Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 02.02.2006
LArbG Mainz: ordentliche kündigung, gesetzliche vermutung, betriebsrat, beweis des gegenteils, werk, allein erziehende mutter, verfassungskonforme auslegung, arbeitsgericht, anhörung, grundrecht
LAG
Mainz
02.02.2006
1 Sa 676/05
Kündigung aufgrund Interessenausgleich mit Namensliste - Betriebsratsanhörung
Aktenzeichen:
1 Sa 676/05
7 Ca 2581/04
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Entscheidung vom 02.02.2006
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern
Neuwied - vom 18.04.2005 - Az: 7 Ca 2581/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom
27.10.2004.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie und beschäftigt am Standort in
Neuwied regelmäßig 300 Mitarbeiter. Der Kläger (geb. am 28.03.1977, verheiratet, ein im November 2004
geborenes Kind) ist seit dem 02.06.1998 als Maschinenbediener für die Beklagte - zuletzt zu einem
Bruttomonatsverdienst von 2.572,60 EUR - tätig.
Am 27.10.2004 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit einer Liste
der Namen von 35 zu entlassenden Arbeitnehmern, darunter auch des Klägers. Zu den Einzelheiten des
vereinbarten Interessenausgleichs nebst Anlagen wird auf Bl. 20-41 der Akte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.11.2004
und stellte den Kläger unter Verrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Erbringung der
Arbeitsleistung frei. Gegen die Kündigung vom 27.10.2004 wendet sich der Kläger mit der am 16.11.2004
beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Kündigung verstoße gegen § 1 Abs. 1 KSchG, weil die Beklagte keine dringenden betrieblichen
Erfordernisse dargelegt habe, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden. Die Beklagte könne sich
insoweit nicht auf § 1 Abs. 5 KSchG berufen, weil diese Vorschrift gegen Art. 12 GG und Art 20 Abs. 3 GG
verstoße und daher verfassungswidrig sei. Das Umstrukturierungskonzept der Beklagten sei in sich
widersprüchlich, willkürlich und praktisch undurchführbar. Die von der Beklagten durchgeführte
Sozialauswahl sei grob fehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG, weil die Beklagte zum einen den
Mitarbeiter M. aus der Sozialauswahl „herausgenommen“ habe und weil er mit den Maschinenbedienern
Mitarbeiter M. aus der Sozialauswahl „herausgenommen“ habe und weil er mit den Maschinenbedienern
verglichen worden sei, obgleich er bereits drei Jahre als Betreuer eingesetzt werde. Schließlich sei auch
eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht erfolgt.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche
Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiter zu
beschäftigen;
3. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Ansprüche des Klägers auf Erholungsurlaub sowie
sonstige Ansprüche des Klägers auf Freizeitgewährung mit der einseitig von der Beklagten angeordneten
Freistellung zu verrechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt:
Die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 5 KSchG rechtmäßig und auch der Betriebsrat sei ausweislich § 4 des
Interessenausgleichs vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug
genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Mit Urteil vom 18.04.2005 hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage abgewiesen. Bezüglich des genauen
Inhalts der Entscheidung wird auf das Urteil (Blatt 122 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 09.08.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rhein-land-Pfalz am 10.08.2005,
hat der Kläger gegen das ihm am 02.08.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige
Kammern Neuwied – AZ: 7 Ca 2581/04 – Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28.09.2005,
eingegangen beim Landesarbeitsgericht Rheinland- Pfalz am 30.09.2005, begründet.
Der Kläger trägt hierzu unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag vor:
Das Arbeitsgericht Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied - sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen,
dass die Kündigung der Beklagten rechtmäßig sei. Es habe verkannt, dass substantiiert und unter
Beweisantritt dargelegt worden sei, dass keine dringenden betrieblichen Gründe seiner
Weiterbeschäftigung entgegenstünden, da die im Interessenausgleich mitgeteilten Produktions- und
Beschäftigungszahlen keinesfalls die Entlassung von 35, sondern allenfalls von 10 Mitarbeitern bedinge.
Aus diesem Grund seien nunmehr auch Mitarbeiter im erheblichen Umfang aus dem Werk in Schönebeck
im Werk in Rheinbreitenbach eingesetzt. Zudem habe das Arbeitsgericht unzutreffenderweise § 1 Abs. 5
KSchG angewandt, obwohl diese Norm verfassungswidrig sei. Zumal er die notwendigen Informationen
nicht vom Betriebsrat erhalten habe, da dieser sich geweigert habe die sensiblen Daten über
Auftragslage, Umsatzentwicklung, und die prognostizierten Produktionszahlen herauszugeben. Im
Übrigen habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass die Beendigungskündigung unverhältnismäßig
gewesen sei, da eine Änderungskündigung zur Weiterbeschäftigung im Werk Schönebeck möglich
gewesen sei. Schließlich habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass keine ordnungsgemäße
Betriebsratsanhörung vorgelegen habe, woran auch die anders lautende schriftliche Bestätigung in Ziffer
4 des Interessenausgleichs nichts ändere.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied- vom 18.04.2005 - 7 Ca 2581/04
dahingehend abzuändern, dass
1. festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche
Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 nicht beendet wird;
2. die Beklagte verurteilt wird, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, nimmt Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz und führt
ergänzend aus:
Mitarbeiter aus dem Werk Schönebeck seien lediglich zur Schulung im Betrieb Rheinbreitenbach
gewesen, um ihre Aufgaben im neuen Werk in Schönebeck nachkommen zu können.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze
nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die
ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004, die dem Kläger am selben Tag zugegangen ist,
fristgemäß zum 30.11.2004 aufgelöst worden. Aus diesem Grund war auch der Antrag zu 2. abzuweisen.
