Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 11.03.2004
LArbG Mainz: treu und glauben, wirtschaftliche einheit, betriebsübergang, stadt, abrechnung, rechtsgeschäft, arbeitsgericht, stundenlohn, firma, ezb
LAG
Mainz
11.03.2004
1 Sa 1116/03
Aktenzeichen:
1 Sa 1116/03
4 Ca 2997/02 MZ
ArbG Mainz
Verkündet am: 11.03.2004
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 2.4.2003 - Aktenzeichen
4 Ca 2997/02 - teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.904,49 EURO netto und weitere 2.556,46 EURO brutto
zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basissatz der EZB seit Rechtshängigkeit der Ansprüche zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Zahlungspflicht von Weihnachtsgeld und Lohnrückständen.
Der Kläger war seit Januar 1991 als Arbeiter in Vollbeschäftigung zu einem Stundenlohn von zuletzt 12,-
EURO brutto in einem baugewerblichen Kleinbetrieb in A-Stadt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete
durch gerichtlichen Teilvergleich zum 28.2.2003. Die Beklagte betreibt das technisch arbeitende
Kleinunternehmen seit Dezember 2000. Gegenstand des Unternehmens ist die Ausführung von
Betonbohr- oder Sägearbeiten auf auswärtigen Baustellen wie zum Teil auch an eigener Betriebsstätte.
Die Beklagte firmiert seit dem Dezember 2000 unter dem Namen "BBS A.".
In ihrer Gewerbeanmeldung vom 12.12.2000 hatte die Beklagte die Neuerrichtung auf dem Betrieb des
ehemaligen Inhabers A. (im Folgenden: Zeuge A.) angegeben. Der Zeuge A. ist der Ehemann der
Beklagten. Unter seiner Inhaberschaft firmierte der Betrieb als Firma "Betonbohr- und Sägetechnik A." und
beschäftigte neben dem Betriebsinhaber selbst zuletzt nur noch den Kläger als Arbeitnehmer. Die
Beklagte erledigte für den damaligen Betrieb Büroarbeiten. Das Geschäftsergebnis war seit dem Jahr
1998 stark rückläufig. Infolge dessen hatte der Zeuge A. bereits die früheren Mitarbeiter F. und Sch.
entlassen und im Spätjahr 1998 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen müssen, die jedoch
mangels Masse im Frühjahr 1999 abgelehnt wurde. Daraufhin wurde der Betrieb im April 2000 aus dem
Gewerberegister der Verbandsgemeinde gelöscht. Die noch verbliebenen Restaufträge wickelten der
Zeuge A. und der Kläger bis zum Ende des November 2000 ab.
Vom Dezember 2000 an führte dann die Beklagte den Betrieb auf ihre gewerbliche Anmeldung zum
12.12.2000 hin fort. Zu einer Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit kam es durch diese Fortführung
nicht. Die Beklagte beschäftigte den Kläger wie auch den Zeugen A. als Arbeitnehmer weiter. Sie behielt
den Geschäftssitz in A-Stadt, A-Straße, bei und benutzte auch die dort vorhandene Büroräumlichkeit.
Ferner nutzte sie die Werkzeughalle in der Lachstraße in A-Stadt samt dem vorhandenem Werkzeug und
Arbeitsgerät weiter und bediente zudem auch die vormals angestammte Kundschaft weiter, nämlich die
Firmen G. und I. aus Bad K. und die Firma D. aus S.
Während der Beschäftigungszeit unter der Betriebsinhaberschaft durch den Zeugen A. erhielt der Kläger
einen vertraglichen Stundenlohn von 21,- DM. In den Jahren 1991 bis 1997 zahlte der Zeuge A. zusätzlich
ein Weihnachtsgeld in Höhe von 2.000,- DM (1991), 2.500,- DM (1992), 3.000,- DM (1993, 1994, 1995),
3.500,- DM (1996) und 2.000,- DM (1997). Diese Zahlungen standen unter keinem Leistungs- oder
Widerrufsvorbehalt. Sie wurden vom Jahr 1998 an allerdings nicht mehr erbracht.
Die streitgegenständlichen Lohnansprüche betreffen den Zeitraum Mai 1998 bis November 2000.
