Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 02.04.2009

LArbG Mainz: arbeitsgericht, stadt, arbeitsbedingungen, versetzung, bad, verfügung, rückenleiden, datum, arbeitsunfähigkeit, pauschal

LAG
Mainz
02.04.2009
10 Sa 495/08
krankheitsbedingte Kündigung - Betriebliches Eingliederungsmanagement
Aktenzeichen:
10 Sa 495/08
5 Ca 170/08
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Urteil vom 02.04.2009
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach - vom 3. Juli 2008, Az.: 5 Ca 170/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung der Beklagten vom
24.01.2008 zum 31.07.2008 und über die Weiterbeschäftigung der Klägerin.
Die Klägerin (geb. am 25.04.1977, ledig, ein Kind) ist seit dem 01.09.1993 bei der Beklagten beschäftigt.
Sie wurde zuletzt als Verbundzustellerin im Zustellstützpunkt F.-Stadt zu einem Bruttomonatsgehalt von
€ 2.588,42 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden eingesetzt. In der Zeit vom 28.10.2000
bis zum 31.10.2003 war die Klägerin wegen Elternzeit und anschließend zur Kinderbetreuung beurlaubt.
Die Klägerin hatte seit 2004 folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten:
Datum
Arbeits-
tage
LohnFZ-
Kosten
Diagnose nach Angaben der
Klägerin
2004
04.03. - 05.03.
02
?
09.03. - 30.03.
19
?
16.11. - 11.12.
23
?
Summe
44
€ 4.776,22
2005
14.09.-25.12.
86
- im Sept. + Okt. Rückenprobleme
- Mutter-Kind-Kur
- akute Nebenhöhlenvereiterung
Summe
86
€ 5.051,37
2006
14.01.-31.01.
15
?
14.02.-19.02.
05
am 01.02.06 Reha für 14 Tage ?
12.05.-03.06.
19
Kniebeschwerden
Rückenleiden
Summe
39
€ 2.697,86
2007
10.02.-24.03.
37
€ 4.311,76
niedriger Blutdruck, Kollaps
04.05.-16.06.
X
€ 4.376,74
Arbeitsunfall am 04.05.
07.09.-08.09.
02
€ 208,35
Zahnschmerzen
28.12.-31.12.
09
?
Rückenleiden
Summe
48
€ 8.896,85
2008 (bis 26.01.)
01.01-26.01.08
22
Rückenleiden -
Bandscheibenvorfälle?
Summe
22
?
Am 29.08.2006 wurde die Klägerin „aus sozialen Gründen und zur Reduzierung der Fehlzeiten“
heimatnah vom Zustellstützpunkt D-Stadt nach F.-Stadt versetzt. Die Beklagte hat der Klägerin mit
Schreiben vom 12.09.2006 zum 31.03.2007 bereits einmal krankheitsbedingt gekündigt. Das damalige
Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Mainz (Az.: 4 Ca 1956/06) endete durch
Klagerücknahme, nachdem die Beklagte die Kündigung am 22.12.2006 zurückgezogen hat.
Seit dem 28.12.2007 ist die Klägerin ununterbrochen wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig erkrankt.
In einem Telefonat mit dem Stützpunktleiter gab sie am 03.01.2008 an, dass sie vermutlich zwei
Bandscheibenvorfälle habe. Die Erkrankung dauerte bis zur mündlichen Verhandlung vor der
Berufungskammer am 19.02.2009 an.
Mit Schreiben vom 24.01.2008, das der Klägerin am 25.01.2008 zugegangen ist, kündigte die Beklagte
nach Anhörung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin unter Einhaltung der
tarifvertraglichen Kündigungsfrist zum 31.07.2008. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit
ihrer am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen
Parteivorbringens und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung
von Wiederholungen abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -
Auswärtige Kammern Bad Kreuznach 03.08.2008 (dort Seite 2 - 8 = Bl. 64 - 70 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 03.07.2008 der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die
Beklagte verurteilt, die Klägerin nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Rechtsstreits als Verbundzustellerin im Bezirk F.-Stadt weiter zu beschäftigen. Zur
Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei
unverhältnismäßig, weil die Beklagte kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt
habe. Es könne somit nicht festgestellt werden, ob die Kündigung nicht durch mildere Maßnahmen hätte
vermieden werden können. Vorliegend habe die Beklagte noch nicht einmal pauschal vorgetragen, dass
keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin bestünden. Soweit sie behaupte, sie habe
den Anforderungen des § 84 Abs. 2 SGB IX entsprochen, weil sie die Klägerin im Jahr 2006 wohnortnah
versetzt habe, könne es sich hierbei nicht um eine Maßnahme handeln, die sie im Vorfeld der
krankheitsbedingten Kündigung vom 24.01.2008 getroffen habe. Die Versetzung sei auf Wunsch der
Klägerin ca. zwei Jahre vor der Kündigung erfolgt. Mithin sei davon auszugehen, dass kein BEM
durchgeführt worden sei, so dass es nicht nur eines Sachvortrages der Beklagten bedurft hätte, dass es
keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin gebe, sondern darüber hinaus eines
Sachvortrages, warum eine leidensgerechte Beschäftigung der Klägerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz
oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit nicht möglich sein
soll. Insbesondere wäre es der Beklagten möglich gewesen, dies unter Einschaltung des Betriebsarztes
zu eruieren. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf
Seite 8-13 des Urteils vom 03.07.2008 (= Bl. 70-75 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte, der das Urteil am 05.09.2008 zugestellt worden ist, hat am 12.09.2008 Berufung zum
Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 05.12.2008 verlängerten
Berufungsbegründungsfrist mit am 05.12.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz
begründet.
