Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2008

LArbG Mainz: facharzt, oberarzt, unterbrechung, tarifvertrag, arbeitsgericht, psychiatrie, nebentätigkeit, berufserfahrung, niedergelassener, vertretung

LAG
Mainz
19.12.2008
9 Sa 302/08
TV-Ärzte: Eingruppierung als Oberarzt
Aktenzeichen:
9 Sa 302/08
6 Ca 1152/07
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Urteil vom 19.12.2008
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern
Neuwied - vom 30.01.2008, Az.: 6 Ca 1152/07 teilweise abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den kläger seit dem 01.01.2007 in die
Entgeltgruppe Ä 2/Altersstufe 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-
Ärzte) vom 30.101.2006 einzugruppieren und der Kläger entsprechend dieser Vergütungsgruppe nach
der Anlage 1 zum TV-Ärzte zu vergüten ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 64 % und der Kläger zu 36 %.
IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers in der Zeit ab 01.01.2007 nach
Maßgabe des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10 2006 (TV-Ärzte).
Der Kläger erhielt am 01.03.1973 die ärztliche Approbation und ist seit dem 17.03.1977 Facharzt für
Allgemeinmedizin. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in Hessen vom 03.05.1977 wurde
der Kläger als Kassenarzt/Allgemeinarzt zugelassen. Die Tätigkeit als niedergelassener Vertragsarzt übte
der Kläger in der Zeit vom 01.07.1977 bis 08.11.2002 mit Vertragssitz in L. aus. Zum 01.10.1999 wurde
der Kläger von der Beklagten zunächst mit befristetem Vertrag als Arzt in der forensischen Abteilung der
R. A-Stadt/ angestellt. Hiernach wurde der Kläger mit Arbeitsvertrag vom 31.05.2001 ab 01.04.2001 in ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis als Arzt übernommen. Mit Vertrag vom 14.12.2006 wurde die Arbeitszeit ab
dem 01.01.2007 auf 32 Stunden reduziert. Die Reduzierung der Arbeitszeit war zunächst bis zum
30.06.2007 befristet und wurde sodann mit Vertrag vom 29.03.2007 verlängert.
Der Kläger war hier zuletzt in der Vergütungsgruppe 1 b Stufe 13 des BAT eingruppiert.
Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte war der Kläger bis zum 08.08.2003 als
Assistenzarzt/Stationsarzt im Klinikum N. beschäftigt. Seit dem 11.08.2003 ist der Kläger als Facharzt für
Allgemeinmedizin für die Beklagte tätig und wurde von dieser zum Hausarzt der Abteilung II bestellt.
Während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit für die Beklagte war der Kläger in von der Beklagten
genehmigter Nebentätigkeit als selbstständiger niedergelassener Arzt tätig, ab 09.11.2002 ausschließlich
in Betreuung von Privatpatienten.
Nach Inkrafttreten des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom
30.10.2006 und dem Tarifvertrag zur Überleitung hierzu, ebenfalls vom 30.10.2006, wurde das
Arbeitsverhältnis des Klägers übergeleitet. Die Überleitung und Umgruppierung erfolgte im Februar 2007
rückwirkend zum Januar 2007. Hiernach wurde der Kläger in die Vergütungsgruppe Ä2/Altersstufe 2 des
TV-Ärzte eingruppiert. Dies beanstandete der Kläger mit außergerichtlichem Schreiben und begehrte eine
abändernde Eingruppierung in die Entgeltstufe Ä2/Altersgruppe 3 des TV-Ärzte bzw. in die
Ä3/Altersgruppe 2 des TV-Ärzte. Die Beklagte hat dies mit mehreren außergerichtlichen Schreiben
abgelehnt.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt aufgrund einzelvertraglicher In-Bezugnahme dem Tarifvertrag
für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 nebst Überleitungstarifvertrag (TVÜ-Ärzte)
gleichen Datums, jeweils i. V. m. dem Haustarifvertrag für das A. vom 20.12.2006.
