Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.10.2010

LArbG Mainz: berufliche tätigkeit, anerkennung, realschule, arbeitsgericht, tarifvertrag, berufserfahrung, quelle, feststellungsklage, form, datum

LAG
Mainz
20.10.2010
8 Sa 416/10
Stufenzuordnung nach TV-L
Aktenzeichen:
8 Sa 416/10
6 Ca 59/10
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Entscheidung vom 20.10.2010
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern
Landau - vom 15.6.2010, Az.: 6 Ca 59/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst der Länder (TV-L).
Die Klägerin ist seit August 2007 bei dem beklagten Land als Lehrkraft im Schuldienst beschäftigt.
Aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit finden auf das Arbeitsverhältnis die Vorschriften des
TV-L Anwendung.
Nachdem seitens des beklagten Landes zunächst beabsichtigt war, die Klägerin in Entgeltgruppe E 13,
Stufe 1 TV-L einzugruppieren, beantragte die Klägerin, ihre vorherige Berufstätigkeit im Rahmen des § 16
Abs. 2 Satz 4 TV-L anzuerkennen. Mit Schreiben vom 15.10.2007 teilte das beklagte Land der Klägerin
mit, dass man die Zeit von März 1989 bis Februar 1994 als Lehrkraft an der Inlingua-Schule W,
Eisenbahnfachschule W und Volkshochschule W, die Zeit vom 13.10. bis 19.10.2004 als Lehrkraft an der
Realschule V sowie die Zeit vom 08.04. bis 04.05.2004 als Lehrkraft an der Realschule V als "förderliche
Zeiten" anerkenne und daher eine Zuordnung in die Entgeltstufe 3 erfolge.
Mit Schreiben vom 13.11.2009 hat die Klägerin gegenüber dem beklagten Land erfolglos eine Einstufung
in die Entgeltstufe 4 geltend gemacht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, mit der Anerkennung von 5 Jahren als
"förderliche Zeiten" habe das beklagte Land zugleich anerkannt, dass sie - die Klägerin - auch bereits 2
Jahre in der Entgeltstufe 3 absolviert habe. Sie sei daher spätestens seit dem 01.09.2008 in die
Entgeltstufe 4 einzustufen.
Die Klägerin hat beantragt,
sie seit dem 01.06.2009 in die Entgeltgruppe 13, Stufe 4, einzugruppieren und zu bezahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Klägerin werde erst mit Ablauf des
19.08.2010 die Entgeltstufe 4 erreichen, da sie erst dann die erforderliche Zeit von 3 Jahren in der
Entgeltstufe 3 absolviert habe.
Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 15.06.2010 (Bl. 28 f d.A.)
Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.06.2010 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen
Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 f. (= Bl. 30 f d.A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 08.07.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 09.08.2010, Berufung
eingelegt und diese am 01.09.2010 begründet.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, mit der Anerkennung von mehr als 5 Jahren als "förderliche
Zeiten" habe das beklagte Land selbst festgelegt, in welchem zeitlichen Umfang es ihre vorherige
Tätigkeit als im Beruf verbrachte Zeiten für die Einstufung anerkenne und damit zugleich zum Ausdruck
gebracht, dass sie - die Klägerin - so gestellt werden solle, als hätte sie schon 5 Jahre im Beruf verbracht
und damit zugleich auch bereits zwei Jahre der Entgeltstufe 3 absolviert.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren
Berufungsbegründungsschrift vom 01.09.2010 (Bl. 44 f d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil zu ändern und festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, sie für
die Zeit vom 01.09.2008 bis 30.08.2010 nach Entgeltgruppe 13, Stufe 4 TV-L zu vergüten.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner
Berufungserwiderungsschrift vom 04.10.2010 (Bl. 67 f d.A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit
insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage
vielmehr zu Recht abgewiesen.
Die zulässige Feststellungsklage ist nicht begründet. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, die Klägerin
(rückwirkend) bereits ab dem 01.09.2008 nach Entgeltgruppe 13, Stufe 4 TV-L zu vergüten. Die Klägerin
war vielmehr zutreffend über den 01.09.2008 hinaus in die Entgeltstufe 3 TV-L eingestuft.
Nach § 16 Abs. 3 TV-L ist ein Arbeitnehmer erst dann der Stufe 4 zuzuordnen, wenn er eine dreijährige
ununterbrochene Tätigkeit in der Stufe 3 innerhalb der selben Entgeltgruppe bei seinem Arbeitgeber
(Stufenlaufzeit) absolviert hat. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass das beklagte Land der Klägerin bei deren Einstellung nach
§ 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L eine vorherige berufliche Tätigkeit im Umfang von etwas mehr als 5 Jahren für die
Stufenzuordnung als förderlich anerkannt hat.