B.
Die Berufung des Klägers hat jedoch keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Denn die Kündigung der
Beklagten vom 27.10.2004 ist weder wegen Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG noch wegen Verstoßes
gegen § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.
I.
Die für beide Unwirksamkeitsgründe zu beachtende Dreiwochenfrist der §§ 4, 7 KSchG ist vorliegend
gewahrt.
II.
Die Kündigung des gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG unter Kündigungsschutz stehenden
Arbeitsverhältnisses des Klägers war nicht sozial ungerechtfertigt.
Denn die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 war durch dringende betriebliche Erfordernisse im
Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.
Insoweit greift die Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG ein, wonach bei einer Kündigung auf Grund einer
Betriebsänderung nach § 111 BetrVG bezüglich namentlich in einem Interessenausgleich benannter
Arbeitnehmer vermutet wird, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des
Absatzes 2 bedingt ist. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit
im Sinne des § 292 ZPO (vgl. BAG v. 22.01.2004, AP Nr. 74 zu § 1 KSchG 1969), die der Kläger gemäß §
292 S. 1, 525 S. 1 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG hätte widerlegen müssen, was ihm jedoch nicht gelungen
ist.
1. Entgegen der Ansicht des Klägers begegnet § 1 Abs. 5 KSchG keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken.
a) Vorrangiger Prüfungsmaßstab ist insoweit Art. 12 Abs. 1 GG.
Dieses Grundrecht garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Der Einzelne wird in seinem Entschluss,
eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes
Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am
Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder
Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen. Dagegen ist mit der Berufswahlfreiheit weder ein
Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal
gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig gewährt Art. 12 Abs. 1 GG einen unmittelbaren Schutz
gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat allein eine
aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften Rechnung tragen
(vgl. BVerfG v. 24.4.1991, BVerfGE 84, 133, 146 f.; v. 21.2.1995 BVerfGE 92, 140, 150).
aa) Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG greift ebenso wie das gesamte KSchG nicht in bestehende
Arbeitsverhältnisse und damit nicht in eine grundrechtlich geschützte Position des Arbeitnehmers ein. Es
handelt sich vielmehr um eine das private Vertragsrecht ausgestaltende Norm, die allein am objektiven
Gehalt der Grundrechte zu messen ist. Art. 12 Abs. 1 GG kann durch sie nur verletzt sein, wenn der
Gesetzgeber damit seiner aus diesem Grundrecht abzuleitenden Pflicht zum Schutz der Arbeitnehmer vor
Arbeitgeberkündigungen nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfG v. 27.01.1998, AP zu § 23
KSchG1969 Nr. 17).
bb) § 1 Abs. 5 KSchG ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich
widerstreitender Interessen. Dies ist vorliegend auch der Fall. Zum einem steht dem nach Art. 12 Abs. 1
GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes das Interesse des
Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur eine bestimmte Zahl an Mitarbeitern zu
beschäftigen. Der Arbeitgeber übt insoweit ebenfalls regelmäßig seine Berufsfreiheit im Sinne von Art. 12
Abs. 1 GG, jedenfalls aber seine durch Art. 2 Abs. 1 geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus (vgl.
BVerfG v. 27.1.1998, AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969).
Zum anderen steht dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes auch das ebenfalls
durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitssuchenden auf Zugang zum Arbeitsmarkt (vgl.
BVerfG v. 27.4.1999, BVerfGE 100, 271, 284) gegenüber. Denn der § 1 Abs. 5 KSchG dient nach der
Gesetzesbegründung auch dazu, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem
Einstellungshemmnisse abgebaut werden (vgl. BT-Drucks. 15/1204, 8, 9 u. 11).Das Ziel,
Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, hat auf Grund des Sozialstaatsprinzips Verfassungsrang (vgl. Art.
20 Abs. 1 GG). Der Abbau von Arbeitslosigkeit ermöglicht den zuvor Arbeitslosen, das Grundrecht aus Art.
12 Abs. 1 Satz 1 GG zu verwirklichen, sich durch Arbeit in ihrer Persönlichkeit zu entfalten und darüber
Achtung und Selbstachtung zu erfahren. Insofern wird das gesetzliche Ziel auch von Art. 1 Abs. 1 und Art.
2 Abs. 1 GG getragen (vgl. BVerfG v. 27.4.1999, BVerfGE 100, 271, 284).
Der Gesetzgeber musste daher die kollidierenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen
Konkordanz in ihren Wechselwirkungen erfassen und so begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst
weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG v. 18.10.1993, BVerfGE 89, 214, 232). Dabei kommt dem
Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsfreiraum zu. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen
ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die
Vorausschau auf zukünftige Entwicklungen und die Wirkungen seiner Regelungen. Dasselbe gilt für die
Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und
die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit.
An diesem Maßstab gemessen stellt die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG einen Ausgleich der
Interessengegensätze dar, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und mit Art. 12 Abs. 1 GG
vereinbar ist.
Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG ist im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Arbeitsmarktes
eingeführt, dessen Ziel es ist, der Arbeitslosigkeit durch Stärkung der Wachstumskräfte für mehr
Beschäftigung entgegenzuwirken. Dabei sollen Korrekturen im Kündigungsschutzrecht mehr Transparenz
und Rechsicherheit schaffen, um so Hindernisse für Neueinstellungen abzubauen. Hierzu heißt es in der
Gesetzbegründung ausdrücklich, dass Änderungen dort notwendig sind, wo das geltende
Kündigungsschutzrecht schwer handhabbar ist und sich starre Regelungen als Einstellungshemmnis
erweisen (BT-Drucks. 15/1204, S. 8). Der Gesetzgeber hat als solches Hemmnis insbesondere die
Sozialauswahl bei Entlassungen größerer Zahl angesehen. Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG dient
einer größeren Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten (vgl. BT-Drucks. 15/1204, 9 u. 11).
Mit der Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG hat der Gesetzgeber seinen weiten Ge-staltungsspielraum nicht
überschritten. Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG kann als Teil eines gesamten Maßnahmenpakets zur
Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit nicht als ungeeignet angesehen werden, den bezweckten
Wachstumsimpuls zu geben. Zudem liegt ein angemessener Ausgleich der betroffenen
Grundrechtspositionen vor. Dabei fällt ins Gewicht, dass mit § 1 Abs. 5 KSchG dem Arbeitnehmer der
Kündigungsschutz nicht völlig genommen wird. Er wird nicht schutzlos gestellt. Denn zum einem setzt die
Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG eine Betriebsänderung mit Vereinbarung eines wirksamen
Interessenausgleichs nebst Namensliste voraus. Für diese Vermutungsgrundlage trägt der Arbeitgeber
die Darlegungs- und Beweislast. Auch bedingt das Erfordernis eines wirksamen Interessenausgleichs im
Sinne des § 112 BetrVG letztlich eine Kollektivierung des Kündigungsschutzes, indem die Verantwortung
auf die Betriebspartner übertragen wird.
Zum anderen handelt es sich bei § 1 Abs. 5 KSchG um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung für das
Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Diese im Einzelfall zu widerlegen mag zwar für den
Arbeitnehmer häufig schwierig sein, doch ist dies nicht unmöglich. In Betracht kommen insoweit vor allem
Fälle einer missbräuchlichen Unternehmensentscheidung oder eine singuläre Situation des
Arbeitnehmers, wie zum Beispiel die, dass das Arbeitsverhältnis eines Altersteilzeitlers im Rahmen der
Freistellungsphase gekündigt werden soll. Im letzteren Fall hat das BAG trotz Aufnahme in eine nach §
125 InsO vereinbarte Namensliste die dringenden betrieblichen Erfordernisse verneint (vgl. BAG v.
5.12.2002, NZA 2003, 789). Auch kann der Arbeitnehmer beim Betriebsrat als seinen gewählten
Interessenvertreter Erkundigungen über die Gründe einziehen, die zum Abschluss des
Interessenausgleichs geführt haben.
Zudem ist bei der Bewertung der gesetzlichen Regelung auch zu bedenken, dass der Arbeitnehmer bei
Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste regelmäßig auch eine an den wirtschaftlichen
Möglichkeiten des Arbeitgebers orientierte Sozialplanabfindung erwarten kann (vgl. LAG Berlin v.
5.11.2004, AuA 2005, 48 ff.), wie dies vorliegend auch der Fall war.
Dementsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht gegen die inhaltsgleiche, vom 1.10.1996 bis
31.12.1998 in Kraft gewesene Vorläufervorschrift vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1476) keine
verfassungsrechtlichen Bedenken angemeldet (vgl. zuletzt BAG v. 22.01.2004, AP BetrVG 1972 § 111
Namensliste Nr. 1).
Die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG genügt daher grundsätzlich den Anforderungen an eine
Einschränkung der Berufsfreiheit betroffener Arbeitnehmer.
b) Allerdings haben die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der
Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze der wertsetzenden Bedeutung des
eingeschränkten Grundrechts Rechnung zu tragen (vgl. nur BVerfG v. 8.71997, BVerfGE 96, 152, 164).
Dementsprechend dürfen der gerichtlichen Durchsetzung von Grundrechtspositionen keine praktisch
unüberwindlichen Hindernisse entgegengesetzt werden (vgl. BVerfG v. 16. 11.1993, BVerfGE 89, 276,
289 für das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 GG). Hierzu gehört insbesondere auch, dass die
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast den durch einfachrechtliche Normen bewirkten Schutz
grundrechtlicher Gewährleistungen nicht leer laufen lassen darf (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.).
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht ist die Verteilung der Darlegungs- und
Beweislast auch für die Wirksamkeit des gerichtlichen Kündigungsschutzes von besonderer Bedeutung
(BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.). Dabei verbietet es sich jedenfalls auch im Hinblick auf die aus
Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsätze einer fairen Verfahrensgestaltung, dem Arbeitnehmer
Darlegung und Nachweis solcher Umstände in vollem Umfang aufzubürden, die nicht in seiner Sphäre
liegen und deren vollständige Kenntnis bei ihm infolgedessen nicht erwartet werden kann, während der
Arbeitgeber über sie ohne weiteres verfügt (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.).
