Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 04.12.2007

LArbG Mainz: chemische industrie, arbeitsgericht, tarifvertrag, krankenkasse, chemie, arbeitsentgelt, wettbewerbsfähigkeit, rückwirkung, begründungspflicht, abweisung

LAG
Mainz
04.12.2007
3 Sa 408/07
Tarifkonkurrenz bei Altersteilzeit
Aktenzeichen:
3 Sa 408/07
4 Ca 114/06
ArbG Kaiserslautern
- AK Pirmasens -
Entscheidung vom 04.12.2007
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige
Kammern Pirmasens - vom 28.03.2007 - 4 Ca 114/06 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu
gefasst:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte verurteilt der Klägerin zu zahlen:
€ 569,04 brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus € 79,10 seit dem 01.07.2005,
aus € 14,79 seit dem 01.02.2006 und
aus € 475,15 seit dem 01.03.2006.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 3/5 und der Beklagten zu 2/5 auferlegt.
4. Die Revision wird jeweils zugelassen.
5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.505,78 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingruppiert in der Entgeltgruppe E 13 K (im Sinne des § 7 - Entgeltgruppenkatalog - des
Bundesentgelttarifvertrages der Chemischen Industrie). Zwischen ihr und der Beklagten besteht aufgrund
der Vereinbarung vom 01.05.2002 (über Altersteilzeitarbeit/Modell II) seit dem 01.05.2002 bis zum
30.04.2008 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Seit dem 01.05.2005 befindet sich die Klägerin in der
Freistellungs- bzw. Passivphase der Altersteilzeit. Ab Beginn der Altersteilzeit, d.h. ab Mai 2002, zahlte die
Beklagte der Klägerin Vergütungen und Aufstockungsleistungen zunächst ausgehend von einem
Monatsentgelt in Höhe von 2.001,00 EUR brutto (= 50 % des damaligen tariflichen Monatsentgelts).
Aufgrund entsprechender Tariferhöhung zahlte die Beklagte der Klägerin Vergütungen und
Aufstockungsleistungen ab Mai 2003 ausgehend von einem Monatsentgelt in Höhe von 2.053,00 EUR
brutto (= 50 % des tariflichen Monatsentgelts von 4.106,00 EUR brutto; s. dazu und zur weiteren
Entwicklung der tatsächlichen Zahlungen die in der Anlagenbeiakte zu - 3 Sa 408/07 - [- folgend: ABA -]
enthaltenen Entgeltabrechnungen).
Nachdem mit Wirkung ab dem 01.06.2004 das tarifliche Monatsentgelt der Entgeltgruppe E 13 K auf
4.168,00 EUR brutto erhöht worden war, zahlte die Beklagte der Klägerin Vergütungen und
Aufstockungsleistungen ausgehend von einem Monatsentgelt in Höhe von 2.084,00 EUR brutto (= 50 %
von 4.168,00 EUR brutto).
Nach dem Verhandlungsergebnis ("Chemietarifpaket 2005"; Bl. 151 ff. d.A.) wurden die Tarifentgelte u.a.
in dem Bezirk Rheinland-Pfalz mit Wirkung ab dem 01.06.2005 um 2,7 % jeweils mit einer Laufzeit von 19
Monaten erhöht. Nach näherer Maßgabe dieses Verhandlungsergebnisses sollten die Arbeitnehmer
weiter für die Laufzeit des jeweiligen bezirklichen Entgelttarifvertrages eine Einmalzahlung erhalten. Am
29.06.2005 vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter Mitwirkung der "A." den am 01.07.2005 in Kraft
getretenen "firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die A." (Bl. 26 ff. d.A.; folgend: "firmenbezogener
VTV"). Im Eingangssatz - vor § 1 - des firmenbezogenen VTV wird Bezug genommen auf den dritten
Absatz der Fußnote 1 zur Vorbemerkung des MTV für die Chemische Industrie vom 24.06.1992 i.d.F. vom
08.05.2003. Insoweit heißt es dort (in der Vorbemerkung vor § 1 MTV):
"Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der
Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche
Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart
werden können. Soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert, sind die
firmenbezogenen Verbandstarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit
abzuschießen."
