Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 14.07.2005

LArbG Mainz: gemeinnützige arbeit, unternehmen, satzung, geschäftsführer, stadt, arbeitsgericht, kündigungsschutz, einheit, gebäude, verein

LAG
Mainz
14.07.2005
4 Sa 239/05
Bertriebsgröße
Aktenzeichen:
4 Sa 239/05
2 Ca 1660/04
ArbG Trier
Entscheidung vom 14.07.2005
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 01.02.2005 - 2 Ca 1660/04 -
wird auf seine Kosten verwiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer vom Beklagten gegenüber dem Kläger
ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Seit 01.11.2003 war der Kläger als Hausmeister und
Lagerarbeiter zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.658,10 € beschäftigt. Der Beklagte kündigte mit
Schreiben vom 29.10.2004 das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum
31.10.2004. Der Kläger vertritt die Auffassung, das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung und hat
vorgetragen, die A. in A-Stadt bestehe aus einem Möbellager und einem Betreuungsverein. Im Möbellager
seien außer ihm selbst die Zeugen S. und Z. als Vollbeschäftigte und der Zeuge R. als
Zivildienstleistender tätig. Im Betreuungsverein seien vier Vollzeitkräfte beschäftigt, weiter sei eine
Bürokraft und eine Putzfrau jeweils halbtags sowie der Geschäftsführer angestellt. Da zwischen
Möbellager und dem Betreuungsverein nicht differenziert werde, seien hier alle Arbeitnehmer zu
berücksichtigen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.09.2004
nicht zum 31.10.2004 beendet wurde, sondern über diesen Zeitraum hinaus fortbesteht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, den Kläger zu 100 % zu beschäftigen, die Zeugen Ra. und Se. zu je 50 % sowie den
Geschäftsführer und die Zeugin K. geringfügig. Mit den Zeugen Z. und S. bestehe kein Arbeitsverhältnis.
Ersterer stehe unter gesetzlicher Betreuung und beziehe Sozialhilfe, der Zeuge S. verrichte
gemeinnützige Arbeit nach § 19 BSHG. Der Zeuge R. sei zum 30.11.2004 aus dem Zivildienst entlassen
worden. Der Betreuungsverein T. e.V. sei ein rechtlich selbständiger eingetragener Verein. Bis
31.10.2004 habe der Beklagte im Rahmen von §§ 18 ff. BSHG Hilfe zu den Lohnkosten in Höhe von 90 %
erhalten. Für den Kläger sei auch keine Ersatzkraft eingestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 01.02.2005 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass Kündigungsschutzgesetz fände
keine Anwendung. Der Zivildienstleistende sei nicht Arbeitnehmer. Selbst unter Berücksichtigung der
weiteren vom Kläger genannten Personen ergäbe sich eine Beschäftigtenzahl von fünf, mithin nicht die
notwendige Betriebsgröße von mehr als fünf Arbeitnehmern nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die Zeugen
Z. und S. stünden nicht in einem Arbeitsverhältnis, so dass rechnerisch lediglich drei Arbeitnehmer
verblieben. Die Beschäftigten des Betreuungsvereins seien nicht zu berücksichtigen. Sie trügen zwar
beide das Wort "A." in ihrem Namen, es handele sich jedoch um rechtlich selbstständig eingetragene
Vereine.
Gegen das dem Kläger am 22.02.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.03.2005 eingelegte
Berufung. Der Kläger hat seine Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis einschließlich
23.05.2005 verlängert worden war, mit am 11.05.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger
vertritt die Auffassung, bei dem Beklagten und dem Betreuungsverein handele es sich um einen
einheitlichen Betrieb. Mehrere Unternehmen seien so eng miteinander verbunden, dass sie einen
gemeinsamen einheitlichen Betrieb führten. Bei dem Betreuungsverein sowie bei dem Beklagten müsse
von einem einheitlichen Betrieb ausgegangen werden. Betreuungsverein und der Beklagte seien in
einem Gebäude untergebracht. Die Bürokraft Ra. sei sowohl für Bürotätigkeiten des Möbellagers auch als
für die des Betreuungsvereins zuständig. Die Beschäftigten des Betreuungsvereins hätten die
Arbeitsverträge nach Kenntnis des Klägers mit dem Beklagten selbst abgeschlossen.
Eine unmittelbare Verknüpfung ergäbe sich auch aus der Satzung des Betreuungsvereins, wonach die
Wahl des Vorsitzenden und der beiden Stellvertreter zu ihrer Gültigkeit der Bestätigung durch den
geschäftsführenden Vorstand des Kreisverbandes bedurfte. Aufsicht über den Verein führe der Beklagte
nach Richtlinien und seinem Ordnungsverfahren. Der Beklagte sei mithin unmittelbar in den
Geschäftsbetrieb des Betreuungsvereins eingebunden. Der Betreuungsverein müsse von daher als
Bestandteil des Betriebes des Beklagten in rechtlicher Hinsicht gesehen werden. Das Möbellager des
Beklagten, welches mittlerweile aufgelöst wurde, dürfte nicht gleichbedeutend sein mit dem
Gesamttätigkeitsbereich des Beklagten. Dieser Kreisverband bestehe nicht nur aus den Mitarbeitern des
Möbellagers A-Stadt.
