Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.09.2010
LArbG Mainz: betriebsrat, unwirksamkeit der kündigung, tresor, gespräch, wesentliche veränderung, arbeitsgericht, probezeit, abmahnung, kassette, form
LAG
Mainz
10.09.2010
9 Sa 237/10
Betriebsratsanhörung bei verhaltensbedingter Kündigung
Aktenzeichen:
9 Sa 237/10
9 Ca 2186/09
ArbG Mainz
Entscheidung vom 10.09.2010
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.02.2010, AZ 9 Ca
2186/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der von der
Beklagten mit Schreiben vom 28.09.2009 zum 31.12.2009 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung
seine Beendigung gefunden hat. Die Beklagte, die ständig weitaus mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt,
ist eine Bank, die schwerpunktmäßig im Privatkundengeschäft tätig ist. Der Kläger wurde aufgrund des
Arbeitsvertrages vom 25.04.2008 ab 01.08.2008 als Filialleiter eingestellt. Die Beklagte kündigte zunächst
dieses Arbeitsverhältnis innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit zum 31.03.2009. Unter
dem 04.03.2009 schlossen die Parteien einen weiteren Anstellungsvertrag, demzufolge der Kläger mit
Wirkung zum 01.04.2009 wiederum als Filialleiter beschäftigt wurde. Mit Schreiben vom 28.09.2009
kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2009. Unter dem 21.09.2009 hörte die
Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat wie folgt an:
" 2.Anlässlich des Falles "K." prüfte die Revision die Filiale M. und befragte einige Mitarbeiter. Die
Einzelheiten dieses Falles sind dem Betriebsrat bekannt.
Neben der Aufklärung des Falles "K." ergab die Prüfung, dass sich die Filiale M. in einem katastrophalen
Zustand befand. Elementarste Sicherheitsvorschriften wurden nicht eingehalten. Dies für jeden Mitarbeiter
in der Filiale offensichtlich. Herr C. hat weder seine Mitarbeiter in ausreichender Weise kontrolliert, noch
hat er anderweitig dafür gesorgt, dass diese Sicherheitsvorschriften eingehalten werden.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verstöße:
Am 17.06.2009 fand der damalige stellvertretende FLL Herr S. im SA-Raum unterhalb der
Geldzählmaschine Bargeld, welches der damals verantwortliche Mitarbeiter K. dort aufbewahrte. Dies
stellt einen Verstoß gegen die "GA-Filialbetrieb-Kasse" in den Punkten "1.1. Kassenverantwortung",
insbesondere die Punkte "1.1.1 Kassenverantwortlicher" und "1.3.1 Vier-Augen-Prinzip
Kassenwertbestände" durch die Kassenverantwortlichen und durch die nicht zugriffsberechtigten
Mitarbeiter dar und hätte aufgrund der offensichtlichen Verstöße - siehe beispielhaft folgende Auflistung -
jederzeit selbst ohne die Durchführung der erforderlichen Vollaufnahmen von Herrn C. erkannt werden
müssen.
Die Tresortür wurde mehrfach für Stunden nur angelehnt oder blieb über einen langen Zeitraum weit
geöffnet. Mitarbeiter oder fremde Personen (Geldboten) waren mehrfach alleine am Tresor. Jeder hätte
sich theoretisch selbst bedienen können.
Am 31.03.2009 gegen 18:15 Uhr öffnete Herr S. die Tresortür, ohne dass ein zweiter Mitarbeiter
anwesend war. Gleiches geschah am 28.05.2009 gegen 16:40 Uhr und am 08.06.2009 gegen 08:45 Uhr.
Am 27.04.2009 gegen 18:05 Uhr war der FLV Herr S. alleine im Tresorraum und zählte den Tresorbestand
entgegen GA ohne dass ein zweiter Mitarbeiter anwesend war.
Am 27.04.2009 und 29.05.2009 war der Geldbote alleine im Tresorraum bei geöffnetem Tresor.
Am 27.04.2009 um 16:55 Uhr war Herr G. alleine am offenen Tresor.
Am 25.05.2009 um 10:00 Uhr war Herr P. alleine am offenen Tresor, ebenfalls am 25.05. gegen
11:00 Uhr.
Am 25.05.2009 half die Vermögensberaterin beim Kassenabschluss, füllt Geld in AKT Kassetten und ging
alleine an den offenen Tresor.