Zu den Tarifvertragsparteien des firmenbezogenen VTV gehören u.a. der Landesverband Chemische
Industrie Rheinland-Pfalz e.V., der Landesausschuss der Arbeitgeberverbände Chemie NRW und der
Arbeitgeberverband Nord-Ost Chemie.
Die Beklagte zahlte der Klägerin über den 01.06.2005 und den 01.07.2005 hinaus Vergütungen und
Aufstockungsleistungen weiter ausgehend von einem monatlichen Betrag in Höhe von 2.084,00 EUR
brutto (auf die Entgeltnachweise in der Anlagenbeiakte (ABA) wird jeweils verwiesen).
Die Klägerin macht folgende Ansprüche gegen die Beklagte geltend:
1.
Aufstockungsleistungen für die Zeit von Juni 2005 bis Mai 2006 die Zahlung von 949,20 EUR brutto (= 12 -
Monate - x 79,10 EUR brutto). Den monatlichen Differenzbetrag von 79,10 EUR ermittelt die Klägerin wie
folgt:
Tariferhöhung ab 01.06.2005: E 13/K = 4.281,00 EUR - 2.140,50 EUR (= 50%)
= 2.140,50 EUR
zuzüglich 40 % aus 2.160,44 EUR (= 2.140,50 EUR + 19,94 EUR) = 864,18 EUR
= zusammen 3.004,68 EUR.
Von dem Betrag von 3.004,68 EUR zieht die Klägerin die entsprechenden Zahlungen ab, die die Beklagte
der Klägerin ausgehend von dem weiter zugrunde gelegten Betrag von 2.084,00 EUR tatsächlich gezahlt
hat, - also 2.925,58 EUR (= 2.084,00 EUR zuzüglich 841,58 EUR):
3.004,68 EUR
- 2.925,58 EUR
= 79,10 EUR.
2.
53,68 EUR.
Dieser Differenzbetrag ergibt sich, wenn man von dem Betrag von 2.033,48 EUR (= 95 % von 2.140,50
EUR) den Betrag von 1.979,80 EUR abzieht, den die Beklagte der Klägerin mit der Entgeltabrechnung für
Dezember 2005 (s. ABA) als "Weihnachtsgratifikation" gezahlt hat (95 % von 2.084,00 EUR = 1.979,80
EUR). In den Vorjahren hatte die Beklagte der Klägerin entsprechend den Entgeltabrechnungen jeweils
gezahlt, - für
Dezember 2002: 2 x 1.267,30 EUR ("Jahresleistung"/"ATZ Jahresleistung" = zusammen 2.534,60 EUR),
Dezember 2003: 1.950,35 EUR ("ATZ Jahresleistung) und
Dezember 2004: 1.979,80 EUR ("Weihnachtsgratifikation").
3.
Pflegeversicherung" gekürzt worden seien, beansprucht die Klägerin die Zahlung des Betrages von 14,79
EUR (s. zur Berechnung im einzelnen Seite 3 der Klageschrift = Bl. 3 d.A.; s. dazu auch die
entsprechenden Abrechnungspositionen in dem Entgeltnachweis für Januar 2006 zum einen und in der
Entgeltabrechnung für November 2005 zum anderen, - dort jeweils AG-Zusch KV Privat-Zusatz und AG-
Zusch PV Privat-Zusatz).
4.
I. 2. geregelte Einmalzahlung. Die Klägerin begehrt insoweit:
2.140,50 EUR x 1,2 % x 19 = 488,11 EUR.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird
gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom
28.03.2007 - 4 Ca 114/06 - (dort S. 3 ff. = Bl. 90 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach näherer
Maßgabe des Urteilstenors (Bl. 89 d.A.; s. dazu aber auch die handschriftliche Urteilsformel Bl. 85 d.A.)
verurteilt, der Klägerin 1.505,78 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen.
