Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 22.02.2006

LArbG Mainz: betriebsrat, unwirksamkeit der kündigung, ordentliche kündigung, fehlerhaftigkeit, dienstjahr, beweislast, bedürfnis, produktion, anzeige, arbeitsgericht

LAG
Mainz
22.02.2006
9 Sa 918/05
Kündigung und grob fehlerhafte Sozialauswahl
Aktenzeichen:
9 Sa 918/05
5 Ca 2013/04
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Entscheidung vom 22.02.2006
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern
Neuwied - vom 12.07.2005, Az. 5 Ca 2013/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 20.10.1962 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 13.03.1989 als Arbeiter bei der Beklagten,
die mit ca. 460 Arbeitnehmern pharmazeutische Produkte herstellt, gegen Zahlung einer monatlichen
Arbeitsvergütung in Höhe von ca. 2.350,00 EUR brutto beschäftigt.
Am 26.04.2004 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr errichteten Betriebsrat einen Interessenausgleich
(Bl. 18 ff. d. A.), wonach 41 Arbeitsplätze wegen eines zu erwartenden Umsatzrückgangs abgebaut und
hierbei auch betriebsbedingte Kündigungen erklärt werden sollten. Dem Interessenausgleich war als
Anlage eine Namensliste der von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer beigefügt, in der unter
anderem auch der Name des Klägers enthalten ist.
Mit Schreiben vom 27.08.2004 (Bl. 26 ff. d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten
ordentlichen Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Nachdem der
Betriebsrat am 30.08.2004 seine Zustimmung schriftlich erklärt hatte (Bl. 27 d. A.) kündigte die Beklagte
das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 30.08.2004 (Bl. 4 d. A.) zum 28.02.2005.
Am 16.09.2004 ist die hiergegen gerichtete Kündigungsklage des Klägers beim Arbeitsgericht Koblenz -
Auswärtige Kammern Neuwied - eingegangen.
Von einer wiederholenden Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2
ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige
Kammern Neuwied - vom 12.07.2005 (dort S. 4 - 7 = Bl. 53 - 56 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung der Beklagten
vom 30.08.2004 nicht aufgelöst wurde,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet,
sondern zu unveränderten Bedingungen über den 28.02.2005 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat mit Urteil vom 12.07.2005 der Klage
vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom
30.08.2004 sei wegen eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 KSchG unwirksam, da die Beklagte die
erforderliche Massenentlassungsanzeige vor Ausspruch der 41 Kündigungen bei der Agentur für Arbeit
nicht eingereicht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 7 ff.
seines Urteils (= Bl. 56 ff. d. A.) verwiesen.
Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichtes am 09.11.2005 zugestellt worden ist, hat am
16.11.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 23.12.2005 ihr
Rechtsmittel begründet.
Die Beklagte macht geltend,
eine Massenentlassungsanzeige sei bei zutreffender Auslegung des § 17 KSchG nicht erforderlich
gewesen, da 13 Arbeitnehmer zum Ende des Monats September 2004, neun Arbeitnehmer zum Ende des
Monats Oktober 2004, drei Arbeitnehmer zum Ende des Monats November 2004, fünf Arbeitnehmer zum
Ende des Monats Dezember 2004, vier Arbeitnehmer zum Ende des Monats Januar 2005, drei
Arbeitnehmer zum Ende des Monats Februar 2005 und drei weitere Arbeitnehmer zum Ende des Monats
März 2005 entlassen worden seien. Die Rechtsaufassung des Arbeitsgerichtes, wonach eine "Entlassung"
im Sinne von § 17 KSchG identisch sei mit der Kündigungserklärung, sei unzutreffend; zumindest habe
die Beklagte vor Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 27.01.2005 auf die
bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes vertrauen dürfen.
Die vorgenommene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden, da der Kläger bei der Beklagten lediglich
als Maschinenbediener einsetzbar sei und alle Maschinenbediener, die weniger als 62 Punkte, aufgrund
des angewandten Punktesystems, erreicht hätten und von der Sozialauswahl nicht auszunehmen
gewesen seien, eine Kündigung erhalten hätten. Der Kläger sei aber lediglich auf 61 Punkte gekommen.
