Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 14.12.2007

LArbG Mainz: betriebsrat, vorläufige einstellung, dringlichkeit, arbeitsgericht, auflage, unterlassen, meinung, beschwerdekammer, disposition, zwang

LAG
Mainz
14.12.2007
6 TaBV 49/07
Mehrfache Vorläufigkeitseinstellung einer bestimmten Leiharbeitnehmerin
Aktenzeichen:
6 TaBV 49/07
4 BV 68/06
ArbG Mainz
Entscheidung vom 14.12.2007
Tenor:
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 20. Mai 2007 -
4 BV 68/06 - wird zurückgewiesen.
2. Eine Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Frage, ob der C. die mehrfache Vorläufigkeitseinstellung
einer bestimmten Leiharbeitnehmerin verhindern kann.
Der Antragsteller des am 29. August 2006 eingeleiteten Beschlussverfahrens ist der Betriebsrat der
Beteiligten zu 2. - im folgendem Arbeitgeberin - die in A-Stadt ein SB - Warenhaus betreibt.
Am 15. August 2006 gingen beim Betriebsrat vier Anträge für die Einstellung von Frau Z. nach § 99 BetrVG
für die Zeit vom 21. bis 22. August 2006, vom 24. bis 26. August 2006, vom 28. August bis 29. August 2006
und vom 31. August bis 02. September 2006 ein. Bei Frau Z. handelt es sich um eine Leiharbeitnehmerin
der Firma Y..
Mit am 18. August 2006 bei der Arbeitgeberin eingegangenen Stellungnahme des Betriebsrats
widersprach dieser der personellen Maßnahme (Bl. 15 d. A.).
Am 21. und 24. August 2006 beantragte die Arbeitgeberin erneut die vorläufige Einstellung der oben
genannten Leiharbeitnehmerin (Bl. 13 d. A.). Zur Begründung wurde u. a. jeweils darauf abgestellt, dass
sechs Kassiererinnen arbeitsunfähig erkrankt, neun ausgeschieden, zwölf in Urlaub, sieben in Freizeit
seien und eine Kassiererin ausgeschieden sei.
Die Dringlichkeit der Maßnahme bestritt der Betriebsrat mit Schreiben vom 22. August 2006 (Bl. 16 d. A.)
und in der Folgezeit mit weiterem Schreiben vom 24. August 2006 (Bl. 17 d. A.). Die Leiharbeitnehmerin Z.
wurde insgesamt wie folgt eingesetzt:
09.08., 10.08, 14.08. - 16.08., 18.08. - 19.08., 21.08. - 02.09., 04.09. - 09.09., 11.09. - 16.09., 12.09. -
23.09., 25. - 27.09., 02.10., 05.10. - 07.10., 09.10. - 21.10., 23.10. - 04.11., 08.11., 31.10., 10.11. - 11.11.;
11.11. - 22.11., 23. - 25.11., 24.11. - 25.11., 27.11. - 02.12., 04.12. - 09.12., 11.12. - 16.12., 18.12. -
30.12.2006 sowie vom 03.01. - 20.01., 22.01. - 27.01. und 30.01. - 03.02.2007.
Die Arbeitgeberin leitete jedes Mal Anhörverfahren nach § 99 BetrVG ein und stellte Anträge nach § 100
BetrVG. Der Betriebsrat widersprach und bezweifelte die Dringlichkeit mit Schreiben vom 19., 22., 27. und
30. Dezember 2006.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
die Vorgehensweise der Arbeitgeberin stelle einen groben Verstoß nach § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Die
Arbeitgeberin plane Leiharbeitnehmer für einen längeren Zeitraum ein und stelle beim Betriebsrat immer
nur die Anträge zur Beschäftigung von bis zu drei Tagen, damit ein Zustimmungsersetzungsverfahren
nicht durchgeführt werden müsse.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich folgende Anträge gestellt,
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bezüglich der Einstellung der Leiharbeitnehmerin, Frau Z., an der
Hauptkasse ein Zustimmungsersetzungsverfahren beim zuständigen Arbeitsgericht einzuleiten.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin für die Einstellung der Leiharbeitnehmerin, Frau Z., an der
Hauptkasse vom 21. August bis 2. September 2006 verpflichtet war, ein Zustimmungsersetzungsverfahren
durchzuführen.
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne vorherige erteilte, als erteilt geltende
oder gerichtlich ersetzte Zustimmung des Betriebsrates, für bis zu drei Tagen befristete Einstellungen von
Leiharbeitnehmern vorzunehmen, sofern die Beschäftigung bereits für einen längeren Zeitraum
offensichtlich geplant wurde bzw. üblicherweise geplant wird.