Gegen das der Beklagten am 31.05.2007 zugestellte Urteil vom 28.03.2007 - 4 Ca 114/06 - hat die
Beklagte am 22.06.2007 Berufung eingelegt und diese am 24.07.2007 mit dem Schriftsatz vom
23.07.2007 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den
Schriftsatz der Beklagten vom 23.07.2007 (Bl. 108 ff. d.A.) verwiesen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte u.a. auf § 8 TV-ATZ und auf § 3 der ATZ-Vereinbarung der
Parteien. Dort heißt es jeweils, dass sich Entgeltänderungen auch während der Freistellungsphase auf
das Arbeitsentgelt auswirken.
Nach Ansicht der Beklagten sind die BAG-Urteile vom 04.10.2005 und vom 15.02.2006 vorliegend nicht
heranzuziehen. Die Beklagte macht geltend, dass sie sich für den Abschluss eines Haustarifvertrages
entschieden und somit bewusst gegen die Tariföffnungsklausel des § 10 BEntgeltTV entschieden habe.
Die Protokollnotiz Nr. 6 II. zu § 10 BEntgeltTV könne nicht angewendet werden. Diese Protokollnotiz
enthalte keinen verallgemeinerungsfähigen Inhalt. Das "Spiegelprinzip" hält die Beklagte nicht für
anwendbar. Ausgehend davon, dass sich Entgeltänderungen auch während der Freistellungsphase auf
das Arbeitsentgelt auswirken, bringt die Beklagte vor, dass sowohl Tarifänderungen nach oben als auch
nach unten berücksichtigt werden müssten. Den entsprechenden Regelungen im TV-ATZ und in der ATZ-
Vereinbarung könne nicht entnommen werden, dass sie nur auf höhere Tarifänderungen anwendbar
seien. Ein irgendwie gearteter Vertrauensschutz der Klägerin stehe dem nicht entgegen. Die Klägerin
habe jederzeit mit einer Änderung ihres Tarifs sowohl in positiver als auch in negativer Richtung rechnen
müssen.
Die Beklagte beantragt,
das am 28.03.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern
Pirmasens -, 4 Ca 114/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung der Beklagten nach näherer
Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 30.08.2007 (Bl. 126 ff. d.A.), worauf
verwiesen wird.
Die Klägerin stützt sich auf die BAG-Urteile vom 04.10.2005 und vom 15.02.2006. Die Klägerin bringt vor,
dass keine Veranlassung bestehe, von der Rechtsprechung des BAG im vorliegenden Fall abzuweichen.
Danach dürfe ein Haustarifvertrag nicht in bestehende Altersteilzeitverhältnisse eingreifen. Wie in dem
durch das BAG entschiedenen Fall stelle auch der bei der Beklagten abgeschlossene Haustarifvertrag ein
abgestimmtes Konzept zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung dar. Insoweit sei
vorliegend die gleiche Interessenlage gegeben wie in dem Fall, für den das BAG festgestellt habe:
"Zudem profitieren kurz vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer in
Altersteilzeit nicht mehr wesentlich von der mit dem Haustarifvertrag angestrebten längerfristigen
Absicherung der Beschäftigung".
Die Klägerin - so argumentiert diese weiter - sei nicht mehr aufgefordert, wie die übrigen Beschäftigten,
ihren eigenen Arbeitsplatz längerfristig durch finanzielle Einbußen zu sichern. Sie habe vielmehr darauf
vertrauen können und müssen, dass ein Eingriff in ihren bestehenden Altersteilzeitvertrag nicht erfolge.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
und fristgerecht eingelegt worden. Eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung liegt nicht vor, soweit
das Arbeitsgericht die Beklagte u.a. auch verurteilt hat, der Klägerin 14,79 EUR brutto zu zahlen. Der vom
Arbeitsgericht ausgeurteilte Betrag von 1.505,78 EUR brutto setzt sich wie folgt zusammen:
1. Monatliche Vergütungsdifferenzen in Höhe von jeweils 79,10 EUR für die Zeit von Juni 2005 bis Mai
2006: 949,20 EUR
2. Differenz aus der Jahresleistung 2005: 53,68 EUR
3. Differenz aus Zuschusszahlungen (KV, PV): 14,79 EUR
4. Tarifliche Einmalzahlung: 488,11 EUR
zusammen: 1.505,78 EUR.
