Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 12.12.2005

LArbG Mainz: stadt, betriebsrat, trennung, beschwerdekammer, sachverständigenkosten, arbeitsgericht, zustellung, einverständnis, auflage, gestaltung

LAG
Mainz
12.12.2005
8 Ta 235/05
Gegenstandswert vermögens- und nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstände
Aktenzeichen:
8 Ta 235/05
10 BV 75/04
ArbG Mainz
Entscheidung vom 12.12.2005
Tenor:
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Mainz vom 25.08.2005 - 10 BV 75/04 - wie folgt abgeändert:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird auf
8.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Wert des Streitgegenstandes eines Beschlussverfahrens, welches am
02.12.2004 mit folgenden Anträgen eingeleitet wurde:
"1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, die Einführung von Trennung der
Vorbereitung und Zustellung (TV/Z) in den Briefzustellbezirken außerhalb der Verbundszustellung
einzuführen mit Ausnahme der Zustellbezirke beim Zustellstützpunkt (ZSP) A-Stadt Orte Y-Stadt xxxxx-50;
xxxxx-52; xxxxx-53; xxxxx-54 und xxxxx-57 und in den Orten X-Stadt und W-Stadt xxxxx-95; xxxxx-96;
xxxxx-97; xxxxx-98; xxxxx-99 und xxxxx-85 und xxxxx-88 sowie beim ZSP V-Stadt xxxxx-01; xxxxx-02;
xxxxx-04; xxxxx-05; xxxxx-11 und xxxxx-08 bevor mit dem Betriebsrat nicht ein Interessenausgleich
abgeschlossen worden ist bzw. die Verhandlungen auch nach Durchlaufen eines
Einigungsstellenverfahrens gescheitert sind.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Kosten für den externen Sachverständigen, Herrn U. von der
TBS Rheinland-Pfalz, gemäß § 111 Satz 3 BetrVG zu übernehmen.
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 wird der Antragsgegnerin ein
Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € angedroht.
hilfsweise
4. Es wird festgestellt, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin geplanten flächendeckenden
Einführung von TV/Z im gesamten Zustellbereich außerhalb der Verbundzustellung um eine
Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG handelt.
5. Es wird festgestellt, dass der Betriebsrat berechtigt ist, einen Sachverständige zur Unterstützung und für
die Beratung im Zusammenhang mit der flächendeckenden Einführung von TVZ auf Kosten der
Antragsgegnerin gemäß § 111 Satz 3 BetrVG hinzuziehen."
Nachdem das Verfahren auf Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebracht wurde, beantragten die
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats unter dem 04.08.2005 die Festsetzung des
Gegenstandswerts.
Nach Anhörung der Beteiligten setze das Arbeitsgericht den Wert der anwaltlichen Tätigkeit des
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 4.000,00 € fest.
Gegen den am 29.08.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 05.09.2005 eingelegte
sofortige
Beschwerde
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, da der Unterlassungsantrag eine Vielzahl von
Beschäftigten beträfe, sei ein Gegenstandswert von 20.000,00 € festzusetzen. Im Parallelverfahren 2
BVGa 5/04 habe das Gericht diesen Wert festgesetzt. Im vorliegenden Verfahren handele es sich um den
gleichen Streitgegenstand und auch in etwa um eine gleiche Anzahl von Zustellbezirken, die
umgewandelt werden sollten. Darüber hinaus müsse ein Streitwert für den in der Antragsschrift unter Ziffer
2 gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für einen externen Sachverständigen bewertet werden.
Die Arbeitgeberseite ist dem Begehren mit der wesentlichen Begründung entgegen getreten, dass das
Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 22.06.2005 - 8 Ta 133/05 - entschieden habe, dass der
Gegenstandswert auf der Basis von § 23 Abs. 3 RVG zu bestimmen sei und bei
nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten vom Regelstreitwert auszugehen sei. Im vorliegenden Fall ginge
es auch nur um wenige Zustellbezirke, sodass sich auch aus diesem Gesichtspunkt keine Anhaltspunkte
für eine Erhöhung des Regelstreitwertes ergäben. Der Antrag auf Übernahme von
Sachverständigenkosten des externen Sachverständigen könne sich keinesfalls werterhöhend auswirken,
denn die Übernahme von Sachverständigenkosten sei abschließend bereits im Verfahren 2 BVGa 5/04
geregelt.
Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 04.10.2005 von einer Abhilfe abgesehen.
In seiner im Laufe des Beschwerdeverfahrens abgegebenen Stellungnahme vertieft der
Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats seine Beschwerdebegründung und verweist für seine
Auffassung insbesondere auf eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17.05.1999 -
5/6 Ta 580/98, die insbesondere auf die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer abstelle.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den gesamten Akteninhalt, einschließlich der beigezogenen
Akte 2 BvGa 5/04 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist gemäß §§ 33 Abs. 3 RVG, 78 Abs. 1
ArbGG, 567 ff. ZPO statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Beschwerdewert
von 200,00 €.
In der Sache selbst hat das Rechtsmittel teilweisen Erfolg.
1.
Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist für den in den Gründen zu I. wiedergegebenen Antrag zu
Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist für den in den Gründen zu I. wiedergegebenen Antrag zu
Ziffer 2 - Verpflichtung zur Kostenübernahme eines externen Sachverständigen - ein Streitwert von
weiteren 4.000,00 € nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG festzusetzen.
Der Wert eines vermögensrechtlichen Gegenstandes, der nicht feststeht, ist nach der vorerwähnten
Vorschrift nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. BAG, Beschluss vom 09.11.2004 - 1 ABR 11/02 - (A)
m.w.N. auf LAG Hamburg Beschluss vom 04.08.1992 - 2 Ta 6/92 - = LAGE BRAGO § 8 Nr. 18 zu II 2 b cc
der Gründe). Von einem vermögensrechtlichen Gegenstand ist auszugehen, wenn mit dem Recht oder
Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten bezieht, vornehmlich
wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Vermögensrechtlich ist der Gegenstand der Tätigkeit
insbesondere, wenn diese auf die Durchsetzung von Ansprüchen gerichtet ist, die auf Geld oder
geldwerte Leistungen gerichtet sind (vgl. BAG Beschluss vom 22.05.1989 - 5 AZB 8/89 = EZA ArbGG 1979
§ 64 Nr. 28; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz 4. Auflage § 85
Rn. 5). Nicht erforderlich ist, dass die Ansprüche aus einem vermögensrechtlichen Grundverhältnis
entspringen; ausschlaggebend ist der Rechtscharakter des Anspruches selbst (GK-ArbGG/Wenzel § 12
Rn. 181).
Das Anliegen des Betriebsrats, das im Antrag zu 2) gemäß der Antragsschrift vom 01.12.2004 zum
Ausdruck kommt, war vermögensrechtlicher Art, da es um die - allerdings noch nicht feststehenden -
Kosten für einen externen Sachverständigen und deren Übernahme ging. Die vergleichsweise Erledigung
im beigezogenen Parallelverfahren 2 BVGa 5/04, die ein Einverständnis mit der Einschaltung eines
Sachverständigen und einer Kostenübernahme bis zur Höchstgrenze von 6.500,00 € enthält, steht der
Wertfestsetzung entgegen der Auffassung der Arbeitgeberseite nicht entgegen; denn für das
Wertsetzungsverfahren kommt es allein auf den Wertfestsetzungsgegenstand, der durch den Antrag und
seine Begründung bestimmt wird, an. Ob die Vergütungsansprüche des Verfahrensbevollmächtigten in
diesem Punkt gegenüber der Arbeitgeberin durchsetzbar sind, ist hier nicht zu entscheiden. Die Tatsache,
dass von der beabsichtigten Änderung durch Einführung von Trennung der Vorbereitung und Zustellung
nur einige Briefzustellungsbezirke betroffen sind, dürfte auch nur ein begrenztes know how des
Sachverständigen verlangen. Dies bewertet die Beschwerdekammer mit dem Regelgegenstandswert von
4.000,00 €. Die Festsetzung der Höchstgrenze von 6.500,00 € auf der Basis der vergleichsweisen
Regelung im Parallelverfahren 2 BVGa 5/04 bindet nicht, da es sich dort lediglich um eine Höchstgrenze
handelt, die verständlicherweise mit dem feststellenden Charakters des Antrags zu 2) nicht zwingend
übereinstimmen muss.
2.
Soweit die Beschwerde den Gegenstandswert für das Verfahren im Übrigen auf 4.000,00 € festgesetzt hat,
ist die Beschwerde nicht begründet. Insoweit war der Gegenstandswert auf der Basis von § 23 Abs. 3 Satz
2 RVG - früher § 8 Abs.2 BRAGO - zu bestimmen; danach gilt bei nichtvermögensrechtlichen
Gegenständen ein Gegenstandswert von 4.000,00 €, je nach Lage des Falles niedriger oder höher,
jedoch nicht über 5.000,00 € als angemessen. Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sind dann nicht vermögensrechtlicher Art, wenn es vornehmlich
um Fragen der Teilhabe des Betriebsrats an der Gestaltung des betrieblichen Geschehens geht. Die
Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte haben keinen vermögensrechtlichen
Charakter (vgl. BAG Beschluss vom 09.11.2004, aaO).
Das Anliegen des Betriebsrats im zugrundeliegenden Fall ist nach dem Klageantrag zu 1) - Unterlassung
der Trennung und Vorbereitung in bestimmten Briefzustellbezirken vor Abschluss eines
Interessensausgleichs - auf die Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen anlässlich einer vom
Betriebsrat für gegeben gehaltenen Betriebsänderung nach § 111 ff. BetrVG gerichtet. Dies ist der
Begründung in der Antragsschrift vom 01.12.2004 auch deutlich zu entnehmen.
Aus vorliegenden Gründen erhellt, dass die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom
17.05.1999 - 5/6 Ta 580/98 - nicht zum Zuge kommt, da sie eine - vorliegend nicht gegebene -
vermögensrechtliche Betrachtung anstellt, wenn sie die Betroffenheit der Anzahl der Arbeitnehmer
berücksichtigt.
Die Kumulation der beiden Werte der Streitwertgrundnorm des § 23 Abs. 3 Satz 2 ergibt die Notwendigkeit
der Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts.
Die Zulassung einer weiteren Beschwerde ist nicht veranlasst.