darauf folgenden
Verhandlung vom 30.08.2002 (Bl. 65 der dortigen Akte) habe sie aber erklärt, dass aus der Arbeitsstelle
leider nichts geworden sei. Die Klägerin habe damit vorgetragen, dass sie ab dem 01.09.2002 keine
anderweitige Beschäftigung aufgenommen habe.
Eine Anrechnung kommt daher schon deswegen nicht in Betracht, weil die insoweit darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte (KR-Spilger, 6. Aufl., § 11 KSchG, Rz 55, m.w.N.) auch in der Berufungsinstanz
die Voraussetzungen einer Anrechnungspflicht weder nach § 11 S. 1 Ziff. 1 KSchG, noch nach § 11 S. 1
Ziff. 2 KSchG dargelegt und bewiesen hat.
d) Die Klägerin muss sich auch nichts deswegen, anrechnen lassen, weil sie die Aufnahme einer (Teilzeit-
)Tätigkeit bei der Firma Sch unterlassen hat.
Das Arbeitsgericht führt zu Recht aus, die Klägerin habe dargelegt, dass sie sich ursprünglich für eine
Volltagsarbeitsstelle gemeldet habe, ihr aber gesagt worden sei, dass es Vollzeitarbeitsstellen nur sehr
selten, meist nur bei der Position einer Filialleiterin gebe. Später sei ihr dann seitens der Fa. Sch
schriftlich insgesamt, d.h. auch hinsichtlich einer Teilzeitbeschäftigung abgesagt worden.
Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat demgegenüber auch in der Berufungsinstanz
weder vorgetragen, noch unter Beweis gestellt, dass die Klägerin von sich aus eine Halbtagsstelle bei der
Firma Sch abgelehnt hat, so dass eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 11 KSchG nicht in
Betracht kommt. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob der bei der Beklagten in Vollzeit
beschäftigten Klägerin im Hinblick auf die geänderte Dauer der Arbeitszeit die Annahme einer
Teilzeitbeschäftigung bei der Fa. Sch überhaupt zumutbar gewesen wäre (vgl. KR-Spilger, aaO., § 11
Rz.42).
Nach alledem verbleibt es dabei, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Annahmeverzugslohn
in Höhe von 8.168,39 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.340,38 EUR
netto für die Zeit vom 16.05. bis 03.10.2002 zu zahlen.
Soweit die Klägerin Arbeitslosengeld bezogen hat, ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf
den zuständigen Leistungsträger übergegangen (§ 115 Abs. 1 SGB X). Die sich aus der Auskunft des
Arbeitsamtes B. vom 15.12.2003 ergebende Höhe hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr
bestritten.
II. Die Beklagte ist auch verpflichtet, an die Klägerin für das Jahr 2002 ein zusätzliches Urlaubsgeld nach §
2 des Tarifvertrags über Sonderleistungen für die Beschäftigten des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz
vom 26.08.1999 zu zahlen. Der geltend gemachte Anspruch von 696,38 EUR brutto ist der Höhe nach
unstreitig.
Er ist entgegen der Ansicht der Beklagten ist, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeht, nicht verfallen.
1. Nach § 16 Ziff. 1, Buchst. c des einschlägigen Manteltarifvertrags für die Beschäftigten des
Einzelhandels in Rheinland-Pfalz hätte der Anspruch innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach
Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen, andernfalls er verfällt.
Gemäß § 16 Ziff.2 S. 2 MTV gilt dies bei Ansprüchen von Arbeitnehmer/Innen gegenüber dem Arbeitgeber
aber dann nicht, wenn der Arbeitgeber die ihm nach § 2 Ziff. 1 und § 17 Ziff. 4 obliegende Pflicht nicht
erfüllt hat.
Nach § 17 Ziff. 4 ist der Tarifvertrag an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen, was vorliegend unstreitig
der Fall war.
Nach § 2 Ziff. 1 MTV muss der schriftliche Arbeitsvertrag die vorgesehene Tätigkeit, die entsprechende
Eingruppierung, tarifliche oder zusätzliche vereinbarte Zulagen, die ihrer Art nach genau zu bezeichnen
sind, etc enthalten.
Darauf, ob der Arbeitnehmer anderweitig Kenntnis von den im Arbeitsvertrag geforderten Angaben hatte
oder hätte haben können bzw. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem eventuellem
Pflichtverstoß und der Unkenntnis der Klägerin über ihre tarifliche „Grundvergütung“ besteht, kommt es
nach den tarifvertraglichen Regelungen gerade nicht an. Damit haben die Tarifvertragsparteien konkrete
(formelle) Voraussetzungen für das Eingreifen der Verfallfristen vereinbart. Dies ist ihnen grundsätzlich
unbenommen (Art. 9 Abs. 3 GG).
Es kommt mithin auch nicht darauf an, dass die Klägerin unstreitig übertariflich vergütet wurde.
Lediglich vorsorglich weist die Kammer daher darauf hin, dass entgegen der Meinung der Beklagten die
Angabe der tariflichen Eingruppierung deswegen auch nicht unerheblich oder gar unmöglich war.
