Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26.01.2007

LArbG Mainz: arbeitsgericht, vergütung, zugang, gewerkschaft, bestätigung, kopie, form, vertragsschluss, anpassung, zuwendung

LAG
Mainz
26.01.2007
3 Sa 640/06
Dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag
Aktenzeichen:
3 Sa 640/06
3 Ca 701/06
ArbG Mainz
Entscheidung vom 26.01.2007
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.05.2006 - Az.: 3 Ca
701/06 - teilweise abgeändert:
1. Das Teil-Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 26.01.2006, Az.: 1 Ca 557/05 - bleibt mit
der Maßgabe aufrecht erhalten, dass die Beklagte zur Zahlung von weiteren 456,50 € brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2004 abzüglich von 464,81 € netto
verurteilt wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Mit Ausnahme der durch die Säumnis veranlassten Kosten - diese trägt die Beklagte - tragen die Kosten
des Rechtsstreits die Beklagte zu 58 % und die Klägerin zu 42 %.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Gehaltserhöhung des Vergütungstarifvertrages Nr. 35
zum BAT vom 31.01.2003 an die Klägerin weitergeben muss sowie über die Verpflichtung der Beklagten
zur Zahlung einer Sonderzuwendung für das Jahr 2003 und des Urlaubsgeldes 2004. Zur näheren
Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2
ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.05.2006, Az.:
3 Ca 701/06. Mit dem genannten Urteil hat das Arbeitsgericht Mainz ein vor Verweisung des Rechtsstreits
an das Arbeitsgericht Mainz ergangenen Teil-Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Mannheim vom
26.01.2006 aufrecht erhalten mit der Maßgabe, dass die Beklagte zur Zahlung von weiteren 1.207,50 €
brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.12.2004
verurteilt wird und dass vom Gesamtbruttobetrag 464,81 € netto in Abzug zu bringen sind. Im Übrigen hat
das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur näheren Darstellung der erstinstanzlichen
Entscheidungsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils Bezug genommen.
Mit dem genannten Teil-Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Mannheim, Az.: 1 Ca 557/05 vom
26.01.2006 ist die Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 2.218,19 € brutto nebst 4% Zinsen hieraus
über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.12.2004 zu zahlen. Der ausgeurteilte Betrag beinhaltet
Einmalzahlungen nach Maßgabe von § 3 des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT (153,60 € und 50,--
€) so wie die Verurteilung zur Zahlung der Zuwendung für das Jahr 2003 (1.682,24 €) und des
Urlaubsgeldes für das Jahr 2004 (332,34 €). Die über die Verurteilung gemäß Teil-Versäumnisurteil
hinausgehende Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.207,50 € brutto beinhaltet die Verurteilung
der Beklagten zur Zahlung der Differenz zwischen der tatsächlich erhaltenen Vergütung und der
Vergütung nach Maßgabe des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT für den Zeitraum von September
2003 bis Dezember 2004.
Das genannte Urteil des Arbeitsgerichts Mainz ist der Beklagten am 21.07.2006 zugestellt worden. Sie hat
hiergegen mit einem am 16.08.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 21.09.2006 bis zum 23.10.2006 verlängerten
Berufungsbegründungsfrist am 23.10.2006 begründet.
Nach dem die Beklagte ihre Berufung mit Zustimmung der Klägerin teilweise insoweit zurückgenommen
hat, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Zuwendung für das Jahr 2003 und des
Urlaubsgeldes 2004 richtet, begehrt sie mit ihrer Berufung die Abänderung des angefochtenen Urteils
hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Einmalzahlungen nach § 3 des Vergütungstarifvertrages Nr.
35 zum BAT und zur Zahlung der Vergütungsdifferenz auf Grund der laufenden Tariflohnerhöhungen im
Zeitraum September 2003 bis Dezember 2004.