Dabei lag dieser Entscheidung allerdings die Anwendung der Generalklauseln in § 138 beziehungsweise
§ 242 BGB zugrunde. Es ging daher anders als im vorliegenden Fall darum, ein verfahrensrechtlich
abzustützendes verfassungsrechtliches Untermaß eines Kündigungsschutzes außerhalb des
Kündigungsschutzgesetzes abzustecken. Dagegen führt § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG innerhalb des
Kündigungsschutzgesetzes zu einer Kollektivierung des Kündigungsschutzes durch Verlagerung der
Verantwortung auf die Betriebspartner.
Darüber hinaus hat das BVerfG in dieser Entscheidung betont, dass sich nicht allgemein festlegen lässt,
wie unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Positionen aus Art. 12 Abs. 1 GG die Darlegungs- und
Beweislast zu verteilen ist. Speziell für den Fall der Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB entschied
das Bundesverfassungsgericht, dass eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast eine geeignete
Handhabe biete (BVerfG v. 6.10.1999, NZA 2000, 110 ff.).
Es kann daher aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden, dass eine verfassungskonforme
Auslegung des § 1 Abs. 5 KSchG eine primäre Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bedinge.
Vielmehr gebietet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie vom Arbeitsgericht Koblenz -
Auswärtige Kammern Neuwied- zutreffend dargelegt, allein eine sekundäre Darlegungslast des
Arbeitgebers. Denn der Beweislastverteilung des § 1 Abs. 5 KSchG liegt eine generalisierende
Risikozuweisung zugrunde. Während der Arbeitgeber die Beweislast für das Vorliegen einer
Betriebsänderung mit wirksamem Interessenausgleich und Namensliste trägt, soll der Arbeitnehmer die
Beweislast für das Nichtvorliegen dringend betrieblicher Erfordernisse und der groben Fehlerhaftigkeit der
Sozialauswahl tragen, um so mehr Planungs- und Rechtssicherheit zu erzielen. Allerdings entspricht es
der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die Darlegungslast des Pflichtigen, wenn es um
Geschehnisse aus dem Bereich der anderen Partei geht, durch eine sich aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO
ergebende Mitwirkungspflicht des Gegners gemindert wird. Darüber hinaus erlegt die Rechtsprechung
dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre)
Behauptungslast auf, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden
Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der
Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH v. 11. 6. 1990, NJW 1990, 3151;
BGH v. 24. 11. 1998, NJW 1999, 714 m.w.N.; BGH v. 3. 5. 2002, NJW-RR 2002, 1280 m.w.N.). Dieser
Rechtsprechung hat sich auch das BAG angeschlossen (vgl. BAG v. 20.11.2ßß3, NZA 2004, 489, 492).
Die sekundäre Darlegungslast hat bei Nichterfüllung zur Folge, dass die Behauptung des primär
Darlegungspflichtigen trotz fehlender Substantiierung als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO gilt.
Angewandt auf die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG bedeutet dies, dass wenn und soweit der
Arbeitnehmer die betriebsbedingten Gründe nicht kennt und auch nicht kennen kann, da er keinen
eigenen Einblick in die betrieblichen Gegebenheiten hat, eine sekundäre Darlegungslast des
Arbeitgebers besteht. Dabei geht die Einlassungs- und Substantiierungspflicht nicht weiter als zur
Arbeitgebers besteht. Dabei geht die Einlassungs- und Substantiierungspflicht nicht weiter als zur
Erkenntnis eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes erforderlich.
2. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG sind erfüllt.
Die Kündigung der Beklagten vom 27.10.2004 wurde aufgrund einer Betriebsänderung im Sinne des §
111 BetrVG ausgesprochen, nachdem zuvor zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat ein wirksamer
Interessenausgleich mit Namensliste der zu Kündigenden zustande gekommen war. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil gemäß §
69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
3. Es ist dem Kläger nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG für das Vorliegen
dringender betrieblicher Erfordernisse zu widerlegen
a) Die Beklagte hat einen interessen- und sozialplanpflichtigen Personalabbau dargelegt.
Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den
sogenannten unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den
entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen kann (vgl. BAG v. 17.06.1999, NZA 1999, 1098).
Die unternehmerische Entscheidung kann von den Gerichten für Arbeitssachen jedoch nicht auf ihre
sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden, sondern nur darauf, ob sie offenbar
unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG v. 17.06.1999, NZA 1999, 1098). Zudem bezieht sich
die gesetzliche Vermutung des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse aus § 1 Abs. 5 KSchG
auch auf den Wegfall des Arbeitsplatzes und auf das Nichtbestehen einer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb (vgl. BAG v. 7.05.1998, NZA 1998, 933). Daher hat der
Arbeitnehmer konkrete Anhaltspunkte darzulegen, die die Unternehmerentscheidung als offensichtlich
unsachlich oder willkürlich erscheinen lassen (vgl. so bereits zu § 1 Abs. 5 a.F. ArbG Bonn v. 5.2.1997, DB
1997, 1517, 1518). Dementsprechend obliegt es dem auf der Namensliste genannten Arbeitnehmer, die
Undurchführbarkeit der unternehmerischen Entscheidung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
b) Der Kläger erachtet die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, das Personal dauerhaft um 35
Mitarbeiter zu reduzieren, für undurchführbar, da seinen Berechnungen nach 24,62 Arbeitsplätze im
Verhältnis zur in Anlage 1 des Interessenausgleichs angeführten Auftragslage zuviel abgebaut worden
seien. Der Überbürdung der Vielzahl von Aufgaben auf die verbleibenden Arbeitnehmer stünde daher
keine adäquate Reduzierung der Produktionsstückzahlen gegenüber.