Die Klinik N., in der der Kläger beschäftigt ist, ist eine Maßregelvollzugseinrichtung des Beklagten. Ihr
Auftrag besteht in der Besserung und Sicherung der Patienten auf der Grundlage des rheinland-
pfälzischen Maßregelvollzuggesetzes. Innerhalb dieses Auftrages fallen auch allgemeinmedizinische
Aufgaben an, die grundsätzlich von externen Konsiliarärzten erledigt werden können. Die Klinik N. hat
sich auf Grund verschiedener Umstände (insbesondere aus Sicherheits-, Zeit- und Kostengründen) in der
Vergangenheit dafür entschieden, zur Erledigung dieser allgemeinmedizinischen Aufgabenstellung selbst
einen Facharzt für Allgemeinmedizin in der Einrichtung zu beschäftigen. Diese Aufgaben übernimmt der
Kläger.
Die Organisationsstruktur des Bereichs Forensische Psychiatrie der Beklagten stellt sich wie folgt dar:
Der Bereich wird verantwortet vom ärztlichen Direktor. In dem Bereich forensische Psychiatrie im N.
bestehen drei Abteilungen, jeweils geleitet von einem Abteilungsleiter. Dem Abteilungsleiter der Abteilung
II, in der der Kläger tätig ist, unterstehen zwei Oberärzte (Fachärzte für Psychiatrie) und der Kläger. Die
Oberärzte übernehmen keinerlei allgemeinmedizinische Betreuung der Patienten. Diese obliegt
ausschließlich dem Kläger. Sämtliche Patienten werden hinsichtlich ihrer allgemeinmedizinischen
Belange dem Kläger vorgestellt. Der Kläger seinerseits ist ausschließlich im allgemeinmedizinischen
Bereich tätig und übernimmt keine psychiatrische Betreuung der Patienten. Hierzu werden diese
wiederum an die beiden Oberärzte verwiesen. Der Kläger verantwortet den allgemeinmedizinischen
Bereich im gleichen Umfang wie die beiden Oberärzte den psychiatrischen Bereich. Die Arztbriefe der
Oberärzte werden lediglich vom Abteilungsleiter gegengezeichnet, gleiches gilt für Arztbriefe des Klägers.
Insbesondere werden Arztbriefe des Klägers nicht von den beiden Oberärzten/Fachärzten für Psychiatrie
gegengezeichnet. In Abwesenheit wird der Kläger nicht durch die beiden Oberärzte der Abteilung II
vertreten, sondern ausschließlich durch einen anderen Allgemeinmediziner, in der Regel aus der
Abteilung III. In der Abteilung III besteht die gleiche Organisationsstruktur wie in der Abteilung II.
Mit seiner am 29.6.2007 im Verfahren Arbeitsgericht Koblenz –Auswärtige Kammern Neuwied-, Az. 6 Ca
1152/07 erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet
ist, ihn seit dem 01.01.2007 in die Entgeltgruppe Ä3/Altersstufe 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und
Ärzte an Universitätskliniken (TV Ärzte) vom 30.10.2006 i.V.m. dem Haustarifvertrag des
Landeskrankenhauses, hilfsweise in die Entgeltgruppe Ä2/Altersstufe 3 des Tarifvertrages Ärzte
einzugruppieren und entsprechend der Anlage 1 zum TV Ärzte vom 30.10.2006 nach der jeweiligen
Entgeltstufe zu vergüten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen erstinstanzlichen
Sachvortrags der Parteien wird im Übrigen Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des
Arbeitsgerichts Koblenz –Auswärtige Kammern Neuwied- vom 30.1.2008, Az. 6 Ca 1152/07 (Bl. 179 ff.
d.A.).
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht entsprechend dem Hauptantrag des Klägers festgestellt,
dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.01.2007 in die Entgeltgruppe Ä 3/Altersstufe 2
des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV Ärzte) vom 30.10.2006 i.V.m. dem
Haustarifvertrag A. einzugruppieren und laut Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich
des TV Ärzte Tarifgebiet West (Anlage A 1 zum TV Ärzte vom 30.10.2006) entsprechend zu vergüten.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht –zusammengefasst- ausgeführt: Dem Kläger sei die medizinische
Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich der Beklagten übertragen worden. Er trage als
Facharzt für Allgemeinmedizin in der Abteilung II die medizinische Verantwortung für diese. Es sei nicht
ersichtlich oder auch nur plausibel, dass der Kläger in diesem Bereich einem fachlichen Weisungsrecht
unterliege. Er entscheide in Fragen der Allgemeinmedizin allein. Diese Verantwortung trage der Kläger
auch für einen Teil- oder Funktionsbereich im Tarifsinne. Die Organisationsstruktur der Beklagte trenne
klar zwischen psychiatrischen und allgemeinmedizinischem Tätigkeitsbereich. Dass der Kläger keine
Vorgesetztenfunktion ausübe, sei nach dem Tarifwortlaut für die Eingruppierung als Oberarzt unerheblich.
