Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 30.11.2009

LArbG Mainz: fristlose kündigung, abmahnung, arbeitsgericht, schenkung, eigentum, datum, straftat, anschrift, quittung, kündigungsfrist

LAG
Mainz
30.11.2009
5 Sa 440/09
Fristlose Kündigung wegen Diebstahls
Aktenzeichen:
5 Sa 440/09
10 Ca 5/09
ArbG Mainz
Urteil vom 30.11.2009
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10.06.2009 - 10 Ca 5/09 -
wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende
Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung fristlos am 20.12.2008 sein
Ende gefunden hat.
Der 1963 geborene, verheiratete und noch zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten
seit dem 29.03.1992 als Lagerist und Fahrer eingestellt. Seine arbeitsvertragliche Vergütung betrug
zuletzt 2.300,00 € brutto monatlich. Die Beklagte beschäftigt ca. 150 Arbeitnehmer.
Im Rahmen seiner Auslieferungsfahrten transportiert der Kläger Transportgut, das auf sogenannten das
auf sogenannten Euro-Paletten gelagert ist.
Am 08.01.2008 verkaufte der Kläger 12 im Eigentum der Beklagten stehende Euro-Paletten auf eigene
Rechnung und wurde dabei von einem Detektiv beobachtet. Diese Tat hat der Kläger in einem Gespräch
vom 15.01.2008 eingeräumt und schriftlich bestätigt (Bl. 18 d. A.). Unter dem gleichen Datum (Bl. 19 d. A.)
wurde der Kläger diesbezüglich abgemahnt.
Am 11.12.2008 hat der Kläger, der wiederum als Auslieferungsfahrer unterwegs war, auf seiner Fahrt
zwischen zwei Be- und Entladestellen entgegen einer eindeutigen Arbeitsanweisung nicht die kürzeste
Strecke benutzt, sondern eine andere Route. E hat den Palettenhandel "e" im Gewerbepark in H.
angefahren. Dort öffnete er den sich im LKW befindlichen Palettenkasten, entnahm sechs Euro-Paletten
und veräußerte diese sechs Euro-Paletten zu einem Preis von 24,00 €. Die diesbezügliche
Empfangsbestätigung, Quittung, füllte der Kläger mit falscher Anschrift aus und unterschrieb mit falschem
Namen. Auch dabei wurde der Kläger von der Detektei M. beobachtet, die diesen Sachverhalt mit
Schreiben vom 11.12.2008, bei der Beklagten am 13.12.2008 eingegangen, dieser mitteilte.
Am 19.12.2008 hat die Beklagte den Kläger hierzu angehört; zur Erklärung des Klägers in diesem
Zusammenhang wird ebenso wie hinsichtlich der Erklärung des Klägers in der Gütesitzung vom
19.01.2009 zu diesem Vorfall zur Vermeidung von Wiederholungen auf den unstreitigen Tatbestand der
angefochtenen Entscheidung (Seite 3, 4 = Bl. 52, 53 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat vorgetragen,
trotz der Aussagen in der Güteverhandlung sei es so gewesen, dass die von ihm verkauften Paletten ihm
persönlich geschenkt worden seien. Bei dem Geschehen am 12.11.2008 gegen 7:00 Uhr bei dem Kunden
sei ein weiterer Fahrer der Beklagten namens "H" im Zentrallager anwesend gewesen und dieser könne
bestätigen, dass die vom Kläger verkauften Paletten ihm selbst geschenkt worden seien.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 19.12.2008 -
zugegangen am 20.12.2008 - nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
der Kläger habe Euro-Paletten verkauft, die in ihrem Eigentum gestanden hätten und die schon zum
zweiten Mal, nachdem er schon am 08.01.2008 - unstreitig - Euro-Paletten unterschlagen habe.
Soweit der Kläger vortrage, weitere Mitarbeiter hätten gesehen, dass er die Euro-Paletten geschenkt
bekommen habe, sei dieser Vortrag einer Erwiderung nicht zugänglich. Der Kläger habe weder den
vollständigen Namen angegeben, noch dargelegt, wie denn die Schenkung vonstatten gegangen sein
solle.
Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 10.06.2009 - 10 Ca 5/09 - abgewiesen.
Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 51 bis 58 der Akte
Bezug genommen.
