Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 24.06.2004

LArbG Mainz: vergütung, mehrarbeit, zuwendung, arbeitsgericht, berechtigung, barauszahlung, bereitschaftsdienst, satzung, entstehungsgeschichte, form

LAG
Mainz
24.06.2004
1 Sa 24/04
Auslegung des § 38 Satz 1 ATV-K ("gezahlt für")
Aktenzeichen:
1 Sa 24/04
5 Ca 1219/03
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Verkündet am: 24.06.2004
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern
Landau - vom 10.12.2003 - Aktenzeichen: 5 Ca 1219/03 - wird kostenpflichtig zurück gewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer "zusätzlichen Umlage“
nach § 38 Satz 1 Einleitungssatz des Tarifvertrags über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes vom 1.3. 2002 i. d. F. vom 12.3 2003 (ATV-K).
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1.4.1989 als Anästhesistin im Anstellungsverhältnis
beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein städtisches Krankenhaus in kommunaler Trägerschaft. Auf das
Rechtsverhältnis findet das Tarifwerk für Angestellte im öffentlichen Dienst im Verband kommunaler
Arbeitgeber (BAT [VKA]) Anwendung. Die Klägerin erhält eine Vergütung nach Gruppe Ia, Stufe 12, des
Vergütungstarifs BAT (VKA). Ferner werden ihr (u. a.) Bereitschaftsdienste und UK-Dienste gesondert
vergütet.
§ 38 Satz 1 ATV-K hat in der Fassung vom 12.3.2003 den folgenden Inhalt:
"Abweichend von § 26 Abs. 5 gilt für Beschäftigte, für die für Dezember 2001 schon und für Januar 2002
noch eine zusätzliche Umlage nach § 7 Abs. 4 VersTV-G gezahlt wurde, Folgendes: Soweit das
monatliche zusatzversorgungspflichtige Entgelt die Summe aus Endgrundvergütung und
Familienzuschlag einer/eines kinderlos verheirateten Angestellten der Vergütungsgruppe I BAT (VKA)
bzw. BAT-O (VKA) - jährlich einmal einschließlich der Zuwendung, wenn die/der Beschäftigte eine
zusatzversorgungspflichtige Zuwendung erhält - übersteigt, ist in diesem Arbeitsverhältnis zusätzlich eine
Umlage in Höhe von 9 v. H. des übersteigenden Betrags vom Arbeitgeber zu zahlen.“
§ 39 Abs. 1 Satz 1 ATV-K erklärt diese Bestimmung für seit dem 1.1.2002 gültig. Nach § 7 Abs. 4 VersTV-G
gilt: "Übersteigt das monatliche zusatz-versorgungspflichtige Entgelt (Absatz 5) die Summe aus
Endgrundvergütung und Ortszuschlag eines kinderlos verheirateten Angestellten der Vergütungsgruppe I
BAT (VKA) bzw. - im Beitrittsgebiet - BAT-O (VKA) - jährlich einmal einschließlich der Zuwendung, wenn
die/der Beschäftigte eine zusatzversorgungspflichtige Zuwendung erhält -, ist eine zusätzliche Umlage in
Höhe von 9 v. H. des übersteigenden Betrags zu entrichten. Die zusätzliche Umlage trägt der
Arbeitgeber.“
In den Monaten Januar 2001 bis Dezember 2002 leistete die Klägerin ausweislich ihrer
Vergütungsabrechnungen folgende Bereitschaftsdienste:
- Bereitschaftsdienst Gruppe B im Umfang von monatlich 16 Stunden in den Monaten 03, 05, 06, 07, 08,
09, 10 des Jahres 2001 sowie in den Monaten 02, 04, 05, 06, 07, 09, 10 des Jahres 2002,
- Bereitschaftsdienst Gruppe C im Umfang von 50 bis 134,5 Stunden in den Monaten 01, 02, 04, 05, 06,
07, 08, 09, 10 des Jahres 2001 und in den Monaten 01, 02, 03, 04, 05, 06, 07, 08, 09, 10, 12 des Jahres
2002.
Zudem erhielt sie einen UK-Aufschlag von 1 bis 15 Tagen in den Monaten 01, 02, 04, 06, 07, 10, 11 des
Jahres 2001 und in den Monaten 06, 07, 11, 12 des Jahres 2002.