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 16.5.2008 zugestellt worden. Die Beklagte hat mit einem am
18.5.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb
der mit Beschluss vom 3.7.2008 bis zum 18.8.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit dem am
15.8.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 14.8.2008, auf den ergänzend
Bezug genommen wird (Bl. 227 ff. d.A.), begründet.
Zur Begründung der Berufung, mit der die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erstrebt, macht
die Beklagte im Wesentlichen geltend:
Dem Kläger sei schon kein Teil- oder Funktionsbereich übertragen worden. Ein solcher liege im Sinne der
Tarifnorm des § 12 TV-Ärzte nur vor, wenn er ein eigenes, bestimmtes Gewicht habe. Hieran fehle es, weil
dem Kläger kein Personal untergeordnet sei und auch seinem Aufgabenbereich untergeordnete und
ergänzende Bedeutung zukomme. Auch fehle es an einer tariflich vorausgesetzten medizinischen
Verantwortung im Sinne einer Aufsichtsfunktion für ärztliches oder nicht ärztliches Personal.
Der Kläger könne auch lediglich Vergütung nach Alterstufe 2 der Entgeltgruppe Ä2 des TV-Ärzte
verlangen. Dies folge aus der Unterbrechung seiner fachärztlichen Tätigkeit in der Zeit von Oktober 1999
bis August 2003. Die während dieses Zeitraums entfalteten Tätigkeiten als Facharzt für Allgemeinmedizin
im Rahmen der Nebentätigkeit von maximal bis zu 1,5 Std. monatlich stünden der Annahme einer
Unterbrechung nicht entgegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz –Auswärtige Kammern Neuwied- vom 30.1.2008, Az.: 6 Ca
1152/07 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom
22.9.2008, auf den Bezug genommen wird (Bl. 241 ff. d.A.), als rechtlich zutreffend.
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Die vom Kläger mit dem Hauptantrag begehrte
Feststellung kann nicht getroffen werden. Begründet ist die Klage hingegen hinsichtlich des Hilfsantrags.
1. Die Berufung ist begründet, soweit sie sich gegen die vom Arbeitsgericht getroffene Feststellung gemäß
dem Hauptantrag des Klägers richtet.
a) Die Klage ist als sog. Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig, aber hinsichtlich des erstinstanzlich
verfolgten Hauptantrags unbegründet.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich die Eingruppierung des Klägers infolge inhaltsgleicher
Regelung des Haustarifvertrages nach den Bestimmungen des TV-Ärzte und dem TVÜ-Ärzte richtet. Die
maßgeblichen tariflichen Bestimmungen haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
Haustarifvertrag vom 20.12.2006:
§ 2 Anwendung des TV-Ärzte
(1) Der zwischen dem Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vereinbarte
Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte), der Tarifvertrag zur Überleitung der
Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte), sowie die diese Tarifverträge ergänzenden und
abändernden Tarifverträge gelten in ihrer jeweils gültigen Fassung auch unmittelbar für die diesem
Tarifvertrag unterfallenden Beschäftigten.
(2) Der TVÜ-Ärzte findet mit der Maßgabe Anwendung, dass anstelle der Datumsangabe
- 31. Oktober 2006 jeweils der 31. Dezember 2006,
- Oktober 2006 jeweils Dezember 2006,
- 01. November 2006 jeweils 01. Januar 2007 und
November 2006 jeweils Januar 2007
gesetzt wird. § 10 Abs. 3 Satz 3 TVÜ-Ärzte gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag nicht bis zum 31.
Dezember 2006, sondern bis zum 31. März 2007 gestellt werden muss. § 17 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Ärzte
findet keine Anwendung.
TV-Ärzte:
§ 12
Eingruppierung
Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden
Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
Entgeltgruppe
Bezeichnung
Ä 1
Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 2
Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 3
Oberärztin/Oberarzt
Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder
Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber
übertragen worden ist.
Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen
Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder
Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.
Ä 4
Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt)
vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der
Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher
innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.