Zur Berufungsbegründung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend:
Die Bezeichnung der Gruppe KR im Arbeitsvertrag diene nur der erstmaligen Einstufung, besage aber
nichts über die Frage einer dynamischen Anpassung an die jeweilige tarifliche Gehaltsentwicklung. Der
Begriff KR verweise insoweit auch eindeutig nur auf den Manteltarifvertrag. § 5 Abs. 1 des
Arbeitsvertrages sei eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Die Angabe eines bezifferten
Arbeitsentgelts bringe die Vereinbarung zum Ausdruck, welches Bruttoarbeitsentgelt Monat für Monat
geschuldet sein solle. Hierfür spreche auch § 5 Abs. 2 S. 1 und 2 des Arbeitsvertrages. Bei § 5 des
Arbeitsvertrages handele es sich um eine von der Beklagten bewusst gewollte und gut überlegte
Regelung mit eigenständigen Regelungsgehalten. Auf Grund ihrer Bindung an ein System von Verträgen
mit Pflegekassen und sonstigen öffentlichen Kostenträgern sei sie darauf angewiesen, dass zumindest die
Entwicklung der Arbeitsvergütung für sie genau berechenbar bleibe. Eine zeitdynamische Verweisung
entspreche daher nicht ihrer Interessenlage. Dem gegenüber habe ein Interesse an einer
innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit wie an der Anreizwirkung für die Rekrutierung von Arbeitnehmern
eine untergeordnete Bedeutung. Die Angabe der KR-Vergütungsgruppe /-stufe habe allerdings den Sinn,
Fachkräfte zu rekrutieren und diesen aufzuzeigen, ob sie ein einer KR-Vergütungsgruppe vergleichbares
Arbeitsentgelt erhielten. Auch der übrige Arbeitsvertrag belege, dass keine zeitdynamische Vergütung
nach dem BAT gewollt gewesen sei. Ansonsten wäre auch die Regelung in § 14 des Arbeitsvertrages, der
nur vorsehe, dass im Übrigen die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der DSK Sozialdienste
GmbH in Rheinland-Pfalz und der ÖTV Anwendung fänden, überflüssig.
Zu berücksichtigen sei zudem, das sie nicht tarifgebunden gewesen sei. Durch die vom Arbeitsgericht
vorgenommene Auslegung werde sie aber so gestellt, als hätte sie sich der Regelungsmacht der
Verbände unterworfen.
Ebenfalls sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass der BAT betrieblich nicht gelebt worden sei.
Ausschließlich die Tariflohnerhöhungen seien in der Vergangenheit weitergegeben worden, während sich
das Arbeitsverhältnis ansonsten nach anderen Bedingungen gerichtet habe. Insbesondere sei kein
Bewährungsaufstieg gewährt worden und Änderungen in den Eingruppierungen seien jeweils zwischen
ihr und den Arbeitnehmern vereinbart worden. Auch Stufensteigerungen nach dem BAT seien nicht
erfolgt.
Wären nur die Tariflohnerhöhungen weiter gegeben worden, ohne dass der Arbeitsvertrag den hier
fraglichen Zusatz "KR" enthielte, wäre hieraus kein Anspruch auf Teilhabe an allen zukünftigen
Tariflohnerhöhungen erwachsen. Allein der neben der Festschreibung eines Betrags erfolgende Hinweis
auf eine KR-Vergütungsgruppe könne nicht ein derartig abweichendes Ergebnis rechtfertigen. Während
tarifgebundene Arbeitgeber im Pflegebereich durch Ausstieg aus Tarifverträgen die Möglichkeit einer
Anpassung an geänderte Refinanzierungsbedingungen gewährt werde, bliebe bei der vorgenommenen
Vertragsauslegung anderen nicht tarifgebundenen Trägern eine solche Möglichkeit verwehrt.
