Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 29.04.2010
LArbG Mainz: abmahnung, ordentliche kündigung, betriebsrat, abmeldung, begründung der kündigung, arbeitsgericht, programmierer, interessenabwägung, kündigungsfrist, ausschuss
LAG
Mainz
29.04.2010
10 Sa 34/10
verhaltensbedingte Kündigung - unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes
Aktenzeichen:
10 Sa 34/10
3 Ca 766/09
ArbG Mainz
Urteil vom 29.04.2010
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.11.2009, Az.: 3 Ca
766/09, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der
Beklagten vom 26.03.2009 zum 30.06.2009.
Der Kläger (geb. am 01.01.1980, verheiratet) war seit dem 26.09.2002 bei der Beklagten zuletzt als
Maschinenbediener zu einem Bruttomonatsentgelt von ca. € 2.100,00 beschäftigt. Die Beklagte stellt
technische Leuchten her. Sie beschäftigt in ihrem Werk A-Stadt ca. 330 Arbeitnehmer; es besteht ein
Betriebsrat.
Der Kläger war mit der Bedienung einer Stanznibbel- und einer Biegemaschine betraut. Beide Maschinen
sind abwechselnd mit neuem Material zu beschicken, damit sie parallel weiterproduzieren können. Es
gehörte auch zu den Aufgaben des Klägers, Sichtkontrollen der Werkstücke durchzuführen. Bei
entdeckten Fehlern ist das Werkstück mit einer bereitliegenden Prüfschablone zu prüfen, bei
Abweichungen sind die Programmierer sofort zu informieren. Der Kläger war außerdem verpflichtet,
stichprobenartig bei ca. jedem zehnten Werkstück die Schablone auch dann anzulegen, wenn er keine
Fehler erkannte. Beim Verlassen des Arbeitsplatzes, z.B. für einen Toilettengang, hatte der Kläger für
seine Ablösung durch einen anderen Arbeitnehmer zu sorgen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 13.05.2008 (Bl. 27 d. A.) eine Abmahnung. Diese hat -
auszugsweise - folgenden Wortlaut:
„Am Freitag, 09.05.2008, habe Sie um 10.00 Uhr, also außerhalb der Frühstücks- und Mittagspause, in der
alten Kantine (Presserei) unerlaubt eine zusätzliche Arbeitspause eingelegt. Sie wurden von Herrn W.
umgehend an Ihren Arbeitsplatz verwiesen, um Ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen.
Des Weiteren wurden Sie … wiederholt ausdrücklich angewiesen, beim Bedienen der Stanznibbel- und
Biegemaschine auf einen … regelmäßigen Arbeitsablauf zu achten. … Beim Bedienen beider Maschinen
ist unbedingt darauf zu achten, die Stillstandzeiten der Biegemaschine so gering wie möglich zu halten,
indem man diese bestückt, solange der Arbeitsablauf an der Stanznibbelmaschine noch nicht beendet ist.
Durch die Benutzung eines MP3-Players mit Ohrhörern während der Arbeitszeit hören Sie nicht, wenn
man Sie anspricht oder ruft. Sie nehmen Ihr Umfeld nur bedingt wahr, werden abgelenkt und wirken
unkonzentriert, Gefahrensituationen werden von Ihnen nicht rechtzeitig erkannt. Aus diesen Gründen ist
die Benutzung eines MP3-Players während der Arbeitszeit untersagt.
…
Sollte Ihr Verhalten erneut Anlass zur Beanstandung geben, sehen wir uns gezwungen, weitere
arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten. …“
Eine weitere Abmahnung erfolgte mit Schreiben vom 08.10.2008 (Bl. 28 d. A.), weil der Kläger am 16.05.,
10.07. und 30.09.2008 dreimal zu spät zur Arbeit erschienen ist.
Mit Schreiben vom 10.11.2008 (Bl. 29 d. A.) mahnte die Beklagte den Kläger erneut ab. Die Abmahnung
hat u.a. folgenden Wortlaut:
„Sie haben vom 17.10.2008 bis 24.10.2008 an der Stanznibbel- und Biegemaschine 197 Stück
Leuchtgehäuse mit der Kat.-Nr. 7573 gefertigt, ohne die vorgeschriebenen Prüfkontrollen durchzuführen,
die vorhandene Prüflehre wurde von Ihnen nicht verwendet. Die teilfertigen Gehäuse wurden weiter
bearbeitet. Bei der Endmontage wurde festgestellt, dass … sich die Bohrungen nicht korrekt an der
richtigen Stelle befanden. Durch dadurch notwendige Nacharbeiten kam es zu Lieferverzögerungen.