Der Zeuge A. hatte den Kläger stets nach der Einreichung von Stundenzetteln entlohnt, wobei er zunächst
Abschläge auf den Lohn zahlte und diese dann gewöhnlicherweise in zeitlicher Verzögerung zu den
Abschlägen von wenigen Wochen mit den tatsächlich geleisteten Stunden verrechnete. Die
Abrechnungen für den Abrechnungszeitraum Mai 1998 bis November 2000 erteilte der Zeuge A. dem
Kläger jedoch erst am 13.12.2001. Aus dieser Abrechnung erhebt der Kläger die Restlohnforderung von
umgerechnet 3.985,67 EURO netto, die einen offenen Differenzbetrag von 1.295,30 DM zu seinen
Gunsten und angeblich nicht gezahlte Abschläge in Höhe von 6.500,- DM beinhalten. Ferner macht er die
ausstehenden Weihnachtsgelder seit 1998 in Höhe von insgesamt 12.500,- DM (umgerechnet 6.391,15
EURO) brutto geltend.
Die Klage ging bei Gericht am 26.9.2002 ein und wurde der Beklagten am 2.10.2002 zugestellt.
Der Kläger hat vorgetragen:
Der Zeuge A. habe von den in der Abrechnung vom 13.12.2001 aufgelisteten Abschlägen die Zahlungen
vom 22.1.1999, 28.2.2000, 14.3.2000, 16.1.2001 und 5.4.2001 tatsächlich nicht geleistet. Auf diese
Lohnrückstände hafte die Beklagte kraft Gesetzes. Der Betrieb sei nämlich von dem Zeugen A. auf sie
übergegangen. Der Kläger habe den Übergang aufgrund der unveränderten Arbeitsweise im
maßgeblichen Zeitpunkt nicht einmal bemerkt. Eine vertragliche Abrede, wonach die
streitgegenständlichen Ansprüche abgeändert oder aufgehoben worden seien, habe es weder für die
Lohnrückstände noch für die Weihnachtsgelder gegeben. Auf eine Verjährung könne sich die Beklagte
auch nicht berufen, da sie erst am 13.12.2001 eine Auflistung der Arbeitsstunden und der darauf
gezahlten Abschläge vorgelegt habe, die für die Geltendmachung des Restlohns und der ausstehenden
Weihnachtsgelder unverzichtbar gewesen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Lohnabrechnungen für September und Oktober 2002 zu
erteilen und 8.904,49 EURO netto und weitere 6.391,15 EURO brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit der Ansprüche zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Der Zeuge A. habe die benannten Abschlagszahlungen vollständig erbracht und zwar genau zu den
benannten Daten teils per Scheck, teils in bar. Ferner treffe die Beklagte für die Ansprüche des Klägers
aus der Zeit vor Dezember 2000 keine Leistungspflicht, da sie den Betrieb des Zeugen A. nicht
übernommen, sondern völlig neu begründet habe. Eine Pflicht zur Weihnachtsgeldzahlung bestehe
darüber hinaus auch nicht, da der Anspruch wegen dreimaliger Nichtzahlung entfallen bzw. wegen einer
Abänderung des Vertrags im Zuge der Betriebsneugründung nicht entstanden sei. Im Übrigen sei die
Einrede der Verjährung wirksamerweise zu erheben, da die verspätete Abrechnungserteilung auch vom
Kläger mitverschuldet worden sei, und zwar aufgrund von dessen bisweilen zeitverzögerter
Lohnzetteleinreichung.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Sitzungen in erster Instanz
verwiesen.
Das Arbeitsgericht Mainz hat der Klage auf die Vernehmung des Zeugen A. hin mit Urteil vom 2.4.2003 in
vollem Umfang entsprochen. Es hat dabei die Ansprüche als sachlich begründet angesehen, einen
Betriebsübergang vom Zeugen A. auf die Beklagte bejaht und die Einrede der Verjährung wegen
Treuwidrigkeit der Beklagten außer Betracht gelassen. Bezüglich des genauen Inhalts der Urteils wird auf
dessen Entscheidungsgründe verwiesen (Bl. 65 ff. der Akte).
Gegen das ihr am 1.8.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.8.2003, bei dem
Landesarbeitsgericht am gleichen Tag per Fax eingegangen, die Berufung eingelegt und diese, nach
gewährter Fristverlängerung bis zum 29.10.2003, mit Schriftsatz vom 23.10.2003, beim
Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag, auch begründet.