§ 16
Stufen der Entgelttabelle
(1) Die Entgeltgruppe Ä 1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä 2 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. Die
Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä1), fachärztlicher (Ä2),
oberärztlicher (Ä3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes
(Chefarztes) die in den Tabellen (Anlagen A und B) angegeben sind.
(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung
werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. Zeiten von
Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.
…..
§ 17
Allgemeine Regelungen zu den Stufen
(1) Die Ärzte erhalten das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe vom Beginn des Monats an, in dem die
nächste Stufe erreicht wird.
(2) Die Zeiten einer Tätigkeit im Sinne des § 16 Absatz 1 Satz 2 stehen gleich:
a) Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,
b) Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 22 bis zu 39 Wochen,
c) Zeiten eines bezahlten Urlaubs,
d) Zeiten eines Sonderurlaubs, bei denen der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches
beziehungsweise betriebliches Interesse anerkannt hat,
e) Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr,
f) Zeiten der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.
Zeiten der Unterbrechung bis zu einer Dauer von jeweils drei Jahren, die nicht von Satz 1 erfasst werden,
und Elternzeit sind unschädlich; sie werden aber nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Zeiten, in denen
eine Beschäftigung mit einer kürzeren als der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines
entsprechenden Vollbeschäftigten erfolgt ist, werden voll angerechnet.
TVÜ-Ärzte:
§ 5
Stufenzuordnung der Ärzte
Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten,
wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie
maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten
im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher
Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Absatz 2 TV-Ärzte.
Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä 3setzt demnach voraus, dass dem Kläger als Arzt die
medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber
übertragen worden ist (1. Alternative) oder der Kläger als Facharzt in einer durch den Arbeitgeber
übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder
Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung benötigt, tätig ist (2. Alternative).
b) Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht die Voraussetzungen der 2. Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 des
§ 12 TV-Ärzte. Der Kläger ist zwar Facharzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine Spezialfunktion
ausübt, für die er eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung benötigt,
bestehen nicht und werden vom Kläger auch im Berufungsverfahren nicht dargelegt. Aus dem
Tarifwortlaut ergibt sich insoweit eindeutig, dass die Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung eine über die
Facharztausbildung hinausgehenden Inhalt haben muss und diese Eingruppierungsalternative nur erfüllt
sein kann, wenn über die Facharztausbildung hinaus eine zusätzliche Schwerpunkt- oder
Zusatzweiterbildung absolviert wurde.
c) Der Kläger ist aber auch kein Oberarzt im Sinne der 1. Alternative der Entgeltgruppe Ä 3. Die
Tarifvertragsparteien haben die Voraussetzungen der Eingruppierung in dieser Alternative durch die
Verwendung weiterer, unbestimmter Begriffe normiert, ohne dass der Tarifvertrag diese Begriffe selbst
näher erläutert. Die tarifliche Bestimmung bedarf demnach der Auslegung.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes (z.B. BAG 23.05.2007, 10 AZR 323/06) nach den für Gesetzen geltenden Regeln.
Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu
erforschen ist, ohne an den Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der
wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den Tarifnormen seinen
Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser
Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck
der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu,
können die Gerichte ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte
des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität
denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung
der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren
Regelung führt .
bb) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass eine Übertragung der medizinischen
Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich bzw. Abteilung nur vorliegt, wenn sich diese
Verantwortung auch darauf bezieht, diese für auch für fremdes fachärztliches Tun zu tragen.
(1) Die Auslegung des Begriffs der "medizinischen Verantwortung" ist umstritten. Zum einen wird vertreten,
dass erforderlich ist, dass dem Betroffenen Aufsichtfunktionen über ärztliches oder nichtärztliches
Personal übertragen wurden (z.B. ArbG Düsseldorf, 12.07.2007, 14 Ca 669/07) bzw. das Tarifmerkmal nur
erfüllt ist, wenn dem Oberarzt auch die Verantwortung für fremdes fachärztliches Tun obliegt (LAG
Rheinland-Pfalz 26.8.2008 -3 Sa 768/07-; ArbG Lörrach 17.12.2007 -5 Ca 410/07-). Andererseits wird die
Auffassung vertreten, dass die Weisungsbefugnis gegenüber Assistenzärzten und medizinischem
Pflegepersonal es noch nicht rechtfertige, von der Übertragung "medizinischer Verantwortung"
auszugehen, da bereits Fachärzte den Ärzten in der Weiterbildung und den Pflegekräften gegenüber
weisungsbefugt seien (z.B. ArbG Darmstadt, 26.07.2007, 12 Ca 122/07). Schließlich wird in der Literatur
sogar vertreten, dass überhaupt keine Aufsichts- oder Weisungsfunktion wahrgenommen werden müsse,
um von der Übertragung "medizinischer Verantwortung" ausgehen zu können. Ein Teil- oder
Funktionsbereich im Sinne der TV Ärzte könne daher auch nur aus dem Oberarzt selbst bestehen (Bruns,
ArztRecht 2007, Seite 60, 67).
