Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 21.09.1999

LArbG Mainz: berufsausbildung, betriebsrat, verkäuferin, arbeitsgericht, bezirk, anfang, form, entstehungsgeschichte, tarifvertrag, rechtsmittelbelehrung

Arbeitsrecht
LAG
Mainz
21.09.1999
2 TaBV 11/99
Angestellte, die dem Gehaltstarifvertrag des Einzelhandels Rheinland-Pfalz unterfallen und die weder
eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, werden
gem. § 2 Nr.2 dieses Tarifvertrages in den ersten drei Jahren in die Gehaltsgruppe I eingruppiert. dies gilt
selbst dann, wenn dem/der Angestellten schon von Beginn seiner/ihrer Tätigkeit an Aufgaben übertragen
werden, die die Tarifmerkmale einer höheren Vergütungsgruppe erfüllen.
T e n o r:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom
22.01.1999 - 2 BV 1745/98 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor des Beschlusses
wie folgt gefasst wird:
Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin N. von
G. in die Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz wird ersetzt.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren, ob das Gericht die verweigerte Zustimmung des
Betriebsrats im Rahmen von § 99 BetrVG zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin zu ersetzen hat.
Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens betreibt bundesweit ein Einzelhandelsunternehmen auf
dem Drogeriesektor, u.a. auch mehrere Verkaufsstellen im Bezirk Mayen. Der Antragsgegner ist der für
diesen Bezirk gewählte Betriebsrat. Nachdem sich der Arbeitgeber entschlossen hatte, in K eine weitere
Verkaufsstelle zu eröffnen, beabsichtigte er zunächst die zuständige Bezirksleiterin mit der dortigen
Position der Verkaufsstellenverwalterin zu betrauen und die in einer anderen Verkaufsstelle eingesetzte
Verkäuferin, Frau von G , als Verkäuferin in der neuen Verkaufsstelle einzusetzen. Der Betriebsrat
widersprach im Rahmen von § 99 BetrVG der Übertragung der Position der Verkaufsstellenverwalterin auf
die zuständige Bezirksleiterin. Daraufhin hat sich der Arbeitgeber entschlossen, Frau von G als
Verkaufsstellenverwalterin in die neue Verkaufsstelle in K zu versetzen. Frau von G ist seit dem
01.09.1997 als Verkäuferin/Kassiererin bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Sie verfügt über keine
abgeschlossene Berufsausbildung und konnte im Zeitpunkt der beabsichtigten Übertragung der Position
als Verkaufsstellenverwalterin auch keine dreijährige Berufstätigkeit aufweisen.
Mit Schreiben vom 08.05.1998 hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Einstellung der Mitarbeiterin von
G als Verkaufsstellenverwalterin unter Einreihung in die Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages für
die Angestellten im Einzelhandel Rheinland-Pfalz (im Folgenden: GTV) an. Der Betriebsrat widersprach
dem Einsatz dieser Mitarbeiterin als Verkaufsstellenverwalterin nicht, er widersprach jedoch der
beabsichtigten Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I mit dem Hinweis, nach dem GTV sei die
Verkaufsstellenverwalterin nach der Gehaltsgruppe IV zu vergüten.
Im Hinblick auf die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiterin von
Groningen begehrt der Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren die hierzu verweigerte Zustimmung durch
das Gericht gem. § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, die Mitarbeiterin von G sei nach den allgemeinen tariflichen
Merkmalen von § 2 Abs. 2 GTV, erstes Tätigkeitsjahr, nach der Gehaltsgruppe I GTV einzugruppieren.
Diese tarifliche Regelung enthalte Sonderbestimmungen für solche Mitarbeiter des Einzelhandels, die
über keine Berufsausbildung verfügen und auch keine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen könnten.