Die Beklagte bezieht sich auf ihr Vorbringen in erster Instanz und trägt ergänzend vor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts sei zwar hinsichtlich der Verurteilung zur Abrechnungserteilung und zur
Lohnzahlung für Urlaubsgeld und Überstunden aus dem Sommer 2000 sowie für Lohnrückstände nach
dem Dezember 2000 nicht zu beanstanden. Es sei jedoch rechtsfehlerhaft ergangen, soweit es eine
Pflicht zur Zahlung von Lohnrückständen aus der Zeit vor dem Dezember 2000 und zur Zahlung von
Weihnachtsgeld angenommen habe. Hinsichtlich der Lohnrückstände scheitere eine Rechtspflicht
nämlich an einem wirksamen Pflichtenübergang, da die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang
nicht gegeben seien. Der Zeuge A. hätte seinen Betrieb nämlich erst vollständig abgewickelt gehabt, ehe
die Beklagte ihn anschließend neu begründet habe. Ferner seien die Ansprüche inzwischen verjährt.
Hinsichtlich der Weihnachtsgeldansprüche stünde zudem für die Anspruchszeit vom Dezember 2000 an
ein Neuabschluss des Arbeitsvertrags zwischen der Beklagten und dem Kläger entgegen, der die Zahlung
von Weihnachtsgeld aufgrund einer Lohnerhöhung ausgeschlossen habe. Für die Zeit davor gelte ebenso
der Verjährungseinwand.
Die Beklagte beantragt,
auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 2.4.2003, Az. 4 Ca 2997/02,
insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger
3.985,67 EURO netto und weitere 6.391,15 EURO brutto zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der
EZB seit Rechtshängigkeit der Ansprüche zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt weiter vor:
Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf einen mangelnden Anspruchsübergang. Sie selbst habe in erster
Instanz nämlich ausgeführt, dass sie Rechtsnachfolgerin des Zeugen A. sei. Außerdem seien sämtliche
Voraussetzungen eines gesetzlichen Betriebsübergangs im Fall der Beklagten gegeben. Auch sei der
Einwand, es habe im Dezember 2000 ein Neuabschluss des Arbeitsvertrages stattgefunden schon aus
Gründen prozessualer Verspätungsregeln nicht mehr zu hören. Dieser stimme darüber hinaus auch in der
Sache nicht, da der Kläger zu den alten Bedingungen weitergearbeitet habe, ohne einen neuen Vertrag
zu erhalten. Schließlich sei auch der Verjährungseinwand wegen Unredlichkeit nicht zu hören, da der
Kläger vor Abrechnungserteilung durch die Beklagte seine Ansprüche gar nicht gerichtlich habe geltend
machen können.
Zur Ergänzung des dargestellten Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Berufungsschriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Unrecht
Weihnachtsgelder für die Jahre 2000 bis 2002 zugesprochen, im Übrigen jedoch zu Recht zuerkannt.
A.
Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§
517, 519 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist deshalb zulässig.
B.
Die Berufung hat in der Sache jedoch allein hinsichtlich der Weihnachtsgeldansprüche ab dem Jahr 2000
Erfolg, da diese dem Kläger nicht zustanden (B II.4 der Gründe). Im Übrigen hat die Berufung hingegen
keinen Erfolg, da dem Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche zustanden (B I-II.3 der Gründe).
I.
Der Kläger hat Anspruch auf den ausstehenden Lohn für die Zeit bis einschließlich November 2000. Die
Beklagte haftet für diese Verbindlichkeiten kraft Gesetzes.
1.
zwischen dem Zeugen A. und dem Kläger bestand. Der Anspruch beruht auf § 611 Abs. 1 BGB und setzt
sich zusammen aus dem vereinbarten Stundenlohn von 21,- DM und aus den geleisteten Stunden in den
Monaten Mai 1998 bis November 2000. Er ist zu verrechnen mit den bereits per Abschlag erfüllungshalber
geleisteten Zahlungen. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des Klägers aus der Anlage zum
Schriftsatz vom 12.12.2002 (Beiakte Anlagen, Bl. 25 f.), welche die Beklagte nicht bestritten hat. Hiernach
betrug der Gesamtlohn aus den Monaten Mai 1998 bis November 2000: 69.063,30 DM. Auf diese Summe
hatte der Zeuge A. bis April 2001: 61.268,- DM gezahlt. Für die weiter behaupteten Zahlungen in Höhe
von 6.500,- DM hat die erstinstanzliche Zeugenvernehmung keinen Beweis erbracht. Dem ist die Beklagte
in der Berufung auch nicht entgegengetreten. Mithin bestand - im Berufungsverfahren unstreitig -
zugunsten des Klägers zum Ende November 2000 noch ein Restlohnanspruch von 7.795,30 DM
(umgerechnet: 3.985,67 EURO) netto.
