Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 11.10.2005

LArbG Mainz: unwirksamkeit der kündigung, produktion, wirtschaftliche einheit, überwiegendes interesse, stadt, betriebsrat, begründung der kündigung, anhörung, arbeitsgericht, stillegung

LAG
Mainz
11.10.2005
5 Sa 440/05
Kündigung, betriebsbedingte
Aktenzeichen:
5 Sa 440/05
5 Ca 1287/04
ArbG Ludwigshafen
- AK Landau -
Entscheidung vom 11.10.2005
Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige
Kammern Landau in der Pfalz - vom 16.02.2005 - 5 Ca 1287/04 - teilweise dahingehend abgeändert, dass
die Klage hinsichtlich des Klageantrages zu 2 (= Weiterbeschäftigung) abgewiesen wird.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger zu 1/4 und dem Beklagten zu 3/4 auferlegt.
Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden dem Kläger zu 1/4 und zu 3/4 der
Streithelferin/der Nebenintervenientin auferlegt.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.648,- EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Mitglied des sieben-köpfigen Betriebsrates (gewesen), der für den Betrieb gewählt worden
ist, den die L. B.GmbH (- folgend: Insolvenzschuldnerin) auf dem Gelände S.C.-Straße 3, A-Stadt,
unterhalten hat. Die (spätere) Insolvenzschuldnerin stellte dort L.-M. für Badezimmer her. Der Kläger
gehörte dem Betrieb der Insolvenzschuldnerin seit dem 10.08.1970 an. Ungefähr im Frühsommer des
Jahres 2004 kam die Produktion der Insolvenzschuldnerin zum Erliegen. Mit dem Beschluss des
Amtsgerichts Landau vom 16.07.2004 - 3 IN 126/04 - wurde der Beklagte zum vorläufigen
Insolvenzverwalter und mit dem Beschluss vom 18.10.2004 - 3 IN 126/04 - zum Insolvenzverwalter über
das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt. Ab (ca.) Juni 2004 zahlte die Insolvenzschuldnerin keine
Löhne und Gehälter mehr. Im Anschluss an das an die Belegschaft gerichtete Schreiben des damaligen
Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, H. J. S. vom 25.08.2004 ("Insolvenzgeld und
Arbeitslosengeld") kündigten während der Betriebsversammlung vom 26.08.2004 viele (- der bis dahin ca.
115 bis 120 -) Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin selbst (fristlos), so dass sich in der Folgezeit die
Belegschaft der Insolvenzschuldnerin nur noch aus ca. 50 Arbeitnehmern zusammensetzte. Der Beklagte
spricht in diesem Zusammenhang im Schriftsatz vom 02.02.2005 (dort S. 2) von einer "Rumpfmannschaft"
von 47 Arbeitnehmern". Gemäß notarieller Urkunde - URNr. H 973 vom 11.10.2004 errichteten der E. P.
und die I. p. i. S.p.A. (- folgend: I. S.p.A. -) die L. B.-M. GmbH mit Sitz in T. Zwischenzeitlich hat die L. B.-M.
GmbH (- folgend: Streithelferin) ihren Sitz in A-Stadt/Pfalz. Geschäftsführer der Streithelferin sind der
(frühere) Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin H. J.S. und der E. P.
Ab ungefähr September 2004 entwickelte sich zwischen dem Beklagten und der I. S.p.A. - diese vertreten
durch den Dott. L. R. von der Kanzlei R. & S. eine Korrespondenz über den Erwerb von immateriellen und
materiellen Gegenständen der Insolvenzschuldnerin. Insoweit wird auf Bl. 148 ff. d. A. verwiesen
(Schreiben des L. R. vom 03.09.2004, vom 10.09.2004 und vom 06.10.2004; Schreiben des Beklagten
vom 13.09.2004). Die L. B.-M.l GmbH gehört zur Unternehmensgruppe der I. S.p.A. Mit dem Kaufvertrag
"Immaterielle Vermögensgegenstände" vom 13.10.2004 (Bl. 155 ff. d. A.) verkaufte der Beklagte in seiner
Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin der I. S.p.A.
folgende Vermögensobjekte der Insolvenzschuldnerin:
" 1) die Marke "L.",
2) die Geschmacksmuster einschließlich der Urheberrechte, soweit vorhanden;
3) Die technischen Zeichnungen, soweit möglich bzw. in Fotokopie sowie die Daten zu den technischen
Zeichnungen auf einem Datenträger (CD) soweit vorhanden, gem. Anlage.
4) Kataloge bzw. Urheberrechte an Katalogen (Kataloge befinden sich noch bei der Druckerei und sind
unbezahlt) sowie die Daten auf einem Datenträger (CD);
5) den Kundenstamm laut Kundenliste auf einem Datenträger (CD) gem. Anlage".
Mit dem Kaufvertrag "Warenvorräte" (Bl. 173 ff. d. A.) vom 03.11.2004 verkaufte der Beklagte (nunmehr) in
seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die in § 2 genannten Vermögensobjekte der
Insolvenzschuldnerin ("die Warenvorräte [vgl. Gutachten B. & K. GmbH, H. gemäß Anlage]") an die I.