Am 26.05.2009 gegen 18:05 Uhr war Herr M. alleine am offenen Tresor.
Am 27.05.2009 gegen 16:55 Uhr war Mitarbeiter Ka. alleine am offenen Tresor; die Tresortür wurde 20
Minuten offen gelassen.
Am 27.05.2009 gegen 17:30 Uhr war MA F. alleine am offenen Tresor.
Am 16.06.2009 und 17.06.2009 war der Mitarbeiter Ko.alleine am offenen Tresor.
Am 31.03.2009 gegen 18:15 Uhr öffnete Herr S. ohne einen zweiten Mitarbeiter die Tresortür. Gleiches
geschieht am 28.05.2009 gegen 16:40 Uhr und am 08.06.2009 gegen 08:45 Uhr.
Am 27.04.2009 gegen 18:05 Uhr ist der FLV Herr S. alleine im Tresorraum und zählt den Tresorbestand
entgegen GA ohne den kontrollierenden 2. MA
Verstoß gegen Schlüsselkartei
Die Prüfung der Schlüsselkartei ergab, dass das falsche Formular S103 für Ein/Austritt "Vier-Augen-Zugriff
Kassenwertbestände" benutzt wurde. Beim Kasseneintritt des Mitarbeiters Ka. am 28.05.2009 fehlte auch
dieses Formular. Die Inhaberkarten "Bedienercodes Twin-Lock" für Mitarbeiter Ko.und Ka. fehlten.
Entgegen den Vorgaben der "GA-Filialbetrieb-Filialverwaltung" erfolgten die Schlüsselübergaben bzw. die
Übergaben der Tresorkombinationen nicht oder nicht korrekt anhand der erforderlichen Dokumente, so
dass die Zugriffsmöglichkeiten der Mitarbeiter nicht mehr nachvollzogen werden können und
ungerechtfertigter Zugriff auf die Wertbestände der Filiale nicht ausgeschlossen war. Dies stellt mehrfache
Verstöße gegen die o. g. GA, insbesondere gegen die Punkte "1.2 Schlüssel- und Tresorkombinations-
Verwaltung" und "1.2.5.1. Tresorkombinationen für den Tresor TWIN-LOCK 7220" dar.
Entgegen der "GA Filialbetrieb-Serviceautomat, Punkt 1.2.2.5 wurden Vollaufnahmen des SA wurden von
Herrn K. häufig alleine durchgeführt und nachträglich von Herrn S. abgezeichnet. Am 07.05.2009 kündigte
Herr C. Herrn K. an, eine Vollaufnahme durchzuführen. Der Mitarbeiter K. betrat gegen 10:05 Uhr alleine
den Sa-Raum, und entnahm die Reject-Kassette. Nach seinen Angaben befüllte Herr K. die Reject-
Kassette mit Geld, was er vergessen habe, in der Kasse zu entsorgen. Um nicht von Herrn C. getadelt zu
werden, habe er es vor der Vollaufnahme in die Reject-Kassette gefüllt. Gegen 11:30 Uhr fand die
Vollaufnahme statt. Herr K. wusste somit mindestens knapp 1 ½ Stunden vorher, dass eine Vollaufnahme
stattfinden würde und konnte die Zeit nutzten, dafür zu sorgen, dass keine Differenz vorlag.
Auch andere Kernaufgaben als Filialleiter nahm Herr C. nicht wahr. Die Quartals- und Feinplanung der
Filiale, Planung und Durchführung von Quartals- und Kritikgesprächen, Vorbereitung und Durchführung
von reviews mit dem VD, Planung und Kommunikation von Mitarbeiterzielen sowie Coaching von
Mitarbeitern wurden von Herrn C. an Herrn S.delegiert.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass Herr C. seine Aufgaben als Filialleiter in keiner Weise erfüllte. Er
plante und organisierte die Filiale nicht, er ließ zu, dass ständig am "offenen Tresor" gearbeitet wurde, er
kontrollierte seine Mitarbeiter nicht und ließ zu, dass auch andere Sicherheitsvorschriften mit Füßen
getreten wurden. Dies führte erst dazu, dass der ehemalige Mitarbeiter K. vorübergehend einen größeren
Geldbetrag aus der Filiale entfernen konnte.