….“
Mit Schreiben vom 23.03.2009 (Bl. 30 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten
ordentlichen Kündigung des Klägers an. Das Schreiben hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
„Hiermit informieren wir Sie über folgende geplante ordentliche Kündigung:
C., , … geb. 01.01.1980, ledig, seit dem 26.09.2002 als Arbeiter … beschäftigt.
…
Gründe:
Herr C. hat zum wiederholten Mal, zuletzt am 11.03.2009, 11.00 Uhr, trotz vorausgegangener mündlicher
Ermahnungen, seinen Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen. Die vorgeschriebenen Sichtkontrollen der
Winkel an den Leuchtgehäusen Typ 182/258 wurden nicht durchgeführt, so dass Nacharbeiten
erforderlich waren, zuletzt aufgefallen am 12.03.2009.
Obwohl am 13.05.2008 bereits abgemahnt, benutzt Herr C. weiterhin einen MP3-Player mit Ohrhörern
während der Arbeitszeit. …
Durch Fehlverhalten bei der Maschinenbedienung werden von Herrn C. unangemessen häufig
Stillstandzeiten der Maschinen verursacht, durch mangelnde Konzentration liegt die Fehlerquote weit über
dem Durchschnitt.
Diese Minderleistungen der auszuführenden Tätigkeiten, sowie die generelle Arbeitsauffassung und das
Verhalten des Herrn C. können wir nicht weiter dulden, da auch in Zukunft hinsichtlich der bereits erfolgten
Abmahnungen nicht mit einer Änderung im Verhalten des Herrn C. zu rechnen ist.
…“
Der Betriebsrat stimmte der Kündigung mit Schreiben vom 24.03.2009 (Bl. 31 d. A.) ausdrücklich zu. Mit
Schreiben vom 15.04.2009 (Bl. 47 d. A.) teilte er mit, ihm sei bei der Beratung über die Kündigung bekannt
gewesen, dass der Kläger seit dem 11.02.2009 verheiratet ist, nachdem erstinstanzlich gerügt worden
war, die Beklagte habe ihm den falschen Familienstand mitgeteilt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.03.2009 ordentlich zum 30.06.2009.
Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 03.04.2009 beim Arbeitsgericht
eingegangenen Klage.
Mit Schreiben vom 26.05.2009 (Bl. 52 d. A.) mahnte sie den Kläger nach Ausspruch der Kündigung erneut
ab. Diese Abmahnung hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
„… am 13.05.2009 haben Sie in der Zeit von 10.30 - 10.50 Uhr, sowie am 14.05.2009 von 13.40 - 14.10
Uhr, also während der Arbeitszeit und außerhalb der Frühstücks- und Mittagspause, Ihren Arbeitsplatz
ohne Grund und ohne vorherige Abmeldung verlassen.
… Durch das Verlassen des Arbeitsplatzes wurden die von Ihnen zu bedienende Stanznibbel- und
Biegemaschine zwischenzeitlich nicht bestückt und ausgelöst, so dass es zum Stillstand beider
Maschinen kam. …
Wir weisen Sie letztmals und mit allem Nachdruck darauf hin, dass wird im Interesse der Betriebsdisziplin
… ein Verlassen des Arbeitsplatzes … nicht dulden werden. Bei entsprechendem weiterem Fehlverhalten
werden wir das Arbeitsverhältnis - gegebenenfalls auch außerordentlich - kündigen. …“
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen
Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf
die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.11.2009 (dort Seite 2-7 = Bl. 112-117
d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom
26.03.2009 nicht beendet wird,
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als
Maschinenbediener weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe am
11.03.2009 seinen Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen sowie über die Dauer seines Fernbleibens
und die Arbeitsorganisation zur kurzfristigen Ablösung an den Maschinen durch Vernehmung der Zeugen
U. (Abteilungsmeister), T. (Programmierer), S. (Programmierer) und den gegenbeweislich vom Kläger
benannten Zeugen R. (Betriebsratsvorsitzender) (vgl. Beweisbeschluss vom 27.10.2008, Bl. 88 d. A.).
Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom
24.11.2009 (Bl. 101-109 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.11.2009 dem Kündigungsschutzantrag und dem
Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die
Kündigung vom 26.03.2009 sei sozial nicht gerechtfertigt. Zwar habe der Zeuge T. den Vortrag der
Beklagten zur Abwesenheit des Klägers, deren Dauer, der fehlenden Abmeldung als auch zur
organisatorisch üblichen Ablösung bei angemeldeten Abwesenheiten bestätigt. Die Beklagte habe jedoch
konkrete betriebliche Störungen nicht zu beweisen vermocht. Der Zeuge U. habe den Vortrag der
Beklagten, es sei mangels durchgeführter Sichtkontrollen zur Produktion von Ausschuss mit einem
Schaden von € 154,00 EUR gekommen, nicht bestätigt. Der Zeuge habe sich an den Tag nicht genau
erinnern können. Der Zeuge T. habe angegeben, dass er bereits nach fünfminütiger Abwesenheit des
Klägers, dessen Arbeit an den Maschinen übernommen habe. Die Maschinen seien damit nicht
unkontrolliert weitergelaufen; es sei auch kein Ausschuss produziert worden.