Aufgrund des Tarifwortlautes und der systematischen Stellung beziehe sich diese tarifliche Regelung auf
sämtliche Gehaltsgruppen der Gehaltsgruppeneinteilung von § 3 GTV, also auch auf die Gehaltsgruppe
IV. Erst nach der Absolvierung von 3 Berufsjahren erfolge dann eine Eingruppierung entsprechend den
allgemeinen Eingruppierungsmerkmalen der Gehaltsgruppen von § 3 GTV. Im Übrigen sehe § 2 Abs. 2
GTV eine ähnliche, allein ausbildungsbezogene Regelung vor. Schließlich enthielten auch
Einzelhandelstarifverträge für die Länder Baden-Württemberg und Bayern ähnliche Sonderregelungen für
Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung oder ohne berufsspezifische Tätigkeiten wie die Arbeitnehmer des
Einzelhandels in Rheinland-Pfalz. Erst nach der Ableistung von 3 Berufsjahren könnten diese
Arbeitnehmer nach den allgemeinen Merkmalen der Gehaltsgruppen von § 3 GTV eingruppiert werden.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin N von
G in die Gehaltsgruppe I, erstes Tätigkeits-/Berufsjahr, des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel
Rheinland-Pfalz zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung beziehe sich die Regelung von § 2 Abs. 2 GTV nur auf die Gehaltsgruppen I und
II GTV. Bei der Rechtsauffassung des Arbeitgebers wäre die Gehaltsgruppe I überflüssig, weil ansonsten §
2 Abs. 2 GTV stets einschlägig wäre. Insbesondere habe es dem Willen der Tarifvertragsparteien
entsprochen, dass die Sonderregelung von § 2 Ziff. 2 GTV sich nur auf die Gehaltsgruppen I und II
erstrecke und nicht auf die höheren Gehaltsgruppen von § 3 GTV (Beweis: Zeugnis der
Verhandlungsführer beider Tarifvertragsparteien). Dies beweise auch die Historie der heutigen Fassung
von § 2 Ziff. 2 GTV. Diese tarifliche Bestimmung sei mehrfach geändert worden, nicht zuletzt im Anschluss
an ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.02.1984.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 22.01.1999, auf dessen Sachverhaltsdarstellung hiermit
ergänzend Bezug genommen wird, dem Antrag des Arbeitgebers entsprochen und die verweigerte
Zustimmung zur Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I ersetzt. Nach Meinung des Arbeitsgerichts sei der
Wortlaut von § 2 Ziff. 2 GTV eindeutig, weil diese tarifliche Regelung keine Einschränkung enthalte, dass
sie sich nur auf die Gehaltsgruppen I und II erstrecke. Schließlich spreche auch die Tarifgeschichte für
diese Auslegung, weil schon die früheren Tarifverträge Regelungen enthielten mit einer umfassenden
Geltung für alle Gehaltsgruppen. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die
Seiten 5-8 dieses Beschlusses, der dem Betriebsrat am 08.03.1999 zugestellt worden ist, Bezug
genommen.
Der Betriebsrat hat hiergegen mit einem am 06.04.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 06.05.1999 eingegangenen Schriftsatz
begründet.
Nach Auffassung des Betriebsrates habe das Arbeitsgericht die einschlägigen tariflichen Regelungen
fehlerhaft ausgelegt. Insbesondere hätte es Beweis erheben müssen durch Vernehmung der
Verhandlungsführer beider Tarifvertragsparteien über den Willen der Tarifvertragsparteien bezüglich des
Regelungsumfangs von § 2 Ziff. 2 GTV. Dabei hätte sich ergeben, dass sich diese Bestimmung lediglich
auf die Gehaltsgruppen I und II erstrecke.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses den Antrag des Arbeitgebers zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass im Antrag nicht mehr im Einzelnen das
jeweilige Tätigkeits- bzw. Berufsjahr genannt ist.
Der Arbeitgeber verteidigt den angefochtenen Beschluss, weil dieser die Rechtslage zutreffend beurteilt
habe.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der Anhörung der Beteiligten vor dem
Beschwerdegericht waren, Bezug genommen.
II.
Die gem. § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig. Sie wurde insbesondere
form- und fristgerecht eingelegt und begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der
Mitarbeiterin von Groningen in die Gehaltsgruppe I GTV gem. § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt, weil die vom
Arbeitgeber vorgenommene Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I GTV nicht gegen einen Tarifvertrag im
Sinne von § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG verstoßen hat. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates ist die
Mitarbeiterin von G anlässlich der Übertragung der Tätigkeit als Verkaufsstellenverwalterin in die
Gehaltsgruppe I GTV einzugruppieren. Unstreitig verfügt diese Mitarbeiterin jedenfalls im maßgeblichen
Einstellungszeitpunkt weder über eine abgeschlossene Berufsausbildung, noch konnte sie eine
dreijährige Berufstätigkeit nachweisen. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass sich diese
Mitarbeiterin Anfang Mai 1998 erst im ersten Jahr ihrer Berufstätigkeit als Verkäuferin/Kassiererin im
Einzelhandel befunden hat.
Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss deshalb zutreffend erkannt, dass diese Mitarbeiterin
nach § 2 Ziff. 2 GTV zum damaligen Zeitpunkt in die Gehaltsgruppe I einzugruppieren ist. Das
Beschwerdegericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss,
stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht gem. § 543 ZPO insoweit von der erneuten Darstellung der
Entscheidungsgründe ab.
Das Beschwerdegericht stützt seinen Beschluss auf folgende ergänzende Entscheidungsgründe:
Die Auslegung der normativen Teile eines Tarifvertrages erfolgt nach den für die Auslegung von Gesetzen
geltenden Regeln. Danach ist bei der Auslegung einer Tarifnorm in erster Linie vom Tarifwortlaut
auszugehen und über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu
berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierbei ist auf den
tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Verbleiben nach Auswertung von Tarifwortlaut und
tariflichem Gesamtzusammenhang als den stets und in erster Linie heranzuziehenden
Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, dann kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der
Tarifvertragsparteien auf weitere Auslegungskriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung
und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden. Bei dieser Methode
ist keine bestimmte Reihenfolge einzuhalten (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z.B. BAG v.
28.04.1988 – 2 AZR 750/87 -; BAG v. 10.05.1989 – 6 AZR 660/87 -; BAG v. 21.07.1993 – 4 AZR 468/92 -).
Ausgehend von diesen Auslegungskriterien ist die Mitarbeiterin von Groningen, die über keine
abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, für die Dauer der ersten drei Jahre ihrer Berufstätigkeit nach §
2 Abs. 2 S. 1 GTV in die Gehaltsgruppe I einzugruppieren. Weder im maßgeblichen Einstellungszeitpunkt
noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts hatte die Mitarbeiterin von G eine
dreijährige Berufstätigkeit im Einzelhandel zurückgelegt gehabt, sodass das Verlangen des Betriebsrates
auf eine Eingruppierung nach der Gehaltsgruppe IV GTV tarifwidrig war. Nach § 9 Ziff. 1 des allgemein
verbindlichen Manteltarifvertrages für die Beschäftigten des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz werden die
Gehaltsgruppen in gesonderten Tarifverträgen geregelt. Die Eingruppierung erfolgt entsprechend der
tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (§ 9 Ziff. 2 dieses Manteltarifvertrages). Dementsprechend kommt es
bezüglich der Eingruppierung in erster Linie auf die überwiegend von der Mitarbeiterin von G
ausgeübte Tätigkeit an. Diese Mitarbeiterin wurde ab Anfang Mai 1998 als Verkaufsstellenverwalterin vom
Arbeitgeber eingesetzt. Anlässlich des Überwechselns von ihrer früheren, noch kein Jahr ausgeübten
Tätigkeit als Kassiererin/Verkäuferin war wegen der grundlegenden Änderung ihrer Tätigkeit erneut die
Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung dieser Mitarbeiterin gem. § 99 Abs. 1 BetrVG
einzuholen. Verkaufsstellenverwalterinnen werden bei der Arbeitgeberin jedenfalls im Bezirk M
üblicherweise nach der Gehaltsgruppe IV GTV eingruppiert. Nach den insoweit außer Streit stehenden
Rechtsauffassungen beider Beteiligten dürften die tariflichen speziellen Tätigkeitsmerkmale der
Gehaltsgruppe IV "Verwalten und Leiten von Filialen" in diesen Fällen erfüllt sein. Jedenfalls geht der
Streit der Beteiligten hierüber nicht. Einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung hierzu bedarf es im
Streitfalle nicht, weil die Mitarbeiterin von G unter die allgemeine Regelung von § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV fällt.
