Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 07.07.2008

LArbG Mainz: abrechnung, fristlose kündigung, arbeitsgericht, arbeitsunfähigkeit, krankenkasse, krankheitsfall, leistungsklage, stufenklage, bezifferung, arbeitsentgelt

LAG
Mainz
07.07.2008
10 Ta 100/08
Prozesskostenhilfe - keine Erfolgsaussichten
Aktenzeichen:
10 Ta 100/08
7 Ca 235/08
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Beschluss vom 07.07.2008
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz -
Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 31. März 2008, Az.: 7 Ca 235/08, wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Verkäufer zu einem Bruttomonatsgehalt von € 1.250,00 beschäftigt. Der Antragsgegner hat das
Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.11.2007 (Bl. 35 d. A.) fristlos gekündigt. Der Zugang dieser
Kündigung, die eine Botin am gleichen Tag in den Hausbriefkasten des Antragstellers eingeworfen haben
soll, ist zwischen den Parteien streitig. Deshalb kündigte der Antragsgegner das Arbeitsverhältnis mit
Schreiben vom 14.03.2008 (Bl. 38 d. A.), dem Kläger zugegangen am 19.03.2008, mit einer
Kündigungsfrist von zwei Wochen.
Der Antragsteller hat - soweit noch von Interesse - mit Schriftsatz vom 18.02.2008, der am 28.02.2008
beim Arbeitsgericht eingegangen ist, für folgende Klageanträge Prozesskostenhilfe beantragt:
2. den Beklagten zu verurteilen, für den Kläger Lohnabrechnungen für die Monate Dezember 2007,
Januar 2008 und Februar 2008 zu erteilen und auszuhändigen,
3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 3.750,00 brutto nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
4. den Beklagten zu verurteilen, die seit 1. Oktober 2007 im Rahmen des zwischen den Parteien
bestehenden Arbeitsverhältnisses angefallenen Überstunden mit der nächsten Lohnabrechnung
abzurechnen und den sich daraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger zu zahlen,
5. das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 31.03.2008 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt
und zur Begründung ausgeführt, dem Antrag zu 2) stehe angesichts des vereinbarten Festgehaltes § 108
Abs. 2 GewO entgegen. Zum Antrag zu 3) fehle es an Tatsachenvortrag und Beweisantritten, dass und
wann der Antragsteller seine Arbeitsleistung erbracht bzw. angeboten habe. Dem Antrag zu 4) stehe der
Vorrang der Leistungsklage entgegen. Der Antragsteller müsse selbst errechnen, in welchem Umfang ihm
eine Überstundenvergütung zustehen solle. Zur schlüssigen Darlegung eines solchen Anspruchs wären
zudem die einzelnen Zeiten und der Grund für die Überschreitung der üblichen Arbeitszeit darzulegen
und unter Beweis zu stellen.
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 04.04.2008 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller mit Schriftsatz
vom 30.04.2008, der am 02.05.2008 beim Arbeitsgericht eingegangen ist,
sofortige Beschwerde
eingelegt und eine Begründung „in Kürze“ in Aussicht gestellt. Nachdem keine Begründung eingegangen
war, hat das Arbeitsgericht der Beschwerde mit Beschluss vom 14.05.2008 nicht abgeholfen und die
Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 06.06.2008 hat der Antragsteller seine Beschwerde begründet und den Antrag zu Ziffer
3 seines Klageentwurfs auf Zahlung von vier Monatsgehältern für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum
31.03.2008 wie folgt erweitert:
3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 5.000,00 brutto nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
Der Antragsteller trägt vor, der Antragsgegner habe das Arbeitsverhältnis nicht am 28.11.2007 fristlos
gekündigt. Er sei zu keinem Zeitpunkt unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen. Für sämtliche
Arbeitsunfähigkeitszeiträume habe er dem Antragsgegner - auch über den 11.01.2008 hinaus -
entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen übergeben und ihn vorab telefonisch informiert. Er
habe daher Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Hinsichtlich der Lohnabrechnungen könne
nicht auf § 108 Abs. 2 GewO abgestellt werden. Das jeweils zu zahlende Gehalt habe von Monat zu Monat
aufgrund der unterschiedlichen Überstunden variiert. Insoweit habe er täglich mindestens
1,5 Überstunden geleistet, da er seine Arbeit nie zum regulären Zeitpunkt habe beenden können.
