Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 15.06.2004
LArbG Mainz: negative feststellungsklage, mobbing, arbeitsgericht, begriff, schmerzensgeld, persönlichkeitsverletzung, persönlichkeitsrecht, diskriminierung, psychiatrie, abgrenzung
LAG
Mainz
15.06.2004
7 Ta 25/04
Aktenzeichen:
7 Ta 25/04
10 Ha 2004/03
ArbG Mainz
Verkündet am: 15.06.2004
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.12.2003 -
10 Ha 2004/03 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin beabsichtigt nach erfolgter Prozesskostenhilfebewilligung einen Rechtsstreit gegen die
Antragsgegnerin durchzuführen, für den sie folgende Klageanträge angekündigt hat:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin kein Zahlungsanspruch in Höhe von
307.202,75 € zusteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,00 €
hilfsweise ein angemessenes Schmerzensgeld, zu zahlen, weil die Klägerin während der Dauer ihrer
Tätigkeit für die Beklagte in deren Filiale in der Zeit vom 01.07.1997 bis Januar 2001 einem extremen
Mobbing ausgesetzt war.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin jeden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der
sich daraus ergibt, dass die Klägerin während der Dauer ihrer Tätigkeit für die Beklagte in deren Filiale in
der Zeit vom 01.07.1997 bis Januar 2001 einem extremen Mobbing ausgesetzt war.
Hinsichtlich des Inhalts der beabsichtigten Klagebegründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen
auf den Entwurf einer Klageschrift vom 06.11.2003 (Bl. 3 - 16 d. A. nebst Anlagen, Bl. 17 - 79 d. A.) Bezug
genommen.
Sie hat beantragt, ihr für diesen Rechtsstreit Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Z.,
zu bewilligen.
Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten. Hinsichtlich des Inhalts der Darstellung der Beklagten wird
auf deren Schriftsatz vom 09.12.2003 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (Bl. 85 - 88
der Akte nebst Anlagen (Bl. 89 - 99 d. A.).
Das Arbeitsgericht Mainz hat den Antrag daraufhin durch Beschluss vom 15.12.2003 zurückgewiesen.
Hinsichtlich des Inhalts der Entscheidung wird auf Blatt 102 bis 105 der Akte Bezug genommen.
Gegen den ihr am 23.12.2003 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin durch am 23.01.2004 beim
Arbeitsgericht Mainz eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdeführerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die
beabsichtigte negative Feststellungsklage sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht
unzulässig. Die desweiteren geltend gemachten Ansprüche wegen Mobbings seien begründet.
Schließlich habe das Arbeitsgericht die Beweisnot der Antragstellerin und Beschwerdeführerin verkannt.
Das Arbeitsgericht Mainz hat daraufhin durch Beschluss vom 28.01.2004, hinsichtlich dessen Inhalts zur
Vermeidung von Wiederholungen auf Blatt 119 der Akte Bezug genommen wird, der sofortigen
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur
Entscheidung vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren wiederholt die Antragstellerin nochmals ihr erstinstanzliches Vorbringen und
hebt insbesondere hervor, eine schwere Persönlichkeitsverletzung als Anspruchsvoraussetzung sei
schon darin zu sehen, dass der Zeuge Y. als Dienstvorgesetzter der Klägerin diese über lange Zeit
hinweg sexuell belästigt und dabei offensichtlich deren desulate psychische Lage ausgenutzt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit statthaft. Sie erweist sich
auch sonst als zulässig.
Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend davon
ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin für die von ihr beabsichtigten Klage nicht die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe verlangen kann.