Im Übrigen handele es sich beim Verlassen des Arbeitsplatzes am 11.03.2009 ohne Abmeldung nicht um
ein wiederholtes Fehlverhalten nach ausgesprochener einschlägiger Abmahnung, denn dem Kläger
könne ein Fehlverhalten am 09.05.2008 nicht vorgeworfen werden. Nach seinem unwidersprochen
gebliebenen Vortrag sei die Schilderung des Geschehensablaufs im Abmahnungsschreiben vom
13.05.2008 unzutreffend. Herr W. habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er sich in der Kantine
hinsetzen und Kaffee trinken, aber keine Zeitung lesen dürfe. Das Verbot, sich zum Kaffeetrinken in die
Kantine zu setzen, habe erst Herr Q. bei Aushändigung der Abmahnung ausgesprochen. Inwieweit die
zuvor übliche Kaffeepause bereits vor Ausspruch der Abmahnung dem Kläger gegenüber eindeutig
aufgehoben worden sei, sei von den Parteien nicht näher dargelegt worden und könne daher
dahinstehen. Die weiteren Abmahnungen beträfen Verspätungen beim Erscheinen zur Arbeit bzw.
mangelhafte Arbeitsausführung bei Durchführung von Prüfkontrollen. Sie seien für den
Kündigungsvorwurf nicht einschlägig. Insgesamt erweise sich die ausgesprochene Kündigung nach dem
Maß der Störung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung des Fehlens einer konkreten
betrieblichen Auswirkung und bei fehlender vorangegangener einschlägiger Abmahnung als
unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte dem Kläger durch Ausspruch einer Abmahnung die
Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens vor Augen führen müssen. Wegen weiterer Einzelheiten der
Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 8 bis 13 des Urteils vom 24.11.2009 (= Bl. 118-
123 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte, der das Urteil am 04.01.2010 zugestellt worden ist, hat am 21.01.2010 Berufung eingelegt
und diese mit am 03.03.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Feststellung getroffen, dem Kläger könne ein
Fehlverhalten am 09.05.2008 nicht vorgeworfen werden. Der Kläger habe sich am 09.05.2008 außerhalb
seiner Frühstücks- und Mittagspause ohne Abmeldung von seinem Arbeitsplatz entfernt und in der
Kantine eine Pause eingelegt. Der Betriebsleiter W., der den Kläger in der Kantine angetroffen habe, habe
ihn aufgefordert, unverzüglich an seinen Arbeitsplatz zu gehen. Er habe dem Kläger nicht erlaubt, sich
hinzusetzen und Kaffee zu trinken.
Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den Störungen des Arbeitsverhältnisses am 11.03.2009
seien unzutreffend. Es komme nach der Rechtsprechung nicht darauf an, ob über die Pflichtverletzung
hinaus weitere betriebliche Auswirkungen vorlägen, weil bereits das vertragswidrige Verhalten an sich
eine Störung darstelle. Konkret entstandene Vermögensschäden wirkten sich im Rahmen der
Interessenabwägung zusätzlich belastend aus. Aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stehe
fest, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Klägers eine erhebliche Schadensgefahr bestanden habe. Die
Aussage des Zeugen T. habe eindeutig ergeben, dass es unweigerlich zu Produktionsverzögerungen und
Maschinenstillstandszeiten gekommen wäre, wenn er die Abwesenheit des Klägers nicht bemerkt hätte.
Darüber hinaus sei die Beweisaufnahme fehlerhaft durchgeführt worden, weil die Frage eines möglichen
Vermögensschadens nicht Inhalt des Beweisbeschlusses gewesen sei. Die Beweisaufnahme habe
ergeben, dass der Kläger den Arbeitsplatz unerlaubt verlassen habe. Auch ihr Vortrag zur
Arbeitsorganisation und zur kurzfristigen Ablösung an Maschinen sei von den Zeugen bestätigt worden.