Der Kläger beantragt,
von der Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 01.02.2005 wird festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.09.2004 nicht zum 31.10.2004
beendet wurde, sondern über diesen Zeitraum hinaushinweg besteht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine einheitliche Organisationsform, welche die Bildung eines
gemeinschaftlichen Betriebs mehrerer Unternehmen rechtfertigen würde, läge nicht vor. Die einheitliche
Leitung beziehe sich nicht auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in personellen und
sozialen Angelegenheiten. Beide Vereine hätten eigene Organe und Geschäftsführer, eine gemeinsame
Führungsvereinbarung sei nicht getroffen. Unzutreffend sei auch, dass Beschäftigte des
Betreuungsvereins mit dem Beklagten Verträge geschlossen hätten. Die entsprechende Behauptung des
Klägers sei vollkommen aus der Luft gegriffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird
verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 14.07.2005.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch
keinen Erfolg.
II.
Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht Trier mangels
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und da sonstige Unwirksamkeitsgründe der Kündigung
nicht ersichtlich sind, die Klage des Klägers auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die
streitbefangene Kündigung beendet wurde, abgewiesen.
Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung
von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die Berufungskammer nimmt
daher Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung vertritt, der Beklagte und der Betreuungsverein
führten einen gemeinschaftlichen Betrieb durch mehrere Unternehmen, vermag auch diese
Rechtsbehauptung seinem Begehr nicht zum Erfolg führen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, sind bei der
Berechnung der für die Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes
notwendigen Arbeitnehmerzahl die von anderen Arbeitgebern (Unternehmen) beschäftigten Arbeitnehmer
grundsätzlich nicht mit zu berücksichtigen. Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ist
nicht unternehmens- das heißt arbeitgeberübergreifend ausgestaltet. Ein ausnahmsweise
arbeitgeberübergreifender Kündigungsschutz ist davon abhängig, dass sich zwei oder mehrere
Unternehmen zur gemeinsamen Führung eines Betriebs - zumindest konkludent - rechtlich verbunden
haben, sodass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von der selben
institutionellen Leitung rechtlich abgesichert ausgeübt wird. Das trifft nicht schon dann zu, wenn die
Unternehmen z.B. auf Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch
zusammenarbeiten. Vielmehr muss die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben
gerichtet sein, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden
arbeitsrechtlichen Zwecke erfüllen zu können (vgl. BAG AP-Nr. 9 zu § 23 KSchG 1969). Arbeitgeber des
Klägers ist der Beklagte. Mit ihm ist der Arbeitsvertrag abgeschlossen worden. Die organisatorischen
Verflechtungen des Beklagten mit der Gesamtorganisation Arbeiterwohlfahrt und mit anderen
Ortsverbänden rechtfertigt es nicht, die dort beschäftigten Arbeitnehmer den beim Beklagten beschäftigten
hinzuzurechnen.
Offensichtlich verfolgt der Kläger auch nur die Auffassung, dass der Betreuungsverein, der im gleichen
Gebäude untergebracht ist, mit dem Beklagten einen einheitlichen Betrieb bildet. Hierzu beruft er sich
erfolglos auf die Satzung. Zwar kontrolliert der Beklagte die Ortsvereine in Fragen der Organisation, der
Finanzierung und der inhaltlichen Arbeit, was sich aus dem vom Kläger zitierten Satzungsbestimmungen
ergibt. Die Satzung des Gesamtvereins und die Satzung des Betreuungsvereins sichern diese Kontrolle
rechtlich ab. Sie formen und institutionalisieren so den inneren Zusammenhalt des Gesamtvereins und
seiner Mitglieder im Hinblick auf die Umsetzung konkreten Handelns.
Zur Bildung eines einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsapparates führt dies jedoch nicht. Die
Satzungen des Beklagten und des Betreuungsvereins weisen den Beklagten keine Personalkompetenz
zu. Somit ist aufgrund der Satzung nicht festzustellen, dass die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung
für die Aufgaben gerichtet ist, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit zu
verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können. Damit sind Mitarbeiter des
Betreuungsvereins nicht zur Ermittlung der Betriebsgröße heranzuziehen.
Die Behauptung des Klägers, nach seiner Kenntnis hätten Mitarbeiter des Betreuungsvereins die
Arbeitsverträge mit den Beklagten selbst abgeschlossen ist nicht durch nähere Tatsachen oder Angaben
untermauert, insbesondere woher der Kläger diese Kenntnis hat, wie die Verträge aussehen, wie die
einzelnen Mitarbeiter heißen, sodass diese Behauptung als offensichtlich ins Blaue hinein abgegeben
unberücksichtigt bleiben muss. Auch die Behauptung des Klägers, der Kreisverband T. der A. bestehe
nicht nur aus den Mitarbeitern des Möbellagers A-Stadt, ist nicht durch nähere Tatsachen untermauert,
sodass selbst bei nicht zu hoch anzustellenden Anforderungen an die dem Arbeitnehmern obliegende
Darlegungs- und Beweislast zur Anzahl der im Betrieb Beschäftigten nicht davon ausgegangen werden
kann, dass der Beklagten aufzugeben gewesen wäre, nähere Angaben darüber zu machen, welche
Arbeitnehmer bei ihr nicht beschäftigt sind.
Nach allem musste das Rechtsmittel des Klägers erfolglos bleiben. Seine Berufung war mit der
Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.