S.p.A..
Zuvor hatte sich der Beklagte mit dem Schreiben vom 19.10.2004 (Bl. 71 f. nebst Anlage, Bl. 73 d. A. =
Liste der von den Kündigungen betroffenen Mitarbeitern) an den Betriebsrat (bzw. an das
Betriebsratsmitglied R. Z.) gewandt. Hierauf wird Bezug genommen.
Am 25.10.2004 wurden Verhandlungen u.a. von dem Dott. L. R. dem Beklagten und dem M. J. (von der IG
Metall) mit dem Ziel geführt, den Produktionsstandort A-Stadt/Pfalz für die Produktion von L.-B.möbel zu
erhalten. Bei den Verhandlungen machte Dot. L. R. als Bevollmächtigter der I.-Gruppe deutlich, dass eine
Übernahme von mehr als 40 Arbeitnehmern zu Beginn der Produktion nicht in Betracht komme.
Mit dem Schreiben vom 27.10.2004 kündigte der Beklagte dem Kläger zum 31.01.2005. Der Betriebsrat
hatte der Kündigung mit dem Schreiben vom 26.10.2004 widersprochen.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird
gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom
16.02.2005 - 5 Ca 1287/04 (dort Seite 3 ff.). Nach näherer Maßgabe seines Urteilstenors hat das
Arbeitsgericht im vorbezeichneten Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die
Kündigung des Beklagten vom 27.10.2004 nicht beendet worden ist; außerdem wurde der Beklagte zur
Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens
verurteilt.
Gegen das ihm am 29.04.2005 zugestellte Urteil vom 16.02.2005 hat der Beklagte am 30.05.2005
(=Montag) Berufung eingelegt und diese am 23.06.2005 mit dem Schriftsatz vom 22.06.2005 begründet.
Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung des Beklagten wird auf den Schriftsatz
vom 22.06.2005 (Bl. 111 ff. d. A.) verwiesen. Der Beklagte trägt dort u. a. vor,
dass, nachdem die I. S.p.A. lediglich die immateriellen Vermögensgegenstände erworben gehabt habe,
ihm klar gewesen sei, dass er den Produktionsstandort in A-Stadt unverzüglich schließen musste, sofern
nicht doch noch ein Erwerber gefunden würde, der bereit sei, die Produktion der Insolvenzschuldnerin
wieder aufzunehmen. Nachdem sich der Arbeitnehmervertreter bzw. der Vertreter der IG Metall, J., am
Vormittag des 26.10.2004 nicht gemeldet habe, sei der Beklagte davon ausgegangen, dass die
Verhandlungen endgültig gescheitert seien. Im Laufe des 26.10.2004 habe die I. S.p.A. dem Beklagten
mitgeteilt, dass eine Produktion in A-Stadt nicht in Betracht komme; die Verhandlungen für eine
Übernahme von 40 Arbeitnehmern am Standort A-Stadt seien endgültig gescheitert. Nachdem aus seiner
Sicht der letzte Versuch einer Rettung der Insolvenzschuldnerin fehlgeschlagen sei, habe sich der
Beklagte zur endgültigen Stillegung des Betriebes entschlossen. Der Beklagte behauptet, dass die
vollständige Stillegung des Betriebes zum Zeitpunkt der Kündigung greifbare Formen angenommen habe.
Dazu führt der Beklagte weiter aus. Der Beklagte beanstandet, dass das Arbeitsgericht nicht darauf
eingehe, dass der M. J. nicht bereit gewesen sei, die am 25.10.2004 formulierte Vereinbarung zu
unterschreiben.
Am 03.11.2004 habe sich die I. S.p.A. überraschend doch noch zum Erwerb des Warenlagers der
Insolvenzschuldnerin entschlossen. Die einzelnen Gründe für diese plötzliche Entscheidung der I. S.p.A.
seien dem Beklagten nicht bekannt. Ebensowenig sei ihm bekannt, warum die I. S.p.A. die Warenvorräte
und Maschinen nicht - wie ursprünglich vorgesehen - nach T. verbracht, sondern inzwischen die
Produktion am Standort A-Stadt aufgenommen habe (- gemeint ist wohl: die unstreitige Aufnahme der
Produktion durch die A., also die Streithelferin, -). Jedenfalls - so macht der Beklagte geltend - sei der
spätere Betriebsübergang für die Kündigung vom 27.10.2004 nicht ursächlich gewesen. Tragende
Ursache der Kündigung sei ausschließlich die wirtschaftliche Situation der Insolvenzschuldnerin
gewesen. Diese habe nach dem endgültigen Scheitern der Verkaufsverhandlungen am 26.10.2004 eine
sofortige Zerschlagung des Betriebes und die Entlassung aller Arbeitnehmer erforderlich gemacht.
Im Übrigen stellt der Beklagte darauf ab, dass das Sanierungskonzept der I. S.p.A. zum Zeitpunkt der
Kündigung verbindlich festgestanden habe. Dieses Konzept sei Teil der am 25.10.2004 zwischen dem
Beklagten, der I. S.p.A. und dem Vertreter der Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarungen. Der
Schutzgedanke des § 613a Abs. 1, 4 BGB stehe (aber) einer Kündigung des Betriebsveräußerers
aufgrund eines Erwerberkonzepts nicht entgegen. Das Sanierungskonzept der I. S.p.A. habe die
Fortsetzung einer Produktion mit einer Anzahl von maximal 40 Arbeitnehmern vorgesehen. Somit sei die
Kündigung der Arbeitnehmer die einzige Möglichkeit gewesen, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin -
wenn auch in erheblich reduziertem Umfang - fortzuführen.
Die Streithelferin hat die Berufung des Beklagten mit dem Schriftsatz vom 23.06.2005 (Bl. 128 ff. d. A.) und
- in Erwiderung der Berufungsbeantwortung des Klägers - ergänzend im Schriftsatz vom 10.10.2005 (Bl.
231 ff. d. A.) begründet. Hierauf wird jeweils verwiesen.
Im Schriftsatz vom 23.06.2005 führt die Streithelferin insbesondere dazu aus, dass der Beklagte
spätestens bei Ausspruch der Kündigungen vom 27.10.2005 die endgültige Stillegung des Betriebes
(sehr wohl) beabsichtigt habe. Die Streithelferin verweist auf die seinerzeit geführte Korrespondenz. Die
Streithelferin trägt (weiter) vor, dass dem Beklagten, als dieser die Vertreter der I. S.p.A. und die
Arbeitnehmervertreter für den 25.10.2004 zu Verhandlungen an einen Tisch gezwungen habe, klar
gewesen sei, dass die Arbeitnehmervertreter hätten Zugeständnisse machen müssen, um A-Stadt als
Produktionsstandort zu retten. Die Streithelferin verweist auf ihre Beweisangebote sowie u.a. auf den
Zeitungsausschnitt aus der "Südlichen Weinstraße" (- gemeint wohl: "RHEINPFALZ" -) vom 21.10.2004 (Bl.
168 d.A.). Bei der Auswahl der 40 Arbeitnehmer sei nach Bedarf, Können und Leistung (flexible
Einsatzmöglichkeit) ausgewählt worden, - wobei das nach Leistung und Fähigkeit für die Bereiche der
Holzverarbeitung, Schnitt und Montage stärkste Team von dem Produktionsleiter Richter ausgewählt
worden sei. Da sich M. J. von der IG Metall am 26.10.2004 nicht gemeldet habe, habe Dott. L. R. dem
Präsidenten der I. S.p.A., E. P., weitergegeben, dass man eine Produktion in A-Stadt lassen solle und
vielmehr die Badmöbel in T. oder in I. produzieren lassen sollte. P.i sei hiermit im Namen der I. S.p.A.
einverstanden gewesen. Daraufhin habe Riera dem Beklagten am 26.10.2004 mitgeteilt, dass eine
Produktion in A-Stadt nicht in Betracht komme und dass man sich für eine Produktion in T. oder ganz in I.
entschieden habe, - die Verhandlungen jedenfalls für eine Übernahme von 40 Arbeitnehmern und eine
Produktion in A-Stadt gescheitert seien.
Das Arbeitsgericht - so argumentiert die Streithelferin weiter - habe zu unrecht angenommen, dass der
Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch in ernsthaften Verhandlungen über eine
Veräußerung des Betriebes gewesen sei und dass der Beklagte die Kündigung "auf Vorrat" allein für den
Fall erklärt habe, dass die Veräußerung scheitere und der Betrieb deswegen noch stillgelegt werden
sollte. Dem sei im vorliegenden Fall entgegen der Vermutung des Arbeitsgerichts gerade nicht so
gewesen. Das Arbeitsgericht habe gänzlich außer Betracht gelassen, dass der Vertreter der IG Metall nicht
bereit gewesen sei, die von ihm selbst mitformulierte Vereinbarung zu unterzeichnen, und dass dadurch
die Verhandlungen bzgl. einer Produktionsfortsetzung endgültig gescheitert gewesen seien. Auch lasse
das Arbeitsgericht unberücksichtigt, dass die I. S.p.A. ihre Übernahmeverhandlungen mit konkreten
Bedingungen und Vorgaben geführt habe.
In der Zeit zwischen dem 25.10.2004 und dem 03.11.2004 habe die I. S.p.A. abgewogen, ob sie die
Produktion der von der Insolvenzschuldnerin bisher hergestellten Badmöbel in I. oder in T, vornehmen
lassen sollte. Dabei sei eine Abwägung dahingehend gemacht worden, dass eine Produktion der L.-
Möbel-Programme in T. bei der ebenfalls zur I.-Gruppe zählenden S. GmbH wirtschaftlich sinnvoller wäre.
Dabei sei man zum Schluss gekommen, dass man mit Hilfe der vom Insolvenzverwalter gekauften
immateriellen Vermögensgegenstände und ohne Warenvorräte und ohne Maschinen der
Insolvenzschuldnerin mit den wenigen Produktprogrammen der Firma L. einen Umsatz von 2 Millionen
Euro in T. erreichen könnte. Mit Hilfe der Warenvorräte und der Maschinen der Insolvenzschuldnerin sei
jedoch in T. ein Umsatz von 5 Millionen Euro erreichbar gewesen. Lediglich zum Zwecke der Erreichung
eines höheren Umsatzes habe sich die I. S.p.A. zum Erwerb des Warenlagers am 03.11.2004
entschlossen. Nach Abschluss und Unterzeichnung des Kaufvertrages bzgl. der Warenvorräte habe I.
S.p.A. festgestellt, dass ein Umzug der Warenvorräte und der Maschinen nach T. mit hohen Kosten
verbunden gewesen wäre. Deshalb habe sich die I. S.p.A. nach dem 03.11.2004 für eine Produktion in A-
Stadt - aber bei einer Belegschaft von 40 Arbeitnehmern - entschlossen. Ein Betriebsübergang sei
hierdurch nicht erfolgt. Auf die Wirksamkeit der Kündigung habe diese nachträgliche Entscheidung keine
Auswirkung. Entscheidend sei vielmehr, dass der Beklagte am 25.10.2004 die Hoffnung für eine
Betriebsveräußerung wegen des Rückzuges der I. S.p.A. habe aufgeben müssen. Der spätere
Betriebübergang und die Entscheidung für die Durchführung der Produktion in A-Stadt sei für die
Kündigung nicht ursächlich gewesen.
Unabhängig davon sei die Kündigung mit Rücksicht auf das Sanierungskonzept der I. S.p.A. und im
Hinblick auf das BAG-Urteil vom 20.03.2003 - 8 AZR 97/02 - rechtlich nicht zu beanstanden. Dazu führt die
Streithelferin weiter aus.
Im Schriftsatz vom 10.10.2005 führt die Streithelferin insbesondere auch noch zur Frage der
Entbehrlichkeit eines weiteren Betriebsratsanhörungsverfahrens sowie dazu aus, dass der Kläger den
behaupteten Mangel des Anhörungsverfahrens nicht mehr vorbringen könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 16.02.2005 - 5 Ca
1287/04 - abzuändern
und
die Klage abzuweisen.
Die Streithelferin schließt sich diesem Antrag an.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe der Ausführungen in der
Berufungsbeantwortung vom 29.08.2005 (Bl. 209 ff. d. A.), auf deren Inhalt verwiesen wird. In der
Berufungsbeantwortung wird insbesondere geltend gemacht, dass die Kündigung einerseits an der nicht
ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG scheitere, andererseits aber auch
daran, dass der Beklagte gehindert sei, den entsprechenden weiteren Sachvortrag zur Begründung der
daran, dass der Beklagte gehindert sei, den entsprechenden weiteren Sachvortrag zur Begründung der
Kündigung wirksam in den vorliegenden Rechtsstreit mit einzuführen. Es stehe jedenfalls fest, dass der
Beklagte den Betriebsrat nicht bereits am 19.10.2004 über den Beschluss zur endgültigen
Betriebsstillegung, - den er tatsächlich erst später gefasst haben wolle -, habe informieren können. Da vor
Kündigungsausspruch ein weiteres Anhörungsverfahren nicht eingeleitet worden sei, habe die
angegriffene Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beenden können. Schließlich belege die
Einleitung des Anhörungsverfahrens beim Betriebsrat bereits am 19.10.2004, dass die Feststellung des
Arbeitsgerichts, die Kündigung sei unzulässigerweise "auf Vorrat" beabsichtigt bzw. ausgesprochen
worden, ohne Abstriche zutreffe.
Unabhängig davon könnten aber auch anhand des neuen bzw. ergänzenden Sachvortrages des
Beklagten und der Streithelferin keine ausreichenden Tatsachen dafür festgestellt werden, dass zum
Zeitpunkt des Kündigungsausspruches dringende betriebliche Gründe i. S. des Gesetzes vorgelegen
hätten. In der Berufungsbeantwortung wird die behauptete Stillegungsentscheidung des Beklagten
bestritten sowie die Auffassung vertreten, der Beklagte habe näher darlegen müssen, inwieweit er z. B.
etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst habe, die Betriebsmittel, über die er habe
verfügen können, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt habe. Auch sonstige Verträge,
z.B. über die Versorgung mit Wasser und Elektrizität, wären zu kündigen gewesen. Zu all diesen
Umständen habe der Beklagte nichts vorgetragen. Auch tatsächlich - so wird von Klägerseite geltend
gemacht - sei insoweit von dem Beklagten nichts unternommen worden.
Soweit es um die Frage des Erwerberkonzeptes geht, vermisst die Berufungsbeantwortung die Vorlage
eines verbindlichen Konzeptes bzw. eines Sanierungsplanes. Ein Vortrag zur Ausarbeitung des
Konzeptes im Einzelnen fehle. Soweit es um die Auswahl der 40 Arbeitnehmer geht, bestreitet der Kläger
die entsprechende Behauptung des Beklagten bzw. der Streithelferin. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen
Gründen entgegen der ursprünglichen Einigung zuletzt weder Betriebsratsmitglieder, noch
Schwerbehinderte übernommen werden sollten.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die - von der Streithelferin unterstützte - Berufung des Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich nur teilweise
als begründet.
II.
Die Klage ist mit dem Feststellungsantrag begründet, - mit dem Weiterbeschäftigungsantrag hingegen
unbegründet.
1. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die Kündigung vom 27.10.2004 nicht aufgelöst worden.
a) Dies ergibt sich bereits aus § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Es ist nach näherer Maßgabe der
höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkanntes Recht, dass die in § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG normierte
Rechtsfolge "Unwirksamkeit der Kündigung" nicht nur dann eintritt, wenn die Anhörung des Betriebsrates
gänzlich unterbleibt, - sondern auch dann gegeben sein kann, wenn dem Arbeitgeber bei der Einleitung
und/oder der Durchführung des Anhörungsverfahrens - zur Unwirksamkeit der Kündigung führende -
Fehler unterlaufen. Ein derartiger Fehler des Arbeitgebers ist vorliegend festzustellen. Dieser Fehler
besteht darin, dass die Einleitung des Anhörungsverfahrens mit dem Schreiben vom 19.10.2004 unter den
gegebenen Umständen erkennbar nur auf Vorrat erfolgte. Auch wurden die Kündigungsgründe, auf die
sich der Beklagte und die Streithelferin berufen ("beabsichtigte Betriebsstillegung"; "Erwerberkonzept") bei
der Einleitung des Anhörungsverfahrens am 19.10.2004 entweder überhaupt nicht (= "Erwerberkonzept")
oder allenfalls pauschal (= "beabsichtigte Betriebsstillegung") mitgeteilt. Das damals eingeleitete
Anhörungsverfahren stellt keine ausreichende Grundlage für die Kündigung vom 27.10.2004 dar. Für die
ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens ist ein aktueller Kündigungsentschluss des
Arbeitgebers erforderlich. Ist die künftige Entwicklung, - die zu einer Kündigung führen könnte, noch nicht
sicher abzusehen, - erfolgt die Anhörung aber trotzdem, ist eine solche Anhörung auf Vorrat unzulässig.
Es widerspricht nämlich dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens, es bereits zu einem Zeitpunkt
einzuleiten, in dem der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht noch gar nicht verwirklichen will oder kann.
Die Anhörung des Betriebsrates erfolgt dann eben nicht im maßgeblichen Stadium, sondern im Vorfeld
der Willensbildung des Arbeitgebers, - also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kündigungsüberlegungen
noch unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung stehen.
b) Den Beschluss zur Betriebsstillegung hat der Beklagte - wenn überhaupt im Übrigen ordnungsgemäß -
erst nach dem 25.10.2004 gefasst. Die streitgegenständliche Kündigung ist deshalb als rechtsunwirksam
anzusehen, weil der Betriebsrat zu dem Kündigungsgrund "beabsichtigte Betriebsstillegung gemäß
Stillegungsbeschluss des Beklagten", - der bei Einleitung des Anhörungsverfahrens am 19.10.2004
objektiv noch nicht vorgelegen hat -, nicht wirksam angehört werden konnte.
aa) Zwar steht der bloße Vorbehalt eines Betriebsinhabers, - dies gilt auch für Konkurs- und
Insolvenzverwalter -, falls sich wider Erwarten doch noch eine Möglichkeit zur Betriebsveräußerung
ergeben sollte, werde er die entsprechende Chance wahrnehmen, einer zuvor ernsthaft und endgültig
gefassten Stillegungsabsicht nicht entgegen. Vorliegend lässt sich aber aufgrund des von dem Beklagten
und von der Streithelferin vorgetragenen Sachverhalts nicht feststellen, dass der Beklagte bereits am
19.10.2004 oder zuvor eine ernsthafte und endgültige Stillegungsabsicht hatte. Die Betriebsstillegung
setzt - wegen der notwendigen Abgrenzung zu einer Betriebsveräußerung - voraus, dass der jeweilige
Betriebsinhaber/Arbeitgeber den Betrieb so einstellt (- bzw. "zerschlägt" -) wie dies in der
höchstrichterlichen Rechtssprechung beschrieben wird. Wenn auch damals nicht produziert wurde, so war
am 19.10.2004 der Tatbestand einer bereits vollzogenen Betriebsstillegung jedenfalls noch nicht
gegeben. Der Arbeitgeber ist allerdings (auch) nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung
der Stillegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in
Betracht. Wird die Kündigung - wie hier - auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse
gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen
angenommen haben. Grundsätzlich brauchen betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu
sein, sondern es genügt, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichnen. Sie liegen dann vor, wenn
aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung mit einiger Sicherheit davon
auszugehen ist, zum Zeitpunkt des beabsichtigten Kündigungstermins sei der Eintritt eines die Entlassung
erforderlich machenden betrieblichen Grundes deswegen gegeben, weil dann eine Beschäftigung des zu
kündigenden Arbeitnehmers über den Kündigungstermin hinaus nicht mehr möglich sein werde. Soweit
es um die Abgrenzung zu einer Betriebsveräußerung geht, ist zu beachten, dass § 613a Abs. 1 BGB nicht
nur dann anwendbar ist, wenn die wirtschaftliche Einheit (Betrieb oder Betriebsteil) als Ganzes unmittelbar
durch ein einheitliches Rechtsgeschäft von dem Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird. Keine
Betriebsstillegung sondern der Tatbestand des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB liegt vielmehr auch dann vor,
wenn der Übergang von dem bisherigen auf den neuen Inhaber durch eine Reihe von verschiedenen
Rechtsgeschäften oder durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit verschiedenen Dritten, - die
ihrerseits Teile des Betriebsvermögens oder die Nutzungsbefugnis darüber von dem bisherigen
Betriebsinhaber erlangt haben -, rechtsgeschäftlich veranlasst wurde. Alleine der Rückzug des bisherigen
Betriebsinhabers aus dem betrieblichen Geschehen stellt noch keine Betriebsstillegung dar. Von einer
(beabsichtigten) Betriebsstillegung ist erst auszugehen, wenn der bisherige Arbeitgeber/Betriebsinhaber
seine Stillegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, die Betriebsmittel, über
die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt.
bb) Soweit es freilich um den Bedeutungswert der Kündigung von Arbeitnehmern geht, darf dieser Wert
nicht überschätzt werden. Für die Betriebsstillegung im Sinne eines betriebsbedingten
Kündigungsgrundes besagt die Entlassung von Arbeitnehmern allein noch nichts Entscheidendes, - weil
es ja gerade um die Frage geht, ob diese Entlassungen gerechtfertigt sind. Hält man - wie geboten - die
Absicht zur vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit (bzw. zur Zerschlagung des Betriebes) für
erforderlich, so ist zu berücksichtigen, dass dann im Streitfall vom Arbeitgeber eben im einzelnen
darzulegen ist, dass er bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits den
ernstlichen
Entschluss gefasst hatte, die Betriebs- und Produktonsgemeinschaft dauernd oder zumindest für eine ihrer
Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben. Die Darlegung der
entsprechenden endgültigen und abschließenden Planung hat sich auf die Vermögensgegenstände
sowie auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zu erstrecken, die den jeweiligen Betrieb im
wesentlichen ausmachen. Insoweit geht aber weder der Beklagte, noch die Streithelferin konkret auf die
seinerzeit bestehenden Beziehungen zu Lieferanten und Kunden ein. Zwar wurde seit Juni/Juli 2004 nicht
mehr produziert. Dass es sich hierbei aber um mehr als nur um eine Betriebspause gehandelt haben
könnte, ist jedoch nicht dargetan. Insbesondere fehlen Angaben zur Auftragssituation und deren
Abwicklung. Dass beschlossen worden sei, überhaupt keine Aufträge mehr anzunehmen, ist nicht
dargetan. Über die Kündigung von etwaigen Energieversorgungsverträgen, wie z. B. Strom-, Gas- und
Wasserbezugsverträgen, verhält sich das Vorbringen des Beklagten und der Streithelferin nicht. Nicht
ersichtlich ist, inwieweit die Kündigung von Miet- und Telefonverträgen beabsichtigt war. Da der Beklagte
auch mit Unterstützung der Streithelferin Indizien für eine bereits am 19.10.2004 vorhandene
Stillegungsabsicht nicht hinreichend vorgetragen hat, ist festzustellen, dass er die Stillegungsabsicht,
Stillegungsabsicht nicht hinreichend vorgetragen hat, ist festzustellen, dass er die Stillegungsabsicht,
wenn überhaupt, erst nach dem 25.10.2004 gefasst hat. Vor dem Hintergrund der seinerzeit (d. h. am
19.10.2004) noch laufenden Verhandlungen mit der I. S.p.A. musste der Betriebsrat das
Anhörungsschreiben vom 19.10.2004 nicht als Kundgabe der Betriebsstillegungsabsicht des Beklagten
verstehen. Zwar heißt es dort u.a., dass die gegebene wirtschaftliche Situation eine Wiederaufnahme und
Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht erlaube. Daraus und aus dem weiteren Inhalt des Schreibens
vom 19.10.2004 ergibt sich jedoch nicht, dass der Beklagte bereits damals den Beschluss gefasst hatte,
den Betrieb stillzulegen. Deswegen ist (auch) festzustellen, dass der Beklagte dem Betriebsrat den
Kündigungsgrund nur unzureichend - nämlich zu pauschal - mitgeteilt hat. Zwar geht die
betriebsverfassungsrechtliche Mitteilungspflicht des Arbeitgebers inhaltlich nicht so weit wie die
Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß. Durch eine - wie hier - nur pauschale
Angabe des Kündigungsgrundes kann der Arbeitgeber die ihm gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 und 3 BetrVG
obliegende Mitteilungs- und Anhörungspflicht aber nicht erfüllen.