Diese Punktezahl ergebe sich aus den Sozialdaten des Klägers bezogen auf das von der Beklagten
angewandte Punktesystem, das auf folgenden Vorgaben beruhe:
- Bis zehn Dienstjahre je Dienstjahr einen Punkt
- Ab dem elften Dienstjahr je Dienstjahr zwei Punkte
- Lebensalter, für jedes volle Lebensjahr einen Punkt (es werden maximal 55 Lebensjahre berücksichtigt,
so dass über das Lebensjahr maximal 55 Punkte erzielt werden können)
- Je unterhaltsberechtigtem Kind und sonstigen gesetzlichen Unterhaltsbe-rechtigten: vier Punkte
- Für einen unterhaltsberechtigten Ehepartner: acht Punkte
- Eine Schwerbehinderung bis 50 % Erwerbsminderung: fünf Punkte;
über 50 % Erwerbsminderung je 10 % Erwerbsminderung ein weiterer Punkt (bei 100 %
Schwerbehinderung können maximal 10 Punkte erreicht werden).
In die Sozialauswahl der Maschinenbediener seien Frau X. (52 Sozialpunkte) und Frau W. (60
Sozialpunkte) nicht einzubeziehen gewesen. Sie seien nämlich als Maschinenbedienerinnen an Stanz-
und Siegelanlagen und einfachen Verpackungsmaschinen eingesetzt; hierbei seien feinmotorische
Fähigkeiten gefragt, die bei dem Kläger nicht gegeben seien. Dieser sei als Maschinenbediener in dem
Werkteil ECS/SCS bislang für das Einrichten und Fahren von Maschinen mit Aufgaben, die normalerweise
nicht durch weibliche Maschinenbedienerinnen wahrgenommen werden würden, eingesetzt worden. Für
diese Tätigkeit seien mehr grobmotorische Fertigkeiten, die teilweise auch mit erhöhten körperlichen
Anstrengungen verbunden seien, erforderlich gewesen. Hinzu komme, dass Frau W. bei der Fertigung
von betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln eingesetzt werde und diese Produktion strengen Auflagen
nach dem Betäubungsmittelgesetz unterliege. Die dort eingesetzten Mitarbeiter seien besonders geschult;
entsprechende Fähigkeiten seien beim Kläger nicht vorhanden. Frau X. besitze spezielle Kenntnisse in
der "Rotigotine-Fertigung", über die der Kläger nicht verfüge. All diese Umstände seien für den Betriebsrat
Grund genug gewesen, die Mitarbeiterinnen W. und X. als Leistungsträgerinnen anzuerkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom
21.12.2005 (Bl. 75 ff. d. A.) und 15.02.2006 (Bl. 100 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom
12.07.2005 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger führt aus,
die vorliegende Kündigung sei wegen fehlender Anzeige einer Massenentlassung rechtsunwirksam,
wobei die Erforderlichkeit einer entsprechenden Anzeige den zutreffenden Ausführungen des
Europäischen Gerichtshofes in seinem Urteil vom 27.01.2005 zu entnehmen sei.
Er, der Kläger sei nicht als Maschinenbediener, sondern als Maschinenführer eingesetzt worden und
gehöre daher nicht zu der auswahlrelevanten Gruppe der Maschinenbediener. Unsubstantiiert und völlig
unzutreffend sei, dass die Arbeitnehmerinnen Frau X. und Frau W. mit dem Kläger nicht vergleichbar
seien, weil sie über feinmotorische Fähigkeiten verfügten. Auch in dem Schreiben, mit welchem der
Betriebsrat angehört worden sei, sei eine solche Unterscheidung der Fertigkeiten nicht getroffen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom
27.01.2006 (Bl. 94 ff. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegt Berufung ist nach §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der
Sache jedoch nicht begründet.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung vom
30.08.2005 nicht beendet, da diese Kündigung gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 S. 2 des
vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam ist.
Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer,
dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs
Monates bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist
eine Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des
Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Ist einem Arbeitnehmer
aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die
Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die
Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung
des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. In die soziale Auswahl nach S. 1 sind
Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse,
Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im
berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 KSchG). Sind bei einer Kündigung aufgrund einer
Betriebsänderung nach
§ 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur auf
grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG).
