Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 27.06.2008

LArbG Mainz: auflösende bedingung, ordentliche kündigung, beendigung, entzug, widerruf, armee, bad, diskriminierung, behinderung, behandlung

LAG
Mainz
27.06.2008
6 Sa 81/08
Widerruf einer Einsatzgenehmigung für eine auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrages
Aktenzeichen:
6 Sa 81/08
6 Ca 1130/07
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Urteil vom 27.06.2008
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach - vom 4.12.2007 - 6 Ca 1130/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Mit seiner am 07. September 2007 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich der zuletzt als Site
Manager für das Bewachungsobjekt B-Stadt tätige Kläger gegen die aufgrund einer auflösenden
Bedingung hilfsweise ordentliche Kündigung eingetretene Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger nahm seine Tätigkeit bei der Beklagten, die ausschließlich Objekte der US-Armee bewacht, am
01.02.1999 auf.
§ 6 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages sieht eine Beendigung bei Wegfall der
Einsatzgenehmigung der US-Streitkräfte mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist ohne Kündigung vor.
Ziffer 5 der von den Parteien unterzeichneten Anlage zum Arbeitsvertrag hat folgenden Inhalt:
"Körperlicher Leistungstest. Jeder unter diesem Bewachungsvertrag beschäftigte Arbeitnehmer muss sich
jährlich einem körperlichen Leistungstest unterziehen, um so zu gewährleisten, dass das Wachpersonal
physisch in der Lage ist, die übertragenen Aufgaben zu verrichten. Die entsprechenden Tests werden von
den US-Streitkräften als Bestandteil des Bewachungsvertrages vorgeschrieben und müssen demgemäß
von jedem Arbeitnehmer erbracht werden. Wird der körperliche Leistungstest nicht erfolgreich abgeleistet,
ist eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich und das
Beschäftigungsverhältnis endet nach Entzug des Einsatzgenehmigung durch die US-Streitkräfte durch
auflösende Bedingung gemäß § 6 des Arbeitsvertrages".
Der Kläger bestand weder den Fitnesstest am 11.07.2007 noch den Wiederholungstest am 10.08.2007.
Mit Schreiben vom 10.08.2007 (Bl. 66 d. A.) widerrief das Department of the Army die
Einsatzgenehmigung des Klägers und verlangte dessen Entfernung aus seinem Pflichtkreis.
Die Beklagte setzte den Kläger mit Schreiben vom 21.08.2007 (Bl. 15 ff d. A.) vom Widerruf der
Einsatzgenehmigung in Kenntnis, teilte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2007 mit und
kündigte hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Zeitpunkt.
Zum weiteren Sachstand und den erstinstanzlich gestellten Anträgen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf
den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom
04.12.2007 - 6 Ca 1130/07 - Bezug genommen.
Im vorerwähnten Urteil wurde die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch
auflösende Bedingung zum 30.11.2007 und durch die hilfsweise ordentliche Kündigung beendet worden
ist, abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:
Das Arbeitsverhältnis könne wirksam unter die auflösende Bedingung seiner Beendigung bei Widerruf der
Einsatzgenehmigung gestellt werden. Die Beklagte habe keine Möglichkeit, den Entzug der
Genehmigung gerichtlich überprüfen zu lassen; deshalb könne es nach der Rechtsprechung des
Landesarbeitsgerichts auch nicht auf die Gründe ankommen, aus denen dem Arbeitgeber die
Einsatzgenehmigung entzogen wird.
Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit sei nicht ersichtlich. Sachgrund für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses sei die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit. Ein Verstoß gegen das allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz sei nicht gegeben. Das Anforderungsprofil würde nicht von der Beklagten
festgelegt, sondern von der US-Armee. Wenn eine Diskriminierung vorläge, dann erfolge diese durch den
Auftraggeber. Eine Beeinflussung von Seiten der Beklagten sei nicht möglich. Derartige Konstellationen
würden vom AGG nicht erfasst.
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils
(Seite 5 bis 8 = Bl. 136 bis 139 d. A.)verwiesen.
Gegen das dem Kläger am 24.01.2008 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 13.02.2008 eingelegt und
am 09.04.2008 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
Der Kläger trägt zweitinstanzlich insbesondere vor,
zu beachten sei, dass die Versagung der Einsatzmöglichkeit aus Gründen erfolgte, die aus seiner - des
Klägers Sicht - schuldlos vorlägen. Unter Aspekten des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes sei
es nicht hinnehmbar, dass jegliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berufung auf den Widerruf
der Einsatzgenehmigung uneingreifbar würde. Es wäre Sache der Beklagten, bei den vertraglichen
Gestaltungen mit dem Auftraggeber für einen Entscheidungsspielraum zu sorgen.