Das Arbeitsgericht hat der Klägerin unterschiedliche Ansprüche zuerkannt. Ist in einem
arbeitsgerichtlichen Urteil im Wege objektiver Klagehäufung - wie hier -
über mehrere Ansprüche entschieden worden, dann muss sich die Berufungsbegründung der
erstinstanzlich unterlegenen Partei - soll die Berufung insgesamt ordnungsgemäß begründet sein - mit
jedem Einzelanspruch auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll. Eine Ausnahme
von der notwendigen umfassenden Begründungspflicht gilt dann, wenn ein Anspruch von einem anderen
Anspruch in seinem Bestehen unmittelbar abhängt. In einem derartigen Fall ist es ausreichend, wenn sich
die Berufungsbegründung alleine mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils zu dem
Grundanspruch befasst. Vorliegend stützt die Klägerin ihre Forderung auf Zahlung von 14,79 EUR auf
einen Lebenssachverhalt, der sich von den Lebenssachverhalten unterscheidet, aus denen die Klägerin
ihre übrigen Ansprüche ableitet. Während die Klägerin ihre übrigen Ansprüche im Wesentlichen auf die
"ausgehandelte Tariferhöhung von 2,7 % ab 01.06.2005 … zuzüglich der Einmalzahlung in Höhe von 1,2
%" stützt (vgl. dazu bereits die vorgerichtliche Geltendmachung der Klägerin gemäß Schreiben vom
05.02.2006, Bl. 13 d.A., sowie die Ausführungen auf den S. 2 ff. der Klageschrift und im Schriftsatz vom
14.06.2006, dort S. 2 f. = Bl. 47 f. d.A.), stützt die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Zuschüsse zur
Krankenkasse und Pflegeversicherung darauf, dass diese ab Januar 2006 "gekürzt" worden seien. Diese
von der Begründung der übrigen Ansprüche abweichende Anspruchsbegründung hat sich das
Arbeitsgericht im Urteil vom 28.03.2007 - 4 Ca 114/06 - erkennbar zu eigen gemacht. Eine hinreichende
Auseinandersetzung mit dieser Anspruchsbegründung (hinsichtlich der Differenzen bei den Zuschüssen
für KV und PV) erfolgt in der Berufungsbegründung nicht. Damit erweist sich die Berufung hinsichtlich des
Anspruchs auf Zahlung von 14,79 EUR (nebst Zinsen) als unzulässig. Im übrigen liegt allerdings eine
ordnungsgemäße Berufungsbegründung vor.
II.
teilweise begründet.
1.
Diese Verpflichtung der Beklagten ergibt sich daraus, dass (auch) auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis
der Parteien die einschlägigen tariflichen Regelungen der Chemischen Industrie in Rheinland-Pfalz in der
jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Darüber, dass diese tariflichen Regelungen grundsätzlich
anwendbar sind, haben die Parteien zu recht nicht gestritten. In § 10 der ATZ-Vereinbarung (dort Abs. 2)
wird u.a. im übrigen Bezug genommen auf die Bestimmungen des "weiter laufenden Arbeitsvertrages".
Die arbeitsvertragliche Regelung sieht aber unstreitig die einzelvertragliche Bezugnahme auf die
genannten tariflichen Bestimmungen der Chemischen Industrie vor (Arbeitsvertrag vom 13.12.1982 S. 2 -
oben - = Bl. 11 d.A.).
Aufgrund der auf allgemeiner Verbandsebene vereinbarten Erhöhung der Tarifentgeltsätze, die in dem
bezirklichen Entgelttarifvertrag umgesetzt wurde, erhöhte sich deswegen das tarifliche Entgelt der
Klägerin im Juni 2005 um 2,7 %. Demgemäß ergab sich mittelbar dann auch eine Erhöhung bei der
tariflichen Aufstockungszahlung gemäß § 9 TV-ATZ. Wenn die Klägerin insoweit insgesamt einen
Erhöhungsbetrag in Höhe von 79,10 EUR beansprucht, so ist dies unter Zugrundelegung ihrer auf Seite 3
der Klageschrift enthaltenen Berechnung, weder rechtlich noch rechnerisch zu beanstanden. Auf das
tarifliche Entgelt und die davon abhängige Aufstockungszahlung wirkt sich der "firmenbezogene VTV" vom
29.06.2005 deswegen nicht aus, weil dieser ohne Rückwirkung erst ab dem 01.07.2005 in Kraft getreten
ist.