Bei der Prüfung eines Kündigungsgrundes im Sinne von § 1 KSchG ist zu berücksichtigten, dass eine
objektiv unvollständige Unterrichtung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber dazu führt, dass er im
Kündigungsschutzprozess Gründe, die über die Erläuterung des dem Betriebsrat mitgeteilten
Sachverhaltes hinaus gehen, nicht nachschieben kann. Dies führt mittelbar zu Unwirksamkeit der
Kündigung, wenn der verwertbare Sachverhalt die Kündigung nicht trägt (vgl. DLW/Dörner, 4. Auflage, D
Randziffer 294 m. w. N.).
Diese Rechtsgrundsätze sind auch zu berücksichtigen, wenn es um den Sachvortrag des Arbeitgebers
geht, den dieser im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast zur Sozialauswahl im Sinne
von §§ 1 Abs. 3, 5 Abs. 2 KSchG zu erbringen hat. In diesem Zusammenhang hat zwar der Arbeitnehmer
gem. § 1 Abs. 3 letzter Satz KSchG die Darlegungs- und Beweislast für jene Tatsachen, die die Kündigung
als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen. Bezieht der Arbeitnehmer aber
entsprechend § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG bestimmte Arbeitnehmer aus den im Gesetz genannten Gründen in
die Sozialauswahl nicht ein, so ist es an ihm, vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die
Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und
Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten
betrieblichen Interesse liegt. Die entsprechenden Angaben des Arbeitgebers sind allerdings lediglich auf
grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen, soweit der Fall des § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG gegeben ist. Der
Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit bezieht sich nämlich nicht nur auf die so genannten
sozialen Indikatoren, sondern auf die gesamte Sozialauswahl, wobei grobe Fehlerhaftigkeit einen
evidenten Fehler voraussetzt (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.11.2005 - 5 Sa
651/05 = JURIS).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die
von der Beklagten getroffene Sozialauswahl grob fehlerhaft ist, da die Arbeitnehmerinnen Frau X. und
Frau W. nach eigener Darlegung der Beklagten von der Arbeitstätigkeit her mit dem Kläger vergleichbar
sind, jedoch aus der Sozialauswahl ausgenommen wurden, ohne dass die Beklagte Umstände
vorzutragen vermochte, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden könnten und die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erfüllen würden. Berücksichtigungsfähig ist in diesem
Zusammenhang jener Sachvortrag der Beklagten, der dem Betriebsrat bei der Anhörung für die
Nichteinbeziehung der beiden Arbeitnehmerinnen in die Sozialauswahl mitgeteilt worden ist. Hierzu hat
die Beklagte in dem Anhörungsschreiben vom 27.08.2004 ausgeführt: "Bei Frau W. und Frau X. ist jedoch
das betriebliche Bedürfnis an der Weiterbeschäftigung sowie die Fortführung des betrieblichen Ablaufs
aufgrund der geleisteten Arbeit, die stets zur vollsten Zufriedenheit erfolgte, zu berücksichtigen. Nicht zu
vernachlässigen ist die besondere soziale Situation der Kollegin im häuslichen Umfeld."
Hinsichtlich dieser Begründung ist zunächst einmal klarzustellen, dass der letzte Satz sich wohl nur auf
eine der beiden Arbeitnehmerinnen beziehen soll, ohne dass ersichtlich wird, welche gemeint ist.
Unabhängig davon, dass sich hieraus kein Grund für die Nichteinbeziehung in die Sozialauswahl
entnehmen lässt, kann diese Mitteilung, mangels Verknüpfung mit einer bestimmten Person, nicht
verwertet werden.
Soweit die Beklagte im Übrigen auf ein betriebliches Bedürfnis an der Weiterbeschäftigung der beiden
Arbeitnehmerinnen aufgrund der geleisteten Arbeit, die stets zur vollsten Zufriedenheit erfolgt sein soll,
hingewiesen hat, kann es sich zwar um einen gesetzlich anerkannten Grund für die Nichteinbeziehung in
die Sozialauswahl handeln, da auch eine Weiterbeschäftigung aufgrund der Leistung im berechtigten
betrieblichen Interesse liegen kann.