Prozesskostenhilfe kann nämlich nur dann gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
nach Maßgabe der §§ 114 ff. ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dabei ist im Rahmen des
Prozesskostenhilfeverfahrens zwar kein allzu strenger Maßstab anzulegen; es genügt eine überschlägige
Überprüfung der Sachlage nach Maßgabe - wie vorliegend - des Entwurfs einer Klageschrift sowie der
schriftsätzlich erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin. Dennoch ist auch anhand dieses
Maßstabs mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegend
nicht gegeben sind. Die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die beabsichtigte negative
Feststellungsklage (Antrag zu 1) unzulässig ist. Denn die Zulässigkeit einer derartigen Klage setzt einen
ernsthaften und hinreichend bestimmten Eingriff in die Rechtssphäre desjenigen voraus, der die negative
Feststellungsklage erhebt. Daran fehlt es vorliegend. Dass die Antragsgegnerin den Schaden, der ihr
durch die Transaktion der Antragstellerin entstanden ist, gegenüber der Staatsanwaltschaft Mainz mit
307.202,75 € angegeben hat, begründet kein hinreichendes rechtliches Interesse der Antragstellerin an
der begehrten negativen Feststellung. Denn die Angaben der Antragsgegnerin zur Schadenshöhe in dem
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren beinhalten kein zu einer negativen Feststellungsklage
berechtigendes Berühmen, weil sie erkennbar lediglich im Rahmen der Erforschung des Sachverhaltes
durch die Staatsanwaltschaft erfolgt sind. Hinzu kommt, dass die Strafverfolgungsbehörde und die
Strafgerichte an die Feststellungen der Zivilgerichte nicht gebunden sind und umgekehrt (vgl. § 14 Abs. 2
Nr. 1 EG ZPO). Sie müssen sich jeweils eine eigene Überzeugung bilden.
Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine abweichende
Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Insbesondere lässt sich allein aus dem
Umstand, dass außergerichtliche Verhandlungen zwischen den Parteien ebenso wie Verhandlungen im
Rahmen eines anderweitigen arbeitsgerichtlichen Verfahrens auch im Hinblick auf den der
Antragsgegnerin entstandenen Schaden stattgefunden haben, kein Feststellungsinteresse für die
beabsichtigte negative Feststellungsklage. Insbesondere der Hinweis, dass die Antragstellerin nicht
zuletzt im Hinblick auf das laufende Strafverfahren genau wissen müsse, in welcher Höhe der
Antragsgegnerin ein Schaden entstanden sei, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis, weil sowohl die
Staatsanwaltschaft als auch das zuständige ordentliche Gericht eigene Ermittlungen anstellen und sich
eine eigene Überzeugung bilden müssen.
Auch die beabsichtigte Klage auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen "extremen
Mobbings" biete keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Bei dem Begriff "Mobbing" handelt es sich nicht um einen eigenständigen juristischen Tatbestand. Die
rechtliche Einordnung der unter diesem Begriff zusammenzufassenden Verhaltensweisen beurteilt sich
ausschließlich danach, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift - vorliegend
der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - erfüllen, aus der sich die gewünschte Rechtsfolge
herleiten lässt (vgl. LAG Berlin 01.11.2002 EzA - SD 1/03 Seite 6 und 06.03.2003 LAGE Art. 2 GG
Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Die juristische Bedeutung der durch den Begriff Mobbing gekennzeichneten
Sachverhalte besteht darin, der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich zu machen, die bei
isolierter Betrachtung der einzelnen Handlungen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Anspruchs-
Gestaltungs- und Abwehrrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles angemessenen
Umfang erfüllen könne. Ob ein Fall von Mobbing vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Dabei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang im allgemein üblichen oder rechtlich
erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Denn nicht jede
Meinungsverschiedenheit oder Auseinandersetzung zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und
Untergebenen können den Begriff "Mobbing" erfüllen, weil es im Zusammenarbeiten mit anderen
Menschen immanent ist, dass sich Reibungen und Konflikte ergeben, ohne dass diese Ausdruck des
Zieles sind, den anderen systematisch in seiner Wertigkeit gegenüber dritten oder sich selbst zu verletzen
(LAG Schleswig-Holstein 19.03.2002 NZA RR 2002, 457; LAG Hamm 25.06.2002 NZA RR 2003, 8).