2.
gemachten Ansprüche -, ist jedoch das ab diesem Zeitpunkt gültige "Entgeltgitter" zu beachten. Die in
diesem Entgeltgitter enthaltenen tariflichen Entgeltsätze verdrängen bzw. ersetzen in zulässiger Weise die
Entgeltsätze, die sich aus dem bezirklichen Entgelttarifvertrag ergeben, der aufgrund des
Verhandlungsergebnisses im Rahmen des "Chemietarifpakets 2005" abgeschlossen wurde. Für die Zeit
ab dem 01.07.2005 kann die Klägerin die auf Verbandsebene erzielte allgemeine Tariferhöhung
deswegen nicht mehr beanspruchen, weil dem der "firmenbezogene VTV" entgegensteht. (Auch) dieser
Tarifvertrag vom 29.06.2005 ist - nach näherer Maßgabe der folgenden Ausführungen - auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Dies ergibt sich aus der unstreitigen arbeitsvertraglichen
Vereinbarung, wonach auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die einschlägigen Tarifverträge der
Chemischen Industrie in ihrer jeweils gültigen Fassung anwendbar sind. Im Verhältnis der genannten
Tarifverträge ist der "firmenbezogene VTV" im Verhältnis zum Bezirksentgelt-TV gemäß
Verhandlungsergebnis "Chemietarifpaket 2005" der speziellere Tarifvertrag. Der Eigenart und den
besonderen Bedürfnissen der einzelnen Betriebe und ihrer Arbeitnehmer wird anerkanntermaßen am
besten dadurch Rechnung getragen, dass der diesem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und
persönlich am nächsten stehende Tarifvertrag angewandt wird. Mit Rücksicht auf den Zweck und
Geltungsbereich ist dies hier eindeutig der "firmenbezogene VTV" vom 29.06.2005 (vgl. zum Zweck dieses
Tarifvertrages die Präambel vor § 1 und zum Geltungsbereich § 1 dort insbesondere § 1.2; vgl. zum Zweck
eines derartigen Tarifvertrages auch die Fußnote 1 zu Abs. 3 zur Vorbemerkung vor § 1 des MTV
Chemische Industrie). Die Parteien haben zu recht (auch) nicht darüber gestritten, dass vorliegend die
Anwendungsvoraussetzungen des § 1 - Geltungsbereich - des VTV erfüllt sind. Die Klägerin ist lediglich
aus (anderen) Rechtsgründen der Ansicht, dass der VTV vorliegend unanwendbar sei. Der
"firmenbezogene VTV" verdrängt den allgemeinen Entgelt-TV aus der Tarifrunde 2005 (jedenfalls)
dahingehend, dass die Klägerin die tariflichen Erhöhungsbeträge (aufgrund der Tariferhöhung um 2,7 %)
nicht mehr geltend machen kann. Ein tariflicher Vergütungsanspruch in Höhe von monatlich 2.140,50
EUR (= 50 % von 4.281,00 EUR gemäß E 13/K) stand der Klägerin für die Zeit ab dem 01.07.2005
deswegen nicht zu. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin geltend gemachten Differenzen bei der
Aufstockungszahlung.
Für den genannten Zeitraum (Juli 2005 bis Mai 2006) wirkt sich der rechtliche Gesichtspunkt "angespartes
Wertguthaben" nicht aus. Zwar ist es weder den Arbeitsvertragsparteien, noch den Tarifvertragsparteien
erlaubt, ein Wertguthaben, das sich der Arbeitnehmer eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses während der
Aktivphase erarbeitet hat, zu kürzen. Dieses Kürzungsverbot ergibt sich aus Sinn und Zweck eines
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses der in § 6 Ziffer 4 TV-ATZ bezeichneten Art.