Der Klägerin wurde daraufhin von Januar 2001 bis Dezember 2002 stets - mit Ausnahme der Monate
März und Dezember 2001 - die zusätzliche Umlage nach § 7 Abs. 4 VersTV-G gezahlt. Diese wurde auf
ihr Guthaben bei dem Versorgungswerk der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden
angewiesen. Dabei erfolgte die Abrechnung und Auszahlung der geleisteten Bereitschafts- und UK-
Dienste mit einer Verzögerung von zwei Monaten. Die im März und im Dezember 2001 nicht gezahlten
zusätzlichen Umlagen hatten ihren Grund folglich darin, dass in den vorvergangenen Monaten (Januar
und Oktober 2001) die Voraussetzungen für die erhöhten Verdienste nicht geschaffen wurden. Für den
Arbeitsmonat Oktober 2001, der hinsichtlich der Mehrarbeit im Dezember 2001 abgerechnet wurde, ergab
sich hierbei die Besonderheit, dass die Klägerin zwar Mehrarbeit in einem Umfang erbracht hatte, die eine
Versorgungsumlage im Abrechnungsmonat 2001 gerechtfertigt hätte, jedoch mit Antrag vom 22.11.2001
die Vergütung der erbrachten Mehrarbeit im Oktober 2001 in Form von Freizeitausgleich begehrt und
bewilligt erhalten hatte. Allein der Freizeitausgleich verhinderte, dass der Klägerin im Dezember 2001 die
zusätzliche Umlage auch tatsächlich ausgezahlt wurde.
Im Februar 2003 untersuchte die Beklagte die Abrechnungen ihrer Angestellten auf die
Bezugsberechtigung zur zusätzlichen Umlage nach § 38 Satz 1 ATV-K und ermittelte, dass die Klägerin im
Dezember 2001 keine zusätzliche Umlage gutgeschrieben erhalten hatte. Sie entzog ihr deshalb die vom
1.1.2002 an die an das Versorgungswerk gezahlten zusätzlichen Umlagen. Ferner gewährte sie ihr auch
in der Folgezeit die benannte Umlage nicht mehr. Sie bestreitet stattdessen die Berechtigung der Klägerin,
zusätzliche Umlagen nach § 38 ATV-K beanspruchen zu können.
Die Klägerin begehrt nun die gerichtliche Feststellung, dass ihr grundsätzlich ein Anspruch auf die
Zahlung der zusätzlichen Umlage nach § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K zusteht.
Sie hat vorgetragen:
Die Beklagte missverstehe den Regelungsgehalt des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K, wenn sie meine,
dass eine fortdauernde Gewährung der zusätzlichen Umlage nur im Falle der tatsächlich erfolgten
Auszahlungen in den Monaten Dezember 2001 und Januar 2002 möglich und geboten sei. Der Inhalt der
Regelung sei hingegen ein anderer. Maßgeblich komme es darauf an, dass die zusätzlichen
Vergütungsbestandteile zum maßgeblichen Umstellungszeitraum auf das neue Regelungsmodell des
ATV-K kontinuierlich über den Jahreswechsel 2001/02 erdient worden seien. Da die Klägerin zwischen
Januar 2001 und Dezember 2002 so gut wie immer oberhalb der Bezugsgröße der Endstufe des BAT I
nebst Ortszuschlag entlohnt worden sei, müsse in ihrem Fall die Regelung des § 38 ATV-K zweifelsfrei zur
Anwendung kommen. Dass die Klägerin im November 2001 - in Unkenntnis der erst Monate später
ausgehandelten - Tarifänderung einen Freizeitausgleich anstatt einer Barauszahlung der
Bereitschaftsdienste begehrt habe, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Andernfalls wäre die
zusätzliche Altersversorgung auf rechtswidrige Weise vom Zufall abhängig gemacht worden. Ferner
müsse man in der nachträglichen Änderung der tariflichen Altersversorgung dann auch eine unzulässige
Rückwirkung erblicken.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1.1.2002 die Zusatzumlage gemäß §
38 ATV-K i. V. m. § 76 der Satzung der Zusatzversorgungskasse zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Die Regelung des § 38 ATV-K sei als Übergangsregelung im Zusammenhang mit der Umstellung des
alten auf das neue Zusatzversorgungssystem zu verstehen. Sie sei deshalb eng auszulegen. Ferner habe
die ursprüngliche Fassung der Vorschrift maßgebliche Bedeutung, wonach es hieß, dass nur diejenigen
Beschäftigten Anspruch auf die zusätzliche Umlage hätten, die "am 31.12.2001 schon und am 1.1.2002
noch“ eine Umlage nach § 7 Abs. 4 VersTV-G tatsächlich erhalten hatten. Diese Fassung sei zwar im 2.