Betreffend Tariflohnerhöhung liege unstreitig auch nur ein Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom
11.02.2005 vor. Das Schreiben vom 14.05.2003 beziehe sich lediglich auf eine tarifliche Einmalzahlung in
Höhe von 185,-- €. Ein Schreiben vom 21.03.2004 sei bei der Beklagten nicht vorhanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten
vom 23.10.2006 (Bl. 149 ff d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.05.2006 - 3 Ca 701/06 - teilweise abzuändern und das Teil-
Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 26.01.2006 - Az.: 1 Ca 557/05 - nur hinsichtlich eines
Betrages in Höhe von 2.014,58 € brutto nebst Zinsen aufrecht zu erhalten und im Übrigen die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung gemäß ihres
Schriftsatz vom 22.11.2006, auf den wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird
(Bl. 171 ff d.A.), als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht, hinsichtlich der Ausschlussfrist liege seitens der
Beklagten weiterhin kein erhebliches Bestreiten vor. Die Beklagte hätte wegen des von der Klägerin im
Verfahren in Kopie vorgelegten Geltendmachungsschreibens vom 21.03.2004 ihre
Recherchemaßnahmen und deren Ergebnis ausführlich darstellen müssen. Der Vortrag der Klägerin sei
deshalb als zugestanden zu bewerten und eine Berufung auf die tarifliche Ausschlussfrist deshalb auch
rechtsmissbräuchlich. Insgesamt sprächen im Rahmen einer Gesamtschau die Entstehungsgeschichte,
das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluss
vorliegende Interessenlage für die Annahme einer zeitdynamischen Verweisung auf die
Entgeltregelungen des BAT. Hierfür spräche insbesondere auch die Weitergabe der Tariflohnerhöhungen
in der Vergangenheit, die Angabe der jeweiligen Vergütungsgruppe in den Verdienstabrechnungen, das
Fehlen eines Freiwilligkeitsvorbehalts und auch das Interesse der Beklagten an einer innerbetrieblichen
Entgeltgerechtigkeit.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Akteninhalt
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
II.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten jedoch nur teilweise Erfolg. Die Berufung ist begründet,
so weit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütungsdifferenzen zwischen tatsächlich
erhaltener Vergütung und tariflicher Vergütung nach Maßgabe des Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT
für Zeiträume vor August 2004 verurteilt hat. Die genannten Differenzvergütungsansprüche stehen der
Klägerin in Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist des § 70 BAT nur für den Zeitraum von
August bis Dezember 2004 zu. Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist allerdings nicht schon deshalb zumindest teilweise begründet, weil das Arbeitsgericht
unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO insgesamt die Beklagte wirtschaftlich zur Zahlung von 3.425,69 €
brutto abzüglich von 464,81 € netto verurteilt hat (in Höhe von 2.218,19 € durch Aufrechterhaltung des
Teilversäumnis-Urteils des Arbeitsgerichts Mannheim vom 26.01.2006), obwohl die Klägerin lediglich
ausweislich ihres erstinstanzlichen Antrags die Verurteilung zur Zahlung von insgesamt 3.318,96 € brutto
begehrte. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO wird dadurch geheilt, dass die durch die über den Antrag
hinausgehend begünstigte Partei im Berufungsverfahren die Zurückweisung der gegnerischen Berufung
beantragt und sich damit den erstinstanzlichen Urteilsausspruch zu eigen gemacht und ihr
Klagebegehren entsprechend erweitert hat (vgl. BGH 19.03.1986 - IV b ZR 19/85, NJW-RR 1986, 1260;
BGH 24.06.1981 - IV b ZR 513/80 - FamRZ 1981,944 ff).
2. Die Berufung hat Erfolg, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von laufenden
Vergütungsdifferenzen des Zeitraums September 2003 bis Juli 2004 verurteilt hat. Eine rechtzeitige
Geltendmachung dieser Ansprüche im Sinne des § 70 BAT, der über die Verweisung des Tarifvertrages
zwischen der DSK Sozialdienst gGmbH in Rheinland-Pfalz und der ÖTV auf den BAT in Bezug
genommen ist und auf den seinerseits § 14 des Arbeitsvertrags der Parteien verweist, liegt insoweit nicht
vor. Vielmehr kann die Berufungskammer nur von einer erstmaligen Geltendmachung der genannten
Ansprüche durch das im Namen der Klägerin gefertigte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom
11.02.2005 (Bl. 10 d.A.) ausgehen. Eine frühere Geltendmachung hat die Klägerin nicht ausreichend
dargelegt und ist insoweit auch beweisfällig geblieben. Die Beklagte hat den Zugang des Schreibens der
Klägerin vom 23.03.2004, auf welches das Arbeitsgericht die Verurteilung auch hinsichtlich der vor August
2004 liegenden Ansprüche gestützt hatte, bestritten. Nach § 138 Abs. 1, 2 ZPO durfte sie den Zugang
dieses Schreibens auch mit Nichtwissen bestreiten.
