Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 14.06.2007

LArbG Mainz: arbeitsgericht, betriebsrat, verfügung, mitbestimmungsrecht, abschlag, beschränkung, auskunft, gerichtsgebühr, alter, quelle

LAG
Mainz
14.06.2007
1 Ta 116/07
Gegenstandswert - Mitbestimmung bei Überstunden und Auskunftsanspruch
Aktenzeichen:
1 Ta 116/07
1 BVGa 2/07
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 14.06.2007
Tenor:
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am
Rhein vom 29.03.2007 - 1 BVGa 2/07 - wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.
2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer begehren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes im Zusammenhang
mit der Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und des
Auskunftsanspruchs aus § 80 Abs. 2 BetrVG.
Der Antragsteller, der Betriebsrat der Antragsgegnerin (im Folgenden Arbeitgeberin), die ein
Seniorenheim betreibt, hat das vorliegende Beschlussverfahren mit Antrag vom 12.02.2007 eingeleitet. Im
Wege der einstweiligen Verfügung hat er darin die Feststellung eines Auskunftsanspruchs aus § 80 Abs. 2
BetrVG (Antrag Ziffer 5) und mit vier weiteren Anträgen die Wahrung seines Mitbestimmungsrechts aus
§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bzw. seiner Rechte aus der Betriebsvereinbarung vom 5./6. April 2006 (Anträge
Ziffer 1, 3, 4 und 6) begehrt. Die letztgenannten Anträge stehen im Zusammenhang mit der Leistung von
Überstunden durch die Beschäftigten.
Das Verfahren wurde vor dem Arbeitsgericht durch Vergleich vom 27.02.2007 erledigt. In diesem
verpflichtete sich die Arbeitgeberin, zukünftig das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der
Anordnung der Überstunden ab der "gelben Phase" der Betriebsvereinbarung vom 5./6. April 2006 zu
beachten.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom
29.03.2007 den Gegenstandswert ihrer anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gegen diesen haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit am selben Tag
eingegangenem Schriftsatz vom 18.04.2007
Beschwerde
auf 16.000,00 Euro festzusetzen, da jeder der fünf Anträge gesondert zu bewerten sei.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und übersteigt auch den Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 Euro. Letzteres ergibt
sich unter Zugrundelegung der in der Beschwerdeschrift vom 18.04.2007 begehrten Festsetzung des
Gegenstandswertes auf 16.000,00 Euro, die eine Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands
erst ermöglicht und daher als von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels
zwingend notwendig ist. Die Beschwerde ist somit zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit
hat das Arbeitsgericht zu Recht auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert soweit er sich nicht aus den übrigen Regelungen das
§ 23 RVG ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung
genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen
Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher,
jedoch nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.
Die Regelung des § 23 Abs. 1 RVG findet vorliegend schon deshalb keine Anwendung, weil im
Beschlussverfahren nach § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. §§ 2a, 80 ff. ArbGG keine Gerichtskosten erhoben werden.
Auch die in § 23 Abs. 3 S.1 RVG genannten Gebührentatbestände der Kostenordnung finden im
Beschlussverfahren keine, auch keine entsprechende Anwendung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss
vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07). Der
Gegenstandswert steht auch sonst nicht fest. Die Bestimmung des Gegenstandswertes richtet sich daher
nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand. Von einem
solchen ist dann auszugehen, wenn der im Verfahren erhobene Anspruch auf keiner
vermögensrechtlichen Beziehung beruht bzw. nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet ist (vgl. LAG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07). Dies ist bei dem geltend gemachten
Auskunftsanspruch und dem geltend gemachten Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG der
Fall. Diese beruhen auf keiner vermögensrechtlichen Beziehung und sind auch nicht auf Geld oder
Geldeswert gerichtet. Im Übrigen kommt eine Schätzung auch deshalb nicht in Betracht, weil vorliegend
Anhaltspunkte zur Feststellung eines Wertes dieser Anträge nicht bestehen. Der Gegenstandswert ist
daher nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG mit 4.000,00 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch
nicht über 500.000,00 Euro anzunehmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07;
LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.05.2006 - 2 Ta 79/06; vgl. auch Arbeitsrechtslexikon/Schwab:
Streitwertgegenstandswert II 3) stellt der Wert von 4.000,00 Euro dabei keinen Regelwert dar, von dem nur
unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern einen Hilfswert, auf den nur
zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche
Anhaltspunkte ergeben sich aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, inwieweit durch das
Beschlussverfahren finanzielle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer berührt werden, aus der Bedeutung,
dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache. Unter Umständen ist auch der objektive Arbeitsaufwand
des Rechtsanwalts im Einzelfall nicht ganz außer Acht zu lassen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze erscheint vorliegend eine Festsetzung des Gegenstandswertes auf
4.000,00 Euro - wie sie das Arbeitsgericht vorgenommen hat - als angemessen.