Arbeitsrechtlich erfasst der Begriff "Mobbing" deshalb nur fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder
ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen,
die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten
Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit für das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder
andere geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzend sind. Ein
vorgefasster Plan ist nicht erforderlich (Thüringer LAG 10.04.2001 NZA RR 2001, 347; LAG Hamm
25.06.2002 NZA RR 2003, 8; LAG Berlin 06.03.2003 LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Der
Begriff lässt sich auch als eine belastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen
Vorgesetzten und Untergebenen beschreiben, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von
einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder
dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als
Diskriminierung empfindet. Es ist einerseits erforderlich, dass sich das Verhalten gegen eine oder
mehrere bestimmte Personen richtet und andererseits, dass das Verhalten systematisch erfolgt. Es muss
sich folglich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lassen (LAG Schleswig-Holstein
19.03.2002 NZA RR 2002, 457). Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Arbeits-
oder Berufsunfähigkeit, die der Arbeitnehmer auf Mobbing zurückführt, können folglich insgesamt nur
begründet sein, wenn der Arbeitnehmer zumindest Pflichtwidrigkeiten des Arbeitgebers oder aber nach §§
278, 831 BGB diesem zuzurechnender Vorgesetzter oder Kollegen belegen kann. Fehlerhafte Weisungen
des Vorgesetzten, wie die Arbeitsleistung zu erbringen ist, stellen keine Pflichtwidrigkeiten dar. Der
Arbeitgeber ist auch nicht aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer gehalten, die
sachliche Richtigkeit der Weisungen des Vorgesetzten zu überprüfen. Nimmt der Arbeitnehmer sich die
fehlerhafte Weisung so zu Herzen, dass er davon arbeitsunfähig wird, bestehen keine
Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber (LAG Nürnberg 02.07.2002 NZA RR 2003, 121).
Damit wird deutlich, dass im Hinblick auf die Person des vermeintlich geschädigten Arbeitnehmers eine
Abgrenzung erforderlich ist zwischen sozial adäquatem und sozial inadäquatem Verhalten am
Arbeitsplatz, der Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den Arbeitgeber und einem Verhalten, das
insgesamt durch verschiedene Einzelakte auf ein gezieltes Hinwirken auf das Ausscheiden des
Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis hinzielt.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht weder die inhaltlichen Anforderungen an
Mobbing, deren Rechtsfolgen, noch die insoweit gegebene Darlegungs- und Beweislast verkannt.
Vielmehr hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die Klage nicht schlüssig ist. Aus dem
Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich nicht einmal andeutungsweise, dass ihr durch adäquat-kausales
Verhalten der Antragsgegnerin oder ihrer Mitarbeiter ein körperlicher Schaden oder eine schwere
Persönlichkeitsverletzung zugefügt worden ist. Keinen der ärztlichen Atteste, die die Antragstellerin zur
Gerichtsakte gereicht hat, lässt sich entnehmen, dass sie wegen "extremen Mobbings" erkrankt ist. Das
Gegenteil trifft zu. Denn nach dem Inhalt des ärztlichen Gutachtens für die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte auf dem Gebiet der Psychiatrie vom 26.03.2002 kann die Antragstellerin aufgrund von
Vermeidungsverhalten, Erwartungsangst und Panikattacken sowie Versagensängsten ihrem Beruf als
Bankkauffrau nicht nachgehen. Das trifft auch für andere Tätigkeiten zu, bei denen übliche soziale
Anforderungen und ein Weg zum Arbeitsplatz bewältigt werden müssen. Das fachärztliche Gutachten der
behandelnden Fachärztin für Psychiatrie, Frau Dr. X., kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die
Klägerin unter einer schwersten, frühen Persönlichkeitsentwicklungsstörung leidet. Auch aus diesem
Attest lässt sich nicht ableiten, dass der Gesundheitszustand der Antragstellerin auf "extremes Mobbing"
zurückzuführen ist.
Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung
des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Dabei bedarf es keiner Diskussion um eine vermeintliche
Beweisnot der Antragstellerin. Wie zuvor dargestellt, bedarf es eines nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und
beteiligten Personen substantiierten Tatsachenvortrages im hier maßgeblichen Zusammenhang, um zum
einen der Antragsgegnerin überhaupt ein substantiiertes Bestreiten zu ermöglichen, d. h. zuvor auch
Hausintern eigene Nachforschungen anzustellen und zum anderen, um überhaupt für die Durchführung
einer Beweisaufnahme präzise Beweisthemen benennen zu können und nicht den gegebenen
Sachverhalt erst im Wege der Ausforschung zu ermitteln. Insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf
hingewiesen, dass die tatsächlichen Angaben der Antragstellerin den hier zu stellenden Anforderungen
auch im Rahmen einer überschlägigen Überprüfung nicht genügen und, wie bereits zuvor dargestellt,
insbesondere, dass sich keinem der ärztlichen Atteste entnehmen lässt, dass sie wegen "extremen
Mobbings" einen körperlichen Schaden oder eine schwere Persönlichkeitsverletzung erlitten hat.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.