2.
§ 613a Abs. 2 BGB wegen Betriebsübergangs einzustehen. Der Betrieb des Zeugen A. war mit der
Übernahme der Geschäftstätigkeit durch die Beklagte im Dezember 2000 auf diese übergegangen (§
613a Abs. 1 Satz 1 BGB).
a)
der Beklagten. Nach § 288 Abs. 1 ZPO (i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG) sind zwar behauptete Tatsachen
keines weiteren Beweises bedürftig, die vom Gegner in der mündlichen Verhandlung zugestanden
werden. Jedoch fasst die Kammer die in Bezug genommenen schriftsätzlichen Zugeständnisse der
Beklagten nicht als Eingeständnisse solcher Tatsachen auf, die einen Betriebsübergang im Sinne des §
613a BGB ausfüllen.
Eher beiläufig äußert die Beklagte in ihren Schriftsätzen die Ansicht, der Kläger sei zunächst "bei ihrem
Rechtsvorgänger" beschäftigt gewesen (Schriftsatz vom 14.11.2002, Bl. 19 d. A.), um anschließend bereits
einschränkend zu ergänzen, es möge "dahinstehen", "ob das Arbeitsverhältnis […] auf die Beklagte
übergegangen ist" (Schriftsatz vom 27.3.2003, Bl. 49 d. A.). Die Begriffe "Rechtsvorgänger" und "Übergang
des Arbeitsverhältnisses" geben nach Ansicht der Kammer keine substantiierbaren Tatsachen wieder, die
zweifelsfrei auf einen Betriebsübergang schließen lassen. Vielmehr handelt es sich bei ihnen um
Formulierungen, welche eher als Ausfluss einer nicht unmittelbar auf Tatsachen zurückführbaren
rechtlichen Rhetorik zu verstehen sind.
b)
hinreichendem Umfang dargetan worden. Der Kläger hat ausgeführt, dass die Beklagte zwar die Firma
des Betriebes wechselte (von "Betonbohr- und Sägetechnik A." in "BBS A."), im Übrigen aber die beiden
noch Beschäftigten (den Kläger und den Zeugen A.) als Mitarbeiter übernahm, das Büro am alten Ort
unverändert beibehielt, ebenso die Werkzeughalle in A-Stadt nach wie vor nutzte, die alten Werkzeuge
gebrauchte, einen defekten Firmen-PKW ersetzte und den alten Kundenstamm der Firmen G. und I. in Bad
K. und D. in S. bediente. Da die Beklagte diesen Ausführungen nicht entgegengetreten ist, ist der
Tatbestand des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt:
aa)
Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch Rechtsgeschäft voraus. Umschrieben ist
damit die Übertragung einer organisierten wirtschaftlichen Einheit von einer auf eine andere
Rechtsperson (BAG, 22.1.1998, NZA 1998, 536 [537]).
α
)
Einheit von Personen und Sachen besteht, auf Dauer angelegt ist und zur Ausübung einer wirtschaftlichen
Tätigkeit mit eigener Zielsetzung dient (BAG, 12.11.1998, NJW 1999, 1131). Ihre Identität bezieht diese
Einheit aus der Art der geschäftlichen Tätigkeit und zudem aus ergänzenden Merkmalen wie dem
Personalbestand, der Besetzung der Führungskräfte, der überkommenen Arbeitsorganisation, der
geschaffenen Betriebsmethoden oder den zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (BAG, 22.1.1998,
NZA 1998, 536 [537]; 2.12.1999, NJW 2000, 3226 [3227]).
