Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 17.02.2005

LArbG Mainz: gerüst, unerlaubte handlung, schmerzensgeld, baustelle, arbeitsgericht, leiter, wissentlich, anweisung, bad, haftungsprivileg

LAG
Mainz
17.02.2005
6 Sa 839/04
Arbeitsunfall und Schmerzensgeld
Aktenzeichen:
6 Sa 839/04
5 Ca 2094/03 KH
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Verkündet am: 17.02.2005
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach - vom 02.09.2004 - AZ: 5 Ca 2094/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, welcher bei der Beklagten zu 1) als Auszubildender für den Beruf des Malers und Lackierers
beschäftigt war, wobei das Ausbildungsverhältnis bis zum 31.07.2002 laufen sollte, hat mit seiner Klage -
Gerichtseingang 30.06.2003 - von der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) als nach Darstellung des
Klägers verantwortlicher Bauleiter Schmerzensgeld gefordert, welches er daraus ableitet, dass er am
21.05.2002 bei Arbeiten für die Beklagte zu 1) von einem nicht gesicherten Gerüst stürzte und sich dabei
unter anderem den Handwurzelknochen brach.
Der Kläger hat seine Klage damit begründet, dass die Beklagten Schmerzensgeld aus vorsätzlicher
unerlaubter Handlung heraus zahlen müssten.
Der Kläger hat mit dem Zeugen Z. Geselle bei der Beklagten zu 1), an einer Baustelle in Gau-Algesheim,
wo ein Holzgiebel gestrichen werden sollte, ein Gerüst erstellt und dieses nicht abgesichert. Die
Sicherung ist deshalb unterblieben, weil die Abstände der Befestigungslöcher mit dem Gerüst nicht in
Übereinstimmung zu bringen waren und man keine neuen Löcher in die Wand habe bohren können, weil
der Zeuge Z. die Bohrmaschine im Betrieb vergessen habe.
Der Beklagte zu 2) ist zwischen 11:00 Uhr und 12:00 Uhr auf der Baustelle erschienen, wobei streitig ist,
welche Anweisungen von ihm erteilt wurden. Am frühen Nachmittag stürzte der Kläger, als er auf dem
Gerüst arbeitete, ab und zog sich u. a. einen Bruch des Handwurzelknochens zu. Der ebenfalls auf dem
Gerüst arbeitende Zeuge Z. ist unverletzt geblieben.
Durch den Unfall ist das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers um ein halbes Jahr verlängert worden,
wobei der Kläger seine Ausbildung bei der Beklagten zu 1) nicht mehr aufgenommen und sich auch nicht
einer ärztlich gewünschten Belastungserprobung am 07.10.2002 unterzogen hat.
Mit Teilurteil vom 18.12.2003 ist die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden, wobei die
hiergegen gerichtete Berufung des Klägers durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz
vom 06.05.2004 (AZ: 6 Sa 53/04) kostenpflichtig zurückgewiesen worden ist.
Der Kläger hat die Klage gegen den Beklagten zu 2) im Wesentlichen damit begründet,
dass der Schmerzensgeldanspruch sich aus einer vorsätzlichen und unerlaubten Handlung des
Beklagten zu 2) deshalb ergebe, weil er auf der Baustelle erschienen und den Zeugen Z. aufgefordert
habe, ohne Sicherung des Gerüstes mit den Arbeiten zu beginnen, damit diese bald fertig gestellt werden
könnten. Die Anordnung, ohne Sicherung zu arbeiten, stelle eine vorsätzliche Verletzung bestehender
Unfallverhütungsvorschriften dar, die den Beklagen zu 2) zum Schadenersatz verpflichte.
Die erlittene Verletzung und der damit einhergehende Dauerschaden rechtfertigten ein Schmerzensgeld
von 30.000,-- € zumal der Schadensumfang nicht absehbar sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gesetztes
Schmerzensgeld, mindestens jedoch 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab 16.07.2003 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet sind, ihm sämtlichen aus dem Unfallereignis vom
21.05.2002 entstandenen und künftig entstehenden Schaden materieller und immaterieller Art in voller
Höhe zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen seien und soweit sie nicht bereits
Gegenstand des Klageantrages zu Ziffer 1. seien.
Der Beklagte zu 2) hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat seinen Antrag im Wesentlichen damit begründet,
dass er keine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen habe, weswegen Schmerzensgeldansprüche
des Klägers ausgeschlossen seien, § 105 Abs. 1 SGB VII.