Nach § 16 Abs. 2 TV-L werden die Beschäftigten bei ihrer Einstellung der Stufe 1 zugeordnet, sofern sie
nicht über einschlägige Berufserfahrungen bei dem selben Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L),
einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L) verfügen oder der
Arbeitgeber
- wie vorliegend - Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit als förderlich" bei der Stufenzuordnung
berücksichtigt (§ 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L).
Das beklagte Land hat bei der Einstellung der Klägerin Zeiten ihrer vorherigen beruflichen Tätigkeit im
Umfang von mehr als 5 Jahren berücksichtigt mit der Folge, dass die für eine Einstufung in Stufe 3
erforderlichen Stufenlaufzeiten von einem Jahr in Stufe 2 und von 2 Jahren in Stufe 2 als absolviert gelten
und die Klägerin somit von Beginn an der Stufe 3 zugeordnet werden konnte. Dies führt allerdings -
entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht dazu, dass damit die über die für eine Einstufung in Stufe 3
erforderlichen vorherigen Stufenlaufzeiten von insgesamt 3 Jahren hinaus gehenden als förderlich
anerkannten Zeiten nach § 16 Abs. 3 TV-L als bereits in der Stufe 3 absolvierte Stufenlaufzeit zu
berücksichtigen sind. Vielmehr bleiben diese "Restzeiten" (die Differenz zwischen den für die
Ersteinstufung berücksichtigten Beschäftigungszeiten und den Stufenlaufzeiten nach § 16 Abs. 3 TV-L)
diesbezüglich unberücksichtigt. Die Anerkennung von Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit als
"förderlich" i.S.v. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L bezieht sich insoweit regelmäßig nur auf die bei der Einstellung
des Beschäftigten vorzunehmende Ersteinstufung.
§ 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L ist dem Wortlaut nach ("kann") als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Ob und in
welchem Umfang eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten überhaupt vorgenommen werden soll,
hängt daher von einer Ermessensentscheidung des Arbeitgebers ab. Einen einklagbaren Rechtsanspruch
auf die Anrechnung förderlicher Zeiten hat der Beschäftigte nicht (vgl. Felix, in: Beck'scher Online-
Kommentar, § 16 TV-L, Rz. 23 k). Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat der Arbeitgeber auch
die Möglichkeit, die Differenz zwischen den berücksichtigten Beschäftigungszeiten und den Stufenzeiten
nach § 16 Abs. 3 TV-L (sog. Restzeiten) ebenfalls im Hinblick auf spätere Höherstufungen zu
berücksichtigen oder sich demgegenüber dafür zu entscheiden, die maßgebliche Stufenlaufzeit zu
verlängern, indem die Laufzeit der zuerkannten Stufe ganz oder teilweise um die Laufzeit der
übersprungenen Stufen verlängert wird. Macht der Arbeitgeber von diesen Möglichkeiten keinen
Gebrauch, so beginnt die dreijährige Stufenlaufzeit bis zum Erreichen der Stufe 4 mit dem Tag der
Einstellung (vgl. Felix, a.a.O., Rz. 23 m).
Im Streitfall hat das beklagte Land keine Entscheidung dahingehend getroffen, Zeiten der vorherigen
beruflichen Tätigkeit der Klägerin nicht nur bei der Ersteinstufung, sondern darüber hinaus auch bezüglich
einer weiteren Stufenlaufzeit zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen bzw. anzuerkennen. Der interne
Vermerk des beklagten Landes vom 15.10.2007 (Bl. 13 f d.A.) enthält ausdrücklich den Hinweis, dass kein
Anspruch auf Berücksichtigung der "Restzeit" von ca. 2 Jahren besteht. Auch das Schreiben des
beklagten Landes an die Klägerin vom 15.10.2007 (Bl. 3 d.A.) enthält keine Erklärung, nach deren Inhalt
diese Zeiten auch bezüglich der weiteren, für das Erreichen der Stufe 4 erforderlichen Stufenlaufzeit
Berücksichtigung finden sollen. Vielmehr hat das beklagte Land in dem betreffenden Schreiben lediglich
zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund der Anerkennung von "förderlichen" Zeiten eine Ersteinstufung in
die Stufe 3 erfolgt. Der Wille, darüber hinaus zu Gunsten der Klägerin die verbliebene "Restzeit" bei
weiteren Stufenlaufzeiten zu berücksichtigen, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Insoweit fehlt es
an jeglichen Anhaltspunkten.
Die für das Erreichen der Entgeltstufe 4 nach § 16 Abs. 3 erforderliche Stufenlaufzeit von 3 Jahren in Stufe
3 begann somit erst bei Einstellung der Klägerin (August 2007) und endete im August 2010.
Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge
zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien
keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde
anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.