Änderungstarifvertrag vom 12.3.2003 revidiert worden. Jedoch sei dies nur aus buchungstechnischen
Gründen geschehen, da in der Angestelltenvergütung eine Auszahlung der Gehälter am 15. des Monats
üblich sei und folglich eine Bezugnahme auf den 31. bzw. 1. des Monats wenig Sinn ergab. Die Änderung
der Formulierung dahin, dass es für die Bezugsberechtigung auf den Erhalt der Zusatzumlage "für
Dezember 2001 schon und für Januar 2002 noch“ anzukommen habe, beinhalte keine sachliche
Änderung gegenüber dem vormaligen Text. Mithin könne allein entscheidend nur sein, dass auch im
Dezember 2001 und im Januar 2002 die zusätzliche Umlage tatsächlich ausgezahlt wurde. Auf diese
Weise verstünde im Übrigen auch die Praxis der zuständigen Versorgungskasse die maßgebliche
Vorschrift.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10.12.2003 stattgegeben. Es hat sich dabei auf eine
Wortlautinterpretation des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-G gestützt, wonach allein entscheidend seien
die "für“ Dezember 2001 und "für“ Januar 2002 gezahlten Umlagen. Da die Klägerin diese im Februar
2002 und im März 2002 unstreitig erhalten habe, sei der Tatbestand des tariflichen Anspruchs erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf das Urteil (Bl. 104 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 15.12.2003 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 9.1.2004,
eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht am gleichen Tage, die Berufung eingelegt und diese mit
Schriftsatz vom 13.2.2004, ebenfalls am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:
Die Klage sei bereits ihrer Antragstellung wegen bedenklich, da aufgrund der vorgeschriebenen
Abführung der Arbeitgeberbeiträge auf die zusätzliche Altersversorgung an das Versorgungswerk nicht
eine Feststellung der Zahlungspflicht "an die Klägerin“ begehrt werden könne. Ferner könne die Klage
jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben, denn die Tarifparteien hätten sich mit der Vereinbarung des
§ 38 Satz 1 ATV-K in zulässiger Weise auf einen Stichtag zur Übernahme der Versorgungspflichten aus
dem alten in das neue Versorgungswerk geeinigt. Als maßgeblicher Zeitrahmen sei der Jahreswechsel
2001/2002 hervorgehoben worden. Allein in diesem Zeitraum sei der Anspruch auf die zusätzliche
Umlage zu überprüfen. Für ihn sei durch die Tarifparteien für entscheidend erklärt worden, dass
tatsächlich ein Zufluss der geschuldeten zusätzlichen Umlage statt gefunden habe. Nach diesem
Zuflussprinzip würden die Tarifparteien seither die Regelung des § 38 Satz 1 ATV-K handhaben; es sei
ferner Gegenstand des Rundschreibens der Beklagten vom 17.1.2003 und werde auch bei der Zuteilung
der für die Altersversorgung maßgeblichen Versorgungspunkte angewandt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 10.12.2003 -
Aktenzeichen: 5 Ca 1219/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag in erster Instanz und trägt
ergänzend vor:
Es sei an der Zulässigkeit der Klage nicht zu zweifeln. Der Feststellungsantrag betreffe in der Sache das
maßgebliche Feststellungsinteresse, ohne an dem Umstand zweifeln zu lassen, dass der Zahlungsbetrag
nach wie vor an die Versorgungskasse zu zahlen sei. Hinsichtlich der Auslegung des § 38 Satz 1
Einleitungssatz ATV-K sei an dem Ergebnis des Arbeitsgerichts nicht zu zweifeln. Der von den
Tarifparteien in die Norm aufgenommene Zeitraum: Dezember 2001, Januar 2002, bezeichne keinen
Stichtag, sondern eine Bewertungsfrist. Innerhalb dieses Zeitraums sei nicht - wie die Beklagte meint - auf
den Zahlungszufluss, sondern auf die Erarbeitung der Vergütung abzustellen. Zudem sei von den
Tarifparteien mit der Umstellung des Versorgungssystems auch keine sachliche Verschlechterung in der
Bezugsberechtigung beabsichtigt gewesen; andernfalls müsse man die tarifliche Regelung als
unzulässige Rückwirkung betrachten, da sie vom Februar 2002 bzw. vom März 2003 in die nach dem
Dezember 2001 erdienten Versorgungsansprüche rückwirkend verschlechternd eingreife.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien, die zu den Akten
gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
A.