Diese Argumentation vermag jedoch die unternehmerische Entscheidung der Beklagten nicht als
undurchführbar und damit willkürlich erscheinen lassen.
aa) Denn selbst wenn die Berechnungen des Klägers im Hinblick auf die Produktionszahlen der Anlage 1
lediglich einen Abbau von insgesamt 10,38 Arbeitnehmern bedingen, so übersieht der Kläger bei seiner
Argumentation, dass ausweislich Anlage 1 des Interessenausgleichs (Bl. 27 f. d.A.) der Abbau von 35
Mitarbeitern nicht allein auf der verringerten Produktion beruht.
So beruht der Stellenabbau von 10,9 Arbeitsplätzen bezüglich der BMW-Projekte ausweislich Anlage 1
des Interessenausgleichs auf gezielten Anlagenumbauten und einer Verbesserung der Technik, die dazu
führt, dass die entsprechenden Anlagen nur noch mit einem Mitarbeiter anstelle von 1,5 Mitarbeitern
betrieben werden. Zudem soll nicht mehr auf allen Anlagen gleichzeitig produziert werden.
Darüber hinaus sollen lediglich maximal insgesamt 14 anstelle 17 Anlagen betrieben werden. Hierdurch
wird zusammen mit dem versetzten Einsatz der lediglich 14 Anlagen auch ein Wartungsrückgang
einhergehen. Zudem sollen die Schichten pro Woche im Durchschnitt von 26 auf 12 bis 13 Schichten
reduziert werden.
Mit dieser Schichtreduzierung wird sich auch das zu verladende Versandvolumen ändern. Um 50 %
reduzierte Reklamationen ermöglichen den Abbau einer Kundenbetreuerstelle.
bb) Auf die Berechnungen des Klägers hin, die lediglich einen Abbau von 10,38 Stellen belegen, hat die
Beklagte bereits in der 1. Instanz mit Schriftsatz vom 21.03.2005 (Bl. 104 ff. d. A.) ausführlich im Einzelnen
dargelegt, inwiefern sich neben den Stückzahlen die zu produzierenden Modelle geändert haben, welche
Anlagen dadurch nicht mehr in Betrieb sind, wie viele Arbeitnehmer im einzelnen aufgrund neuer
Maschinen und neuer Produktionsorganisation in welchem Projekt nur noch benötigt werden und welche
Arbeitsplätze jeweils entfallen.
Die Beklagte hat dargelegt, dass für die Produktion betreffend BMW im Drei-Schichtmodell anstatt 27
Mitarbeitern nur noch 16,05 Mitarbeiter benötigt werden. So wird das Modell E 46, das pro Schicht mit 3
Mitarbeitern produziert wurde, nur noch an zwei anstatt zuvor vier Betriebsanlagen in reduziertem Umfang
produziert, da dieses Modell ausläuft. Durch eine dabei vorgenommene veränderte Betriebsorganisation
werden zudem nur noch zwei Betreuer anstelle von dreien eingesetzt. Auch für das Modell E 65, das
weiterhin an zwei Betriebsanlagen produziert werden soll, wo bislang 3 Arbeitnehmer pro Schicht
beschäftigt waren, führt die Umorganisation und neuere Technik zu einem verminderten Bedarf von 2,35
Betreuern. Das neu hinzugekommene Modell E 90 wird lediglich an zwei Einzelanlagen hergestellt, für
die pro Schicht jeweils 1 Arbeitnehmer benötigt wird. Damit werden alles in allem pro Schicht im
Durchschnitt noch 5,35 Mitarbeiter und damit bei dem Dreischichtmodell insgesamt noch 16, 05
(aufgerundet 16,1) Mitarbeiter benötigt.
Das Mercedes Modell W 211 wurde bisher an 3 Transferanlagen produziert, an denen 6 bis 7
Arbeitnehmer kontinuierlich arbeiteten, so dass durchschnittlich pro Schicht insgesamt 23,5 Mitarbeiter
beziehungsweise bezogen auf drei Schichten insgesamt 70,5 Mitarbeiter benötigt wurden. Aufgrund der
rückläufigen Produktionszahlen, veränderter Technik und Organisation werden an einer der drei
Betriebsanlagen nur noch 5,5 an der anderen nur noch 6 und an der dritten nur noch 6,5 Mitarbeiter pro
Schicht gebraucht. Insgesamt werden insoweit bei jeweils drei Schichten nur noch 54 Mitarbeiter benötigt
und zwei weitere als Reserve eingeplant.