Der Betrieb der Betonbohr- und Sägetechnik A. war sonach als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Er
verfügte über eigene Betriebsmittel, eine eigene Arbeitsorganisation, hatte - mit dem Zeugen A. und dem
Kläger - zwei Mitarbeiter und kannte außerdem eine Leitungsstruktur, die vom Büroort aus durch die
Beklagte im Zusammenwirken mit dem Zeugen A. ausgefüllt wurde.
β
)
einer Gesamtwürdigung aller bezeichneten Umstände zu beurteilen ist. Namentlich ist die Beibehaltung
der materiellen, immateriellen und personellen Mittel, des organisatorischen Konzepts sowie der Kunden-
und Lieferantenbeziehungen für den Übergang bezeichnend (BAG, 22.1.1998, NZA 1998, 536 [537 f.];
2.12.1999, NJW 2000, 3226 [3227]). Ferner sind der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem
Übergang verrichteten Tätigkeit und die Dauer einer eventuellen Tätigkeitsunterbrechung von Bedeutung
(BAG, 22.1.1998, NZA 1998, 536 [537]).
Da die Beklagte den Betrieb mit dem vorhandenen Personal, den vorhandenen materiellen und
immateriellen Betriebsmitteln vom angestammten Ort aus, mit der angestammten Kundschaft fortsetzte,
ohne dass es eine nennenswerte Tätigkeitsunterbrechung gab, oder eine nach außen hin erkennbare
Veränderung des Unternehmensbildes stattgefunden hatte, war von einem Übergang im Sinne des §
613a Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen. Das Vorbringen der Beklagten, der Zeuge A. habe seinen Betrieb
vor der Wiederaufnahme der Tätigkeit stillgelegt gehabt, wird durch die nahezu unterbrechungsfreie
Fortführung der Betriebstätigkeit in den Monaten November und Dezember 2000 faktisch widerlegt; die
unterbrechungslose Betriebsfortführung trägt insofern eine erhebliche prozessuale Vermutungswirkung
gegen jede Stilllegungsabsicht des vormaligen Betriebsinhabers in sich (BAG, 22.5.1985, NJW 1986, 448
[449 f.]).
γ
)
muss dazu seine Leitungsmacht aufgeben, und der neue Inhaber muss diese an sich nehmen (BAG,
12.11.1998, NJW 1999, 1131).
Auch dieses Erfordernis ist erfüllt. Die Beklagte hatte den bisherigen Inhaber als Arbeitnehmer
übernommen. Sie stand kraft ihres arbeitgeberischen Direktionsrechts ihm gegenüber in einer
Rechtsposition, welche ihr die uneingeschränkte Bestimmung über dessen Tätigkeiten ermöglichte.
Ferner war sie - was die Kammer bei lebensnaher Interpretation des Sachverhalts annimmt - auch in der
Lage, rechtlich wie ein Betriebsinhaber über die materiellen und immateriellen Betriebsmittel zu verfügen.
Dass demgegenüber der Zeuge A. aufgrund seiner früheren Leitungsfunktion weiterhin einen hohen
Einfluss auf das betriebliche Geschehen beibehalten haben mag, schadet dieser Bewertung nicht, da der
Beklagten aufgrund ihrer rechtlichen Stellung die nach Rechtsgesichtspunkten maßgebliche
Entscheidungsgewalt oblag.
δ
)
Tatbestandsmerkmal des Rechtsgeschäfts wird weit ausgelegt. Es findet Anwendung auf sämtliche
willensgetragenen Übergangsformen, die nicht auf Hoheitsakten, gesetzlichen Übertragungen oder auf
Gesamtrechtsnachfolge beruhen (BAG, 9.2.1994, NJW 1995, 73 f.; ErfK/Preis, 3. Aufl. 2003, § 613a Rz.
58). Weder die Art des Vertragstyps, noch der Umstand, ob das Rechtsgeschäft unmittelbar zwischen
Veräußerer und Erwerber getätigt wird, ist von Bedeutung.