Dennoch habe das Arbeitsgericht der Klage - mit der hauptsächlichen Begründung, einer fehlenden
einschlägigen Abmahnung - stattgegeben, welche in der Beweisaufnahme überhaupt keine Rolle gespielt
habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom
02.03.2010 (Bl. 138-145 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitgerichts Mainz vom 24.11.2009, Az.: 3 Ca 766/09, abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht sei zu Recht vom Fehlen einer einschlägigen
Abmahnung ausgegangen. Die Abmahnung vom 13.05.2008 enthalte falsche Tatsachen. Er sei am
Vormittag des 09.05.2008 zur Kantine gegangen, um dort einen Kaffee zu trinken. Er habe sich mit einem
Becher Kaffee hingesetzt und eine Zeitung aufgeschlagen, um sie zu lesen. Herr W. habe ihn angetroffen
und aufgefordert, wieder an seinen Arbeitsplatz zu gehen. Er habe dieser Aufforderung unmittelbar Folge
geleistet. Kurze Zeit später habe ihn Herr W. an seinem Arbeitsplatz aufgesucht und ihm erklärt, dass er
sich in den Kaffeepausen - die allgemein üblich seien - zwar einen Kaffee holen und sich fünf Minuten
hinsetzen, jedoch keine Zeitung lesen dürfe.
Der Vorfall vom 11.03.2009 sei nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen. Eine negative Prognose,
es seien künftige Vertragsstörungen zu befürchten, bestehe nicht. Es sei nicht ausreichend, das die
Beklagte im Jahr 2008 drei Abmahnungen erklärt habe. Allenfalls die Abmahnung vom 13.05.2008 sei
einschlägig, diese enthalte jedoch falsche Tatsachen. Die Beklagte könne auch wegen der Sperre des
§ 102 BetrVG keine Abmahnungen in den Rechtsstreit einführen, weil sie den Betriebsrat nur über
mündliche Ermahnungen informiert habe. Sie habe dem Betriebsrat lediglich schlagwortartig mitgeteilt,
dass er am 11.03.2009 seinen Arbeitsplatz zum wiederholten Male ohne Abmeldung verlassen habe.
Zudem habe die Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt, dass vertragswidriges Verhalten zu konkreten
Störungen des Arbeitsverhältnisses führen müsse. Welche dies nun sein sollen, sei nicht näher
vorgetragen. Die Interessenabwägung gehe zu seinen Gunsten aus. Dabei sei insbesondere seine
Betriebstreue seit 2002 zu beachten. Das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls bis Mai 2008 ohne wesentliche
Beanstandungen geblieben. Hinzu komme, dass bei kurzfristigen Abwesenheitszeiten nicht immer eine
Vertretung bzw. Ablösung bereitstehe. Insoweit liege auch ein gewisses Organisationsverschulden der
Beklagten vor, das zu ihren Lasten gehe. Es habe auch keine erhebliche Gefahr eines
Vermögensschadens bestanden. Der Zeuge T. habe zwar angegeben, dass die ganze Produktion ins
Hintertreffen gerate, wenn eine Maschine zwanzig Minuten stehe. Nach Aussage des Zeugen T. sei es
jedoch nur zu einer Maschinenstillstandszeit von fünf Minuten gekommen, weil er ihn (den Kläger) an der
Maschine vertreten habe. Von einem Zufall könne insoweit wohl kaum gesprochen werden, weil der
Zeuge auch bestätigt habe, dass sein Arbeitsplatz nur durch Glas von seinem Arbeitsplatz getrennt sei. Da
die Beklagte selbst behaupte, einer der beiden Programmierer sei stets in der Nähe, bestehe jedenfalls,
wenn die Beklagte dafür Sorge trage, dass dem auch tatsächlich so ist, nicht die Gefahr, dass es zu
längeren Maschinenstillstandszeiten komme, da die Programmierer sofort Abhilfe schaffen können.
Die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört, so dass die Kündigung auch nach
§ 102 BetrVG unwirksam sei. Das Anhörungsschreiben enthalte weitgehend nur pauschale Angaben.
Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom
14.04.2010 (Bl. 189-195 d. A.) Bezug genommen.
Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie die Sitzungsniederschrift vom 29.04.2010 (Bl. 198-201 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat den Kläger nach erstinstanzlicher Verurteilung weiterbeschäftigt. Im
Weiterbeschäftigungszeitraum hat sie ihn mit Schreiben vom 22.12.2009 (Bl. 169 d. A.) und vom
23.02.2010 (Bl. 170 d. A.) erneut abgemahnt. Der Kläger bestreitet die Berechtigung dieser
Abmahnungen.
Entscheidungsgründe:
I.
§§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II.
abzuändern und die Klage abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die
verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten vom 26.03.2009 zum 30.06.2009 aufgelöst worden. Die
Beklagte ist deshalb nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.
1.
verhaltensbedingte Kündigungsgründe i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen.
1.1.
gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der
Regel schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare
Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung
der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Für eine verhaltensbedingte
Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten
Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der
Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen.
Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene
einschlägige Abmahnung voraus (st. Rspr. beispw. BAG Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 283/08 - AP Nr. 5
zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung, m.w.N.).
1.2.
überzeugt, dass der Kläger am 11.03.2009 gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verstoßen
hat, indem er seinen Arbeitsplatz als Maschinenbediener an der Stanznibbel- und Biegemaschine für
einen Zeitraum von mindestens 20 Minuten in der Arbeitszeit ohne Abmeldung verlassen hat.
Nach Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen T. hat der Kläger am 11.03.2009 seinen
Arbeitsplatz für mindestens 20 Minuten verlassen, ohne sich bei ihm, dem Zeugen S. oder dem
Arbeitskollegen P. abzumelden. Der Zeuge T. hat den Kläger während seiner Abwesenheit an den
Maschinen vertreten. Er hat unmittelbar gehandelt, nachdem er bemerkt hat, dass die Maschinen bereits
stillstanden. Dies wird vom Kläger zweitinstanzlich nicht mehr in Abrede gestellt.
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht außerdem zur Überzeugung der
Berufungskammer fest, dass sich der Kläger pflichtwidrig verhalten hat. Sowohl der Zeuge T. als auch der
Zeuge S. haben ausgesagt, dass sie am 11.03.2009 im Betrieb anwesend waren. Sie hätten den Kläger
ablösen können, wenn er sich bei ihnen abgemeldet hätte, um z.B. die Toilette aufzusuchen oder ein
Getränk zu holen. Der Kläger hätte auch Herrn P. ansprechen können. Der auf Antrag des Klägers
gegenbeweislich als Zeuge vernommene Betriebsratsvorsitzende R. hat den vom Kläger zu seiner
Rechtfertigung vorgebrachten Sachvortrag, dass nicht immer eine Ablösung bereit stehe, ausdrücklich
nicht bestätigt. Der Zeuge R. hat vielmehr bekundet, dass in der Stanzerei immer jemand anwesend sei,
bei dem sich der Kläger hätte abmelden können. Selbst wenn die Zeugen T. und S. nicht anwesend seien,
sei jedenfalls Herr P. vor Ort. Damit erweist sich das lediglich pauschale Entlastungsvorbringen des
Klägers, es sei „nicht immer“ eine Ablösung anwesend gewesen, als bloße Schutzbehauptung.
Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat den Sachvortrag der Beklagten voll bestätigt. Sie hat ergeben,
dass die Behauptung des Klägers, er habe sich am 11.03.2009 einen Kaffee geholt, nachdem er einem
Programmierer - welchem wisse er nicht mehr - Bescheid gesagt habe, nicht zutrifft. Der Kläger hat weder
den Zeugen T. noch den Zeugen S. informiert. Seine Behauptung, er habe „seinem Nachbarn“ am
Arbeitsplatz Bescheid gesagt, hat sich ebenfalls nicht bestätigt. Es trifft auch nicht zu, dass keine
kurzfristige Ablösung zur Verfügung gestanden hätte, wie der Kläger behauptet hat. Der Zeuge T. stand
vielmehr zur Verfügung, wie sein Eingreifen belegt, nachdem er den Maschinenstillstand bemerkt hat.
Auch die Behauptung des Klägers, Kaffeeholen dauere ca. 10 bis 15 Minuten, hat sich in der
erstinstanzlichen Beweisaufnahme als unrichtig herausgestellt. Der Betriebsratsvorsitzende R., den der
Kläger gegenbeweislich als Zeugen benannt hat, hat während seiner Vernehmung bekundet, er benötige
für den Weg zum Kaffeeautomaten eine Minute und zwölf Sekunden. Dies habe er getestet. Wenn man die
Zeit großzügig bemesse, reichten fünf Minuten für den Hin- und Rückweg sowie das Kaffeeholen aus.
Damit ist das gesamte Entlastungsvorbringen des Klägers in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme in
sich zusammengefallen. Aufgrund der Zeugenaussagen steht fest, dass der Kläger am 11.03.2009
außerhalb der Frühstücks- und Mittagspause seinen Arbeitsplatz für 20 Minuten verlassen hat, ohne sich
abzumelden. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar.
1.3.