Das Verhalten von Herrn C. ist auch abgemahnt worden. Zwar gibt es kein als "Abmahnung" bezeichnetes
Schreiben in der Personalakte. Es fanden aber mehrere Gespräche zwischen Herrn C. und dem
damaligen VD Herrn Dr. W. statt, wo dieser ihn auf seine Leistungsmängel hinwies. Am 19.12.2008
eröffnete Herr Dr. W. Herrn C., dass sein Arbeitsverhältnis zum 31.03.2009 gekündigt werden solle. Herr
C. setzte die Prozesse bei der Xbank nicht um. Er habe aus Eigeninitiative keine Personalplanung und
auch keine Personalgespräche durchgeführt, sondern nur, wenn er von der Personalreferentin Frau S.
oder Herrn Dr. W. dazu aufgefordert worden sei. Die Geschäftssteuerung überlasse er weitgehend seinem
Stellvertreter. Er habe bisher die Abläufe und Arbeitsvorgänge zu wenig erlernt. Ihm wurde in Aussicht
gestellt, ihn in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, wenn er sich in dieser Zeit bewähren
solle.
Es wurde vereinbart, dass Herr C. zu folgenden Punkten seine Einarbeitung intensiviert:
Kasse/SA/SAC/ZVK/Filialkontrollen. Um dies noch einmal zu lernen, hielt sich Herr C. vom 08.01.2009 bis
12.01.2009 in der Filiale K. auf.
CIV Zertifizierung
Investmentzertifizierung Basic und Advanced
Intensivierung ganzheitliche Kundenberatung/Sales Flow
MIS/Super Plan
Das Arbeitsverhältnis wurde dann zum 31.03.2009 fristgerecht gekündigt. Zwar wurde mit Wirkung vom
01.04.2009 die Aufnahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart. Aufgrund des Gesprächs
am 19.12.2009 und der Kündigung zum 31.03.2009 musste Herr C. davon ausgehen, dass die XBank
weitere Versäumnisse insbesondere in den Punkten Kasse, GA, Filialkontrollen nicht dulden würde.
Bei der erforderlichen Interessenabwägung …"
Zwischen dem Kläger und seinem damaligen Vorgesetzten, Herrn Dr. W., fanden im November und
Dezember 2008 zwei Gespräche statt. Anlässlich des Gesprächs am 19.12.2008 teilte Herr Dr. W. dem
Kläger u. a. mit, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit gekündigt werde. Der weitere Inhalt
der beiden Gespräche ist zwischen den Parteien streitig. Während der Kläger behauptet, das Gespräch im
November 2008 habe dem Antrittsbesuch des seinerzeit neuen Vorgesetzten Dr. W. in der
Beschäftigungsfiliale des Klägers gedient und sei betont freundlich und mit anerkennenden Worten
verlaufen, behauptet die Beklagte, es habe sich um ein Kritikgespräch gehandelt, in welchem der Kläger
insbesondere darauf hingewiesen worden sei, dass er bestimmte Aufgaben (Quartals- und Feinplanung
der Filiale M.; Vorbereitung/Durchführungen von Reviews, Planung und Durchführung von Quartals-,
Kritik- und Personalgesprächen und mit Filialmitarbeitern; Planung und Kommunikation von
Mitarbeiterzielen sowie Coaching von Mitarbeitern) persönlich wahrnehmen müsse und nicht delegieren
dürfe. Hinsichtlich des Gespräches am 19.12.2008 behauptet der Kläger, auch hierbei habe es sich nicht
um ein Kritikgespräch gehandelt. Vielmehr habe Herr Dr. W. die Kündigung innerhalb der Probezeit damit
begründet, dass er noch keine abschließende Beurteilung vornehmen könne und außerdem noch eine
weitere intensive Einarbeitung in Filialen des Vertriebsbereichs wünsche. Hierbei sei die
Wiedereinstellung als ziemlich sicher in den Raum gestellt worden. Nach Darstellung der Beklagten
handelte es sich um ein Kritikgespräch, in welchem dem Kläger u. a. erhebliche Kenntnisdefizite
hinsichtlich der für die Sicherheitslage der Bank maßgeblichen Sicherheitsvorschriften vorgehalten
worden sei. Ferner sei kritisiert worden, dass der Kläger nach wie vor Kernaufgaben im Bereich der
Filialplanung/-organisation sowie im Bereich der Personalführung/-planung nicht persönlich wahrnehme.