Da im Verhältnis zwischen dem Zeugen A. und der Beklagten keine Übertragungsformen kraft Gesetzes in
Betracht kommen, kann - ohne dass dies einer tiefer gehenden Analyse der Rechtsgestaltung zwischen
diesen Personen im Einzelnen erforderte - von einer willensgetragenen, rechtsgeschäftlichen Weitergabe
der organisierten wirtschaftlichen Einheit ausgegangen werden, mag diese nun in Gestalt einer Leihe,
einer Schenkung, einer Form der Erfüllung ehelicher Unterhaltspflichten oder in ähnlichem bestanden
haben.
bb)
Satz 1 BGB die Haftung des Betriebsübernehmers auf sämtliche innerhalb der betrieblichen
Arbeitsverhältnisse vor dem Übergang entstandenen Verbindlichkeiten kraft Gesetzes, sofern diese vor
Ablauf eines Jahres nach Betriebsübergang fällig wurden. Die Lohnansprüche des Klägers wurden
spätestens zum Ablauf der einzelnen Arbeitsmonate fällig (§ 614 BGB). Der Umstand, dass die
gerichtliche Durchsetzung erst mit der Erteilung der Lohnabrechnungen erfolgversprechend möglich
wurde, veränderte an diesem Fälligkeitszeitpunkt nichts. Die einzelnen Monatslöhne waren somit
spätestens zum 30. November 2000 vollständig entstanden. Die Beklagte haftete dem Kläger mithin
seither auf die noch ausstehende Lohnsumme von 3.985,67 EURO.
3.
Einrede greift aus Gründen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Beklagten nicht zu ihren Gunsten
durch.
a)
Lohnansprüche in zwei Jahren. Für den Beginn der Verjährungsfrist erklärt § 201 Satz 1 BGB a. F. den
Schluss desjenigen Jahres für maßgeblich, in dem der nach § 198 BGB a. F. entscheidende
Fälligkeitszeitpunkt lag. Waren nach § 614 BGB die Lohnansprüche des Klägers spätestens zum Ende
des Beschäftigungsmonats fällig, in dem sie erdient wurden, so konnte die Klageerhebung des Klägers
zum 2.10.2002 all jene Ansprüche nicht mehr kraft Unterbrechung (§ 208 Abs. 1 BGB a. F.) verjährungsfrei
erfassen, deren Verjährung bereits zum 31.12.2001 eingetreten war. Nach §§ 196 Abs. 1 Nr. 8, 198, 201
BGB a. F. i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB waren das alle bis zum 31.12.1999 erdienten
Lohnansprüche.
b)
verwehrt, sich auf diese eingetretene Verjährung zu berufen, da sie ihrer eigenen Mitwirkungspflicht zur
Geltendmachung der Lohnansprüche treuwidrig nicht genügt hat (§ 242 Abs. 1 BGB). Berief sie sich
dennoch auf die Verjährungseinrede, so war sie mit damit wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht zu
hören.
aa)
der vertraglichen Rücksicht auf schutzwürdige Interessen des anderen Teils erlangt wurde und die bei
redlichem Verhalten nicht zu erreichen gewesen wäre (Palandt/Heinrichs, 62. Aufl. 2003, § 242 BGB Rz. 3
und 38). Die Erhebung der Verjährungseinrede gilt danach als rechtsmissbräuchliche, unzulässige
Rechtsausübung, wenn der Schuldner den Gläubiger - und sei es auch nur unabsichtlich - durch sein
Verhalten von der rechtzeitigen, verjährungsunterbrechenden Klageerhebung abgehalten hat (BAG,
17.12.1964, AP Nr. 2 zu § 196 BGB; 28.5.1964, AP Nr. 6 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung;
LAG München, 23.9.1997, 6 Sa 237/96, n. v.). Insofern gilt bereits der Umstand als entscheidend, dass der
Schuldner den Gläubiger nicht hinreichend über die ihm zustehenden Ansprüche unterrichtet hatte (BAG,
18.3.1997, NZA 1997, 1232 [1233]; 28.5.1964, a. a. O.; LAG München, 23.9.1997, a. a. O.).
bb)
rechtsmissbräuchlich. Zwischen ihr und dem Kläger hatte sich eine vertragliche Übung dergestalt
entwickelt, dass der Kläger wöchentlich der Beklagten (bzw. ihrem Rechtsvorgänger) seine geleisteten
Arbeitsstunden anzeigte, woraufhin die Beklagte (oder ihr Rechtsvorgänger) ihm die monatlichen
Lohnabrechnungen erteilte. Tatsächlich verzögerte sich die Lohnabrechnung durch die Beklagte aber seit
dem Monat Mai 1998 bis hin zum 13.12.2001, ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gab.