Gegen das ihm am 23.06.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 22.07.2009 beim
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung
durch am 17.08.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, zwar seien seine
Einlassungen widersprüchlich; dies liege jedoch daran, dass ihm die Feinheiten der deutschen Sprache
nicht vertraut seien. Er könne inzwischen den Mitarbeiter des Zentrallagers zum Beweis für seine
Darstellung, die Paletten seien ihm geschenkt worden, benennen (H.). Im Übrigen sei selbst bei einem als
wahr unterstellten Verhalten vorliegend eine weitere Abmahnung notwendig gewesen. Denn es liege im
Vergleich zur ersten Abmahnung keine gleichartige Vertragspflichtverletzung vor. Hinsichtlich der
weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom
17.08.2009 (Bl. 75 - 77 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10.06.2009 - 10 Ca &/09 - wird abgeändert und festgestellt, dass
das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 19.12.2008 zugegangen am 20.12.2008
nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens und hebt insbesondere hervor, nachvollziehbarer Tatsachenvortrag des Klägers zur
Übereignung der Paletten fehle nach wie vor. Der vom Kläger geschilderte Sachverhalt lasse nur die
Schlussfolgerung zu, dass die Paletten der Beklagten - und nicht dem Kläger - übereignet worden seien
und dieser sie - unter falschem Namen - veräußert habe. Damit sei eine nicht weg zu diskutierende Straftat
zum Nachteil der Beklagten gegeben. Zudem handele es sich um einen Arbeitszeitbetrug, weil der Kläger
entgegen der von ihm selbst nicht bestrittenen klaren Anweisung nicht den kürzesten Fahrtweg gewählt
habe. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift
vom 24.08.2009 (Bl. 82 - 84 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten
gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 30.11.2009.
Entscheidungsgründe:
I.
64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
II.
sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die außerordentliche
Kündigung der Beklagten gemäß § 626 BGB rechtswirksam ist und folglich das Arbeitsverhältnis mit dem
Tag des Zugangs beendet hat.
Die Beklagte hat vorliegend die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten; insoweit wird zur Vermeidung
von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (Seite 6 = Bl. 55 d. A.)
Bezug genommen; der Kläger stellt dies im Berufungsverfahren auch nicht in Abrede.
Auch die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt. Im Hinblick auf den Sachvortrag beider
Parteien waren vorliegend Tatsachen gegeben, die es der Beklagten unzumutbar machten, das
Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (30.06.2009) fortzusetzen. Insoweit wird hinsichtlich
des maßgeblichen Prüfungsmaßstabes und der Anwendung im konkreten Einzelfall auf die in jeder
Hinsicht umfassenden und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen (Seite 6 - 9 = Bl. 55 - 58 d. A.) Bezug genommen.
Auch die Interessenabwägung endet zulasten des Klägers. Trotz der bestehenden Unterhaltspflichten und
der Beschäftigungsdauer von 16 Jahren und neun Monaten überwiegt das Interesse der Beklagten an der
sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Denn der Kläger hat trotz Abmahnung im Januar 2008,
als er bereits einmal Paletten unterschlagen und auf Eigenrechnung verkauft hatte, diese Tat wiederholt
und damit wiederum seine mangelnde Vertragstreue und den Willen zur vorsätzlichen Zufügung von
Schaden gegenüber der Beklagten und Vertragspartnern der Beklagten manifestiert. Auch dies hat das
Arbeitsgericht zutreffend erkannt; dem ist nichts hinzuzufügen.
Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier
maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Soweit der Kläger nunmehr den zunächst mit "H." angegebenen
"Zeugen" für die Schenkung mit H. benennt, ist mit der Beklagten darauf hinzuweisen, dass dies nicht
konkreten substantiierten Tatsachenvortrag zum Verlauf bzw. Zustandekommen einer "Schenkung" des
Mitarbeiters einer Fremdfirma an den Kläger persönlich ersetzt. Das Arbeitsgericht hat in der
angefochtenen Entscheidung bereits völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass ein derartiger Mitarbeiter
nicht die geringste Veranlassung hatte, irgendwelche ihm selbst nicht gehörenden Paletten gerade dem
Kläger, nicht aber der Beklagten zu übereignen. Nachvollziehbare Tatsachen zu diesem naheliegenden
Kernpunkt trägt der Kläger nicht vor. Gegen eine derartige Annahme spricht zudem, auch dies hat das
Arbeitsgericht zutreffend erkannt, die Tatsache, dass der Kläger auf dem Beleg bzw. der Quittung nicht
seinen, sondern einen fremden Namen nebst fremder Anschrift angegeben hat; dies spricht eindeutig für
das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat zum Nachteil der Beklagten.
Soweit der Kläger der Auffassung ist, es sei eine weitere Abmahnung erforderlich gewesen, ist dies
abwegig. Die Beklagte hätte schon nach dem ersten Vorfall im Jahre 2008 trotz der langen Bestandsdauer
und der Sozialdaten des Klägers gute Aussichten gehabt, eine rechtswirksame fristlose Kündigung zu
erklären. Es liegt auf der Hand, dass es bei vorsätzlichen Straftaten zum Nachteil des Arbeitgebers einer
vorherigen Abmahnung nicht bedarf, denn der Arbeitnehmer kann nicht ernsthaft damit rechnen, dass der
Arbeitgeber sein Verhalten hinnehmen würde. Erstrecht bedurfte es nach dem zweiten Vorfall keiner
Abmahnung; im Übrigen handelt es sich gerade um ein "gleichartiges" Fehlverhalten, nämlich die
Unterschlagung von die dem Kläger nicht gehörenden Europaletten.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine
Veranlassung gegeben.