Die Beklagte trägt vor, sie habe dem Erfordernis des § 84 Abs. 2 SGB IX Rechnung getragen. Selbst wenn
das Gericht dem nicht folgen sollte, hätte ein BEM jedenfalls keinen Erfolg gehabt. Die Klägerin leide nach
ihren eigenen Angaben unter Rückenproblemen und - infolge eines alten Schulunfalls - auch unter
Knieproblemen, weswegen sie in den vergangenen Jahren regelmäßig arbeitsunfähig krank gewesen sei.
Zusteller seien im Rahmen ihrer Tätigkeit in besonderem Maße Witterungseinflüssen sowie
orthopädischen Beeinträchtigungen durch das permanente Arbeiten im Freien und das Tragen der
Zustellsendungen ausgesetzt. Eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes der Klägerin komme nicht in
Betracht. Die Klägerin habe die Zustellungen mit dem Auto und dem Karren im Verbund zu tätigen. Damit
seien die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Arbeitserleichterung ausgeschöpft. Selbst wenn sie
der Klägerin ein Fahrrad zur Verfügung stelle, sei sie weiterhin dauerhaft Witterungseinflüssen ausgesetzt
und müsse Lasten heben und bewegen. Im Bereich der Zustellung sei - dies dürfte offenkundig sein - kein
Schonarbeitsplatz denkbar. Im Innendienst (Briefsortierung, Verteilung) sei kein gleichwertiger
Arbeitsplatz vorhanden, weil die Klägerin nach Entgeltgruppe 3 vergütet werde, während im Innendienst
nur Mitarbeiter tätig seien, die nach Entgeltgruppe 2 vergütet werden. Die Klägerin habe in zahlreichen
Gesprächen zu verstehen gegeben, dass sie Probleme habe, neben ihrer Vollzeittätigkeit ihre privaten
Angelegenheiten zu organisieren. Sie habe die Klägerin daraufhin heimatnah versetzt, in der Hoffnung,
dass sich ihr Ausfallverhalten ändere. Eine Reduzierung der Arbeitszeit habe die Klägerin abgelehnt.
Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom
05.12.2008 (Bl. 106-113 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 03.07.2008, Az.: 5 Ca
170/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, ein zeitnahes BEM sei vor Ausspruch der
Kündigung nicht durchgeführt worden. Die von der Beklagten ohne Angabe eines Datums genannten
Gespräche hätten alle vor ihrer Versetzung im Jahr 2006 stattgefunden. Bei gehöriger Durchführung des
BEM hätten Möglichkeiten einer alternativen Beschäftigung bestanden. Auch bei der Tätigkeit einer
Zustellerin bestünden vielfache Möglichkeiten, die körperlichen Belastungen einzuschränken. Ihr könne
etwa durch Übertragung eines anderen oder geänderten Zustellbezirks eine geringere Zustellmenge
zugeteilt werden, um die körperliche Belastung zu reduzieren. Im Übrigen wäre auch eine
Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen in Betracht gekommen. Sie hätte auch im
Innendienst, insbesondere in der Briefsortierung und -verteilung beschäftigt werden können. Schließlich
habe bereits der Betriebsrat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Beklagte mehrere
Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Einschränkungen in anderen Beschäftigungsfeldern, bis hin zur
Konzerntochter „Post-Direkt“ untergebracht habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung
wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26.01.2009 (Bl. 129-132 d. A.) Bezug genommen.
Außerdem wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 19.02.2009 (Bl. 135-138 d. A.) und
den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 4 Ca 1956/06 (ArbG Mainz) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist
somit zulässig.
II.
vom 24.01.2008 zum 31.07.2008 ist im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt.
1.
