Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 28.08.2007

LArbG Mainz: aufrechnung, vergütung, arbeitsgericht, abrechnung, nettolohn, anzeige, einweisung, quelle, polizei, kopie

LAG
Mainz
28.08.2007
3 Sa 236/07
Grenzen der Aufrechnung
Aktenzeichen:
3 Sa 236/07
2 Ca 2707/06
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 28.08.2007
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom
21.02.2007 - Az: 2 Ca 2707/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1733,63 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Beklagte hat den Lohn des Klägers so abgerechnet, wie dies aus der "Abrechnung der Brutto-Netto-
Bezüge für Oktober 2006" vom 02.11.2006 (Bl. 4 d.A.) ersichtlich ist. Hierauf wird verwiesen. Dort wird u.a.
angegeben,
- das Geburtsdatum des Klägers mit dem 31.01.1960,
- die Steuerklasse mit V,
- der Gesamt-Brutto-Betrag mit 1733,63 EUR,
- der Netto-Verdienst mit 857,19 EUR und
- die Position "Ausfall Lkw" mit 1694,75 EUR.
Soweit für das vorliegende Berufungsverfahren - 3 Sa 236/07 - von Interesse beansprucht der Kläger von
dem Beklagten die Zahlung von 1733,63 EUR brutto (nebst Zinsen). Zur näheren Darstellung
(insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG
Bezug genommen auf den Tatbestand des Teil-Urteils des Arbeitsgerichts vom 21.02.2007
- 2 Ca 2707/06 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.05.2007 (Bl. 46 ff. und Bl. 90 ff.
d.A.). Nach näherer Maßgabe des Urteilstenors (- 2 Ca 2707/06 -, Bl. 45 d.A.) wurde der Beklagte
verurteilt, an den Kläger 1733,63 EUR brutto (nebst Zinsen) zu zahlen.
Gegen das am 13.03.2007 zugestellte Teil-Urteil vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - hat der Beklagte am
13.04.2007 Berufung eingelegt und diese am 23.05.2007 - innerhalb verlängerter
Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 13.06.2007, Bl. 139 d.A.) - mit dem
Schriftsatz vom 23.05.2007 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung
wird auf den Schriftsatz vom 23.05.2007 (Bl. 123 ff. d.A.) verwiesen.
Dort macht der Beklagte u.a. geltend, dass die von ihm vorgelegte Abrechnung die richterliche Würdigung
widerlege, wonach die Aufrechnung deshalb ins Leere gehe, weil nicht klar sei, ob gegenüber dem
Nettolohn oder Bruttolohn aufgerechnet werde. Die Positionierung des Schadensersatzanspruchs in der
Abrechnung mache deutlich, dass es hier selbstverständlich um eine Aufrechnung gegenüber dem
Nettolohn gehe.
Was die Frage der hinreichend substantiierten Darlegung seiner Gegenansprüche anbelangt, verweist
der Beklagte auf seinen Vortrag im Rahmen der Klageerwiderung vom 29.01.2007. Da der in der
Klageerwiderung enthaltene Sachvortrag vom Kläger nicht bestritten worden sei, wirke hier die
Geständnisfunktion des § 138 ZPO. Weiter verweist der Beklagte auf seinen Schriftsatz vom 07.03.2007.
Dem Arbeitsgericht - so bringt der Beklagte weiter vor - sei auch im Hinblick auf die Anwendung des § 394
BGB nicht zu folgen. In der vorsätzlichen Arbeitsverweigerung des Klägers trete die Schädigungsabsicht
zu Tage. Es werde natürlich klar, dass für nicht durchgeführte Transporte der Beklagte keine Rechnung
stellen könne und insoweit auch keine Vergütung erlange, so dass hier von einer offenkundigen
Schädigungsabsicht in Bezug auf den Arbeitgeber auszugehen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der
Berufungsbeantwortung vom 04.06.2007 (Bl. 134 ff. d.A.), worauf verwiesen wird. Der Kläger verweist dort
u.a. darauf, dass nicht einmal im Ansatz habe festgestellt werden können, wie sich die Forderungsbeträge
des Beklagten tatsächlich errechneten.
Der Kläger tritt der rechtlichen Beurteilung des Arbeitsgerichts bei, dass nicht jede Vertragsverletzung
dazu führe, dass ein Aufrechnungsanspruch wegen vorsätzlicher Schädigung auch innerhalb der
Pfändungsfreigrenzen vorgenommen werden könne. Voraussetzung für eine solche Aufrechnungslage
sei im Regelfall, dass sich das Handeln des Arbeitnehmers auch und gerade darauf beziehe, dem
Arbeitgeber einen vorsätzlichen Schaden beizubringen.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, -
insbesondere auch auf den Tatbestand des den Parteien bekannten Schluss-Urteils vom 11.04.2007 - 2
Ca 2707/06 - dort S. 3 ff. = Bl. 99 ff. d.A.) - Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens - 3 Sa 236/07 - ist die Klageforderung so wie sie in
dem Teil-Urteil vom 21.02.2007 - 2 Ca 2707/06 - in Höhe von 1733,63 EUR brutto (nebst Zinsen)
ausgeurteilt wurde. Insoweit ist die Berufung an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.
begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.
II.
Da die Klage begründet ist, hat ihr das Arbeitsgericht zu Recht stattgegeben.
Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 1733,63 EUR brutto nebst den ausgeurteilten Zinsen zu zahlen.
Dies ergibt sich hinsichtlich der Hauptforderung aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem
diesbezüglichen Teil der Lohnabrechnung für Oktober 2006 (= Rubrik "Lohnart" pp.) und hinsichtlich des
Zinsanspruches aus den Vorschriften, die bereits das Arbeitsgericht auf Seite 7 des Teil-Urteils zitiert hat.
1.
unstreitig. Geht man davon aus, dass die Beklagte die Aufrechnung - entgegen der Ansicht des
Arbeitsgerichts - doch ordnungsgemäß erklärt hat (vgl. dazu BAG v. 25.09.2002 - 10 AZR 7/02 -), scheitert
die Aufrechnung jedenfalls an § 394 S. 1 BGB. Bei der Klageforderung handelt es sich unstreitig um
Arbeitseinkommen. Eine Forderung auf Arbeitseinkommen ist aber nur nach näherer Maßgabe der §§ 850
ff. ZPO der Pfändung und Aufrechnung unterworfen. Demgemäß kommt - wie sich aus der
Berechnungsvorschrift des § 850e Nr. 1 ZPO ergibt - eine Aufrechnung gegenüber den
Lohnbestandteilen, die als Lohnsteuer-/Solidaritätszuschlags-Beträge sowie als
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen, von vorneherein nicht in Betracht. Hinsichtlich
des verbleibenden Netto-Verdienstes in Höhe von 857,19 EUR kann vorliegend ebenfalls nicht mit Erfolg
aufgerechnet werden, weil dieser Betrag - die Vergütung des Klägers wurde unstreitig monatlich
abgerechnet - gemäß § 850c ZPO in Verbindung mit der Anlage zu dieser Vorschrift
(Pfändungsfreigrenzentabelle) unpfändbar ist. Gegen die entsprechende tatsächliche Feststellung des
Arbeitsgerichts richtet sich kein Berufungsangriff des Beklagten. Der Beklagte ist lediglich aus
Rechtsgründen der Ansicht, er könne unabhängig von § 394 BGB und § 850c ZPO gegenüber der Netto-
Vergütung des Klägers aufrechnen. In diesem Zusammenhang ist es allerdings anerkanntes Recht, dass
der mit § 394 S. 1 BGB zu Gunsten des Arbeitnehmers gewollte Sozialschutz ausnahmsweise dann
weichen kann, wenn der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber eine treuwidrige und vorsätzliche
Nachteilszufügung verübt hat. Ob und inwieweit dies im konkreten Fall so ist, bestimmt sich freilich nach
den gesamten Umständen des Einzelfalles, - wobei das Gewicht des mit § 394 S. 1 BGB gewollten
Sozialschutzes (- "primo vivere" -) und der Treueverstoß gegeneinander abzuwägen sind (vgl. dazu
bereits BAG v. 31.03.1960 - 5 AZR 441/57 - BAGE 9, 137 ff.).
2. a)
Bedacht zu nehmen, weshalb es im Einzelnen zu der Arbeitsniederlegung des Arbeitnehmers gekommen
ist. Dazu hat der Beklagte selbst auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 29.01.2007 (= Bl. 15 d.A.)
vorgetragen. Demgemäß hat der Kläger am 24.10.2006 auf dem Tourenplan schriftlich erklärt, dass er 200
m zwischen geparkten Autos habe hindurch fahren müssen und von der Polizei eine Anzeige bekommen
habe, weil er ohne Einweisung durch einen Helfer rückwärts gefahren sei (s. dazu die Kopie "Tourenplan-
A." Bl. 32 d.A.). Berücksichtigt man dies, so liegt es auf der Hand, dass es dem Kläger seinerzeit nicht um
die Schädigung des Beklagten gegangen ist, sondern darum, nicht mehr länger einer von ihm als
unzumutbar angesehenen Arbeitssituation ausgesetzt zu sein. Ausführungen dazu, dass es für den Kläger
doch zumutbar gewesen sein könnte, ohne Einweiser mit dem 4-Achser-Kipper rückwärts und zwischen
parkenden Fahrzeugen hindurch eine Strecke von 200 m zurückzulegen, hat der Beklagte nicht geleistet.
b)
Arbeitsniederlegung des Klägers nicht so schwer, dass es angezeigt wäre, den mit § 394 S. 1 BGB
gewollten Sozialschutz zurücktreten zu lassen. Demgemäß greift die Aufrechnung des Beklagten weder in
Höhe von 1733,63 EUR brutto noch in Höhe von 857,19 EUR netto durch. Darauf, dass die
Klageforderung durch andere Erfüllungssorogate oder Erfüllungshandlungen ganz oder teilweise erfüllt
wäre, hat sich der Beklagte hinreichend substantiiert nicht berufen. Dahingestellt bleiben kann, ob die
Aufrechnung des Beklagten nicht jedenfalls auch an § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO analog (i.V.m. § 394 S. 1
BGB) scheitern würde.
III.
Die Kosten seiner hiernach erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagte tragen. Der
Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.
Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch das
Landesarbeitsgericht selbständig von ihm nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und nur unter den
dort genannten Voraussetzungen durch Beschwerde angefochten werden kann. Die Beschwerde ist bei
dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt/Postanschrift: 99113 Erfurt einzulegen.
Derzeit findet gegen dieses Urteil die Revision nicht statt.