Es erscheine fraglich, ob die Tatsache, dass der Kläger 15 Sekunden mehr für die Absolvierung seines
Prüfungslaufs gebraucht habe, dazu führe, dass dieser seine Tätigkeit nicht mehr in gleicher Weise
ausführen könne.
Er - der Kläger - habe seit 2003 keine Prüfung mehr abgelegt und sei dennoch ohne Weiteres eingesetzt
worden.
Er leide chronisch an folgenden Erkrankungen:
1. Diabetes mell mit diabetischer Retinopathie
2. Hypertonie mit V. a. hypertensive Kardiomyopathie
3. Chron LWS Syndrom
4. PHS bds.
Diese Erkrankungen führten seit Jahren zusammengenommen zu einer deutlichen Einschränkung der
körperlichen Belastbarkeit. Bei auf Dauer gerichteten Krankheiten läge eine Behinderung vor. Im Übrigen
würde er - der Kläger - auch wegen seines Alters diskriminiert. Außerdem stelle § 6 des Arbeitsvertrages
einen Verstoß gegen das AGB-Recht dar. Die Bedingungen des Vertrages seien mit der Intension des §
84 Abs. 2 SGB IV nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
1. unter Abänderung des Urteils das Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom
04.12.07 - AZ: 6 Ca 1130/07 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch
auflösende Bedingung zum 30.11.2007 beendet wurde,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene Kündung vom
21.08.2007 beendet wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Berufung
und erwidert, Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Überprüfung sei die Frage, ob die Parteien eine
rechtlich statthafte Vertragsgestaltung objektiv funktionswidrig zu Lasten des Klägers verwendet hätten.
Der durch den Entzug der Einsatzgenehmigung eingetretene Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit sei
ein ausreichender sachlicher Grund, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung
vorzusehen.
Die Voraussetzungen des § 6 des Arbeitsvertrages lägen vor. Die Einsatzgenehmigung sei auch nicht
ohne geringsten Grund entzogen worden.
Im Übrigen seien die Anforderungen an eine Überwachungskraft minimal und könnten von jeder
untrainierten Kraft erbracht werden. Das AGG sei nicht verletzt. Eine Behinderung setze voraus, dass die
Teilhabe am Berufsleben über einen längeren Zeitraum eingeschränkt sei.
Das sei vorliegend nicht der Fall. Es ginge um eine Erkrankung und nicht um eine Behinderung. Es läge
auch keine Diskriminierung wegen Alters vor, weil der Leistungstest mit seinen geringen Anforderungen
ohne Probleme bis zum Erreichen der Rentenbezugsberechtigung erbracht werden könne.
Nach § 20 AGG sei eine Benachteiligung nicht gegeben, wenn ein sachlicher Grund vorläge. Dieser sei
nach Nr. 2 gegeben. Die Überwachung amerikanischer Militäreinrichtungen, welche aufgrund der
terroristischen Bedrohungslage ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstelle, rechtfertige eine unterschiedliche
Behandlung.
Im Übrigen stünden nach der Rechtsprechung des EUGH einem Mitgliedsstaat der EU ein
Ermessensspielraum zu, um das Ziel der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.
Diese Grundsätze dürften für die Vereinigten Staaten aufgrund des Nato-Truppenstatuts zutreffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom
07.04.2008 (Bl. 158 bis 161 d. A.) und den weiteren Schriftsatz vom 20.05.2008 (Bl. 185 bis 193 d. A.)
nebst den vorgelegten Unterlagen und zur Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Beklagten vom
02.05.2008 (Bl. 172 bis 177 d. A.) sowie vom 13.06.2008 (Bl. 197 bis 198 d. A.) Bezug genommen und
zugleich wird auf die Feststellung in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 27.06.2008
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs.
1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf erkannt, dass das Begehren des Klägers wonach sein
Arbeitsverhältnis nicht durch auflösende Bedingung zum 30.11.2007 und die hilfsweise ordentliche
Kündigung beendet wurde, nicht begründet ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbG auf den diesbezüglich
begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter
Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.
III.