Kündigung wegen häufiger Erkrankungen entwickelt hat. Das Arbeitsgericht hat seiner Entscheidung auch
zutreffend die Grundsätze zu Grunde gelegt, die das Bundesarbeitsgericht zur kündigungsrechtlichen
Bedeutung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX erstmals in
seinem Urteil vom 12.07.2007 (2 AZR 716/06 - AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte
Kündigung) niedergelegt hat. Die Berufungskammer folgt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen den
ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt
dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zur kündigungsrechtlichen Anwendung des § 84
Abs. 2 SGB IX im Urteil vom 23.04.2008 (2 AZR 1012/06 - EzA Nr. 55 zu § 1 KSchG Krankheit) fortgeführt
und darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung drei voneinander teilweise
abhängige Aspekte zu beachten sind: Zunächst ist zu fragen, ob ein BEM stattgefunden hat. Ist dies der
Fall, so ist für die Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit das -positive oder auch negative - Ergebnis
des BEM maßgeblich zu berücksichtigen. Hat dagegen kein BEM stattgefunden, ist - zweitens - zu prüfen,
ob es ein positives Ergebnis hätte erbringen können. Ist dies nicht der Fall, so kann dem Arbeitgeber aus
dem Unterlassen des BEM kein Nachteil entstehen. Wäre ein positives Ergebnis dagegen möglich
gewesen, treten - drittens - Verschiebungen in der Darlegungslast ein. In diesem Fall darf sich der
Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen
Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer bzw. es gebe keine “freien Arbeitsplätze”, die der
erkrankte Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung noch ausfüllen könne. Es bedarf vielmehr eines
umfassenderen konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des
Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz einerseits und warum andererseits eine
leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem
(alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden könne.
2.
krankheitsbedingte Kündigung der Beklagten den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, nicht zu
beanstanden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung haben keinen Erfolg.
2.1.
vom 24.01.2008 kein BEM durchgeführt hat. Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt kein
anderes Ergebnis.
Die Beklagte macht geltend, sie habe dem Erfordernis des § 84 Abs. 2 SGB IX dadurch Rechnung
getragen, dass sie „zahlreiche Gespräche“ mit der Klägerin geführt und sie auf ihre gehäuften
Arbeitsunfähigkeitszeiten seit dem 01.01.2004 angesprochen habe. Die Klägerin habe zu verstehen
gegeben, dass sie Probleme habe, neben ihrer Vollzeittätigkeit ihre privaten Angelegenheiten zu
organisieren. Die von der Beklagten - ohne Angabe eines Datums - erwähnten Gespräche haben nach
ihrer eigenen Darstellung zeitlich vor der Versetzung der Klägerin nach F.-Stadt, die am 29.08.2006 erfolgt
ist, stattgefunden. Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie die Klägerin „daraufhin“, also nach den
Gesprächen, heimatnah versetzt habe, in der Hoffnung, ihr Ausfallverhalten möge sich ändern.
Die Gespräche und die anschließende Versetzung der Klägerin im August 2006 vor Ausspruch der ersten
Kündigung vom 12.09.2006, die die Beklagte am 22.12.2006 zurückgezogen hat, ersetzen nicht die
Durchführung eines BEM vor Ausspruch der hier streitgegenständlichen zweiten Kündigung vom
24.01.2008. Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber bei einer Beschäftigten, die - wie die Klägerin -
innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen wiederholt arbeitsunfähig gewesen ist, mit der
zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung der betroffenen Person, die Möglichkeiten zu
klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter
Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin erhalten werden kann. Eine
Klärung in diesem Sinne hat vor Ausspruch der zweiten Kündigung vom 24.01.2008 nicht stattgefunden.
2.2.
positives Ergebnis hätte erbringen können. Bei der Größe des Betriebs der Beklagten kann nicht
angenommen werden, dass es für Postzusteller, die unter Rücken- und Knieproblemen leiden, überhaupt
keine alternativen Einsatzmöglichkeiten gibt, die bei gehöriger Durchführung des BEM - ggf. unter
Einschaltung des postärztlichen Dienstes - erkannt und entwickelt werden können.
Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass es (drittens) eines umfassenderen konkreten
Sachvortrags der Beklagten bedurft hätte, weshalb ein Einsatz der Klägerin auf dem bisher innegehabten
Arbeitsplatz als Verbundzustellerin ausgeschlossen sein soll und weshalb die Klägerin auch nicht
leidensgerecht auf einem (alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden
kann.
Die Beklagte hat in der Berufung ihren erstinstanzlichen Vortrag konkretisiert und ausgeführt, eine
Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes der Klägerin als Verbundzustellerin komme nicht in Betracht.
Zusteller seien im Rahmen ihrer Tätigkeit in besonderem Maße Witterungseinflüssen sowie
orthopädischen Beeinträchtigungen durch das permanente Arbeiten im Freien und das Tragen der
Sendungen ausgesetzt. Die Zustellungen seien mit dem Auto und dem Karren im Verbund zu tätigen.