Die Beklagte hat den Kläger unstreitig mit Schreiben vom 13.05.2008 u.a. abgemahnt, weil er am
09.05.2008, 10.00 Uhr, außerhalb der Frühstücks- und Mittagspause seinen Arbeitsplatz verlassen und
unerlaubt eine zusätzliche Arbeitspause eingelegt hat. Sie hat ihm arbeitsrechtliche Schritte für den Fall
angedroht, dass sein Verhalten erneut Anlass zur Beanstandung geben sollte. Durch diese Abmahnung
war der Kläger ausreichend gewarnt. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits abgemahnt oder in
anderer Weise deutlich gemacht, dass er ein bestimmtes Verhalten nicht hinnehmen werde, kann sich der
Arbeitnehmer in der Regel nicht darauf berufen, eine Kündigung sei ohne eine (weitere) Abmahnung
unverhältnismäßig. Denn aufgrund der vorausgegangenen Erklärung des Arbeitgebers kann der
Arbeitnehmer in einem solchen Fall nicht mehr darüber im Zweifel sein, dass der Arbeitgeber ein erneutes
Fehlverhalten zum Anlass für eine Kündigung nehmen wird. Diese Klarstellungsfunktion kommt unter
Umständen sogar einer unwirksamen Abmahnung zu, wenn aus ihr deutlich hervorgeht, dass der
Arbeitgeber im Wiederholungsfall kündigen wird (BAG Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 283/08 - AP Nr. 5 zu
§ 1 KSchG 1969 Abmahnung, m.w.N.).
Der Kläger konnte der Abmahnung vom 13.05.2008 entnehmen, dass die Beklagte von ihm erwartet, dass
er keine zusätzliche Pause - außerhalb der Frühstücks- und Mittagspause - einlegt. Der Kläger konnte
deutlich erkennen, was er nach Meinung der Beklagten „tun und lassen“ sollte. Er musste Konsequenzen
für den Bestand des Arbeitsverhältnisses befürchten, wenn er erneut zusätzliche Arbeitspausen einlegen
sollte.
Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, der Betriebsleiter W. habe ihm nicht verboten,
eine - allgemein übliche - zusätzliche Kaffeepause außerhalb der Frühstücks- und Mittagspause
einzulegen. Er habe ihm vielmehr kurze Zeit nach dem Vorfall in der Kantine am 09.05.2008 erklärt, dass
er sich einen Kaffee holen und „fünf Minuten“ hinsetzen, jedoch keine Zeitung lesen dürfe. Selbst wenn
diese Behauptung zutreffen sollte, musste der Kläger mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn
er seinem Arbeitsplatz nicht fünf Minuten, sondern 20 Minuten fernbleibt. Er hatte damit die aus seiner
Sicht gestattete Fünf-Minuten-Pause, um das dreifache überzogen.
1.4.
11.03.2009 als Störung des Leistungsbereichs nicht allein schon als kündigungsrelevant angesehen,
sondern zusätzlich noch das Vorliegen von Vermögensschäden durch das Produzieren von Ausschuss
oder Maschinenstillstandszeiten verlangt hat.
Ein die Kündigung rechtfertigender Grund liegt vor, wenn es um das Verhalten eines Arbeitnehmers geht,
durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird; solch eine Beeinträchtigung kann sich u.a. auf
den Leistungsbereich beziehen. Das Bundesarbeitsgericht, dem sich die Berufungskammer anschließt,
vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es sich unmittelbar als Störung des
Arbeitsverhältnisses im Leistungsbereich und als Beeinträchtigung des Verhältnisses von Leistung und
Gegenleistung (Äquivalenzstörung) auswirkt, wenn der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht im vertraglichen
Umfang nicht nachkommt. Wenn ein Arbeitnehmer - wie hier - seinen Arbeitsplatz innerhalb der bezahlten
Arbeitszeit ohne rechtfertigenden Grund für eine nicht unerhebliche Zeit verlässt, dann kommt er seiner
Arbeitspflicht im vertraglichen Umfang nicht nach. Verstößt der Arbeitnehmer gegen seine
arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Erbringung der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung, wirkt sich dies
unmittelbar als Störung des Arbeitsverhältnisses aus. Wenn es neben dieser Störung im Leistungsbereich
auch noch zu nachteiligen Auswirkungen im Betriebsablauf oder für den Betriebsfrieden kommt, ist dies
nicht für die Eignung als Kündigungsgrund erheblich, sondern wirkt sich im Rahmen der
Interessenabwägung zusätzlich zu Lasten des Arbeitnehmers aus (vgl. BAG Urteil vom 15.11.2001 -
2 AZR 609/00 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung; Urteil vom 17.01.1991 - 2 AZR 375/90 -
NZA 1991, 557; jeweils m.w.N.). Würden beim unbefugten Verlassen des Arbeitsplatzes ohne Abmeldung
Betriebsablaufstörungen ausnahmsweise nicht auftreten, wäre der Arbeitnehmer in der fraglichen Zeit
eigentlich überflüssig und sein Einsatz für den Arbeitgeber nicht von Nutzen, was regelmäßig nicht
angenommen werden kann.