Die Klägerin hat die von ihr behauptete zeitlich frühere Geltendmachung gemäß einem Schreiben vom
23.03.2004 lediglich in der Weise in den Prozess eingeführt, dass sie mit Schriftsatz vom 14.12.2004 (Bl.
21 d.A.) das genannte Geltendmachungsschreiben in Kopie vorgelegt hat. Die Beklagte hatte den Zugang
dieses Schreibens bereits in ihrem Schriftsatz vom 09.03.2006 bestritten, woraufhin der Klägerin durch
gerichtlichen Beschluss vom 06.04.2006 Gelegenheit gegeben wurde, die Geltendmachung der
Einzelforderungen, so weit noch nicht erfolgt im Einzelnen unter Beweisantritt darzulegen. Die Klägerin
hat in der Folge hierzu keine weiteren Angaben gemacht, insbesondere nicht dargelegt, wann, durch wen
und in welcher Zustellungsart das genannte Schreiben überhaupt an die Beklagte übersandt worden oder
in sonstiger Weise übergeben worden sein soll. Angesichts dieses nähere Umstände nicht mitteilenden
Sachvortrags der Klägerin war die Beklagte zu einem substantiierten Bestreiten nicht verpflichtet. Die
Klägerin hat noch nicht einmal den Zugang zu einem bestimmten Zeitpunkt des genannten Schreibens bei
der Beklagten behauptet, so dass die Beklagte nach § 138 Abs. 4 ZPO keine Veranlassung hatte, den
Zugang des genannten Schreibens substantiiert zu bestreiten. Auch nachdem die Beklagte im Rahmen
ihrer Berufungsbegründung erneut darauf hingewiesen hat, dass bei ihr ein Schreiben vom 23.03.2004
nicht auffindbar sei, obwohl sie sämtliche Akten die Klägerin betreffend durchgesehen habe, hat die
Klägerin auch im Berufungsverfahren keine näheren Angaben zu den Umständen der Übersendung oder
sonstigen Übermittlung des Schreibens gemacht.
Eine Geltendmachung war auch nicht auf Grund des Schreibens der Beklagten aus Februar 2004
("interne Mitteilung", Bl. 30 d.A.) entbehrlich. Nach dem insoweit unzweideutigen Wortlaut des Schreibens
handelt es sich um eine Bestätigung des Eingangs von Geltendmachungen. Da diese Bestätigung aus
Februar 2004 stammt, konnte die Klägerin diese nicht dahingehend verstehen, dass sich diese auch
bereits auf die erst nachfolgend im März erfolgende Geltendmachung erstreckt. Zum anderen bezieht sich
die genannte Mitteilung aus Februar 2004 ausweislich des Betreffs nur auf die Geltendmachung der
Sonderzuwendung 2003 "Prüfung von Ansprüchen aus einzelvertraglichen arbeitsrechtlichen
Regelungen" und damit nicht auf Ansprüche auf tarifliche Lohnerhöhungen. Schließlich richtete sich das
Schreiben im Sinne einer Eingangsbestätigung nur an Mitarbeiter, die bereits Geltendmachungen
vorgenommen hatten.
Anhaltspunkte dafür, dass eine Berufung der Beklagten auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist
rechtsmissbräuchlich wäre liegen nicht vor und werden auch von der Klägerin nicht aufgezeigt.
Insbesondere hat die Beklagte in der genannten internen Mitteilung von Februar 2004 nicht den Anschein
erweckt, einer Geltendmachung bedürfe es nicht.