Gerade wenn eine übertarifliche Vergütung erfolgt, ist – worauf das Arbeitgericht zu Recht hinweist - eine
Klarstellung, welche tarifliche Eingruppierung zugrunde gelegt wird und welcher Anteil mithin ein
übertariflicher Vergütungsbestandteil ist, schon deswegen sinnvoll, weil sich bestimmte tarifliche
Sonderleistungen an der tariflichen Grundvergütung orientieren. Warum der Beklagten eine
entsprechende Aufführung der einzelnen Vergütungsbestandteile wie sie der MTV fordert, nicht möglich
gewesen sein soll, erschließt sich der Kammer nicht. Dies gilt umso mehr als die Beklagte andererseits
meint, eine Angabe erübrige sich, weil die Klägerin diese ohne weiteres hätte erkennen können.
2. Entgegen den dargestellten tariflichen Vorschrift enthält der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien
vorliegend keine Bestimmung darüber, in welche Gehaltsgruppe die Klägerin eingruppiert ist und ob und
ggf. welche, genau zu benennenden (über-)tarifliche Zulagen gezahlt werden.
Die Bezifferung der Gehaltshöhe in § 3 des Arbeitsvertrages erfüllt die tariflichen Voraussetzung nicht. Sie
enthält keinen schriftlichen Niederschlag, von welcher tariflichen Eingruppierung nach Tarifgruppe und
Tätigkeitsjahr die Arbeitsvertragsparteien, insbesondere auch die Beklagte ausgehen.
Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut müssen die Anforderungen "Aushängung des Tarifvertrags" und
"entsprechende Eingruppierung im Arbeitsvertrag" kumulativ vorliegen, damit die tariflichen Verfallfristen
greifen (LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 22.04.1987 - 10 Sa 122/87 – n.v.).
Zutreffend geht das Arbeitsgericht mithin davon aus, dass die von den Tarifvertragsparteien in § 16 Ziff. 1
und Ziff. 2 S. 1 MTV geregelten Verfallfristen vorliegend nicht eingreifen, weil die Beklagte die von den
Tarifvertragsparteien in § 2 MTV zusätzlich normierten Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
3. Dem Arbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass die von der Beklagten in Bezug genommenen
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts nicht einschlägig sind.
a) In der zu den hier einschlägigen Tarifnormen ergangenen Entscheidung vom 24.03.1999 (10 AZR
181/98) hat das Bundesarbeitsgericht vielmehr bestätigt, dass ein Verstoß gegen § 17 Ziff. 4 MTV dazu
führt, dass arbeitnehmerseitige Ansprüche nicht verfallen. Auf die Kenntnis des Arbeitnehmers von den
einschlägigen Tarifnormen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Im dortigen Fall hatte der
Arbeitgeber indes den Verstoß später „geheilt“, indem er der dortigen Klägerin nachträglich einen
Arbeitgeber indes den Verstoß später „geheilt“, indem er der dortigen Klägerin nachträglich einen
Tarifvertrag überließ. Erst im Zusammenhang mit der im Tarifvertrag nicht ausdrücklich geregelten Frage,
ob mit der nachträglichen Erfüllung der formellen Voraussetzung auch nachträglich der Lauf der
Verfallfristen in Gang gesetzt wird, hat das Bundesarbeitsgericht dies aufgrund einer u.a. auch am Zweck
orientierten Auslegung des Tarifvertrages bejaht. Eine entsprechende Problematik ergibt sich vorliegend
nicht.
b) Auch die weiter zitierte Entscheidung vom 23.01.2002 (Az.: 4 AZR 56/01) ist vorliegend nicht
einschlägig. Dort ging es gerade nicht um die hier entscheidende Frage, ob die tariflichen
Voraussetzungen für das Eingreifen einer Verfallklausel erfüllt sind. Anders als im vorliegenden Fall
hatten die dortigen Tarifvertragsparteien gerade nicht die Rechtsfolgen einer über § 8 TVG
hinausgehenden, tariflich geregelten Auslegungsverpflichtung vereinbart. Das Bundesarbeitsgericht hatte
daher im Wesentlichen die (Auslegungs-)Frage zu klären, ob ein Verstoß gegen die gesetzlichen
Bestimmungen des NachwG bzw. des § 8 TVG, die beide keine Rechtsfolgenregelung enthalten,
Auswirkungen auf den Lauf tariflicher Verfallfristen habe. Auch diese Rechtsfrage stellt sich vorliegend
ebenfalls nicht.
Damit ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgelds nicht verfallen. Der
Berufung musste daher auch insoweit der Erfolg versagt werden.
III. Der Klägerin steht darüber hinaus auch die tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 798,75 EUR brutto
gemäß § 3 des Tarifvertrages über Sonderleistungen für die Beschäftigten des Einzelhandels in
Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 26.08.1999 zu. Die Höhe hat die Beklagte in der Berufungsinstanz
nicht mehr bestritten.
Der Anspruch ist auch nicht verfallen. Insoweit wird zur Meidung von Wiederholungen wird auf die obigen
Ausführungen unter II. verwiesen.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Mangels Vorliegen der Voraussetzung war die Zulassung der Revision nicht veranlasst (§ 72 ArbGG, vgl.
GMPM/Müller-Glöge, § 72 Rz. 17; Schwab/Weth, ArbGG, § 72 Rz. 30 m.w.N.).