Im vorliegenden Fall ist es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zu konkreten
Betriebsablaufstörungen gekommen. Diese Störungen sind auch nach außen ersichtlich geworden, denn
der Zeuge T. ist mindestens 20 Minuten für den Kläger eingesprungen und hat dessen Arbeit an den
Maschinen verrichtet. Das Fehlen des Klägers konnte nur dadurch überbrückt werden, dass der Zeuge T.
seine Arbeit für 20 Minuten liegengelassen hat, um an Stelle des Klägers die Maschinen, die bei seinem
Eingreifen unstreitig bereits stillstanden, zu bedienen. Dies ist eine Störung des Betriebsablaufs, die dem
Kläger anzulasten ist.
Es ist nicht zu Gunsten des Klägers zu werten, dass der Zeuge T. für ihn eingesprungen ist, so dass es
deshalb zu keinem längeren Maschinenstillstand oder der Produktion von Ausschuss gekommen ist. Das
unbefugte Verlassen des Arbeitsplatzes störte den Betriebsablauf offenkundig. Der Kläger hat es nur dem
Eingreifen eines anderen Arbeitnehmers zu verdanken, dass kein Schaden eingetreten ist. Dieser
Umstand vermag ihn nicht zu entlasten. Es wirft vielmehr ein bezeichnendes Licht auf die
Arbeitseinstellung des Klägers, wenn er glaubt, es würde ihm zum Vorteil gereichen, dass ein anderer
Arbeitnehmer aus Pflichtgefühl seine Arbeit 20 Minuten miterledigt hat. Die Meinung des Klägers, die
Beklagte treffe ein „gewisses Organisationsverschulden“ ist abwegig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet,
ihren Produktionsbetrieb so zu organisieren, dass ein Maschinenbediener innerhalb seiner bezahlten
Arbeitszeit, den Arbeitsplatz ohne Abmeldung 20 Minuten verlassen kann.
1.5.
mildere Maßnahme käme in Betracht, dass ihm die Beklagte einen anderen Arbeitsplatz zuweist, der aus
ihrer Sicht „besser geeignet“ sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar sind Umsetzungs- und
Versetzungsmöglichkeiten grundsätzlich auch bei verhaltensbedingten Kündigungen zu prüfen. Eine
Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz muss dem Arbeitgeber aber auch möglich und
zumutbar sein (vgl. BAG Urteil vom 06.10.2005 - 2 AZR 280/04 - NZA 2006, 431). Es kann vorliegend
dahinstehen, ob überhaupt ein anderer Arbeitsplatz frei war, wozu der Kläger nichts vorgetragen hat.
Denn bei der hier in Rede stehenden Pflichtverletzung - unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes - ist die
Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht geeignet, die Störung des Arbeitsverhältnisses zu
beenden. Wenn der Kläger einen anderen Arbeitsplatz - z.B. an der Pforte, wo er nach seiner Vorstellung
eingesetzt werden könnte - für 20 Minuten unabgemeldet und deshalb ohne Ablösung verlässt, stört dies
das Arbeitsverhältnis ebenfalls gravierend.
1.6.
Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist
das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes.
Zu Gunsten des Klägers spricht die bei Kündigungsausspruch bestehende Unterhaltspflicht gegenüber
seiner Ehefrau. Zu seinen Gunsten spricht auch seiner Betriebszugehörigkeit von 6,5 Jahren seit dem
26.09.2002. Dies ist jedoch noch keine derart lange Zeit, dass von einem generell erhöhten
Bestandsschutz ausgegangen werden muss. Der Kläger war bei Zugang der Kündigung 29 Jahre alt und
damit in einem Lebensalter, in dem es ihm gelingt, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Zu Lasten des
Klägers fällt ins Gewicht, dass das Arbeitsverhältnis nicht beanstandungsfrei verlaufen ist, wie die
insgesamt drei Abmahnungen, die die Beklagte vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung seit
Mai 2008 erteilt hat, belegen. Von diesen Abmahnungen hat sich der Kläger völlig unbeeindruckt gezeigt
und sein Verhalten nicht den berechtigten Erwartungen seiner Arbeitgeberin angepasst. Die Beklagte
musste befürchten, dass sich ein gleichgelagertes Fehlverhalten des Klägers in Zukunft wiederholt. Dass
diese Befürchtung nicht unbegründet war, zeigt auch der Umstand, dass der Kläger noch innerhalb der
Kündigungsfrist den Arbeitsplatz erneut während der Arbeitszeit ohne Grund und ohne vorherige
Abmeldung verlassen hat. Die Berechtigung der Abmahnung vom 26.05.2009 wegen unbefugten
Verlassens des Arbeitsplatzes am 13.05.2009 für 20 Minuten und am 14.05.2009 für 30 Minuten wird vom
Kläger nicht in Abrede gestellt. Obwohl dieser Umstand erst nach Ausspruch der Kündigung eingetreten
ist, kann er bei der Interessenabwägung eine Rolle spielen, weil die für die Kündigung maßgebliche
Wiederholungsgefahr durch gleichartige Pflichtverstöße bestätigt wird (so schon: BAG Urteil vom
13.10.1977 - 2 AZR 387/76 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Zu Gunsten
der Beklagten spricht auch ihr Interesse an der Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin. Die Beklagte
durfte berücksichtigen, wie es sich auf die anderen Arbeitnehmer auswirkt, wenn sie das Verhalten des
Klägers - unbefugtes Verlassen des Arbeitsplatzes in der Arbeitszeit - sanktionslos hinnimmt. Schließlich
fällt zu Lasten des Klägers ins Gewicht, dass durch sein Verhalten auch eine konkrete Störung des
Betriebsablaufs eingetreten ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 1.4. verwiesen werden.