Allein die teilweise verspäteten Stundenzettelvorlagen des Klägers erklärten diese langdauernde
Pflichtenmissachtung der Beklagten (bzw. ihres Rechtsvorgängers) nach Ansicht der Kammer noch nicht.
Da die Beklagte dem Kläger während des benannten Zeitraums Lohnabschläge in unregelmäßiger Höhe
und in unregelmäßigen Zeitabständen zukommen ließ, ohne dem jedoch eindeutige
Leistungsbestimmungen beizufügen, vermochte der Kläger aus eigenem Antrieb auch zu keiner Zeit die
noch ausstehenden Lohnansprüche genau zu beziffern und daraufhin sein Klagerisiko exakt zu
bemessen. Erst mit der Abrechnung vom 13.12.2001 eröffnete die Beklagte dem Kläger diese Möglichkeit,
so dass folglich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine verjährungsunterbrechende Maßnahme ergriffen
werden konnte.
cc)
Verjährungseinrede wegen Rechtsmissbrauchs verhindert sein soll. Das Bundesarbeitsgericht etwa hat in
einem Rechtsstreit zwischen einem tariflich Angestellten und seinem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber
den Rechtsmissbrauchseinwand gegenüber der Verjährungseinrede der öffentlichen Hand jedenfalls
solange für erheblich angesehen, als der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer noch in angemessener Zeit
nach der verspäteten Mitwirkungshandlung des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers die Klage erhoben
hatte (BAG, 24.11.1958, AP Nr. 42 zu § 3 TOA). Es hat dabei einen Zeitraum von 8 Wochen nach
Vornahme der geschuldeten Mitwirkungshandlung bis zur Erhebung der verjährungsunterbrechenden
Klageerhebung für angemessen erachtet.
Im vorliegenden Sachzusammenhang hält die Kammer auch einen Zeitraum von 9 1/2 Monaten zwischen
Auskunftserteilung und Klageerhebung noch für angemessen, um dem Verjährungseinwand erfolgreich
zu begegnen. Sie bezieht sich dabei auf die konkreten Umstände des Falles, insbesondere auf die enge
räumliche und persönliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien, auf die Tatsache, dass es sich um
einen Kleinbetrieb mit zuletzt zwei Mitarbeitern handelte, wie auch auf den Umstand, dass sich der Kläger
gegenüber den Lohnzahlungsrückständen über viele Monate hinweg rücksichtsvoll und kulant zeigte. Es
wäre mit dem in dieser Art herauspräparierten Betriebsklima zwischen den Beteiligten nicht vereinbar
gewesen, dem Kläger nach Treu und Glauben eine sofortige Lohnklageerhebung aufzugeben, nachdem
die Beklagte (oder deren Rechtsvorgänger) die seit Monaten ausstehende Lohnabrechnung erteilt hatte,
nur um sich gegen einen etwaigen Verjährungseinwand der Beklagten abzusichern. Vielmehr muss es
hinreichend erscheinen, dass der Kläger seine Ansprüche in überschaubarem Zeitraum der Beklagten
gegenüber zunächst mit anwaltlichem Schreiben vom 9.9.2002 und sodann mit der Klageerhebung zum
2.10.2002 geltend gemacht hat.
c)
Kläger befugt, die ausstehenden Lohnansprüche auch von der Beklagten zu verlangen.
II.
Die Klage war darüber hinaus hinsichtlich der geltend gemachten Weihnachtsgeldbeträge allerdings nur
teilweise begründet.
1.
nachdem der Rechtsvorgänger der Beklagten von 1991 an vorbehaltlos ein jährliches Weihnachtsgeld in
dreimaliger Abfolge zahlte (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa: BAG, 14.8.1996, NZA 1996, 1323 f.; 26.3.1997, NZA
1007 [1008]; 4.5.1999, NZA 1999, 1162 [1163]). Die Höhe dieses Anspruches richtete sich nach der
Summe des vorbehaltlos ausgezahlten Betrags. Da in den Jahren 1992 bis 1996 2.500,- DM (und mehr)
ausgezahlt wurden, umfasste der Weihnachtsgeldanspruch im Mindesten diese Höhe.
2.