Die statthafte Berufung ist in zulässiger Frist und Form eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1, 66,
64 Abs. 6 i. V. m. §§ 517, 519 ZPO).
B.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
I.
Die Klage ist zulässig. Der Feststellungsantrag der Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1
ZPO. Gegenstand der Klage ist die Feststellung der Reichweite des zwischen den Parteien bestehenden
Rechtsverhältnisses. Das Feststellungsinteresse der Klägerin richtet sich auf die gerichtliche
Anerkennung der Pflicht der Beklagten als Arbeitgeberin, seit dem 1.1.2002 die zusätzliche Umlage nach
§ 38 Satz 1 ATV-K auf die Altersvorsorge der Klägerin zu zahlen, sofern die weiteren Voraussetzungen
des Anspruchs vorliegen. Ein effizienterer und einfacherer Weg der Rechtsverfolgung steht der Klägerin
nicht offen. Die Beklagte ist als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes in besonderer Weise an die
Befolgung von Gesetz und Recht gebunden, so dass angenommen werden kann, dass allein durch die
Feststellung der bestehenden Rechtspflicht eine fortwährende Leistungserbringung sicher gestellt ist (vgl.
BAG, 2.12.1981, AP Nr. 52 zu § 22 BAT 1975; 20.2.1991, AP Nr. 157 zu § 22 BAT 1975).
II.
Die Klage ist zudem auch begründet. Die Klägerin hat einen grundsätzlichen Anspruch auf Gewährung
der zusätzlichen Umlage nach § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K. Dieser Anspruch besteht seit dem
1.1.2002 und wird nicht durch die im Dezember 2001 unterbliebene Barauszahlung der im Oktober 2001
erarbeiteten Bereitschaftsdienste und auch nicht durch die darauf folgende unterbliebene Ausschüttung
der zusätzlichen Umlage nach § 7 Abs. 4 VersTV-G beeinträchtigt.
1. Der Antrag der Klägerin ist bei sachgemäßer Auslegung in vollem Umfang begründet. Er bezieht sich
auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Abführung der zusätzlichen Umlage gemäß § 38
Satz 1 ATV-K an das zuständige Versorgungswerk. Dies folgt aus einer sachgemäßen Antragsauslegung.
Die Klägerin verlangt nicht allein die Feststellung einer Zahlungspflicht "an sich selbst", sondern begehrt
die Feststellung einer an sie gerichteten Zahlung "gemäß § 76 der Satzung der Versorgungskasse". Diese
Einschränkung des Antrags lässt erkennen, dass das Feststellungsbegehren auf die Feststellung der
grundsätzlichen Anspruchsberechtigung ausgerichtet ist. Eine Barzahlung an die Klägerin ist nicht
Gegenstand der Feststellung. Ferner bezieht sich der Antrag auch nicht auf die Feststellung einer
zukünftig dauerhaften Berechtigung zum Bezug der zusätzlichen Umlage, sondern lediglich auf die
Feststellung, dass das Bezugsrecht nicht durch den Ausschlusstatbestand des Einleitungssatzes des
Satzes 1 des § 38 ATV-K ausgeschlossen ist. Auch dies folgt aus sachgemäßer Interpretation des Antrags
unter Berücksichtigung der klägerseitigen Begründung.
2. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K sind zu Gunsten der Klägerin
erfüllt. Dies ergibt sich aus einer sachgemäßen Auslegung der Vorschrift.
a) Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags erfolgt entsprechend den Grundsätzen der
Auslegung von Gesetzen. Sie geht aus vom Tarifwortlaut und zieht in Betracht den wirklichen Willen der
Tarifvertragsparteien und den damit von ihnen beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifvorschrift, sofern
und soweit dieser in der Tarifnorm seinen Niederschlag gefunden hat (BAG, 12.9.1984, AP Nr. 135 zu § 1
TVG Auslegung). Ferner kann ergänzend auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, die praktische
Tarifübung oder auch auf die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zurückgegriffen werden,
wobei der Vorzug derjenigen Tarifauslegung gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten,
zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, 21.7.1993, AP Nr. 144 zu § 1 TVG
Auslegung).
b) Dem Wortlaut des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K entsprechend kommt der Angestellten eine
arbeitgeberfinanzierte, zusätzliche Umlage zu, wenn schon "für“ Dezember 2001 und noch "für“ Januar
2002 eine zusätzliche Umlage nach § 7 Abs. 4 VersTV-G gezahlt wurde. Die Wendung "
für
hierbei eindeutig einen funktionalen Zusammenhang. Die Satzgestaltung: gezahlt "für" Dezember bzw.
"für" Januar bedeutet bereits sprachlich nichts anderes als eine Zuordnung der erfolgten Zahlung.
Gegenstand dieser Zuordnung ist der Grund der Zahlung, gewissermaßen dessen "Wofür". Dieser
Zahlungsgrund liegt in dem Erfüllen der Voraussetzungen des Rechtsgrunds der Zahlungen. Die
entsprechenden Voraussetzungen sind in § 7 Abs. 4 VersTV-G genannt. Sie verlangen, dass ein
monatliches Entgelt über dem Höchstsatz der Vergütung nach der Gruppe I BAT erreicht wird. Der
Bezugspunkt ist dabei das "Erdienen" der Entgeltansprüche in der entsprechenden Höhe. Dieser
Bezugspunkt wird in der Regelung des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K übernommen. Die Wendung
"für" bringt sonach in dieser Bestimmung zum Ausdruck, dass in dem Monat Dezember 2001 wie auch im
Monat 2002 die erhöhten Verdienstansprüche entsprechend § 7 Abs. 4 VersTV-G erdient worden sein
müssen.
Die Regelung des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K ist also bereits aufgrund des Wortlauts "für" eindeutig
so wie geschehen auszulegen. Wenn es auf eine tatsächliche "Zahlung" und nicht auf den
"Zahlungsgrund" ankommen sollte, hätte sprachlich die Formulierung "im" Dezember bzw. "im" Januar
benutzt werden müssen.
Die Klägerin hat unstreitig durch ihre Mehrarbeit in den Monaten Dezember 2001 und Januar 2002 eine
zusätzliche Umlage nach § 7 Abs. 4 VersTV-G für diesen Zeitraum erdient. Diese wurde ihr auch mit den
Abrechnungen für Februar und März gutgeschrieben. Sonach ist der Anspruch der Klägerin nach § 38
Satz 1 Einleitungssatz ATV-K erfüllt.
c) Im Hinblick auf die Argumentation der Beklagten hat das Berufungsgericht über den eindeutigen
Wortlaut der einschlägigen Vorschrift hinaus geprüft, ob evtl. die Entstehungsgeschichte der Regelung zu
einem anderen Ergebnis führen konnte. Dies ist jedoch nicht der Fall:
Die Formulierung: "für Dezember 2001 schon und für Januar 2002 noch“ ist aus der 2. Änderung des ATV-
K vom 12.3.2003 hervorgegangen. In der ersten Fassung hieß es noch: "die
am
schon und
am
Zuordnungsform zum Ausdruck kam. Im Gegensatz zum funktionalen "für“ beinhaltet das "am“ eine
signifikante zeitliche Zuschreibungsweise. Wenn demnach die Zahlungen am 31. Dezember und am 1.