Wegen dieser Mängel werde das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.03.2009 gekündigt
werden. Dem Kläger sei aber der Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses ab dem 01.04.2009 für den
Fall in Aussicht gestellt worden, dass sich seine Leistungen verbessern würden. Da der Kläger sich nach
diesen Kritikgesprächen bemüht habe, die Vorgaben umzusetzen, sei ihm der Abschluss eines neuen
Arbeitsverhältnisses ab 01.04.2009 angeboten worden.
Gleichwohl habe der Kläger auch nach Abschluss des neuen Arbeitsverhältnisses - wie aus der
Betriebsratsanhörung ersichtlich - schwerwiegend gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der
Parteien erster Instanz im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand
des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.02.2010 (Bl. 218 ff. d. A.).
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien
durch die seitens der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 28.09.2009 nicht aufgelöst worden ist.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt:
Die streitgegenständliche Kündigung sei nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam, da die Anhörung des
Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Wenn die Beklagte in der schriftlichen Betriebsratsanhörung
auf mehrere Gespräche zwischen dem Kläger und Herrn Dr. W. verweise, habe sie diese Gespräche nicht
näher dargestellt. Durch den Verweis auf mehrere Gespräche mit dem Hinweis auf Leistungsmängel
werde auch ein nicht den Tatsachen entsprechendes Bild gekennzeichnet, da der Begriff "mehrere" nach
allgemeinem Sprachgebrauch eine größere Anzahl, die jedenfalls über zwei liege, bezeichne, obwohl es
tatsächlich nur zwei Gespräche gegeben habe. Hierdurch werde der - nicht den Tatsachen entsprechende
- Eindruck erweckt, dem Kläger sei immer wieder erfolglos verdeutlicht worden, was von ihm erwartet
werde.
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 30.04.2010 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am
10.05.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit
Schriftsatz vom 14.06.2010, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet. Nach
Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des weiteren Schriftsatzes vom 24.08.2010, auf die wegen
der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 275 ff., 319 ff. d. A.) macht die Beklagte zur
Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:
Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Mitteilungspflichten im Rahmen der
Betriebsratsanhörung überspannt und den Grundsatz der subjektiven Determinierung verkannt. Danach
sei der Betriebsrat bereits dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber diesem die aus seiner
Sicht tragenden Umstände der Kündigung unterbreitet habe. Zu diesen aus Sicht der Beklagten tragenden
Umständen habe die Tatsache von mehreren Kritikgesprächen, in welchem der Kläger auf seine
kündigungsrelevanten Leistungsmängel hingewiesen worden sei, gehört. Jedenfalls habe sie das
Kritikgespräch vom 19.12.2008 inhaltlich ausreichend ausführlich dargelegt. Aus Sicht der Beklagten
habe dieses Kritikgespräch tragender Umstand der Kündigung sein sollen, da diesem Gespräch in
Verbindung mit der (Probezeit) Kündigung vom 17.12.2008 Abmahnungsfunktion habe zukommen sollen.
Das allein diesem Gespräch vom 19.12.2008 in Verbindung mit der erfolgten Probezeitkündigung aus
Sicht der Beklagten Abmahnungswirkung habe zukommen sollen, ergebe sich auch aus folgendem
Passus der schriftlichen Betriebsratsanhörung:
"Aufgrund des Gesprächs am 19.12.2009 und der Kündigung zum 31.03.2009 musste Herr C. davon
ausgehen, dass die Xbank weiter Versäumnisse in den Punkten Kasse, GA, Filialkontrollen nicht dulden
würde."