Zwischen den Parteien sei eine Überstundenvergütung mit dem üblichen Zuschlag von 25 % pro Stunde
vereinbart worden. Ferner sei vereinbart worden, dass der Antragsgegner die Überstunden aufliste und
entsprechend abrechne. Folglich sei es ihm heute verwehrt, sich darauf zu berufen, dass er die
Überstunden selbst auflisten und im Rahmen einer Leistungsklage geltend machen müsse.
Die Krankenkasse des Antragstellers bestätigte mit Schreiben vom 28.05.2008 (Bl. 57 d. A.) folgende
Arbeitsunfähigkeitszeiten:
von 29.11.2007 bis 14.12.2007
von 19.12.2007 bis 22.12.2007
von 27.12.2007 bis 02.01.2008
von 04.01.2008 bis 11.01.2008
von 16.01.2008 bis 16.02.2008
Der Antragsgegner erwidert, da das Arbeitsverhältnis am 28.11.2007 beendet worden sei, könne der
Kläger keine Zahlungen und keine Lohnabrechnungen beanspruchen. Im Übrigen habe der Kläger keine
Überstunden geleistet. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf seinen Schriftsatz vom 26.06.2008 (Bl. 58-60
d. A.) Bezug genommen.
II.
worden (§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3, § 567 ff. ZPO).
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die
beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Auch das Beschwerdevorbringen des
Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei kann dahinstehen, ob dem Antragsteller die
fristlose Kündigung des Antragsgegners vom 28.11.2007 zugegangen ist oder nicht. Selbst wenn das
Arbeitsverhältnis über den 28.11.2007 hinaus fortbestanden haben sollte, liegen für die beabsichtigten
vier Klageanträge keine hinreichenden Erfolgsaussichten vor. Im Einzelnen:
1.) beabsichtigter Klageantrag zu 2):
Der Antrag auf Erteilung von Lohnabrechnungen für die Monate Dezember 2007 bis Februar 2008 ist als
Leistungsantrag zulässig. Der geltend gemachte Abrechnungsanspruch besteht aber nicht.
Nach § 108 GewO ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt besteht, “bei
Zahlung” eine Abrechnung zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte
Zahlung. Die Regelung dient der Transparenz. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade
den ausgezahlten Betrag erhält. Deshalb entfällt die Verpflichtung zur Abrechnung, wenn sich die
Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben (§ 108 Abs. 2
GewO). Dagegen regelt § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines
Zahlungsanspruchs. Gerade einen solchen Abrechnungsanspruch vor Zahlung macht aber der
Antragssteller geltend. Die Abrechnung ist im Zusammenhang mit der Zahlung zu erteilen und kann nicht
selbständig vor der Zahlung zur Vorbereitung eines Anspruchs gefordert werden (vgl. BAG Urteil vom
12.07.2006 - 5 AZR 646/05 - NZA 2006, 1294, m.w.N.).
2.) beabsichtigter Klageantrag zu 3):
Der Antragsteller kann gemäß § 611 BGB für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.03.2008 kein
Arbeitsentgelt in Höhe von € 5.000,00 brutto (4 x € 1.250,00) beanspruchen, weil er in dieser Zeit keine
Arbeitsleistung erbracht hat.
Der Antragsteller kann den Gesamtbetrag von € 5.000,00 brutto auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 EntgeltFG
beanspruchen. Nach dieser Vorschrift hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit
an der Arbeitsleistung verhindert ist, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit der
Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.
Der Antragsteller war bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht im Gesamtzeitraum vom 01.12.2007 bis
zum 31.03.2008 für den er Vergütung ohne Arbeit beansprucht arbeitsunfähig erkrankt. Die in der
Beschwerdeinstanz erstmals vorgelegte Bescheinigung der Krankenkasse bestätigt folgende
Arbeitsunfähigkeitszeiten: 29.11. bis 14.12.2007, 19.12. bis 22.12.2007, 27.12.2007 bis 02.01.2008 ,
04.01. bis 11.01.2008, 16.01. bis 16.02.2008. Damit wird der Klagezeitraum nicht lückenlos erfasst. Es
liegen vielmehr nicht unerhebliche unentschuldigte Fehlzeiten vor, zu denen der Antragsteller keinerlei
Erklärung abgegeben hat. Für die unentschuldigten Fehlzeiten am 15., 17., 18. und 24.12.2007, 03., 12.,
14. und 15.01.2008 sowie vom 18.02. bis zum 31.03.2008 bestehen keine Entgeltfortzahlungsansprüche
im Krankheitsfall, so dass die Zahlungsklage insoweit unbegründet ist.