Januar maßgeblich sein sollten, so lässt dies rein sprachlich betrachtet keine andere Auslegung als die
zu, dass es auf den tatsächlichen Umlagenzufluss an eben jenen bezeichneten Tagen ankam. Freilich hat
die Beklagte selbst eingeräumt, dass diese sprachliche Wendung zu einem völlig sachwidrigen Ergebnis
geführt hätte, da ja die Umlagen in aller Regel am Monats-Fünfzehnten und niemals am Monats-Letzten
oder am darauf folgenden Monats-Ersten abgeführt wurden, so dass bei strikter Anwendung überhaupt
niemand in den Anwendungsbereich der Norm gefallen wäre. Da dies jedoch von den Tarifparteien
keineswegs erstrebt war, musste die Bestimmung nachfolgend geändert werden, und zwar in der Weise,
dass nicht ein Stichtag, sondern ein Monatszeitraum in Bezug genommen wurde.
Die Beklagte meint nun, dass die Neufassung der Norm eben allein diese Intention verfolgt habe und
somit am ursprünglichen Zuflussprinzip nichts habe ändern wollen und auch nichts geändert habe. Wäre
dies richtig, so müsste maßgeblich darauf abgestellt werden, ob in den Monaten Dezember 2001 und
Januar 2002 tatsächlich die zusätzlichen Umlagen abgeführt wurden. Die Beklagte unterstreicht diese
Ansicht noch mit dem Argument der auf das Zuflussprinzip gründenden Tarifpraxis. Die Kammer vermag
dieser Ansicht jedoch nicht zu folgen:
Zur Stützung der Auffassung der Beklagten lassen sich im Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte
ausmachen. Hätten die Tarifparteien tatsächlich das Zuflussprinzip beibehalten oder neu festlegen wollen,
so hätte es - wie oben bereits erwähnt - nahe gelegen, eine Formulierung in der Wendung "schon
im
Dezember 2001 und noch
im
die Formulierung "
für
ein funktionaler Anknüpfungspunkt. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung führt mithin zu keinem
anderen Ergebnis.
d) Der Klägerin steht mithin nach Wortlaut und Regelungszweck des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K
die von ihr begehrte Berechtigung zum fortdauernden Bezug der zusätzlichen Umlage zu. Gegen dieses
Auslegungsergebnis dringen auch die von der Beklagten weiterhin vorgebrachten Argumente nicht durch.
Weder kann das steuerrechtlich maßgebliche Zuflussprinzip etwas an der vorliegenden Interpretation der
Tarifnorm ändern, noch zwingt die Art der Bewertung der zusätzlichen Umlage mit Versorgungspunkten zu
einem anderen Ergebnis.
aa) Das Zuflussprinzip ist für die Auslegung des § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K unbeachtlich. Die
Frage des tatsächlichen Entgeltzuflusses steht außerhalb des Einflussbereiches der Klägerin. Wollte man
dieses Ereignis zum Anknüpfungspunkt ihrer zusätzlichen Altersversorgung machen, stünde deren
Existenz im freien Belieben der Beklagten, und könnte etwa durch Zahlungsverzögerungen oder
Zahlungsverweigerungen vereitelt werden. Dass dieses Ergebnis nicht im sinngemäßen Interesse der
Tarifparteien liegt, ist offensichtlich.
bb) Ferner ist auch die Bewertung der zusätzlichen Umlage mit Versorgungspunkten für die Interpretation
des Ausschlusstatbestandes in § 38 Satz 1 Einleitungssatz ATV-K ohne Belang. Denn selbst wenn die
Tarifparteien die Punktebewertung anders ausgestaltet hätten, indem sie etwa mehr Punkte zugeteilt
hätten oder weniger, oder indem sie einen abweichenden Zeitpunkt für die Berechnung der
zuzuweisenden Punkte gewählt hätten, hätte dies an dem Regelungsgehalt des § 38 Satz 1
Einleitungssatz ATV-K nichts geändert. Allein die von den Versorgungsträgern praktizierte Weise der
Bepunktungsvornahme ist nicht geeignet, über das Bestehen oder Nichtbestehen des maßgeblichen
tariflichen Anspruchs zu entscheiden.
3. Dem Feststellungsbegehren der Klägerin war sonach stattzugeben. Dies hat das Arbeitsgericht
zutreffend erkannt.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.
D.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da keine der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten
Voraussetzungen vorlagen.