Der Kläger hat seine Interessen über die der Beklagten und auch seiner Arbeitskollegen gesetzt. Der
Zeuge T. hat am 11.03.2009 seinem Vorgesetzten berichtet. Dies lässt darauf schließen, dass die
Arbeitskollegen nicht mehr bereit waren, für den Kläger einzuspringen und seine Arbeit mitzuerledigen,
während er seinen Arbeitsplatz unbefugt verlässt. In Ansehung all dieser Umstände war es der Beklagten
nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist
hinaus fortzusetzen.
1.7.
Abs. 2 Ziffer 2 BGB bzw. § 24 Nr. 1 b MTV Metall- und Elektroindustrie gewahrt. Sie hat sogar irrtümlich bei
einer Betriebszugehörigkeit von fünf bis acht Jahren eine Kündigungsfrist von drei Monaten angenommen
und deshalb am 26.03.2009 erst zum 30.06.2009 gekündigt.
2.
unwirksam. Der Betriebsrat ist zur Kündigung vom 26.03.2009 ordnungsgemäß angehört worden.
2.1.
mitzuteilen, d.h. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren
Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung
und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen. Der für den Arbeitgeber
maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss
hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen
in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine
Stellungnahme schlüssig zu werden. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv
determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast
des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv
kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als
ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden (st. Rspr. beispw. BAG Urteil vom
23.06.2009 - 2 AZR 474/07 - NZA 2009, 1136).
2.2.
Betriebsrates nicht feststellbar.
Das Anhörungsschreiben vom 23.03.2009 enthält alle erforderlichen personenbezogenen Daten. Die
versehentliche Angabe des Familienstandes ledig ist unerheblich, weil der Betriebsrat wusste, dass der
Kläger am 11.02.2009 geheiratet hat. Der Kündigungsgrund ist auch in ausreichender Konkretisierung
angegeben. Das Anhörungsschreiben enthält nicht nur pauschale, schlagwortartige Angaben, wie der
Kläger meint. Die Beklagte hat den Betriebsrat über den Kündigungsgrund, der sie zur Kündigung
veranlasst hat, hinreichend informiert. Sie hat ausgeführt, dass der Kläger am 11.03.2009, 11.00 Uhr,
seinen Arbeitsplatz ohne Abmeldung verlassen hat. Diese Pflichtverletzung war für ihren
Kündigungsentschluss maßgeblich. Zwar hat die Arbeitgeberin im Anhörungsschreiben nicht
unmissverständlich mitgeteilt, dass sie den Kläger in der - ausdrücklich wegen Benutzung des MP3-
Players angeführten - Abmahnung vom 13.05.2008 auch wegen einer unerlaubten zusätzlichen
Arbeitspause bereits schriftlich abgemahnt hat. Sie hat den Betriebsrat auf mehrfache mündliche
Ermahnungen hingewiesen. Dadurch konnte beim Betriebsrat, der der Kündigung zugestimmt hat, jedoch
kein falsches Bild über den Kündigungssachverhalt entstehen. Wenn die Beklagte den Kläger nicht nur
mündlich ermahnt, sondern sogar schriftlich abgemahnt hat, ändert sich am Kern des Kündigungsgrundes
- unerlaubte zusätzliche Arbeitspausen in der bezahlten Arbeitszeit - nichts. Für eine bewusste Irreführung
des Betriebsrates besteht kein Anhaltspunkt. Deshalb geht auch die Auffassung des Klägers fehl, die
Beklagte dürfe sich im Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht auf die
Abmahnung berufen.
3.
26.03.2009 keinen Bestand hat, entfällt auch eine Grundlage für den Anspruch des Klägers auf
Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
III.
Umfang unterlegen ist.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die
Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.