Ferner kommt im 4. Quartal 2005 lediglich ein zu fertigendes Modell für Honda hinzu, das jedoch allein an
einer Einzelanlage mit einem Arbeitnehmer pro Schicht gefertigt wird. Zudem läuft die Produktion für Opel
aus, in der an 5 Betriebsanlagen pro Schicht mit insgesamt 8,5 Mitarbeitern und damit bei drei Schichten
mit 25,5 Arbeitnehmern gearbeitet wurde. Ab Januar 2005 waren daher für jede Schicht nur noch 6
Mitarbeiter und einer als Reserve eingeplant, so dass insgesamt nur noch 19 Arbeitnehmer benötigt
wurden. Diese Arbeitsplätze entfallen mit dem Produktionsende Juli 2005 ebenfalls, wohingegen nur 3
neue in der Hondaproduktion entstehen, so das eine weitere Personalreserve von 16 Arbeitnehmern
besteht.
Anhand dieser Darlegungen der Beklagten erscheint es nachvollziehbar, dass insgesamt weniger
Personal vorgehalten werden muss und auch dass deutlich mehr Mitarbeiter freigesetzt werden können,
als allein die geänderten Produktionszahlen für 2005 bedingen.
Die Beklagte hat damit ihrer sekundären Darlegungslast vollumfänglich genügt. Der Kläger hätte daher
darlegen und beweisen müssen, dass die unternehmerische Entscheidung dennoch undurchführbar ist.
Denn der bei der widerleglichen Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG mögliche Beweis des Gegenteils ist
Hauptbeweis, der erst dann geführt ist, wenn das Gericht vom Vorliegen eines Sachverhalts überzeugt ist,
der das Gegenteil der Vermutung ergibt. Einen solchen Sachverhalt hat der Kläger jedoch nicht darlegt,
sondern lediglich behauptet, dass dieser Vortrag der Beklagten nicht auf konkrete Produktionszahlen
gestützt sei und daher jeglicher Grundlage entbehre. Dabei hat der Kläger jedoch übersehen, dass die
Beklagte ihren Angaben im Schriftsatz vom 21.03.2005 die in der Tabelle der Anlage 1 des
Interessenausgleichs angeführten Produktionszahlen zugrunde legt, um zu belegen, dass, ausgehend
von diesen auch vom Kläger benutzten Zahlen, der Abbau von insgesamt 35 Mitarbeitern belegt ist.
cc) Für die Richtigkeit der Prognose der Beklagten und die Durchführbarkeit ihrer unternehmerischen
Entscheidung sprach schließlich noch indiziell, dass die Beklagte sämtlichen 35 Mitarbeitern, die auf der
Namensliste angeführt sind, gekündigt hat, ohne dass der Kläger dargelegt hat, dass es zu
Ersatzeinstellungen, der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern oder Überstunden in nennenswertem
Ersatzeinstellungen, der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern oder Überstunden in nennenswertem
Umfang gekommen sei. Die bestrittene Behauptung, dass die Beklagte in erheblichem Umfang Mitarbeiter
aus ihrem neugegründeten Werk in Schönebeck nicht nur in Rheinbreitenbach angelernt, sondern auch
eingesetzt habe, um einen tatsächlichen Zusammenbruch der Produktion zu verhindern, reicht insoweit
nicht aus: Diese Behauptung ist trotz Bestreitens der Beklagten nicht substantiiert und schon gar nicht
unter Beweis gestellt worden. Der Kläger hat weder vorgetragen, wie viele Mitarbeiter aus dem Werk
Schönebeck zur Produktionsaufrechterhaltung eingesetzt werden noch in welchem Zeitraum.
4. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse sind auch nicht wegen Vorliegens einer anderweitigen
Beschäftigungsmöglichkeit im Werk Schönebeck zu verneinen.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des BAG eine Kündigung auch ohne Widerspruch des Betriebsrates
nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine
Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig in demselben oder (mittels Änderungskündigung) in einem
anderen Betrieb desselben Unternehmens zu beschäftigen (vgl. BAG v. 17.05.1984, NZA 1985, 489).
Doch bezieht sich die Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG auch auf die anderweitige
Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens (so auch
Ascheid/Preis/Kiel, 2. Aufl. 2004, § 1 KSchG, Rn. 758g). Denn § 1 Abs. 5 KSchG bezieht sich ausdrücklich
auf dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2. Die Vermutungswirkung soll daher
bereits nach seinem Wortlaut den gesamten Absatz 2 umfassen und sich nicht lediglich auf § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG beziehen. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der die Vermutung auch auf das
Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bezogen hat (vgl. BT-Drucks. 15/1204, 11).
Der Vortrag des Klägers, dass früher schon Änderungskündigungen ausgesprochen worden seien, wobei
unter anderem in einem Fall am 30.09.2004 eine Beschäftigung als Maschinenbediener zum 1.1.2005 im
Werk Schönebeck angeboten worden sei, reicht hierfür nicht aus. Ebenso unzureichend ist der
klägerische Vortrag, dass der Betriebsleiter des Werkes Schönebeck und die zuständige
Personalsachbearbeiterin in einer anderweitigen Kündigungsverhandlung am 7.9.2004 geäußert hätten,
dass im dortigen Werk auch noch die Positionen der Maschinenbediener zu besetzen seien. Denn damit
ist noch nicht belegt, dass auch noch später im Zeitpunkt des Interessenausgleiches und dem Ausspruch
der Kündigung am 27.10.2004 ein Arbeitsplatz für einen Maschinenbediener zu besetzen war. Dies wird
von der Beklagten zudem bestritten. Für letzteres hat der Kläger jedoch keinen Beweis angeboten und
schon gar nicht unter Beweisantritt vorgetragen, wie die Beschäftigung im Werk Schönebeck aussehen
soll. Auch der Hinweis des Klägers, dass die Beklagte in der Vergangenheit im Wege der
Änderungskündigung Arbeitnehmern angeboten habe, im Werk Schönebeck zu arbeiten, spricht
vorliegend dafür, dass zum Zeitpunkt des Interessenausgleichs insoweit keine freien Arbeitsplätze mehr
vorhanden waren, da weder der Kläger selbst Gründe vorgetragen hat noch Gründe ersichtlich sind,
weshalb die Beklagte von dieser Möglichkeit diesmal abgesehen haben soll.