Damit seien die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Arbeitserleichterung ausgeschöpft. Selbst
wenn sie der Klägerin ein Fahrrad zur Verfügung stelle, sei sie weiterhin dauerhaft Witterungseinflüssen
ausgesetzt und müsse Lasten heben und bewegen. Hierauf hat die Klägerin erwidert, dass ihr die
Beklagte einen anderen oder geänderten (kleineren) Zustellbezirk mit einer geringeren Zustellmenge
hätte zuteilen können, um die körperlichen Belastungen bei der Verbundzustellung zu reduzieren.
Nach Auffassung der Berufungskammer hätte die Beklagte vor Ausspruch einer Beendigungskündigung
prüfen müssen, ob sie der Klägerin nicht im Wege der Änderungskündigung mit entsprechender
Reduzierung der Arbeitszeit einen kleineren Zustellbezirk mit einer geringeren Zustellmenge hätte
zuweisen können. Dadurch hätten sich die körperlichen Belastungen der Zustelltätigkeit verringern
lassen, weil sich nicht nur das Gewicht der Sendungen, die zu Heben und zu Tragen sind, reduziert,
sondern sich auch die zurückzulegende Wegstrecke und die Aufenthaltsdauer im Freien verkürzt. Das die
Klägerin (wohl bereits im Jahr 2006) eine Reduzierung der Arbeitszeit abgelehnt hat, verwehrt es ihr nicht,
sich auf eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berufen. Insoweit gelten die zur Frage
der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Falle betriebsbedingter Kündigungen
entwickelten Grundsätze auch bei krankheitsbedingten Kündigungen: Bietet der Arbeitgeber vor
Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer an, den Vertrag der noch bestehenden
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen und lehnt der Arbeitnehmer dies ab, so bleibt der
Arbeitgeber regelmäßig dennoch verpflichtet, das abgelehnte Angebot durch Änderungskündigung
anzubieten. Eine Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des
Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen
Rechtfertigung annehmen (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 244/04 - AP Nr. 80 zu § 2 KSchG 1969). Die im Jahr
2006 erklärte Weigerung der Klägerin, einer Reduzierung der Arbeitszeit zuzustimmen, kann nicht dahin
verstanden werden, dass sie an dieser Ablehnung auch im Jahr 2008 noch festhält, nachdem sich
herausgestellt hat, dass ihre heimatnahe Versetzung nur vorübergehend zu einer Reduzierung der
Fehlzeiten geführt hat.
Die Beklagte hätte außerdem vor Ausspruch der Beendigungskündigung prüfen müssen, ob nicht eine
Beschäftigung der Klägerin als Briefsortiererin bzw. Briefverteilerin im Innendienst möglich gewesen wäre.
Auch auf diese Beschäftigungsalternative hat sich die Klägerin ausdrücklich berufen. Zwar werden die
Mitarbeiter im Innendienst nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten geringer
vergütet als die Klägerin (Entgeltgruppe 2, statt 3), jedoch gilt auch hier - wie bereits ausgeführt - der
Vorrang der Änderungskündigung. Soweit die Beklagte in der mündlichen Berufungsverhandlung erklärt
hat, dass ein heimatnaher Einsatz der Klägerin als Briefsortiererin nicht möglich ist, weil sich das
Briefverteilzentrum in D-G-Stadt befindet, so ist dieser Umstand nicht erheblich. Stellt die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, die der Arbeitgeber in seinem Betrieb sieht, gegenüber einer
Beendigungskündigung die einzige Alternative dar, so hat er sie dem Arbeitnehmer regelmäßig
anzubieten, ohne dass es Sache des Arbeitgebers wäre, sich über die Zumutbarkeit der neuen
Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer Gedanken zu machen. Das gleiche gilt für den Hinweis der
Beklagten, dass die Tätigkeit im Verteilzentrum an den Briefsortiermaschinen von den körperlichen
Anforderungen nicht mit Leichtarbeitsplätzen verwechselt werden dürfe, weil es sich um keine
Bürotätigkeit handele. Diese Arbeitsumstände sind der Klägerin, die bereits ihre Ausbildung bei der
Beklagten absolviert hat, bekannt. Wenn sie gleichwohl diese alternative Beschäftigungsmöglichkeit
vortragen lässt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die geänderten Arbeitsbedingungen in
der Briefsortierung und -verteilung (geringere Vergütung, längerer Arbeitsweg, ggf. Teilzeitbeschäftigung)
im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen
Rechtfertigung angenommen hätte.
Danach hatte die Beklagte der Klägerin die neuen Arbeitsbedingungen durch eine Änderungskündigung
anzubieten. Es war Sache der Klägerin zu entscheiden, ob sie die neuen Arbeitsbedingungen mit oder
ohne Vorbehalt annehmen oder ablehnen wollte.
III.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die
Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.