(2) Nach allgemeinem Sprachgebrauch hat Verantwortung etwas mit Haftung,
Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl zu tun. Es geht darum, dass man für etwas einstehen muss
und die Folgen für etwas tragen muss, das man nicht notwendigerweise selbst verschuldet hat (vgl.
Mackensen, Neues Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 773 bei "Verantworten" und "Verantwortung"
sowie Bauer, Deutsches Wahlwörterbuch/Synonymen-Lexikon S. 164 bei den genannten Begriffen).
Dieser allgemeine Sprachgebrauch indiziert, dass sich die genannte Verantwortung nicht nur auf das
eigene Tun, sondern auch auf das Einstehen-Müssen für das Tun anderer medizinisch Tätiger beziehen
muss. Dafür, dass die in Entgeltgruppe Ä 3, 1. Alternative genannte medizinische Verantwortung sich auch
auf anderes ärztliches Personal erstrecken muss, spricht auch, dass sich die Tarifnorm auf die
medizinische Verantwortung und nicht irgendeine Verantwortung (für Teil-, Funktionsbereiche oder eine
Abteilung) bezieht. Die Verwendung des bestimmten Artikels ("die") deutet darauf hin, dass der Arzt hier
die letzte oder alleinige Verantwortung tragen muss (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 26.8.2008 – 3 Sa 768/07).
Für das Erfordernis einer über die unmittelbare Patientenverantwortung im Hinblick auf die eigene
ärztliche Tätigkeit hinausgehenden Verantwortung spricht des weiteren, dass jeder Facharzt und auch
Arzt medizinische Verantwortung trägt und die Tarifvertragsparteien diese medizinische Verantwortung
auf einen Teil-, Funktionsbereich oder eine Abteilung bezogen haben. Ein Teilbereich im Tarifsinn
erfordert aber das Vorliegen einer abgrenzbaren organisatorischen Einheit innerhalb einer
übergeordneten Einrichtung, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielsetzung zugeordnet ist und der
ärztliches und nichtärztliches Personal angehört (LAG Mecklenburg-Vorpommern 18.7.2008 -3 Sa 77/08-).
Ebenso beinhaltet der Begriff der Abteilung bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch (vgl. Duden,
Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., „Abteilung“) eine organisatorische Untergliederung unter
Zusammenfassung sachlicher und/oder personeller Mittel.
(3) Auch der tarifsystematische Zusammenhang spricht für diese Auslegung. § 12 TV Ärzte verwendet in
den Entgeltgruppen eine Stufenfolge, welche auf eine zugrunde liegende personelle Hierarchie in der
betroffenen Klinik schließen lässt. Entgeltgruppe Ä1 bezeichnet den oder die Betroffene begrifflich als
"Ärztin/Arzt", Entgeltgruppe Ä2 als "Fachärztin/Facharzt" und Entgeltgruppe Ä3 als "Oberärztin/Oberarzt".
Entgeltgruppe Ä4 betrifft Fachärzte als ständige Vertretung des Chefarztes. Aus der Verwendung der
Begriffe lässt sich schließen, dass jedenfalls in den Entgeltgruppen Ä2 bis Ä4 jeweils Weisungs- und
Aufsichtsbefugnisse gegenüber der jeweils niedrigeren Entgeltgruppe bestehen müssen. Fachärzte sind
stets den Assistenzärzten (Entgeltgruppe Ä1) hierarchisch übergeordnet und nehmen Aufsichts- und
Weisungsbefugnisse wahr. Der Definition des "Facharztes" ist damit die hierarichische Überordnung über
die Gruppe der "Ärzte" immanent. In Zusammenschau mit der –wie bereits ausgeführt- notwendigen,
weitergehenden Verantwortung als der nur für das eigene medizinische Handeln, impliziert die
Stufenfolge der Entgeltgruppen wie auch die Begriffsverwendung "Ober"arzt, dass eine hierarchische
Rangfolge der Ärzte im Klinikum als Grundlage für die Eingruppierung dienen soll.