Vorliegend hat die Beklagte im Kündigungsschutzprozess aber die Nichteinbeziehung der beiden
Arbeitnehmerinnen nicht mit Leistungsgesichtspunkten begründet, sondern letztlich damit, dass sie über
andere Fähigkeiten und Kenntnisse als der Kläger verfügen. So wurde von der Beklagten ausgeführt, die
beiden Arbeitnehmerinnen könnten auch feinmotorische Arbeiten ausführen, während der Kläger nur über
grobmotorische Fertigkeiten verfüge. Darüber hinaus sei die Mitarbeiterin W. besonders geschult für die
Produktion von betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln und die Mitarbeiterin Frau X. besitze Kenntnisse in
der "Rotigotine-Fertigung". Über beides verfüge der Kläger nicht. Die insoweit vorgetragenen Gründe für
eine Nichteinbeziehung der beiden Arbeitnehmerinnen sind vorliegend nicht verwertbar, da sie dem
Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sind. Der mitgeteilte Leistungsunterschied umfasst nämlich nicht
andere Fähigkeiten und Fertigkeiten. Vielmehr hat die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat in dem
Anhörungsschreiben, insbesondere auch durch die Verwendung einer Leistungsbewertung, wie sie in
Arbeitszeugnissen verwendet wird, den Eindruck hervorgerufen, dass die beiden Arbeitnehmerinnen sich
durch erheblich bessere Arbeitsleistungen von den anderen Maschinenbedienerinnen und
Maschinenbedienern unterscheiden und deshalb weiter beschäftigt werden sollten. Von weitergehenden
Fertigkeiten oder Kenntnissen war hierbei nicht die Rede. Dass hierin ein deutlicher Unterschied liegt,
wird bereits durch den Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG deutlich, wonach sich das
Weiterbeschäftigungsinteresse des Arbeitgebers unter anderem insbesondere aus den Kenntnissen,
Fähigkeiten und Leistungen eines Arbeitnehmers ergeben kann. Wären Fähigkeiten und Kenntnisse
immer identisch mit den Leistungen, wäre dort eine entsprechende Unterscheidung nicht getroffen
worden.
Die entsprechende Unterscheidung ist auch evident und die deutlich überwiegende soziale
Schutzbedürftigkeit des Klägers ist - nach eigener Darlegung der Beklagten - deutlich, zumal nach dem
von der Beklagten verwendete Punktesystem Frau X. auf 52 Sozialpunkte und Frau W. auf 60
Sozialpunkte kommt, während der Kläger 62 Sozialpunkte erreicht. Angesichts dieser Umstände ist das
Ergebnis der von der Beklagten getroffenen Sozialauswahl als grob fehlerhaft zu werten.
Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 15.02.2006 angedeutet hat, dem Betriebsrat seien jene
Gründe bekannt gewesen, welche für die Herausnahme der beiden Mitarbeiterinnen Frau W. und Frau X.
über die schriftlich mitgeteilten Leistungsunterschiede hinaus ausschlaggebend gewesen seien, reichen
diese Andeutungen nicht aus, um den berücksichtigungsfähigen Sachverhalt über die im
Anhörungsschreiben mitgeteilten Herausnahmegründe zu erweitern. Denn die insoweit
darlegungsbelastete Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, wann der Betriebsrat über welche
konkreten Herausnahmegründe von welchem Mitarbeiter der Beklagten informiert worden sein soll. Der
während der Berufungsverhandlung insoweit gemachte Hinweis, mit dem Betriebsrat seien im Rahmen
der Interessenausgleichsverhandlung alle aus der Sozialauswahl herauszunehmenden Arbeitnehmer im
Einzelnen erörtert worden, ist gleichermaßen unsubstantiiert. Nachdem der Kläger bestritten hatte, dass
der Betriebsrat zur Herausnahme der Arbeitnehmerinnen Frau W. und Frau X. ordnungsgemäß angehört
worden sei, hätte die Beklagte, insbesondere auch angesichts des Vorliegens eines schriftlichen
Anhörungsschreibens, weitergehende mündliche Mitteilungen substantiiert ausführen müssen.
Nachdem die streitgegenständliche Kündigung bereits aus den dargelegten Gründen rechtsunwirksam ist,
bedurften die weiteren im Rahmen des Rechtsstreits aufgeworfenen Rechtsfragen keiner Erörterung
mehr.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückweisen.
Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlte
es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an