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,-
€ angedroht.
Die Arbeitgeberin hat
Zurückweisung der Anträge
beantragt
Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Beschluss vom 20. Juni 2007 - 4 BV 68/06 - die Anträge des
Betriebsrats zurückgewiesen, da kein gesetzwidriges Handeln der Arbeitgeberin vorläge. Diese sei nicht
verpflichtet, nach Ablauf der Beschäftigungszeit von höchstens drei Tagen ein
Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, auch wenn die Arbeitnehmer entweder Tagesarbeitskräfte
oder Leiharbeitnehmer seien. Der Betriebsrat verkenne, dass der Arbeitgeber keinen direkten Einfluss
darauf habe, wann die Entleihfirma bestimmte Arbeitnehmer zur Verfügung stellen könne und für welche
Zeitraumperioden.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf den vorbezeichneten Beschluss (Bl. 95 bis 96 d. A.)
Bezug genommen.
Gegen den dem Betriebsrat am 09. Juli 2007 zugestellten Beschluss richtet sich dessen am
08. August 2007 eingelegte und am 15. Oktober 2007 begründete Beschwerde.
Der Betriebsrat vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und führt zweitinstanzlich insbesondere aus: Die
Arbeitgeberin, die in ihrem Markt Tagesarbeitskräfte und Leiharbeitnehmer beschäftige für jeweils bis zu
drei Tage und bei einem Widerspruch des Betriebsrats wegen der kurzen Beschäftigungsdauer kein
Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten müsse, nutze die Situation aus, indem sie die
Leiharbeitnehmerin Z. dauerhaft an der Hauptkasse einplane, beim Betriebsrat allerdings nur die
Beschäftigung von bis zu drei Tagen anzeige und entsprechende Anträge nach §§ 99, 100 BetrVG stelle.
Die Arbeitgeberin habe am 15. August 2006 vier Anträge nach § 99 BetrVG für die Einstellung von Frau Z.
zur fast fortlaufenden Beschäftigung gestellt. Seither würde Frau Z. an der Hauptkasse dauerhaft
beschäftigt. Dies stelle eine Umgehung des Betriebsverfassungsgesetzes und ein Verstoß gegen § 23
Abs. 3 BetrVG dar.
Zu den Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 05. Oktober 2007
(Bl. 131 bis 133 d. A.) Bezug genommen.
Der Betriebsrat wiederholt die Anträge aus der ersten Instanz.
Die Arbeitgeberin beantragt die
Zurückweisung der Beschwerde
und meint,
sie - die Arbeitgeberin - sei in der Gestaltung der Arbeitsabläufe frei. Die Anträge des Betriebsrats seien
unzulässig. Im Übrigen habe sie sich auf sachliche und betriebliche Gründe berufen können. Ohne den
Einsatz von Frau Z. wäre ein geregelter Arbeitsablauf nicht möglich. Die Maßnahmen hätten jeweils
innerhalb von drei Tage geendet, nachdem der Betriebsrat die Dringlichkeit der Maßnahme bestritten
habe.
Zu den weiteren Ausführungen der Beschwerdebeantwortung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin
vom 06. November 2007 (Bl. 138 bis 139 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird auf die Feststellungen in der
mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 14. Dezember 2007 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts vom 20. Juni 2007 ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89
Abs. 1, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG).
Die Beschwerde ist n i c h t begründet.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zur Verpflichtung der Einleitung eines
Zustimmungsersetzungsverfahrens bzw. einer diesbezüglichen nachträglichen Feststellung und eines
entsprechenden Unterlassungsantrags zutreffend zurückgewiesen.
1.
Der Antrag des Betriebsrats, die Arbeitgeberin zu verpflichten bezüglich der Einstellung von Frau Z. an der
Hauptkasse ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, ist nicht geeignet, dem aus angeblicher
Umgehung des Betriebsverfassungsgesetzes abgeleiteten Begehren des Betriebsrats Rechnung zu
tragen.
Soweit es um die von der Arbeitgeberin jeweils beantragte Zustimmung zur Einstellung der
Leiharbeitnehmerin Z. geht, besteht keine Verpflichtung zur Einleitung eines
Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Die dortige Kann-Bestimmung eröffnet dem
Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit eine Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Er kann sich unter
den Voraussetzungen des § 100 BetrVG auf Vorläufigkeitsmaßnahmen beschränken (vgl. zu
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers: Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, 9. Auflage,
§ 99 Rz. 204).