§ 2 GTV enthält folgende Fassung:
§ 2 – Eingruppierung und Einstufung
1. Die Angestellten werden entsprechend ihrer Tätigkeit und unter Beachtung der Bestimmungen des
§ 9 MTV in eine der in § 3 aufgeführten Gehaltsgruppen eingruppiert.
2. Angestellte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit
nachweisen können, werden ab 01.05.1991 in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I eingruppiert.
Ab dem 5. Tätigkeitsjahr erfolgt der Übergang in die Gehaltsgruppe II 4.
3. Angestellte mit einer der Tätigkeit entsprechenden zweijährigen Berufsausbildung werden nach
bestandener Abschlußprüfung in das 1. Berufsjahr, Angestellte mit einer der Tätigkeit entsprechenden
dreijährigen Berufsausbildung nach bestandener Abschlußprüfung in das 3. Berufsjahr der Gehaltsgruppe
II eingestuft. Die davor liegenden Berufsjahre gelten als zurückgelegt.
4. Ungelernte Aushilfen mit bis zu drei Monaten befristeten Verträgen erhalten bis zur Vollendung des
20. Lebensjahres 90% der Gehaltsgruppe I."
Nach dem Wortlaut von § 2 Ziff. 2 S. 1 werden Angestellte, die weder eine abgeschlossene
Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in das erste Tätigkeitsjahr der
Gehaltsgruppe I eingruppiert. Diese tarifliche Regelung enthält nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt
dafür, dass sie sich einschränkend nur auf die Gehaltsgruppen I und II von § 3 GTV bezieht. Während
frühere tarifliche Regelungen von § 2 Ziff. 2 (z.B. Gehaltstarifvertrag Einzelhandel vom 18.08.1981; vgl.
BAG, Urt. v. 08.02.1984, AP Nr. 3 zu § 1 TVG –Tarifverträge: Einzelhandel-) in der dortigen Fassung von §
2 Ziff. 2 GTV noch wenigstens in einem Satz 2 den Hinweis auf die Gehaltsgruppe I enthalten haben, ist
die Gehaltsgruppe I in dem hier maßgeblichen Tarifwortlaut lediglich noch auf der Rechtsfolgenseite
erwähnt, nicht mehr jedoch auf der Tatbestandsseite. Demgegenüber bestimmt § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV in der
im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Fassung ohne jegliche Einschränkung, dass solche
Beschäftigte, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen oder keine dreijährige
Berufstätigkeit nachweisen können, in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden. Soweit der Betriebsrat
den Geltungsbereich dieser tariflichen Regelung auf die Gehaltsgruppen I und II dadurch einzuengen
versucht, dass er auf die Unterscheidungsmerkmale der Gehaltsgruppen I und II von § 3 GTV hinweist,
führt dies zu keiner anderen Auslegung. Zutreffend geht zwar der Betriebsrat davon aus, dass sowohl in
der Gehaltsgruppe I als auch in der Gehaltsgruppe II jeweils nur Angestellte mit einfacher und/oder
technischer Tätigkeit eingruppiert werden. Eine Differenzierung ist lediglich bezüglich einer
abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer dreijährigen Berufstätigkeit vorzunehmen. Insoweit
bedienen sich die Tarifvertragsparteien der gleichen Terminologie wie sie sie auch in § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV
verwendet haben. Demgegenüber finden sich die Kriterien der Berufsausbildung oder einer zeitlich
bestimmten Berufstätigkeit in den Gehaltsgruppen II bis V GTV nicht mehr. Dort wird allein auf die
ausgeübte Tätigkeit in ihrer jeweils qualifizierten Form abgestellt.