Er habe keine Anweisung gegeben, ohne Sicherung auf dem Gerüst zu arbeiten, zumal er bei Aufbruch
des Klägers und des Zeugen Z. diesen gesagt habe, dass sie das aufzustellende Gerüst absichern
sollten. Als er gegen 12:00 Uhr auf der Baustelle erschienen sei, seien die Arbeiten bereits zu 2/3 beendet
gewesen, wobei er beanstandet habe, dass das Gerüst nur unter dem Dach festgeklemmt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 2) durch das Urteil vom 02.09.2004 als
unbegründet deshalb abgewiesen, weil der Beklagte zu 2) den Unfall des Klägers nicht vorsätzlich
herbeigeführt hat. Der Haftungsausschluss, der auch für den Beklagten zu 2) als verantwortlicher Bauleiter
der Beklagten zu 1) gelte, entfalle nur, wenn der Vorsatz des Schädigers, hier des Beklagten zu 2) die
Verletzungshandlung als auch den Verletzungserfolg umfasse. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe
ergeben, dass der Beklagte zu 2) den Versicherungsfall gerade nicht vorsätzlich herbeigeführt habe, weil
der Zeuge Z. nicht bestätigt hat, dass der Beklagte zu 2) die Anweisung gegeben habe, das Gerüst nicht
abzusichern. Der Beklagte zu 2) hat bei seinem Besuch auf der Baustelle zwar bemerkt, dass das Gerüst
nicht ordnungsgemäß an der Fassade festgeschraubt war, sondern durch Streben abgestützt und durch
Festquetschen des Gerüstes auf einer Seite des Gesimses abgesichert worden war. Wenn der Beklagte
zu 2) als auch der Zeuge Z. darauf vertraut hatten, dass durch die Stützen und das Festquetschen unter
dem Gesims das Gerüst hinreichend gesichert sei, sei zwar ein Verstoß gegen die
Unfallverhütungsvorschriften festzustellen, jedoch keine vorsätzliche Herbeiführung des konkret
eingetretenen Schadens beim Kläger, so dass ein Schmerzensgeldanspruch ausscheide.
Nach Zustellung des Urteils am 13.09.2004 ist am 13.10.2004 Berufung eingelegt und am 15.11.2004 im
Wesentlichen damit begründet worden,
der Beklagte zu 2) als Bauleiter die Sicherheitsbestimmungen kannte und er dennoch zuließ, dass der
Kläger auf dem aufgestellten Gerüst mit einer Standhöhe von mehr als 5 Metern mit der mangelhaften
Sicherung arbeitete.
Der Unfall des Klägers sei auf die Anordnung des Beklagten zu 2) zurückzuführen, auf dem Gerüst ohne
weitere Sicherung weiter zu arbeiten, so dass die Verletzung auf vorsätzlichem Verhalten des Bauleiters
beruhten und er damit zu Schadensersatz verpflichtet sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.09.2004 entsprechend den
erstinstanzlichen Schlussanträgen des Klägers zu entscheiden.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
die Berufung des Klägers kostenpflichtig abzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit,
dass das Arbeitsgericht zu Recht zum Ergebnis gekommen sei, dass der Beklagte zu 2) den Unfall des
Klägers nicht vorsätzlich herbeigeführt habe. Alle drei Beteiligten seien davon ausgegangen, dass das
nicht ordnungsgemäß abgesicherte Gerüst während der durchzuführenden Malerarbeiten standhalten
würde. Erst als der Kläger auf das Gerüst eine Leiter aufgestellt hatte, die er gegen die Hauswand
anlehnte, habe der entstehende Druck das Gerüst umstürzen lassen. Der Beklagte zu 2) habe nicht
vorhersehen können, dass der Kläger auf das Gerüst eine Leiter stellen und auf diese steigen werde, so
dass er das Haftungsprivileg für sich in Anspruch nehmen könne.
Der Beklagte zu 2) habe jedenfalls nicht willentlich und wissentlich die Verletzung des Klägers gewollt,
was jedoch eine Voraussetzung für eine Schadenersatzforderung i. S. von Schmerzensgeld sei.
Dass der Beklagte zu 2) die Unfallverhütungsvorschriften verstoßen habe, begründe für sich allein einen
Schadenersatzanspruch des Klägers nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Schriftsätze,
die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind
ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 150-153 d. A.).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (der 15. November 2004 ist ein Montag) eingelegte Berufung des Klägers ist
deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht die Klage gegen den Beklagten zu 2) auf
Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden zurückgewiesen hat.
Nach durchgeführter Beweisaufnahme, wobei sich die Berufungskammer der Würdigung des
Arbeitsgerichtes anschließt, hat der Beklagte zu 2) als Bauleiter zumindest nicht vorsätzlich den
Versicherungsfall, die eingetretene Verletzung des Klägers, herbeigeführt, als er es duldete, dass die
beiden von ihm auf die Baustelle in Gau-Algesheim entsendeten Arbeitnehmer auf einem Gerüst
Malerarbeiten verrichteten, das nicht ordnungsgemäß gegen Einsturz abgesichert gewesen ist.
Das Arbeitsgericht weist unter Hinweis auf den Wortlaut des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII daraufhin, dass
unabdingbare Voraussetzungen für eine Haftung die Tatsache ist, dass der Versicherungsfall vorsätzlich
herbeigeführt worden ist, dass also der Beklagte zu 2) mit Wissen und Wollen nicht nur die
Voraussetzungen die Gefahrenquelle eröffnet hat, die zu einem Unfall führen können, sondern auch
willentlich und wissentlich die Verletzung des Klägers herbeigeführt hat. Davon kann in dem vorliegenden
Falle nicht die Rede sein, was das Arbeitsgericht richtig darstellt, so dass die Berufung des Klägers gegen
das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mainz mit der Folge der Kostentragungslast zurückzuweisen ist, §§
64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO.
Angesichts der gesetzlichen Vorgaben in § 72 Abs. 2 ArbGG ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht
nicht zugelassen.
Der Kläger wird auf die Möglichkeit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen, § 72 a
ArbGG.