Im Verfahren nach § 100 BetrVG ist der Betriebsrat auf die Aufhebung der personellen Maßnahme nach
§ 101 BetrVG gegebenenfalls in Verbindung mit der Festsetzung eines Zwangsgeldes beschränkt. Ein
Zwang zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens besteht jedenfalls nicht, wenn die
Vorläufigkeitsmaßnahme den in § 100 Abs. 2 BetrVG enthaltenen Zeitraum von drei Tagen jeweils nicht
überschreitet. Dies ist nach der gegebenen Sachlage nicht der Fall. Die tatbestandlich wiedergegebene
Beschäftigung der Leiharbeitnehmerin zeigt, dass die Zeiträume für eine vorläufige Beschäftigung nicht
überschritten wurden. Das gilt auch dann, wenn die Darstellung des Betriebsrats im Schriftsatz vom
30. Januar 2007 äußerlich längere Zeiträume umfasst; denn maßgeblich ist, dass die jeweilige
Dringlichkeit nach dem Vortrag der Arbeitgeberin vorgelegen hat. Die Erkrankung von mehreren
Kassiererinnen allein - so der Antrag der Arbeitgeberin nach § 100 BetrVG (Bl. 13 d. A.) - würde wegen
der unsicheren Dauer der Fehlzeiten die Dringlichkeit nicht per se ausschließen. Dass immer wieder
dieselbe Leiharbeitnehmerin zum vorläufigen Einsatz kommt, liegt zudem nicht zwingend in der
Disposition der Arbeitgeberin.
2.
Der auf eine nachträgliche Verpflichtung gerichtete Hilfsantrag des Betriebsrats zur Durchführung eines
Zustimmungsersetzungsverfahrens für die Einstellung von Frau Z. an der Hauptkasse für die Zeit vom
21. August bis 02. September 2006 ist unzulässig, da er sich auf einen abgeschlossenen Zeitraum bezieht
und es nicht Aufgabe des Gerichts ist, eine nachträgliche Rechtsmäßigkeitsbeurteilung vorzunehmen. Im
Übrigen ist auf die obigen Ausführungen zum ersten Hauptantrag zu verweisen.
3.
Der Unterlassungsantrag - der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne vorherige
erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte Zustimmung des Betriebsrats, für bis zu drei Tagen
befristete Einstellungen von Leiharbeitnehmerinnen vorzunehmen, sofern die Beschäftigung bereits für
einen längeren Zeitraum offensichtlich geplant wurde bzw. üblicherweise geplant wird - ist nach Meinung
der Beschwerdekammer unbestimmt und damit unzulässig. Zutreffend ist allein, dass bei groben
Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz Unterlassung für
die Zukunft beantragt werden kann (vgl. BAG, Beschluss vom 06. Dezember 1994 - 1 ABR 30/94 -= NZA
1995, 488). Ein dauernder Missbrauch der Möglichkeit zur vorläufigen Durchführung personeller
Maßnahmen kann zu rechtlichen Schritten gegen den Arbeitgeber nach § 23 Abs. 3 BetrVG berechtigen
(vgl. DLW-Wildschütz, Arbeitsrecht, 5. Auflage, I 1737 m. w. auf FESTL, § 100 Rn. 6.).
Ein Antrag im Beschlussverfahren muss jedoch ebenso bestimmt sein, wie ein solcher im Urteilsverfahren.
Insoweit ist § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BAG, Urteil vom 03. Juni 2003 -
1 ABR 19/02 -). Der Streitgegenstand muss so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage
mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Dies gilt auch und vor allem
für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird (vgl. BAG, Beschluss vom
03. Juni 2003, a. a. O.; Zöller, Zivilprozessordnung, 24. Auflage, § 253 Rz. 13 b).
Vorliegend kann dem verfolgten Unterlassungsantrag mit der Formulierung: "Sofern die Beschäftigung für
einen längeren Zeitraum offensichtlich geplant wurde bzw. üblicherweise geplant wird" nicht entnommen
werden, worauf sich das erstrebte Verbot zeitlich genau erstrecken bzw. wann es konkret ausgelöst
werden soll. Die Planungszeiträume sind vollkommen offen. Ein solcher Antrag wäre einer Vollstreckung
nicht zugänglich. Er ist unzulässig.
4.
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Rechtsbeschwerde konnte gemäß §§ 92
Abs. 1 Satz 3, 85 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.