Zahlung kraft betrieblicher Übung wieder erloschen. In der Rechtsprechung ist zwar der Tatbestand, dass
der Arbeitgeber eine zunächst vorbehaltlos gewährte Gratifikation nachträglich durch eindeutige
Erklärungen an die einzelnen Anspruchsberechtigten wieder unter Vorbehalt stellt, als eine Variante der
Aufhebung individueller Ansprüche kraft betrieblicher Übung anerkannt (BAG, 26.3.1997, NZA 1997, 1007
[1008 f.]) . Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat diese Art der Anspruchsbeschränkung jedoch unter
hohe Anforderungen gestellt und insbesondere dargelegt, dass dieser anspruchsvernichtende Tatbestand
nur dann erfüllt sein kann, wenn der Arbeitgeber jedem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber ausdrücklich
und unmissverständlich darlegt, dass er die zunächst vorbehaltlos gewährte Leistung nunmehr unter
einen Vorbehalt zu stellen gedenke. Das BAG hat demzufolge etwa einen entsprechenden
ausdrücklichen Hinweis am "schwarzen Brett" des Betriebs für nicht hinreichend erachtet, um das
Anspruchsvertrauen der Arbeitnehmer zu erschüttern (BAG, 4.5.1999, NZA 1999,1162 [1163 f.]).
Die Beklagte hat für einen derartigen Aufhebungstatbestand keinen Vortrag geboten. Insbesondere hat
sie eine ausdrückliche und unmissverständliche Erklärung an den Kläger, die bisherige
Weihnachtsgeldzahlung zukünftig unter Vorbehalt zu stellen, nicht erkennen lassen. Allein die Tatsache,
dass Weihnachtsgelder mehrfach nicht entrichtet wurden, beinhaltet keine eindeutige und
unmissverständliche Erklärung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung.
Der Weihnachtsgeldanspruch ist danach für die Jahre 1998 und 1999 jeweils in Höhe von 2.500,- DM
begründet.
3.
vorangehend ausgeführten Betriebsübergangs. Sie kann sich auch auf den Verjährungseinwand nicht
zurückziehen, da dieser aus den vorgenannten Erwägungen auch gegenüber dem Gratifikationsanspruch
nicht durchgreift. Aufgrund der erst am 13.12.2001 erteilten Abrechnung musste nämlich dem Kläger bis
zu diesem Zeitpunkt auch unklar bleiben, ob und in welcher Höhe in den erhaltenen Abschlägen
Weihnachtsgeldzahlungen enthalten waren oder nicht.
4.
zu. Die Vernehmung des Zeugen A. hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass zwischen den
Parteien Anfang Dezember 2000 eine inhaltliche Abänderung des Arbeitsvertrags vereinbart wurde, nach
der die Ansprüche des Klägers auf Weihnachtsgeld zugunsten eines erhöhten Stundenlohnes mit
sofortiger Wirkung entfielen. Der Zeuge A. hat hierzu nachvollziehbar erklärt, man habe an einem
Dezemberabend wie gewohnt nach Feierabend noch in der Wohnung der Beklagten zusammen
gesessen und unter anderem die fortlaufende Entgeltansprüche des Klägers beratschlagt. Hierbei habe
die Beklagte vorgeschlagen, den Lohn um einen Betrag von etwa 1,- EURO anzuheben und im Gegenzug
das Weihnachtsgeld nicht mehr zu zahlen, was für den Kläger beispielsweise wegen der hohen
Steuerabschläge auf das Weihnachtsgeld eine Vergünstigung ausgemacht habe. Diesem Vorschlag sei
der Kläger vorbehaltlos nachgekommen und habe sich mit ihm einverstanden erklärt.
Diese Zeugenaussage ist nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden. Der Zeuge hat einen
glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Seine Aussagen waren auch auf Nachfragen hin widerspruchsfrei
und ergaben ein offensichtlich lebensnahes Abbild von Vertragsgesprächen, wie sie in
familienbetriebenen Kleinunternehmen seit jeher gepflogen werden.
War demzufolge der Arbeitsvertrag vom Dezember 2000 an in dieser Weise abgeändert, so stand ihm
bereits für das Jahr 2000 wie auch für die Folgejahre kein Weihnachtsgeld mehr zu.
5.
Gesamtsumme von 2.556,46 EURO (ursprünglich 5.000,- DM) brutto.
III.
Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
D.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.