Ein Verstoß gegen dieses Kürzungsverbot liegt hier deswegen nicht vor, weil sich die Klägerin während
der Aktivphase, die am 30.04.2005 endete, keinen höheren Tarifgehaltsanspruch erarbeitet hat als einen
solchen in Höhe von 2.084,00 EUR monatlich (vgl. insoweit die in der ABA befindlichen Entgeltnachweise
für die Zeit von Mai 2002 bis April 2005). Wie die in der ABA befindlichen Entgeltnachweise für die Monate
von Juli 2005 bis Mai 2006 belegen, zahlte die Beklagte der Klägerin weiter ein monatliches Tarifgehalt in
Höhe von 2.084,00 EUR und leistete darauf aufbauende Aufstockungszahlungen. Höhere Ansprüche hat
sich die Klägerin in der Zeit der Aktivphase nicht erarbeitet.
3.
von 53,68 EUR beansprucht. Die Klägerin könnte nur dann hinsichtlich der Jahresleistung den Betrag von
95 % von 2.140,50 EUR = 2.033,48 EUR mit Erfolg beanspruchen, wenn ihr Tarifgehalt im Jahre 2005
dauerhaft auf diesen Betrag angehoben worden wäre. Wegen des dem entgegenstehenden
"firmenbezogenen Verbandstarifvertrages" vom 29.06.2005 ist dies aber zu verneinen. Die Differenz
zwischen 2.033,48 EUR
und 1.979,80 EUR
= 53,68 EUR
steht der Klägerin deswegen nicht zu. Die Beklagte hat der Klägerin zu recht gemäß § 5 - Eingangssatz -
des TV über Einmalzahlungen und Altersvorsorge nur 95 % von 2.084,00 EUR = 1.979,80 EUR gezahlt.
4.
EUR stehen der Klägerin deswegen zu, weil die Berufung insoweit unzulässig ist. Ob und inwieweit der
Anspruch materiell-rechtlich bestünde, muss offen bleiben.
5.
Verhandlungsergebnis ("Chemietarifpaket 2005"), dort Ziffer 2., 475,15 EUR brutto zu zahlen. Diesem
Anspruch steht der "firmenbezogenen VTV" vom 29.06.2005 nicht entgegen. Der VTV geht in § 2 von der
grundsätzlichen Geltung der Tarifverträge der Chemischen Industrie aus, - zu diesen tariflichen
Regelungen gehören aber auch die Bestimmungen über die "Einmalzahlung" gemäß Ziffer 2. des
Verhandlungsergebnisses 2005. Eine Sperrwirkung entfaltet der VTV deswegen nur insoweit als dort
ausdrückliche Sonderregelungen normiert werden. Dies ist - soweit vorliegend von Interesse - in § 3 Ziffer
3.2 und Ziffer 3.3 - aber nur hinsichtlich der Tarifentgeltsätze und der Jahresleistung geschehen. Damit
steht der VTV dem Anspruch der Klägerin auf Gewährung der tariflichen Einmalzahlung dem Grunde nach
nicht entgegen.
Hinsichtlich der Höhe des Anspruches ist aber zu beachten, dass es - wie eben bereits zu II. 3. ausgeführt
wurde - zu einer dauerhaften Erhöhung des Tarifgehaltes (auf 2.140,50 EUR) nicht gekommen ist.
Die Berechnung der Einmalzahlung hat deswegen anzusetzen bei dem von der Klägerin erarbeiteten
Tarifgehalt in Höhe von 2.084,00 EUR, nicht dagegen bei dem auf allgemeiner Verbandsebene erhöhten
Tarifgehalt von 2.140,50 EUR:
1,2 % x 2084,00 EUR x 19 = 475,15 EUR.
Hiernach war die Verurteilung der Beklagten in Höhe von 79,10 EUR
+ 14,79 EUR und
+ 475,15 EUR
= insgesamt 569,04 EUR
aufrechtzuerhalten. In diesem Umfang erweisen sich die Klage als begründet und die Berufung der
Beklagten als erfolglos.
III.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung. Darauf beruht die
Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).