Berufungskammer geben zu folgenden Ergänzungen Anlass:
1.
sei, die aus Sicht des Klägers schuldlos vorlägen und hierbei auf der Beklagten nicht bekannte chronische
Erkrankungen, die tatbestandlich dargestellt wurden, abstellt, sowie schließlich auf eine nicht gegebene
Vereinbarung der Bedingungen seines Arbeitsvertrages mit der Intension des § 84 Abs. 2 SGB IV, vermag
dem die Berufungskammer aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
Bei der in § 6 des Arbeitsvertrages vereinbarten Regelung handelt es sich um eine auflösende
Bedingung, die nach § 21 TzBfG nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes i. s. d. § 14 Abs. 1 TzBfG
zulässig ist. Nach dem aktuellen Stand der für zutreffend gehaltenen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 19.03.2008 - 7 AZR 1033/06 -) ist in diesem Fall Gegenstand der
arbeitsgerichtlichen Kontrolle n i c h t die Rechtswirksamkeit einer Gestaltungserklärung des Arbeitgebers,
sondern, ob die Parteien eine rechtlich statthafte Vertragsgestaltung zur Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung o b j e k t i v f u n k t i o n s w i d r i g zu Lasten des Arbeitnehmers
verwendet haben (vgl. auch BAG, Urteil vom 25.08.1999 - 7 AZR 75/89 = EzA BGB, § 620 Bedingung Nr.
13).
Ob der Widerruf der Einsatzgenehmigung durch das Department of the Army (Bl. 66 d. A.), für sich
gesehen, einen ausreichenden Sachgrund für die vereinbarte auflösende Bedingung darstellt, kann
offenbleiben, denn maßgebend ist die sich aus dem Entzug der Einsatzgenehmigung des Arbeitnehmers
ergebene fehlende Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitgebers, die die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung rechtfertigt (vgl. BAG vom 19.03.2008 a. a. O.).
Die Berufung stellt in ihrer umfassenden Argumentation ausschließlich auf die Rechtmäßigkeit der
auflösenden Bedingung an sich ab. Hierauf kommt es nach dem Stand der Rechtsprechung jedoch nicht
an; maßgeblich ist vielmehr, ob die arbeitsvertragliche Vereinbarung vom 05.06.2007 einschließlich der in
der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vorgelegten Anlage zum Arbeitsvertrag, auf
die sich der Kläger eingelassen hat, einseitig zu Ungunsten des Klägers verwendet wurde. Dies jedoch ist
nicht anzunehmen.
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Beklagte bei der Bewachung von militärischen
Einrichtungen der US-Armee über das eingesetzte Personal nicht frei entscheiden, sondern nur solche
Arbeitnehmer einsetzen kann, die über eine Einsatzgenehmigung des Auftraggebers verfügen. Auf deren
Erteilung und Entzug hat die Beklagte keinen Einfluss.
Daher zählt die sich nach einem Entzug der Einsatzgenehmigung ergebende fehlende
Beschäftigungsmöglichkeit auch nicht zum allgemeinen ausschließlich dem Arbeitgeber zuzurechnenden
und damit nicht auf den Arbeitnehmer überwälzbaren Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers.
Besteht nach dem Entzug der Einsatzgenehmigung kein freier geeigneter Arbeitsplatz, wäre die
Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses wegen nicht mehr gegebener Beschäftigungsmöglichkeit
sinnentleert.
Feststellungen zu einer solchen anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten sind nach dem Sachstand
im Berufungsverfahren nicht möglich.
Angesichts des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes kommt es nicht darauf an, ob causa für den Wegfall
der Einsatzgenehmigung auch vom Kläger beeinflussbare Faktoren waren, ob die wiederholte
Nichterfüllung des Leistungstests schuldlos geschehen ist und überhaupt Gründe vorlagen, die einer
Beeinflussbarkeit durch den Kläger entgegenstanden. Die Vertragsgestaltung war daher angesichts der
besonderen Aufgabenstellung und des Geschäftsgegenstandes der Beklagten, der ausschließlich in der
Bewachung von Objekten der US-Armee besteht, nach Meinung der Berufungskammer nicht objektiv
funktionswidrig.
Aus vorgenannten Gründen erhellt, dass eine irgendwie geartete Diskriminierung der Beklagten nicht in
Betracht kommt. Im Übrigen hat diese zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 20 AGG eine
Benachteiligung nicht gegeben ist, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Dieser ist gegeben, weil die
Überwachung amerikanischer Militäreinrichtungen aufgrund der nach wie vor gegebenen terroristischen
Bedrohungslage einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis unterliegt, so dass im Normalfall bewältigbare
Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers einen ausreichenden
Sachgrund für eine unterschiedliche Behandlung abgeben.
Für die Beklagte besteht im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber - der US-Armee - kein
Entscheidungsspielraum, wenn es zum Widerruf der Einsatzgenehmigung durch den Auftraggeber kommt.
2.
nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 BGB ist nach dem Stand der ebenfalls für zutreffend gehaltenen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Raum (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2006 - 1 AZR 983/05 -
).
IV.
V.