Für die mehrfachen Arbeitsunfähigkeitszeiten, die die Krankenkasse in ihrer Bescheinigung bestätigt hat,
fehlt jeder Sachvortrag dazu, ob die jeweilige Arbeitsunfähigkeit auf derselben oder einer anderen
Krankheit beruhte. Nur dann könnte der Antragsteller über die zeitliche Begrenzung von sechs Wochen
(42 Kalendertage) hinaus Entgeltfortzahlung beanspruchen. Der Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs
Wochen ist erschöpft, wenn die Gesamtdauer der Arbeitsunfähigkeit 42 Kalendertage erreicht; das wäre
hier spätestens am 22.01.2008. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts im Rahmen der beantragten
Prozesskostenhilfe bei unzureichendem Sachvortrag, dem Antragsteller die beabsichtigte Klage schlüssig
zu machen.
3.) beabsichtigter Klageantrag zu 4):
Die Stufenklage auf Abrechnung von Überstunden und Zahlung des sich daraus ergebenden
Nettobetrages ist unzulässig.
Nach § 254 ZPO kann mit der Klage auf Abrechnungserteilung ein unbezifferter Zahlungsantrag
verbunden werden, wenn die Abrechnung der Bezifferung des Zahlungsantrags dient. Die begehrte
Abrechnung muss zur Erhebung eines bestimmten Antrags erforderlich sein.
Danach ist die Stufenklage im Streitfall unzulässig. Es fehlt an dem vorbereitenden Charakter des
Abrechnungsantrags. Der Antragsteller muss seine Ansprüche auf Überstundenvergütung unmittelbar
selbst errechnen. Er bedarf der Abrechnung nicht zum Zwecke der Bezifferung seiner etwaigen
Zahlungsansprüche. Es handelt sich um nach der Arbeitszeit anteilig zu bemessende und leicht zu
berechnende Ansprüche (vgl. BAG Urteil vom 12.07.2006, a.a.O.).
Der Arbeitnehmer kann nach allgemeinen Grundsätzen Auskunft über die Grundlagen seines
Vergütungsanspruchs nur verlangen, wenn er hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat. Das schließt
den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die
Zahlung konkret verfolgen zu können. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer
anschließt, hat der Arbeitnehmer zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung im
Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit
hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und
dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer
darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers
besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des
Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder
jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom
25.05.2005 - 5 AZR 319/04 - EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 1, mit zahlreichen Nachweisen).
Der Vortrag des Antragstellers genügt diesen Anforderungen nicht ansatzweise. Ihm ist abzuverlangen,
die einzelnen Tage und Tageszeiten, an denen er gearbeitet hat, darzulegen und den Umfang der seiner
Ansicht nach vergütungspflichtigen Überstunden anzugeben und unter Beweis zu stellen. Ein solcher
Vortrag ist dem Antragsteller möglich, zumal es um einen Zeitraum von lediglich acht Wochen (01.10. bis
28.11.2007) geht, in dem er eine tatsächliche Arbeitsleistung überhaupt erbracht hat.
Die Auffassung des Antragstellers, dem Arbeitgeber sei es verwehrt, von ihm zu verlangen, die
behaupteten Überstunden selbst aufzulisten und im Rahmen einer Leistungsklage geltend zu machen, ist
fehlsam. Die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten
Bestreiten hinausgehende - allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen
Partei. Es gilt vielmehr der Grundsatz, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für seinen Prozesssieg
das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt. Daher genügt einfaches
Bestreiten eines nur pauschalen, unsubstantiierten Vorbringens (vgl. BAG Urteil vom 20.11.2003 - 8 AZR
580/02 - NZA 2004, 489, m.w.N.).
4. beabsichtigter Klageantrag zu 5):
Der Antrag, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, ist überflüssig. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1
ArbGG sind Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, kraft Gesetzes
vorläufig vollstreckbar.
III.
zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2
ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.