Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.04.2005

LArbG Mainz: betriebsrat, berufliche erfahrung, arbeitsgericht, bad, unterrichtung, stadt, zahl, unternehmer, beschwerdekammer, herbst

LAG
Mainz
19.04.2005
5 TaBV 16/05
Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden
Aktenzeichen:
5 TaBV 16/05
5 BV 2/05
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Verkündet am: 19.04.2005
Tenor:
I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige
Kammern Bad Kreuznach - vom 17.02.2005 - 5 BV 2/05 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Das Unternehmen der Arbeitgeberin, die ihren Sitz in A-Stadt hat, wird in der Rechtsform einer
Aktiengesellschaft betrieben. Die Arbeitgeberin führt in A-Stadt den (Klinik-)Betrieb, für den der - aus neun
Mitgliedern bestehende - Antragsgegner (= Betriebsrat) gewählt worden ist. Nach näherer Maßgabe des
jeweiligen Vorbringens der Beteiligten beabsichtigt die Arbeitgeberin, den Verpflegungsbereich des A-
Städter Betriebes auszugliedern ("outzusourcen").
Mit der Antragsschrift vom 03.02.2005, die am 03.02.2005 bei dem Arbeitsgericht eingereicht wurde,
begehrt die Arbeitgeberin die Errichtung einer Einigungsstelle. Zur näheren Darstellung (insbesondere)
des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den
tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 17.02.2005 - 5 BV 2/05 - (dort Seite 2 ff. =
Bl. 49 ff. d. A.). Das Arbeitsgericht hat
1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über die Ausgliederung des Küchen- und
Verpflegungsbereichs der Arbeitgeberin sowie die sich hieraus ergebenden und/oder erforderlich
werdenden Maßnahmen beraten soll, den früheren Präsidenten des LAG WW, XX, bestimmt
und
2. die Zahl der Beisitzer pro Seite auf drei festgesetzt.
Gegen den ihm am 28.0.2005 zugestellten Beschluss vom 17.02.2005 - 5 BV 2/05 - hat der Betriebsrat am
11.03.2005 mit dem Schriftsatz vom 11.03.2005 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom
11.03.2005 (Bl. 61 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Betriebsrat macht dort u.a. geltend, dass die Arbeitgeberin bisher ihrer Verpflichtung, den Betriebsrat
vollständig und umfassend zu informieren, nicht ausreichend nachgekommen sei. Der Betriebsrat verweist
darauf, dass die Arbeitgeberin weder das endgültige Angebot des Caterers VV noch die Bilanz 2004 dem
Betriebsrat zur Beurteilung vorgelegt habe. Damit stehe fest, dass noch nicht einmal eine vollständige
Unterrichtung des Betriebsrates gem. § 111 BetrVG vorliege. Folglich könnten auch keine abschließenden
und ernsthaften Beratungen zwischen den Betriebspartnern über die geplante Betriebsänderung
stattfinden, - geschweige denn Verhandlungen über einen Interessenausgleich, wenn der Betriebsrat die
letztlich genau geplante Maßnahme gar nicht kenne und damit auch nicht die Folgen und evtl. Nachteile
für die Belegschaft endgültig beurteilen könne. Alternativen könnten nur dann aufgezeigt werden, wenn
der Betriebsrat die behaupteten Verluste analysieren und die Argumentation der Arbeitgeberin
nachvollziehen könne. Der Interessenausgleichsentwurf sei am 21.01.2005 (noch) nicht diskutiert worden,
- insbesondere auch deshalb, weil der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin das Alternativkonzept des
Betriebsrates diskutiert habe. Da noch weitere Verhandlungen vereinbart worden seien, könnten die
Verhandlungen nicht gescheitert sein. Das Informationsgespräch des Betriebsrates mit den von der
Arbeitgeberin benannten betriebsinternen Sachverständigen, hätte nicht stattgefunden. Nach Ansicht des
Betriebsrates widerspricht es dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und dem Gebot fairen
Verhandelns, wenn bei einer ersten Verhandlungsrunde, bei dem der Interessenausgleich einbezogen
werden solle, am Ende dieser Verhandlungen, - wenn noch nicht einmal über den Interessenausgleich im
Einzelnen gesprochen worden sei -, die Einigungsstelle angerufen werde und dabei der Betriebsrat noch
nicht einmal die endgültigen Informationen habe. Dies sei rechtsmissbräuchlich und erzeuge auf den
Betriebsrat einen unzulässigen Druck.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 17.02.2005 - 5 BV
2/05 - aufzuheben, - hilfsweise abzuändern und
den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen;
hilfsweise:
den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 17.02.2005 - 5 BV
2/05 - in Ziffer 1. abzuändern und den VRLAG UU zum Einigungsstellenvorsitzenden zu bestimmen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrates zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer
Ausführungen in der Beschwerdebeantwortung vom 19.03.2005 (Bl. 84 ff. d. A.), auf deren Inhalt zwecks
Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt
verwiesen.
