Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 07.06.2010

LArbG Mainz: arbeitsgericht, abgabe, glaubhaftmachung, konkretisierung, quelle, ermessen, eingrenzung, form, datum, beschwerdekammer

LAG
Mainz
07.06.2010
1 Ta 108/10
Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung - Umfang der Erklärungspflicht
Aktenzeichen:
1 Ta 108/10
8 Ca 1224/08
ArbG Kaiserslautern
Beschluss vom 07.06.2010
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Nichtabhilfebeschluss des
Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 25.05.2010 - 8 Ca 1224/08 - aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht Kaiserslautern zur erneuten Entscheidung über eine Abhilfe
der Beschwerde zurückverwiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
gewährenden Beschlusses.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat der Klägerin für die von ihr betriebene Lohnzahlungsklage
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ohne Zahlungsbestimmung bewilligt.
Nach Abschluss des Rechtsstreits hat das Arbeitsgericht die Klägerin mehrfach aufgefordert, zu erklären,
ob sich zwischenzeitlich eine Änderung ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse ergeben
habe. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagierte, hat das Arbeitsgericht die Bewilligung der
Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 27.01.2010, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt
am 28.01.2010, aufgehoben.
Mit am 16.02.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei nicht in der
Lage, den ausstehenden Betrag kurzfristig zu zahlen. Aktuell habe sie einen Bruttomonatsverdienst in
Höhe von 1.380,- Euro. Sie habe einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Das Arbeitsgericht hat der
Klägerin daraufhin mitgeteilt, im Beschwerdeverfahren sei es erforderlich, dass sie ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend darlege und durch aktuelle Belege nachweise, wozu sie das
beigefügte Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwenden
könne. Als die Klägerin auf diese Mitteilung hin erneut nicht reagierte, hat das Arbeitsgericht dem von ihm
als sofortige Beschwerde ausgelegten Rechtsbehelf nicht abgeholfen und das Verfahren dem
Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
ArbGG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft; die sofortige Beschwerde ist insbesondere form-
und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig.
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache auch zumindest vorübergehend Erfolg.
Da das Arbeitsgericht von der Beschwerdeführerin im Abhilfeverfahren eine zu weitreichende, über die
nach § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO der Beschwerdeführerin vorgegebene gesetzliche Verpflichtung
hinausgehende Erklärung gefordert hat, war der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben
und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
Das Gericht kann gegenüber einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, die Entscheidung
über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4
S. 1 ZPO). In diesem Zusammenhang hat sich nach dem Wortlaut von § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO die Partei auf
Verlangen des Gerichts nur darüber zu erklären, ob eine "Änderung der Verhältnisse eingetreten ist". Eine
weitergehende Erklärungspflicht der Partei ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Zur Abgabe einer erneuten
vollständigen Erklärung über die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit oder ohne
Nutzung des Formulars gem. § 117 Abs. 3 ZPO nebst erneuter Vorlage der entsprechenden Belege ist die
Partei nicht verpflichtet (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 08.05.2009 - 1 Ta 100/09). Im
vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht der Beschwerdeführerin im Abhilfeverfahren mitgeteilt, es sei im
Beschwerdeverfahren erforderlich, dass sie ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse
umfassend darlege und hat ein Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse gem. § 117 Abs. 3 ZPO beigefügt. Die vom Gesetz vorgesehene Eingrenzung auf die
Mitteilung einer bloßen Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist damit gerade
nicht erfolgt. Die Beschwerdeführerin konnte bei dieser pauschalen weitreichenden Aufforderung auch
aufgrund des mitgesandten Formulars vielmehr davon ausgehen, sie sei zu einer erneuten Abgabe der
Erklärung i. S. d. § 117 Abs. 3 ZPO verpflichtet. Der Rechtspfleger hätte die Beschwerdeführerin zutreffend
über ihre Verpflichtung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO informieren müssen (vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz,
Beschl. v. 07.04.2009 - 1 Ta 53/09). Der Nichtabhilfebeschluss kann daher nicht auf die unterlassene
Erklärung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse gestützt werden.
Der Nichtabhilfebescheid kann auch nicht auf den Umstand gestützt werden, dass die
Beschwerdeführerin keine Belege über ihre aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation zu den Akten
gereicht hat. Zwar steht es nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer im Ermessen des
Rechtspflegers, konkrete Angaben und ergänzende bzw. abändernde Belege von der Partei anzufordern
oder in sonstiger Weise eine Glaubhaftmachung der zuletzt getätigten Angaben über eine Änderung
gemäß § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO zu verlangen (vgl. zuletzt LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 12.01.2010 - 1 Ta
299/09). Der pauschale Hinweis auf die Nachweispflicht der Einkommens- und Vermögenssituation durch
geeignete Belege ist indessen nicht ausreichend. Ohne nähere Konkretisierung kann die
Beschwerdeführerin in aller Regel nicht erkennen, welche konkreten Angaben sie machen und/oder
welche (aktuellen) Belege sie vorlegen soll. Es war auch ermessensfehlerhaft, einschränkungslos für alle
Angaben der Beschwerdeführerin die Vorlage von entsprechenden Belegen zu verlangen ohne
Berücksichtigung der früheren Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst
den dort vorgelegten Belegen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 08.05.2009 - 1 Ta 157/09). Welche
Angaben und Nachweise der Rechtspfleger von der Partei im konkreten Fall verlangen kann, entscheiden
die jeweiligen Umstände des Einzelfalles. Regelmäßig kann der Rechtspfleger neben den Angaben über
eine Änderung die frühere Erklärung über die persönlichen und wirtschaftliche Verhältnisse der Partei
nebst den dort vorgelegten Belegen zum Anlass nehmen, gezielt bestimmte Angaben und Nachweise zu
verlangen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.02.2009 - 1 Ta 17/09). Vorliegend hat die
Beschwerdeführerin bereits vorgetragen, dass eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse insofern
eingetreten ist, als sie nun ein Arbeitseinkommen bezieht. Entsprechend hätte es nahe gelegen, im
vorliegenden Fall in erster Linie die Vorlage eines aktuellen Einkommensnachweises von der
Beschwerdeführerin zu fordern.
Damit die Selbstkorrekturfunktion des § 572 Abs. 1 ZPO nicht leer läuft, entscheidet das
Beschwerdegericht in der Sache nicht selbst, sondern verweist das Verfahren an das Arbeitsgericht
Kaiserslautern zurück.
Da die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zumindest vorübergehend Erfolg hat, wird eine
Beschwerdegebühr nicht erhoben.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung.