Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26.04.2006

LArbG Mainz: ablauf der frist, mensch, eigenschaft, konstitutive wirkung, anerkennung, arbeitsgericht, behinderter, kündigungsschutz, gleichstellung, behinderung

LAG
Mainz
26.04.2006
9 Sa 29/06
Ausschluss von Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen?
Aktenzeichen:
9 Sa 29/06
8 Ca 19/05
ArbG Mainz
Entscheidung vom 26.04.2006
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.12.2005, Az. 8 Ca
19/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen
Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des
Arbeitsgerichts Mainz vom 06.12.2005 (dort S. 2 - 7 = Bl. 179 - 184 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 16.12.2004
nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Mainz hat entsprechend seinem Beweisbeschluss vom 11.11.2005 (Bl. 171 ff. d. A.)
Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X. und W.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolles vom 11.11.2005 (Bl. 172 ff. d. A.) verwiesen.
Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 06.12.2005 (Bl. 178 ff. d. A.) festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 16.12.2004 nicht beendet worden ist.
Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die
streitgegenständliche Kündigung sei unwirksam, da die nach § 85 SGB IX notwendige Zustimmung des
Integrationsamtes zuvor nicht vorgelegen habe. Dem Schwerbehindertenausweis des Klägers vom
18.02.2005 sei zu entnehmen, dass der Grad der Behinderung von 50 bereits am 02.11.2004, mithin
bereits vor der Kündigung gegeben gewesen sei.
Die Regelung des § 85 SGB IX sei auch nicht gem. § 90 Abs. 2 a SGB IX ausgeschlossen. Durch diese
sprachlich missglückte Vorschrift solle ausgedrückt werden, dass der Sonderkündigungsschutz erst
bestehe, wenn die Schwerbehinderung durch das Ergehen eines Bescheides nach § 69 SGB IX
nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt eine Feststellung über die Schwerbehinderung innerhalb der
gesetzlichen Fristen nicht treffe, obwohl der Arbeitnehmer seine Mitwirkungspflichten erfüllt habe. Hinter
dem nicht eindeutigen Wortlaut dieser gesetzlichen Regelung stehe der gesetzgeberische Wille, einem
Missbrauch des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen entgegen zu wirken,
da Anträge auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch in der Vergangenheit oftmals darauf beruht
hätten, dass unmittelbar vor Zugang der Kündigung ein in der Regel aussichtsloses
Anerkennungsverfahren betrieben worden sei. Die Vermeidung solcher Missbrauchsfälle werde aber
schon dann erreicht, wenn nur jenem Arbeitnehmer, der das Anerkennungsverfahren zögerlich betreibe
und die erforderliche Mitwirkung nicht erbringe, der besondere Kündigungsschutz versagt bleibe, falls das
Versorgungsamt nicht innerhalb der Fristen der §§ 69, 14 SGB IX eine Entscheidung habe fällen können.
Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-
Pfalz vom 16.03.2005 (Az. 9 Sa 961/04) berufe, sei der dortige Fall mit dem streitgegenständlichen nicht
vergleichbar, da dort nur die rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als gleichgestellter behinderter
Mensch im Streit gewesen sei.
Die verspätete Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch beruhe im gegebenen Fall
nicht auf der fehlenden Mitwirkung des Klägers; dies sei zwischen den Parteien unstreitig.
Darüber hinaus habe der Kläger die Beklagte auch innerhalb eines Monats nach Kündigungszugang über
das Anerkennungs- bzw. Gleichstellungsverfahren unterrichtet. In seinem Schreiben vom 13.01.2005
habe er zwar nur darauf hingewiesen, dass er sich hinsichtlich der streitgegenständlichen Kündigung auf
seine Rechte als gleichgestellter behinderter Mensch berufe, jedoch genüge diese Mitteilung - trotz der
unterschiedlich ausgestalteten Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. auf
Gleichstellung - den an die Mitteilung des Anerkennungsverfahrens als schwerbehinderter Mensch zu
stellenden Anforderung. Aufgrund der Mitteilung sei nämlich der Beklagten bewusst gewesen, dass die
von ihr ausgesprochene Kündigung möglicherweise wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des
4. Kapitels des SGB IX unwirksam sei und sie aufgrund dessen eine erneute (vorsorgliche) Kündigung
nach Zustimmung des Integrationsamtes aussprechen müsse. Die Mitteilung habe es der Beklagten mithin
ermöglicht, vorsorglich beim Integrationsamt einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf S. 7 ff. des
Urteiles vom 06.12.2005 (Bl. 184 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 13.12.2005 zugestellt worden ist, hat am
11.01.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 13.03.2006 ihr
Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 13.03.2006 verlängert
worden war.
Die Beklagte macht geltend,
es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits ab dem 02.11.2004 als
schwerbehinderter Mensch anerkannt gewesen sei, zumal der Zustimmungsbescheid vom 11.02.2005
gerade keine Aussage zu einer rückwirkenden Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft enthalte.
Darüber hinaus habe der Kläger auch die Mitteilungsfrist von einem Monat nicht eingehalten, da er in dem
Schreiben vom 13.01.2005 lediglich über seinen Antrag auf Gleichstellung, jedoch nicht über den Antrag
auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch die Beklagte informiert habe. Zwischen beiden Anträgen
müsse aber differenziert werden, da es im Hinblick auf die einem schwerbehinderten Menschen zusätzlich
zu gewährenden fünf Urlaubstage Unterschiede gebe und auch nach den Bestimmungen des SGB IX
zwischen der "eigentlichen Schwerbehinderung" (Grad der Behinderung über 50) und den
Gleichgestellten differenziert werde.
Schließlich habe das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 16.03.2005 (Az. 9 Sa
961/04) zutreffende Aussagen zu der Auslegung des § 90 Abs. 2 a SGB IX gemacht, die auf das
vorliegende Verfahren übertragbar seien. Das Landesarbeitsgericht sei nämlich bei dieser Entscheidung
davon ausgegangen, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter bzw. gleichgestellter behinderter
Mensch zum Kündigungszeitpunkt dann nicht nachgewiesen sei, wenn der entsprechende Antrag
zunächst abgelehnt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom
13.03.2006 (Bl. 205 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.12.2005, Az. 8 Ca 19/05 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger führt aus,
aufgrund seines Schwerbehindertenausweises, der ab dem 02.11.2004 Gültigkeit habe, könne das
Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Frage gestellt werden. Im
Übrigen verweise auch der Anerkennungsbescheids des Amtes für soziale Angelegenheiten vom
11.02.2005 im Eingangssatz auf den am 02.11.2004 eingegangen Antrag des Klägers.
Darüber hinaus habe der Kläger durch die Mitteilung an die Beklagte vom 13.01.2005 klargestellt, dass
eine Kündigung gegebenenfalls, mangels Zustimmung des Integrationsamtes, unwirksam sei. Es sei
hingegen nicht erforderlich gewesen, zusätzlich auch über den Verschlimmerungsantrag zu unterrichten,
zumal die Beklagte, aufgrund des Schreibens vom 13.01.2005 bereits Kenntnis davon gehabt habe, dass
die Zustimmung des Integrationsamtes vor einer Kündigung notwendig sein könnte.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz habe in seiner Entscheidung vom 16.03.2005 zu Recht eine
Rückwirkung bei der Feststellung der Eigenschaft als gleichgestellter behinderter Mensch im
Zusammenhang mit § 90 Abs. 2 a SGB IX verneint, zumal ein Gleichstellungsbescheid konstitutive
Wirkung habe, während die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch kraft Gesetzes ohne behördliche
Anerkennung gegeben sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom
18.04.2006 (Bl. 214 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der
Sache jedoch nicht begründet.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung vom 16.12.2004
nämlich nicht beendet, da diese Kündigung gem. §§ 85 SGB IX, 134 BGB nichtig ist. Diese Feststellung
hat das Arbeitsgericht auf der Grundlage zutreffender rechtlicher Erwägungen getroffen; die
Berufungskammer macht sich daher die Gründe der angefochtenen Entscheidung (S. 7 ff. des
erstinstanzlichen Urteiles = Bl. 184 ff. d. A.) voll umfänglich zu eigen und sieht gem.
§ 69 Abs. 2 ArbGG von einer erneuten Darstellung ab. Die von der Beklagten in der
Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen eine Abänderung nicht.
1.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger zum Kündigungszeitpunkt, also am 16.12.2004,
als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Nach den unangefochtenen Feststellungen des
Arbeitsgerichtes ist er nämlich im Besitz eines Schwerbehindertenausweises, in welchem ein Grad der
Behinderung (GdB) von 50 und eine Gültigkeit des Ausweises ab dem 02.11.2004 dokumentiert sind.
Auch in dem Bescheid vom 11.02.2005 (vgl. Bl. 71 d. A.) kommt - zumindest andeutungsweise - eine
rückwirkende Anerkennung durch folgende Formulierung zum Ausdruck: "… auf Ihren am 02.11.2004
eingegangen Antrag ergeht …" Da sowohl ein Schwerbehindertenausweis als auch ein
Anerkennungsbescheid von derselben Behörde (vgl. § 69 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 SGB IX) erstellt
werden, steht fest, dass der Kläger ab dem 02.11.2004 als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von
50 anerkannt ist.
2.
Soweit die Beklagte des Weiteren vorträgt, der Kläger könne sich auf den Sonderkündigungsschutz nicht
berufen, da er die Beklagte nicht über seinen Antrag auf Anerkennung als schwerbeinderter Mensch
unterrichtet habe, folgt dem die Berufungskammer nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. Urteil v. 05.07.1990 - 2 AZR 8/90 = AP Nr. 1
zu § 15 SchwbG 1986) ist § 85 SGB IX anwendbar, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der
Arbeitnehmer einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft beim Integrationsamt
gestellt hat und - bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Antragstellung - den Arbeitgeber innerhalb
einer Regelfrist von einem Monat nach Zugang der Kündigung über seinen Antrag informiert hat.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger der Beklagten innerhalb dieser Frist nicht mitgeteilt, dass er am
02.11.2004 einen Verschlimmerungsantrag gestellt hatte. Jedoch hat er unstreitig mit Schreiben vom
13.01.2005, das der Beklagten noch am gleichen Tag per Telefax zuging, diese darüber unterrichtet, dass
er bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit einen schwerbehinderten Menschen
gestellt habe. Im Übrigen ist die Beklagte bereits vor der Kündigung von einem möglichen
Sonderkündigungsschutz des Klägers ausgegangen, zumal sie bereits mit Schreiben vom 16.11.2004 (Bl.
70 d. A.) das zuständige Integrationsamt um Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung des mit dem
Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses ersucht hatte.
Jedenfalls genügte der Kläger seinen Mitteilungspflichten durch die Bekanntgabe seines
Gleichstellungsantrages in dem Telefaxschreiben vom 13.01.2005. Das im nachhinein - zumindest zum
Zeitpunkt der vorliegenden Berufungsentscheidung - der Sonderkündigungsschutz nicht auf einer
Gleichstellung des Klägers, sondern dem erfolgreichen Verschlimmerungsantrag vom 02.11.2004 beruht,
ändert nichts daran, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten genügt hat. Denn es machte für die
Beklagte keinen Unterschied, ob sie nun wegen eines Gleichstellungs- oder Verschlimmerungsantrages
von der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen musste. Soweit die
Beklagte in diesem Zusammenhang in der Berufungsbegründung darauf verwiesen hat, dass einem
schwerbehinderten Menschen Sonderurlaub von fünf Tagen zustehe, welcher ein gleichgestellter
behinderter Mensch nicht in Anspruch nehmen könne, ändert dies nichts. Diese Unterscheidung ist
nämlich im Zusammenhang mit dem hier fraglichen Zustimmungserfordernis ohne Bedeutung.
3.
Schließlich ist das Arbeitsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Sonderkündigungsschutz
des Klägers auch nicht nach § 90 Abs. 2 a SGB IX ausgeschlossen ist. Nach dieser gesetzlichen
Regelung finden die Vorschriften des Kapitels über den Sonderkündigungsschutz keine Anwendung,
wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen
ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 eine Feststellung wegen fehlender
Mitwirkung nicht treffen konnte.
Die Unanwendbarkeit der Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz folgt zunächst einmal nicht aus
der zweiten Alternative des § 90 Abs. 2 a SGB IX, da die Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX bei dem
Anerkennungsverfahren unstreitig nicht wegen fehlender Mitwirkung des Klägers vom Integrationsamt
nicht eingehalten wurde.
Aber auch die erste Alternative ist bei zutreffender Auslegung der Gesamtvorschrift im vorliegenden Fall
nicht einschlägig. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat ist die sprachliche Fassung der
Vorschrift gänzlich missglückt, zumal die beiden gesetzlichen Alternativen, bei denen kein
Sonderkündigungsschutz bestehen soll, sich gegenseitig - wenn dem Wortlaut gefolgt wird -
ausschließen. Denn die zweite Alternative geht letztlich davon aus, dass zum Kündigungszeitpunkt eine
Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht getroffen ist und die erste Alternative lässt den
Sonderkündigungsschutz just in diesen Fällen, wenn dem Wortlaut gefolgt wird, entfallen. Aus der
Gesetzesbegründung ergibt sich aber, dass dies eigentlich vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Die
Gesetzesbegründung (13. Ausschuss zu Art. 3 Nr. 21 a BT-Drucks. 15/2357, S. 24) lautet: "Die Ergänzung
stellt sicher, dass der Arbeitgeber zur Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht
der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, wenn zum Zeitpunkt der beabsichtigten
Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist, also entweder
offenkundig ist, so dass es eines durch ein Feststellungsverfahren zu führenden Nachweis nicht bedarf
oder der Nachweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht durch einen
Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 1 erbracht ist; diesem Bescheid stehen Feststellungen nach § 69
Abs. 2 gleich. Der Kündigungsschutz gilt daneben nur in den Fällen, in denen ein Verfahren auf
Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zwar anhängig ist, das Versorgungsamt aber
ohne ein Verschulden des Antragstellers noch keine Feststellung treffen konnte. Die Regelung schließt
damit aus, dass ein besonderer Kündigungsschutz auch für den Zeitraum gilt, in dem ein in der Regel
aussichtsloses Anerkennungsverfahen betrieben wird. Im Übrigen wird mit der Neufassung grundsätzlich
einem Anliegen aus der Sachverständigenanhörung und des Bundesrates Rechnung getragen."
Insbesondere die Formulierung in den Gesetzesgründen "der Kündigungsschutz gilt daneben …" zeigt,
dass der Gesetzgeber von der Überlegung ausging, dass Sonderkündigungsschutz bestehen - und nicht
wie im Wortlaut des Gesetzes festgehalten, keine Anwendung finden - soll, wenn zum
Kündigungszeitpunkt entweder die Schwerbehinderteneigenschaft nachgewiesen ist oder ein
Anerkennungsantrag gestellt wurde und es nicht auf eine fehlende Mitwirkung des Arbeitnehmers
zurückzuführen ist, falls das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des
§ 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX noch keine Feststellung getroffen hat. Angesichts des sich so darstellenden
Gesetzeszweckes hält die erkennende Kammer auch nicht an der im Urteil vom 16.03.2005 (Az. 9 Sa
961/04) vertretenen, ausschließlich am Wortlaut orientierten Gesetzesauffassung fest.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Revision wurde im Hinblick auf die Auslegung des § 90 Abs. 2 a SGB IX gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG
zugelassen.