5. Die Kündigung ist weiter nicht wegen fehlender sozialer Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG sozial
ungerechtfertigt.
Nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG war die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Eine
Sozialauswahl ist nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG grob fehlerhaft, wenn sie die in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG
aufgeführten Sozialdaten unberücksichtigt lässt oder Sozialdaten unzureichend oder übermäßig
berücksichtigt werden.
Die von der Beklagten und dem Betriebsrat im Interessenausgleich vorgenommene Sozialauswahl war
hiernach nicht grob fehlerhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 69 Abs. 2
ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil 1. Instanz verwiesen, die im
Berufungsverfahren vom Kläger auch nicht mehr angegriffen wurden.
III.
Schließlich ist die Kündigung der Beklagten auch nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG wegen
unzureichender Anhörung des Betriebsrates unwirksam.
a) Die Betriebsratsanhörung unterliegt auch bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste
nicht erleichterten Anforderungen (Ascheid/Preis/Koch, 2. Aufl. 2004, § 102 BetrVG, Rn. 20a). Aus diesem
Grund genügt auch nicht die bloße Übereinstimmung der Betriebspartner über eine ordnungsgemäße
Betriebsratsanhörung im Interessenausgleich (vgl. LAG Berlin v. 5.11.2004, AuA 2005, 48 ff.). Die
Anforderungen des § 102 BetrVG stehen nicht zur Disposition der Betriebspartner. Daher war die
Betriebsratsanhörung vorliegend nicht schon deshalb ordnungsgemäß, weil in § 4 Ziffer 1 des
Interessenausgleichs (Bl. 25 d. A.) der Betriebsrat erklärt hat, dass er ausreichend über den Grund der
Kündigungen im Sinne des § 102 BetrVG informiert worden sei.
b) Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats setzt nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG voraus, dass der
Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe der Kündigung mitteilt. Dabei sind jedoch an die Mitteilungspflicht
des Arbeitgebers nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an dessen Darlegungslast im
Kündigungsschutzprozess. Es gilt insoweit vielmehr der Grundsatz der subjektiven Determinierung, nach
dem der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus
seiner sicht tragenden Umstände umfassend unterbreitet hat (vgl. BAG v. 11.7.1991 AP BetrVG 1972 §
102 Nr. 57). Dabei müssen die Kündigungsgründe so detailliert dargelegt werden, dass sich der
Betriebsrat ohne zusätzliche Nachforschungen ein Bild über die Stichhaltigkeit machen und beurteilen
kann, ob es sinnvoll ist, Bedenken zu erheben oder Widerspruch einzulegen .
c) Wenn auch die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG beim Vorliegen eines Interessenausgleiches
mit Namensliste keinen erleichterten Anforderungen unterliegt, so ist andererseits zu berücksichtigen,
dass es nach § 102 BetrVG keiner weiteren Darlegung der Kündigungsgründe bedarf, soweit diese dem
Betriebsrat bereits bekannt sind (vgl. BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 1101 f.)
Insofern ist vorliegend zu beachten, dass die Verhandlungen über den Interessenausgleich mit
Namensliste nach § 112 BetrVG mit dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG verbunden worden sind.
Aus diesem Grund heißt es in Ziffer 4 Nr. 1 des Interessenausgleichs ausdrücklich, dass der vollständige
Entwurf des Interessenausgleichs nebst Anlagen dem Betriebsrat am 21.10.2004, 17.00 Uhr übergeben
worden ist und damit das Anhörungsverfahren hinsichtlich der beabsichtigten Kündigungen als eingeleitet
gilt. Die Zusammenfassung ist zulässig und zweckmäßig, damit der Betriebsrat mit Abschluss des
Interessenausgleichs auch zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung nehmen kann (vgl. BAG v.
20.5.1999, NZA 1999, 1101). Die dem Betriebsrat aus den Interessenausgleichsverhandlungen
bekannten Umstände muss die Beklagte daher nicht erneut vortragen
aa) Wie die Beklagte dargelegt hat, sind dem Interessenausgleich Verhandlungen vorausgegangen, in
denen sie den Betriebsrat eingehend über die Gründe für einen dauerhaften Personalüberhang von 35
Mitarbeitern informiert hat.
Für die Richtigkeit dieser Behauptung spricht auch, dass im Interessenausgleich selbst unter § 2 (Bl. 21 d.