Der Betriebsrat habe sich im Übrigen auf Grundlage der übrigen Angaben im Anhörungsschreiben ohne
Weiteres ein ausreichendes Bild vom Charakter des nicht näher detaillierten Gesprächs im November
2008 machen können. Aufgrund des im Anhörungsschreibens geschilderten Gesamtbildes der
Pflichtverletzungen des Klägers liege es auf der Hand, dass auch in diesem Kritikgespräch jedenfalls über
einschlägige gleichartige Leistungsdefizite des Klägers gesprochen worden sei. Auch eine bewusste und
gewollte Fehlinformation des Betriebsrats liege nicht vor. Der Begriff "mehrere Gespräche" bezeichne
nach allgemeinem Sprachgebrauch nur eine Mehrzahl von Fällen. Eine solche Mehrzahl liege aber
bereits dann vor, wenn es um mehr als einen Fall gehe. Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht
angenommen, dass eine Betriebsratsanhörung, die konkretisierungsfähige bzw. -bedürftige Angaben
enthalte, gegen § 102 BetrVG verstoße. Eine weitere Erläuterung und Konkretisierung der dem Betriebsrat
mitgeteilten Kündigungsgründe ohne wesentliche Veränderung des Kündigungssachverhalts im
Kündigungsschutzprozess sei aber möglich, wenn durch die Konkretisierung nicht erst ein
kündigungsrechtlich erheblicher Sachverhalt angegeben werde.
Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt. Die Kritikgespräche, insbesondere das Gespräch vom
19.12.2008 habe den behaupteten Inhalt gehabt. In Verbindung mit der Probezeitkündigung komme
diesem Abmahnungscharakter zu. Dessen ungeachtet habe der Kläger - wie in der Betriebsratsanhörung
geschildert - schwerwiegend gegen vertragliche Pflichten verstoßen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.02.2010, AZ 9 Ca 2186/09, abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung mit Schriftsatz
vom 08.07.2010 (Bl. 311 ff. d. A.) als zutreffend. Die Betriebsratsanhörung sei irreführend und unrichtig
und erwecke den Eindruck, es sei mehrfach mit dem Kläger über behauptete Fehlleistungen gesprochen
worden. Ein Kritikgespräch im November 2008 sei nicht erfolgt. Das Gespräch sei betont freundlich
verlaufen und die hier von der Beklagten vorgetragenen Erklärungen seien nicht Gegenstand dieses
Gesprächs im Rahmen des Antrittsbesuchs des neuen Vorgesetzten gewesen. Ebenso sei im Gespräch
am 19.12.2008 lediglich die Probezeitkündigung dahin gehend erläutert worden, dass der neue
Vorgesetzte, Herr Dr. W., noch keine abschließende Beurteilung des Klägers vornehmen könne und sich
noch eine weitere intensive Einarbeitung wünsche. Die Kündigung sei auch sozial nicht gerechtfertigt, da
es an der erforderlichen Abmahnung fehle. Ein Kündigungsandrohung sei nicht erfolgt. Selbst nach dem
Sachvortrag der Beklagten hätten die Kritikgespräche nicht den Schwerpunkt der Kündigungsvorwürfe in
Form des Verstoßes gegen Sicherheits- und Überwachungsvorschriften betroffen. Auch in der Sache
seien die dem Kläger vorgeworfenen Leistungsmängel nicht begründet.
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.09.2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet.
II.
gelangt, dass die streitgegenständliche Kündigung in (entsprechender) Anwendung des § 102 Abs. 1 S. 3
BetrVG rechtsunwirksam ist.
1. Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG 16.09.2004 - 2 AZR 511/03 -, EZA § 102
BetrVG 2001 Nr. 10) ist eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn
der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt anzuhören, sondern
auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, insbesondere er seiner Unterrichtungspflicht nicht
ausführlich genug nachgekommen ist. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe für die
Kündigung mitteilen, d. h. er muss über alle Gesichtspunkte informieren, die ihn zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses veranlasst haben. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der
Betriebsratsanhörung ist dabei subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn
ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht subjektiv tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat. In diesem
Rahmen allerdings muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die maßgebenden Tatsachen substantiiert
mitteilen, d. h. in einer Weise, die es dem Betriebsrat ermöglicht ohne zusätzliche eigene
Nachforschungen selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine
Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. etwa BAG 21.07.2005 - 6 AZR 498/04 - EZA § 102 BetrVG 2001
Nr. 15). Der Grundsatz der subjektiven Determination führt damit nicht zu einem herabgesetzten Maßstab
im Bezug auf die inhaltliche Darstellung der im Rahmen dieser subjektiven Determination vom
Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe.
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht nur die Vorfälle
genau bezeichnen, die die Kündigung rechtfertigen sollen, sondern auch mitteilen, dass, wann, warum
und ggf. wie oft der Arbeitnehmer bereits abgemahnt wurde (vgl. etwa KR-Kündigungsschutzgesetz/Etzel,
9. Aufl., § 102 BetrVG RZ 64; DLW/Dörner Kap. 4/1652).
2. Gemessen hieran ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Betriebsratsanhörung
der Beklagten gemäß deren im Tatbestand wiedergegebenen Schreiben diesen Anforderungen nicht
genügt.