Die Anträge der Ziffern 1, 3, 4 und 6 stehen in einem engen Zusammenhang. Alle vier Anträge sind
„lediglich“ auf den Abbau alter bzw. die Vermeidung neuer Überstunden gerichtet und dienen der
Einhaltung der Betriebsvereinbarung vom 5./6. April 2006 und damit der Wahrung des
Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Der Antrag Ziffer 1 dient der Reduzierung der
Überstunden von zehn Mitarbeitern, der Antrag Ziffer 3 der Vermeidung bzw. Beschränkung zukünftiger
Überstunden und dem Abbau neuer gegebenenfalls geleisteter Überstunden, der Antrag Ziffer 4 der
Vermeidung erheblicher Überstunden und der Antrag Ziffer 6 der Sicherung der Beteiligungsrechte des
Vermeidung erheblicher Überstunden und der Antrag Ziffer 6 der Sicherung der Beteiligungsrechte des
Betriebsrats im Zusammenhang mit Überstunden. Diese Anträge sind daher - entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführer - auch einheitlich zu bewerten. Der Hilfswert von 4.000,00 Euro ist vorliegend
allerdings aufgrund der betroffenen Anzahl von Mitarbeitern um 2.000,00 Euro zu erhöhen. Anhaltspunkte
für eine besondere Schwierigkeit oder einen besonderen Umfang der Angelegenheit oder einen
besonderen Arbeitsaufwand der Beschwerdeführer, die eine weitere Erhöhung rechtfertigen würden,
bestehen vorliegend dagegen nicht. Von dem auf 6.000,00 Euro erhöhten Gegenstandswert ist hier
allerdings aufgrund der Vorläufigkeit der begehrten Regelung - der Betriebsrat hat seinen Antrag im Wege
der einstweiligen Verfügung geltend gemacht - ein Abschlag von der Hälfte vorzunehmen. Damit sind die
Anträge der Ziffern 1, 3, 4 und 6 einheitlich mit insgesamt 3.000,00 Euro zu bewerten.
Die Feststellung des Anspruchs auf Auskunft in Ziffer 5 ist ausgehend vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2
RVG mit 1.000,00 Euro zu bewerten. Der vom Hilfswert vorgenommene Abschlag in Höhe von
3.000,00 Euro ist gerechtfertigt, da es sich im Verhältnis zu den Anträgen 1, 3, 4 und 6 nur um einen
untergeordneten Antrag und zudem nur um einen Feststellungsantrag handelt und der Betriebsrat
lediglich eine vorläufige Regelung im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt hat.
Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren berechnet sich nach Nr. 8614 von Teil 8
der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das
Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 S. 1 und S. 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt. Auch § 68 Abs. 3
GKG und § 66 Abs. 8 GKG finden vorliegend keine Anwendung. Es fallen somit grundsätzlich
Gerichtsgebühren an. Dies gilt auch im Beschlussverfahren (vgl. ausführlich LAG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 04.04.2007 - 1 Ta 46/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.04.2007 - 1 Ta 50/07
jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Gebühren und Kosten haben die Beschwerdeführer nach § 97
Abs. 1 ZPO zu tragen.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.