A.) festgehalten wurde, dass dem Betriebsrat die dem dauerhaften Personalabbau zugrunde liegenden
Konzepte übergeben und erläutert wurden.
bb) Zu den Gründen für die Kündigung, die nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG dem Betriebsrat bei der
Anhörung mitzuteilen sind, zählen auch die Gründe, die nach § 102 Abs. 3 Nrn. 2 bis 5 BetrVG den
Betriebsrat zum Widerspruch berechtigen können (BAG v. 6.7.1978, BAGE 30, 370). Aufgrund der
Widerspruchsmöglichkeit nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG gehört hierzu bei einer betriebsbedingten
Kündigung regelmäßig auch die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in
einem anderen Betrieb desselben Unternehmens.
Besteht aus der Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem
anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen (§ 1 Abs. 2 S. 2 lit. 1b und lit. 2b KSchG), so genügt der
Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG in der Regel schon durch den ausdrücklichen
oder kon-kludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Auch im
Kündigungsschutzprozess ist der Arbeitgeber zu weiteren Darlegungen nur verpflichtet, wenn der
Arbeitnehmer angibt, wie er sich eine Weiterbeschäftigung vorstellt. Die Darlegungspflicht im Rahmen der
Betriebsratsanhörung geht nicht weiter als die Darlegungslast im späteren Prozess (BAG v. 17.2.2000;
NZA 2000, 761).
Vorliegend ergibt sich jedenfalls ein konkludenter Hinweis auf die fehlende
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus den Interessenausgleichverhandlungen. Denn mit Verhandlung des
Interessenausgleich nebst Namensliste ergibt sich für den Betriebsrat hinreichend deutlich, dass die
hierauf beruhende jeweilige Kündigung erfolgen soll, weil andere geeignete
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach Ansicht der Beklagten nicht bestehen.
Gibt sich der Betriebsrat mit einem konkludenten Hinweis zufrieden, so ist er ordnungsgemäß angehört
(BAG v. 17.2.2000; NZA 2000, 761). Die Betriebratsanhörung ist daher auch insoweit als ordnungsgemäß
anzusehen.
cc) Schließlich wurde der Betriebsrat auch ausreichend über die vorgenommene Sozialauswahl
unterrichtet.
Aus dem Interessenausgleich geht hierzu selbst hervor, dass die Betriebspartner gemäß § 3 Nr. 2 des
Interessenausgleichs (Bl. 22 ff. d.A.) zunächst Gruppen der miteinander vergleichbaren Arbeitnehmern
gebildet und sodann anhand eines Punktesschemas für Betriebszugehörigkeit, Lebensalter,
Familienstand, unterhaltsberechtigte Kinder und Schwerbehinderung eine Sozialauswahl vorgenommen
haben. In einem dritten Schritt haben die Betriebspartner die Ergebnisse im Einzelnen unter
Berücksichtigung der betrieblichen Situation und der jeweiligen individuellen Situation des betroffenen
Arbeitnehmers nochmals diskutiert und bestimmte Personen aus betrieblichen (teilweise auch unter
zusätzlicher Berücksichtigung persönlicher Gründe) aus der Sozialauswahl ausgenommen.
Durch die so von der Beklagten zusammen mit dem Betriebsrat vorgenommene Sozialauswahl verfügte
der Betriebsrat über die erforderlichen Vorkenntnisse für eine Anhörung nach § 102 BetrVG. Aus § 3 Nr. 2
des Interessenausgleichs geht hervor, dass die Beklagte mit dem Betriebsrat über die individuellen
Situationen der betroffenen Arbeitnehmer diskutiert hat. Aufgrund des Grundsatzes der subjektiven
Determinierung gilt auch insoweit, dass die Beklagte nur diejenigen Umstände umfassend mitteilen muss,
auf die er die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl stützen will. Individuelle
Lebensumstände, die nicht aus den Sozialdaten ersichtlich sind (z.B. pflegebedürftige Angehörige,
betriebsbedingte Kündigung des Ehegatten oder Lebensgefährten aufgrund der Sozialauswahl) kann der
Arbeitgeber dabei nur mitteilen, soweit sie ihm bekannt sind. Eine diesbezügliche Nachforschungspflicht
besteht nicht. Dieser Mitteilungspflicht ist die Beklagte nachgekommen, wie § 3 Nr. 2 des
Interessenausgleichs belegt. Auch ist vorliegend zu beachten, dass diese individuellen Umstände nicht
den entscheidenden Beweggrund für die Herausnahme aus der Sozialauswahl darstellen, sondern nur
zusätzlich herangezogen wurden und damit gerade nicht die Herausnahme maßgeblich bedingen. So
heißt es in § 3 Nr. 2 des Interessenausgleichs ausdrücklich, dass im Bereich der Maschinenbediener
folgende Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen herausgenommen wurden. Diese Gründe werden
dann auch im Einzelnen dargelegt. Darüber hinaus wird lediglich zusätzlich bei einer
Maschinenbedienerin angeführt, dass ihr Lebensgefährte und der von Ihr getrennt lebende Ehemann von
Kündigung aufgrund der Sozialauswahl betroffen sind und diese Mitarbeiterin allein erziehende Mutter
sei.
Daher hat die Beklagte auch insoweit ihrer Pflicht zur umfassenden Unterrichtung des Betriebsrates im
Rahmen des § 102 BetrVG genügt. Die Betriebsratsanhörung erfolgte ordnungsgemäß.
V.
Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom
27.10.2004 fristgemäß zum 30.11.2004 aufgelöst worden ist, war auch der Antrag zu 2. auf Verurteilung
zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen unbegründet.
Nach alledem hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO
D.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.