Wenn die Beklagte in diesem Schreiben ausführt, der Kläger sei auch abgemahnt worden, wobei es zwar
kein als Abmahnung bezeichnetes Schreiben in der Personalakte gebe, aber mehrere Gespräche
zwischen dem Kläger und seinem damaligen Vorgesetzten stattgefunden hätten, in welchen dieser dem
Kläger auch Leistungsmängel hingewiesen habe, wird bereits hierdurch der Eindruck erweckt, es fehle
lediglich eine schriftliche Abmahnung, Abmahnungen lägen aber in mündlicher Form vor. Im Ergebnis
zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass das Anhörungsschreiben nach seinem
objektiven Erklärungswert den Eindruck erweckt, es hätten vor Ausspruch der seinerzeitigen
Probezeitkündigung mehrere Gespräche in Bezug auf Leistungsmängel des Klägers stattgefunden. Der
Wortlaut des Anhörungsschreibens stellt unter Ziffer 3 zunächst auf mehrere Gespräche in Bezug auf
Leistungsmängel ab und verweist sodann auf das Gespräch vom 19.12.2008, sowie darauf, dass in
diesem Gespräch dem Kläger eröffnet wurde, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit
gekündigt werde. Hierdurch wird der Eindruck erweckt, vor diesem Kündigungserläuterungsgespräch
hätten bereits mehrere Gespräche stattgefunden, in welchem Leistungsmängel angesprochen worden
seien und die in der Anhörung geschilderten Leistungsmängel dienten der Erläuterung des
Kündigungsentschlusses. Insgesamt wird damit der Eindruck erweckt, der Kläger sei bereits vor
Ausspruch der Probezeitkündigung in Gesprächen mit Abmahnungscharakter auf Leistungsmängel
hingewiesen worden, ohne dass diese zu einer Verhaltensänderung geführt hätten, so dass aufgrund der
sodann aufgeführten Leistungsmängel im Zusammenhang mit dem Gespräch vom 19.12.2008 das
Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit gekündigt worden sei. Des Weiteren bleibt auch inhaltlich
unklar, welches Verhalten des Klägers nach Auffassung der Beklagten abgemahnt worden sein soll.
Wenn die Beklagte vor dem betreffenden Passus in Ziffer 3 des Anhörungsschreibens im Einzelnen
Pflichtverstöße des Klägers aufführt um sodann unter Ziffer 3 einleitend auszuführen, das Verhalten des
Klägers sei auch abgemahnt worden und auf mehrere Gespräche verweist, in welchen der Kläger auf
"seine Leistungsmängel" hingewiesen worden sein soll, wird hierdurch ein Bezug zu den unter Ziffer 2 des
Anhörungsschreibens aufgeführten Pflichtverletzungen hergestellt und der Eindruck vermittelt, der Kläger
habe bereits zuvor gegen sicherheitsrelevante Vorgaben verstoßen und dies sei Gegenstand von
mehreren Gesprächen gewesen. Dies aber war auch ausgehend nur von der Darstellung der Gespräche
durch die Beklagte nicht der Fall.
Dieser Erklärungswert des Anhörungsschreibens war auch geeignet, dem Betriebsrat ein unzutreffendes
Bild vom Kündigungssachverhalt zu vermitteln, da es bei einer vom Betriebsrat anzustellenden
Überprüfung der Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe einen nicht nur unerheblichen Unterschied macht,
ob ein Arbeitnehmer überhaupt und ggf. sogar mehrfach bereits abgemahnt worden ist. Liegen mehrfache
Abmahnungen vor und kommt es sodann zu erneuten Pflichtverletzungen, spricht dies für eine besondere
Nachlässigkeit des Arbeitnehmers und eine gesteigerte Schuldhaftigkeit der Pflichtverletzungen, wodurch
die geltend gemachten Kündigungsgründe ein gesteigertes Gewicht erhalten, was für die Willensbildung
des Betriebsrats Bedeutung haben kann.
3. Da die Unwirksamkeit der Kündigung somit bereits aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgt, kommt es auf
die Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht mehr an.
III.
zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.