Hätte es aber dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen, in § 2 Ziff. 2 lediglich Sonderregelungen
für die Beschäftigten der Gehaltsgruppen I und II GTV treffen zu wollen, dann wäre die vorgenommene
Unterscheidung zwischen den Gehaltsgruppen I und II in § 3 GTV, die allein auf die abgeschlossene
Berufsausbildung oder eine dreijährige Berufstätigkeit vorzunehmen ist, überflüssig. Die
Tarifvertragsparteien hätten dann allein bestimmen können, dass in die Gehaltsgruppen I und II
Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit einzustufen sind. In welche
dieser Gehaltsgruppen sie einzugruppieren sind, hätte sich dann aus § 2 Ziff. 2 GTV ergeben. Für eine
derartige Einschränkung spricht weder der Tarifwortlaut noch der tarifliche Gesamtzusammenhang. Die
Tarifvertragsparteien unterscheiden bezüglich des einschränkenden Personenkreises von § 2 Ziff. 2 S. 1
einmal nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung, zum Anderen aber auch nach einer dreijährigen
Berufstätigkeit. Den Sonderregelungen von § 2 Ziff. 2 GTV, die systematisch vor den allgemeinen
Regelungen der Gehaltsgruppen in § 3 stehen, also – wie der Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren
zutreffend ausführt – "vor der Klammer" stehen, kann somit der Wille der Tarifvertragsparteien entnommen
werden, dass eingruppierungsmäßig in den Anfangsjahren der Berufstätigkeit eine abgeschlossene
Berufsausbildung einer dreijährigen Berufstätigkeit gleichsteht. Hat ein Beschäftigter/eine Beschäftigte
des Einzelhandels, der/die über kein abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, jedoch eine dreijährige
Berufstätigkeit zurückgelegt, dann hat sie eingruppierungsmäßig die allgemeine Schranke von § 2 Ziff. 2
S. 1 durchlaufen. Ihre Eingruppierung richtet sich dann allein noch nach den allgemeinen Kriterien der
verschiedenen Gehaltsgruppen von § 3 MTV. Übt der/die Beschäftigte keine Tätigkeit der Gehaltsgruppen
III bis V GTV aus, dann bestimmt § 2 Ziff. 2 S. 2 GTV, dass jedenfalls ab dem 5. Tätigkeitsjahr der
Übergang in die Gehaltsgruppe II 4 stattfindet. Diese ergänzende Regelung in S. 2 von § 2 Ziff. 2 kann
sich somit nur auf solche Angestellte beziehen, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung
verfügen und keine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können.
Entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrates ist es daher nicht richtig, dass bei der hier
vorgenommenen Tarifauslegung Beschäftigte, die unter § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV fallen, stets nur in die
Gehaltsgruppe I GTV eingruppiert wären. Die dort vorgenommene Eingruppierungssperre bezieht sich
nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages nur auf die ersten drei Jahre der Berufstätigkeit.
Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung ist erkennbar und einleuchtend. Angestellte
mit
Berufsausbildung sollen nach dem Willen beider Tarifvertragsparteien eingruppierungsmäßig von Anfang
an entsprechend ihrer einschlägigen Ausbildung und Tätigkeit durch Eingruppierung oberhalb der
Gehaltsgruppe I GTV "belohnt" werden. Demgegenüber sollen solche Beschäftigte, die über
keine
Berufsausbildung verfügen und auch
keine
eingruppierungsmäßig den Mitarbeitern mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung erst nach einer
einschlägigen zeitlichen Tätigkeit von drei Jahren gleichgestellt werden.
Führen somit der Tarifwortlaut und ergänzend auch die Systematik der tariflichen Regelungen bereits zu
einer eindeutigen Auslegung des Tarifvertrages, dann ist auf die Tarifgeschichte ergänzend nicht mehr
abzustellen. Rein hilfsweise teilt jedoch das Beschwerdegericht die Auffassung des Arbeitsgerichts im
angefochtenen Beschluss, dass auch die Tarifgeschichte für die hier vorgenommene Auslegung spricht.
Ist eine eindeutige Tarifauslegung nach den allgemeinen Auslegungskriterien möglich, bedarf es keiner
Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien, weil Tarifverträge wie Gesetze und nicht wie Verträge
gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen sind (BAG v. 25.08.1982 – 4 AZR 1064/79 -, DB 1982, 2574).
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 92 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher
Bedeutung zuzulassen. Wenngleich sich der Geltungsbereich des einschlägigen GTV nur auf den Bezirk
des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz erstreckt, kann das hier maßgebliche Problem des
Regelungsumfanges von § 2 Ziff. 2 GTV insbesondere in weiten Bereichen der Gehaltsgruppe III auftreten.
Rechtsmittelbelehrung