Soweit die Beklagte den Eingang anderer Geltendmachungen, so insbesondere hinsichtlich der
Einmalzahlungen einräumt, beinhaltete die Geltendmachung der Einmalzahlungen nicht zugleich auch
die Geltendmachung der höheren laufenden Vergütung. Der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT weist
diese Einmalzahlungen als selbständige Position gegenüber den laufenden Erhöhungen aus (vgl. § 3
Vergütungstarifvertrag einerseits, §§ 4 bis 6 Vergütungstarifvertrag andererseits).
Hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung der laufenden höheren tariflichen Vergütung liegt damit erstmalig
eine Geltendmachung in Form des Schreibens der Gewerkschaft ver.di vom 11.02.2005 vor. Unter
Berücksichtigung der 6-monatigen Ausschlussfrist konnten durch dieses Schreiben aber nur die
Ansprüche der Klägerin für den Zeitraum ab einschließlich August 2004 gewahrt werden, die sich auf
456,50 € brutto belaufen.
Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Der Klägerin stehen sowohl Ansprüche auf die
tariflichen Einmalzahlungen als auch auf die laufenden Tariflohnerhöhungen für den Zeitraum von August
bis 2004 bis Dezember 2004 zu.
a) Die genannten Ansprüche sind zunächst nicht verfallen. Hinsichtlich der laufenden tariflichen
Zahlungen wurde die Ausschlussfrist -. wie ausgeführt - durch das Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom
11.02.2005 gewahrt. Die Geltendmachung der tariflichen Einmalzahlung in Höhe von 153,60 € erfolgte
durch Schreiben der Klägerin vom 14.05.2003, dessen Zugang die Beklagte ausweislich ihrer
Berufungsbegründung einräumt. Die Geltendmachung hinsichtlich der im November 2004 fälligen
Einmalzahlung erfolgte durch Schreiben der Gewerkschaft ver.di im Namen der Klägerin vom 11.02.2005,
dessen Zugang die Beklagte ebenfalls einräumt.
b) Die Klägerin hat einen vertraglich begründeten Anspruch auf Zahlung der tariflichen Erhöhungsbeträge
im genannten Umfang und der Einmalzahlungen gemäß §§ 5,14 des Arbeitsvertrages der Parteien i.V.m.
dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT.
Die Berufungskammer folgt insoweit der ausführlichen und zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts
im angefochtenen Urteil (II 3 der Entscheidungsgründe, = S. 12 ff des angefochtenen Urteils = Bl. 95 ff
d.A.) und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Die Berufungskammer stützt sich ergänzend auf
das den Parteien bekannte Urteil des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 09.11.2005 - 5 AZR
128/05 - EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 3), welches die Auslegung einer gleichlautenden vertraglichen
Bestimmung in einem Arbeitsvertrag der Beklagten betrifft.
Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Die
Beklagte verkennt, dass sich die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den Grundsätzen
der Auslegung von Normen richtet. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so
auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der
Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die
Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen
sind (BAG 09.11.2005, a.a.O.; BAG 31.08.2005 - 5 AZR 545/04). Vorrangig ist allerdings ein etwaiger
übereinstimmender Wille der Parteien maßgebend. Bleiben in Anwendung dieser Grundsätze Zweifel bei
der Auslegung, d.h. sind mehrere Auslegungsergebnisse möglich, gehen diese Zweifel nach § 305 c Abs.
2 BGB zu Lasten des Versenders.
Soweit die Beklagte auf § 5 Abs. 2 S. 1 und 2 des Arbeitsvertrages verweist, spricht diese Regelung nach
Auffassung der Berufungskammer eher für das von der Klägerin vertretene Verständnis auch des Abs. 1.