cc) Die seinerzeit zwischen dem Beklagten und der I. S.p.A. geführten Verhandlungen fanden - unter
anderem - auf der Grundlage der Schreiben vom 10.09.2004 und vom 06.10.2004 statt. Alleine aus dem
Umstand, dass am 13.10.2004 ein Kaufvertrag (nur) über die dort in § 2 genannten Vermögensobjekte
abgeschlossen worden war, ergibt sich noch nicht, dass damals kein Interesse der I. S.p.A. mehr an
weiteren Gegenständen, wie an den Maschinen und an dem Lagerbestand oder gar insgesamt an der
noch vorhandenen wirtschaftlichen Einheit, die sich auf dem Gelände "C. Str. 3, A-Stadt" befand,
bestanden hätte. Unklar war möglicherweise der Produktionsstandort des neuen L.-Badezimmermöbel-
Herstellungsbetriebes (T. oder I.?). Bei einem Produktionsbetrieb, wie ihn die Insolvenzschuldnerin
geführt hat und wie ihn die Streithelferin führt, zählt der jeweilige Produktionsstandort aber nicht so sehr zu
den für die Frage der wirtschaftlichen Einheit maßgeblichen Tatsachen. Bei Hinzutreten weiterer
Umstände kann bei einem Produktionsbetrieb die wirtschaftliche Einheit auch dann gewahrt bleiben,
wenn die Produktion - was vorliegend im Vergleich der Insolvenzschuldnerin zur Streithelferin letztlich
aber gerade nicht der Fall ist - an einem anderen Ort/Standort erfolgt. Maßgeblicher als der
Produktionsstandort erscheint vielmehr der Erwerb von immateriellen Betriebsmitteln, wie dem
Kundenstamm, den Kundenlisten, des "knowhow" und des "good will". Insoweit ist hier auf den
Kaufvertrag "Immaterielle Vermögensgegenstände" zu verweisen, mit dem die I. S.p.A. die Marke "L.", die
Geschmacksmuster einschließlich der Urherberrechte, soweit vorhanden, technische Zeichnungen,
Kataloge und den Kundenstamm laut Kundenliste erworben hat. Von daher waren die am 25.10.2004 mit
dem Ziel, den Produktionsstandort A-Stadt zu erhalten, geführten Verhandlungen durchaus
erfolgsversprechend. Tatsachen, die darauf schließen lassen könnten, der Beklagte sei gleichwohl bereits
am 19.10.2004 ernsthaft und endgültig zur Betriebsstillegung entschlossen gewesen, lassen sich nicht
feststellen. Soweit der Beklagte und die Streithelferin dennoch eine derartige Absicht des Beklagten -
bezogen auf den 19.10.2004 oder die Zeit davor - behaupten wollen, ist ihr Vorbringen unsubstantiiert.
c) Handelt es sich hiernach bei der am 19.10.2004 eingeleiteten Anhörung um eine unzulässige
Anhörung auf Vorrat, scheitert die Kündigung an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Außderdem ergibt sich die
dort angeordnete Rechtsfolge daraus, dass damals der Kündigungsgrund nur pauschal angegeben
wurde. An diesen Feststellungen ändert der Umstand, dass sich der Betriebsrat mit dem Widerspruch vom
26.10.2004 auf das Anhörungsschreiben vom 19.10.2004 eingelassen hat, nichts. Dadurch wurden die
bei der Einleitung des Anhörungsverfahrens aufgetretenen Mängel nicht geheilt.
Der Kläger hat die Kündigung vom 27.10.2004 rechtzeitig im Sinne des § 4 Satz 1 KSchG mit der
Kündigungsschutzklage angegriffen. Außerdem hat er noch vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung
1. Instanz (auch) geltend gemacht, dass der Betriebsrat vor Kündigungsausspruch nicht ordnungsgemäß
angehört worden sei (Schriftsatz vom 17.01.2005, dort Seite 14 - unten - ). Damit hat sich der Kläger
zumindest deswegen rechtzeitig auch auf den Unwirksamkeitsgrund des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG
berufen (vgl. § 6 S. 1 KSchG).