II.
1.
Die Beschwerde ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die
hiernach zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet.
2.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht gemäß § 98 Abs. 1 ArbGG über die Besetzung der Einigungsstelle
entschieden. In Fällen der vorliegenden Art können wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle
die Anträge nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 98
Abs. 1 S. 2 ArbGG). Eine offensichtliche Unzuständigkeit der vom Arbeitsgericht eingerichteten
Einigungsstelle in diesem Sinne liegt nicht vor. Zwar haben nach § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG Arbeitgeber und
Betriebsrat über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für
die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. Auch verpflichtet § 111 Abs. 1 S. 1 ArbGG den
Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die
Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu
unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Hieraus ergibt sich
jedoch nicht, dass die förmliche Aufnahme von Verhandlungen stets Voraussetzung für ein gerichtliches
Bestellungsverfahren ist. Für die Einleitung eines gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 Abs. 1
ArbGG genügt es nach Ansicht des LAG Hamm (= Beschluss vom 26.07.2004 - 10 TaBV 64/04 -), dass
Betriebsrat und Arbeitgeberin wissen, worum es bei den Verhandlungen gehen soll. Ist der
Regelungsgegenstand - wie vorliegend der Fall - hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite frei
zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig
erachtet. Hält ein Betriebspartner die förmliche Aufnahme von Verhandlungen aufgrund des bisherigen
Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer
Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der
Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden
ist. Anderenfalls hätte es eine Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu
blockieren. Die Beschwerdekammer teilt diese im Beschluss des LAG Hamm vom 26.07.2004 - 10 TaBV
64/04 - vertretene Ansicht. Sie teilt weiter die ebenfalls vom LAG Hamm aaO. vertretene Ansicht, wonach
etwaige Informationsdefizite des Betriebsrates auch noch im laufenden Einigungsstellenverfahren
ausgeglichen werden können. Vorrangig ist es, die Einigungsstelle alsbald beginnen zu lassen und das
Einigungsstellenverfahren zügig durchzuführen. Die fehlende Unterrichtung des Betriebspartners kann
die Einleitung des Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG nur dann hindern, wenn der
Regelungsgegenstand entweder dem Betriebsrat oder der Arbeitgeberin noch nicht bekannt ist. Das ist
vorliegend jedoch nicht der Fall. Dem Betriebsrat war der Regelungsgegenstand "Outsourcen des
Verpflegungsbereiches" bereits im Herbst 2004 bekannt. Dies ergibt sich beispielsweise aus dem
Schreiben des Betriebsrates vom 28.10.2004 (Bl. 11 f. d. A.) sowie aus den
Sitzungsniederschriften/Protokollen vom 20.10./22.10.2004 und vom 03.11./09.11.2004 (Bl. 15 f., 18 f. d.
A.). Überdies ergibt sich bereits aus der eigene Einlassung des Betriebsrates, dass mit der Arbeitgeberin
ein Alternativkonzept des Betriebsrates diskutiert worden ist.
Zur weiteren Begründung des vorliegenden Beschlusses wird auf die Entscheidungsgründe des
Arbeitsgerichts Bezug genommen, die sich das Beschwerdegericht zu Eigen macht. Die
Beschwerdebegründung des Betriebsrates rechtfertigt eine von der Beurteilung des Arbeitsgerichts
abweichende rechtliche Bewertung nicht. Dies gilt auch soweit es um die Person des
Einigungsstellenvorsitzenden und um die Zahl der Beisitzer pro Seite geht. Hinsichtlich des
Einigungsstellenvorsitzenden ist zu beachten, dass dieser über eine deutlich längere berufliche Erfahrung
verfügt, als der Richter, den der Betriebsrat in seinem Hilfsantrag nennt.
3.
Hiernach musste die Beschwerde mit Haupt- und Hilfsantrag zurückgewiesen werden.
Die Rechtsbeschwerde durfte nicht zugelassen werden, da in dem hier gegebenen Fall des § 98 Abs. 1
und 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde nicht stattfindet. Dieser Beschluss ist deswegen unanfechtbar (§ 98
Abs. 2 S. 4 ArbGG).