Nach § 5 Abs. 2 soll sich die Höhe der im Einzelnen aufgelisteten Zuschläge an den Beträgen des BAT
orientieren. Wenn die Beklagte sodann auch in § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages die
Vergütungsbestimmungen KR der Anlage 1 b zum BAT für das Krankenpflegepersonal des öffentlichen
Dienstes aufführt und sogleich auch hinsichtlich der aufgeführten Zuschläge auf die Bestimmungen des
BAT verweist, kann der Hinweis auf die Vergütungsgruppe/-stufe KR I/01 durchaus auch als dynamische
Verweisung verstanden werden. Die Behauptung der Beklagten, dass § 5 des Arbeitsvertrages eine von
ihr bewusst gewollte, gut überlegte Regelung im Interesse der Kalkulierbarkeit ihrer Kostenbelastung
habe sein sollen, mag zutreffen. Allerdings sind derartige Überlegungen so lange für die gebotene
Auslegung unbeachtlich, als sie dem Vertragspartner nicht erkennbar sind. Ausgehend von einem
verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten
Verkehrskreise kann demgegenüber auch eine dynamische Verweisung auf die Vergütungsregelungen
des BAT im Interesse des Verwenders derartiger Regelungen liegen, etwa im Interesse einer
innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit, der Vermeidung von individuellen Auseinandersetzungen um
innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit, der Vermeidung von individuellen Auseinandersetzungen um
eine höhere Vergütung oder auch der Verhinderung der Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften zu
anderen Arbeitgebern.
Der Hinweis der Beklagten darauf, dass § 14 des Arbeitsvertrages überflüssig wäre, wenn es sich bei der
Regelung in § 5 des Arbeitsvertrages um eine dynamische Verweisung handeln würde, überzeugt nicht:
Der Arbeitsvertrag enthält an mehreren Stellen Regelungen, die nicht den in Bezug genommenen
tariflichen Regelungen entsprechen, so dass die weitergehende Verweisung in § 14 des Arbeitsvertrags
der Parteien durchaus ihren Sinn behält.
Soweit die Beklagte darauf verweist, der BAT sei nicht "gelebt worden", trifft dies für die hier streitige Frage
gerade nicht zu. Die Beklagte räumt selbst ein, Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit stets weiter
gegeben zu haben.
Unerheblich ist ferner der Hinweis der Beklagten darauf, dass gegebenenfalls bei der bloßen Weitergabe
von Tariflohnerhöhungen keine Bindung an die Tarifverträge unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen
Übung begründet worden wäre. Die hierzu von der Beklagten zitierte Rechtsprechung betrifft andere
Fallgestaltungen. Es geht vorliegend nicht um die Begründung eines Anspruchs nach den Grundsätzen
der betrieblichen Übung, sondern um die Frage, ob die Auslegung der von der Beklagten verwendeten
allgemeinen Geschäftsbedingungen ein zweifelsfreies Auslegungsergebnis zu ihren Gunsten zeitigt.
Schließlich verfängt auch der Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit des Verbandsaustritts des
tarifgebundenen Arbeitgebers nicht. Die Beklagte wird nicht einer fremden Regelungsmacht unterworfen,
sondern hat durch die von ihr gewählte Vertragsgestaltung maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung
der Arbeitsverhältnisse.
Im Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.11.2005 (a.a.O.) ist die
Berufungskammer daher der Auffassung, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Bestimmung
von Sinn- und Zweck der auszulegenden Regelung bestehen. Danach durfte weder die Beklagte von
einer Festlegung auf die seinerzeit aktuelle Tarifvergütung ausgehen, noch die Klägerin ohne weiteres
annehmen, es sei die jeweilige Tarifvergütung vereinbart. Es bleiben nach Ausschöpfung der
anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel. Die von der Klägerin vertretene Auslegung
ist ebenso rechtlich vertretbar wie die der Beklagten, wobei keine der Auslegungen den klaren Vorzug
verdient. Die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der
Beklagten.
Die demnach anzunehmende zeitdynamische Verweisung auf Tarifrecht betrifft dabei nicht nur die
Grundvergütung, sondern auch die im Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT vorgesehenen
Einmalzahlungen, die an die Stelle einer (prozentualen)Erhöhung einer der im Arbeitsvertrag genannten
Vergütungsbestandteile treten. Die Berufungskammer verweist insoweit in vollem Umfang auf die
überzeugende Begründung des Bundesarbeitsgerichts im genannten Urteil vom 09.11.2005 (a.a.O., II 2 e
der Gründe).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 344 ZPO. Die Voraussetzungen einer
Revisionszulassung sind nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG
nicht erfüllt.