2. Unabhängig davon - und darauf wird dieses Berufungsurteil selbständig tragend ebenfalls gestützt - ist
es dem Beklagten und der Streithelferin nicht gelungen, dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1
Abs. 2 S. 1 KSchG schlüssig darzulegen. Sollten die oben (bei II. 1.) dargelegten Mängel des
Anhörungsverfahrens entgegen der von der Berufungskammer vertretenen Rechtsansicht (doch) nicht
bereits unmittelbar gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt haben, so
wirken sich diese Mängel jedoch zumindest mittelbar zum Nachteil des Beklagten aus. Nach näherer
Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtssprechung kann sich der Arbeitgeber im Prozeß nicht auf
Kündigungsgründe oder auf - für einen Kündigungssachverhalt - wesentliche Umstände berufen, die er
dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat. Insoweit ist es anerkanntes Recht, dass die Kündigungsbegründung
des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß einer - aus Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 BetrVG
ableitbaren - Schranke unterliegen kann. Diese betriebsverfassungsrechtliche Schranke ist vorliegend
gegeben. Wenn überhaupt, dann haben Beklagter und Streithelferin erstmals im Berufungsverfahren
Tatsachen vorgetragen, die dem bisherigen - zum Zwecke der Kündigungsbegründung erfolgten -
Vorbringen des Beklagten das Gewicht eines kündigungsrechtlich i. S. d. § 1 Abs 2 S. 1 KSchG
erheblichen Kündigungsgrundes geben können. Vergleicht man dieses - erstmals im Berufungsverfahren
erfolgte - Vorbringen des Beklagten und der Streithelferin mit den Angaben zum Kündigungsgrund, wie
sie im Anhörungsschreiben vom 19.10.2004 enthalten sind, so ergibt sich, dass das prozessuale
Vorbringen (des Beklagten und der Streithelferin) über die (bloße) Erläuterung und Ergänzung von - dem
Betriebsrat im Schreiben vom 19.10.2004 - bereits mitgeteilter Tatsachen hinausgeht. Zwar ist dem
Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß die Erläuterung (= Substantiierung und/oder Konkretisierung)
der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe gestattet. Hier berufen sich aber Beklagter und
Streithelferin auf einen - nach dem Scheitern der Verhandlungen vom 25.10.2004 gefassten - Entschluss
zur endgültigen Stillegung des Betriebes. Derartiges ist dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom
19.10.2004 aber nicht mitgeteilt worden, - so dass es sich bei dem diesbezüglichen Vortrag (des
Beklagten und der Streithelferin) im Prozeß nicht um erläuternde oder ergänzende Angaben handelt,
sondern um ein betriebsverfassungsrechtlich unzulässiges Nachschieben eines neuen
Kündigungsgrundes bzw. Kündigungssachverhaltes. Soweit die Kündigungsbegründung hiernach
verwertbar ist, reicht diese nicht aus, um damit schlüssig das Vorliegen eines Kündigungsgrundes i. S. d. §
1 Abs. 2 S. 1 KSchG darzulegen. Wegen der notwendigen Abgrenzung von der Betriebsveräußerung -
insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu Ziff. II. 1. b) aa) und bb) verwiesen - ergeben sich alleine
aus der im Anhörungsschreiben vom 19.10.2004 enthaltenen Kündigungsbegründung noch keine
dringenden betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG entgegenstehen könnten. Dies gilt gleichermaßen für beide Kündigungsgründe ("beabsichtigte
Betriebsstillegung" und "Erwerberkonzept"), auf die sich der Beklagte und die Streithelferin nunmehr
berufen. Damit erweist sich die Kündigung also auch gemäß § 1 Abs. 1 KSchG als rechtsunwirksam.
Dahingestellt bleiben kann, ob sich diese Rechtsfolge selbst dann noch ergibt, wenn die
Kündigungsbegründung keiner betriebsverfassungsrechtlichen Schranke unterliegen würde.
3. Hinsichtlich des Weiterbeschäftigunganspruches, den das Arbeitsgericht unter Ziffer 2. seines
Urteilstenors ausgeurteilt hat, musste die Klage abgewiesen werden. Die Auslegung des
Berufungsbegehrens ergibt, dass sich die Berufung (auch) auf diese Verurteilung erstreckt. Insoweit
erweist sich die Berufung als begründet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte derzeit noch über eine
betriebliche Organisation verfügen würde, innerhalb derer er den Weiterbeschäftigungsanspruch des
Klägers - in einer dem Beklagten zumutbaren Art und Weise - erfüllen könnte. Unabhängig davon sind im
vorliegenden Verfahren Umstände zu Tage getreten, die (jedenfalls derzeit) eine (erneute) Ungewissheit
über den Fortbestand des verfahrensgegenständlichen Arbeitsverhältnisses des Klägers begründen. Der
Kläger spricht - ähnlich wie der Beklagte - von einem Betriebsübergang gem. § 613 a BGB (Schriftsatz
vom 17.01.2005, dort Seite 14 - unten - zum einen und Berufungsbegründung vom 22.06.2005, dort Seite
5 zum anderen). Damit hat sich die für die Beurteilung des Weiterbeschäftigungsanspruches maßgebliche
Interessenlage (erneut) dahingehend verändert, dass im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der
mündlichen Berufungsverhandlung ein überwiegendes Interesse des Klägers an der vorläufigen
Weiterbeschäftigung durch den Beklagten nicht festgestellt werden kann. Vielmehr ist ein überwiegendes
Interesse des Beklagten daran festzustellen, den Kläger nicht zu beschäftigen. Der Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten ist deswegen ungewiss, weil das Arbeitsverhältnis
möglicherweise auf die Streithelferin übergegangen ist. Diese Ungewissheit steht dem
(verfahrensgegenständlichen) Weiterbeschäftigungsanspruch, der gegen den Beklagten gerichtet ist,
entgegen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 101 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs 2 GKG festgesetzt.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Das vorliegende Berufungsurteil ist deswegen derzeit mit
der Revision nicht anfechtbar. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann
unter den Voraussetzungen des § 72 a ArbGG und nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift selbständig
durch Beschwerde, die beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt, einzulegen ist,
angefochten werden. Darauf werden die Prozessbeteiligten, soweit sie durch das vorliegende
Berufungsurteil beschwert sind, hingewiesen.