(4) Die Übertragung medizinischer Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche beziehungsweise
Abteilung beinhaltet damit notwendigerweise, dass Aufsichts- oder Weisungsbefugnisse gegenüber
Fachärzten oder jedenfalls anderem ärztlichen Personal ausgeübt werden muss. Die Berufungskammer
schließt sich insoweit der auch von der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (U.v.
26.8.2008 – 3 Sa 768/07 zu § 16 TV-Ärzte/VKA vertretenen Auffassung an (ebenso etwa LAG Düsseldorf
v. 24.4.2008 -13 Sa 1910/07; ArbG Lörrach v. 17.12.2007 -5 Ca 410/07-).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Kläger keine Aufsichts- und Weisungsbefugnisse
hinsichtlich anderen ärztlichen Personals zustehen. Die vom Kläger begehrte Feststellung seiner
Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä 3 kann daher nicht getroffen werden.
2. Die Berufung ist unbegründet, soweit sie sich gegen den erstinstanzlich erhobenen Hilfsantrag richtet.
Die Klage ist mit dem Hilfsantrag vielmehr begründet. Der Kläger ist seit dem 1.1.2007 in der
Entgeltgruppe Ä2/Stufe 3 des TV-Ärzte eingruppiert und ist dementsprechend zu vergüten.
Der Kläger ist auch Facharzt (für Allgemeinmedizin) mit entsprechender Tätigkeit im Sinne der
Entgeltgruppe Ä 2 des § 12 TV-Ärzte, wie dies im Vertrag vom 29.3.2007 (Bl. 29 f. d.A.) ausdrücklich
festgehalten ist. Nach § 16 Abs. 1 i.V.m. Anlage A1 TV-Ärzte wird die Stufe 3 ab dem 7. Jahr fachärztlicher
Tätigkeit erreicht.
Gem. § 5 Satz 2 TVÜ-Ärzte zählen für die Stufenfindung bei der Überleitung die Zeiten im jetzigen
Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit
bei der Stufenfindung gilt § 16 Abs. 2 TV-Ärzte.
Der Kläger war bereits seit März 1977 Facharzt für Allgemeinmedizin und als solcher ausschließlich bis
September 1999 tätig. Damit hatte er mit Beginn seiner ausdrücklich vereinbarten Tätigkeit als Facharzt für
Allgemeinmedizin bei der Beklagten bereits den Zeitraum von 7 Jahren übersteigende ärztliche Zeiten mit
einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte
aufzuweisen, die demgemäß für die Stufenzuordnung anzurechen sind.
aufzuweisen, die demgemäß für die Stufenzuordnung anzurechen sind.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aufgrund der vertragsgemäßen Beschäftigung als Arzt im
Zeitraum 1.10.1999 bis 8.8.2003 bei der Beklagten liege eine relevante Unterbrechung im Sinne des § 17
Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte vor und hieran ändere aufgrund ihres geringen zeitlichen Umfangs auch die
Nebentätigkeit des Klägers als Facharzt für Allgemeinmedizin nichts, kann sich die Berufungskammer
dem nicht anschließen. § 17 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die von
der Beklagten herangezogene tarifliche Bestimmung stellt in bestimmtem Umfang sonstige Zeiten einer
Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses den in § 17 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte genannten
Unterbrechungszeiten gleich. Diese beziehen sich aber auf Unterbrechungen in dem zum Arbeitgeber
bestehenden Arbeitsverhältnis. Vorliegend lagen anrechnungspflichtige Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit im
Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte aber schon vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Beklagten in einem
die Zuordnung zu Stufe 3 rechtfertigendem zeitlichen Umfang vor. Eine § 17 Abs. 2 TV-Ärzte
entsprechende Regelung für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit im Sinne des § 16 Abs. 2
TV-Ärzte haben die Tarifvertragsparteien nicht getroffen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2
Nr. 1 ArbGG.