Urteil des LAG Niedersachsen vom 27.06.2013

LArbG Niedersachsen: erworbene rechte, sozialplan, arbeitsgericht, arbeitsmarkt, teilzeitbeschäftigung, teilzeitarbeit, stadt, monatsverdienst, beendigung, vergütung

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Bemessung einer Sozialplanabfindung bei
Teilzeittätigkeit während der Elternzeit
1. Bei der Berechnung einer Sozialplanabfindung kann auf den letzten
Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers abgestellt werden. Die
Betriebsparteien dürfen aber auch eine die gesamte Dauer des
Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung vornehmen.
2. Es verstößt gegen die Wertungen des Art. 6 GG, wenn Arbeitnehmer bei
ihrer Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, damit rechnen
müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen
nicht als Beschäftigungszeit mitzählen.
3. Der Schutzzweck des Art. 6 GG wird auch beeinträchtigt, wenn der
Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung, während der Elternzeit nach § 15
Abs. 4 BEEG Teilzeitarbeit auszuüben, damit rechnen muss, dass diese
Teilzeittätigkeit bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen zu einer
geringeren Abfindung führt als bei einer Nichttätigkeit.
4. Eine Regelung in einem Sozialplan, die dazu führt, dass
Arbeitnehmerinnen, die von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, während
der Elternzeit in teilweise sehr geringfügigem Umfang in Teilzeit tätig zu
werden, deutlich schlechter behandelt werden als die Arbeitnehmerinnen in
Elternzeit, die überhaupt nicht tätig werden, ist unwirksam.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 7. Kammer, Urteil vom 27.06.2013, 7 Sa 696/12
§ 15 Abs 4 BEEG, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 GG
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover
vom 14.04.2012, 10 Ca 654/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf eine höhere
Sozialplanabfindung zusteht, weil sie aufgrund ihrer während ihrer Elternzeiten
geleisteten Teilzeittätigkeit eine geringere Abfindung erhält als wenn sie in
dieser Zeit überhaupt nicht gearbeitet hätte.
Die am 00.00.1972 geborene Klägerin war vom 01.08.1992 bis zum
30.09.2011 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als
Chemielaborantin beschäftigt. Sie bezog zuletzt eine monatliche
Bruttovergütung von 2.017,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18
Stunden.
Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 18.05.1995 (Bl. 15 - 18 d.A.)
zu Grunde.
Das US-Pharmaunternehmen A. übernahm Anfang 2010 das weltweite
Pharmageschäft der belgischen S. im Wege eines Share-Deals. Dazu
gehörten auch sämtliche Anteile der S.P.GmbH A-Stadt. Sie wurde dadurch
Teil des Konzerns von A.. Durch Gesellschafterbeschluss vom 16. Februar
2010 firmierte die S.P.GmbH in die Beklagte um.
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Die neue Firmeninhaberin überprüfte die Forschungs- und
Entwicklungsprojekte der ehemaligen S.P.GmbH und entschloss sich, einen
Großteil der dort angesiedelten Forschungs- und Entwicklungsprogramme
nicht fortzuführen. Die Überprüfung ergab ferner, dass die Commercial
Headquarter-Aktivitäten in A-Stadt aufgelöst und von der bei der A.
bestehenden globalen Commercial-Organisation an verschiedenen Standorten
weltweit angegliedert werden sollten. Das führte zu einer Anpassung der
unterstützenden Funktionen an die neue Größe und die geänderten Aufgaben
des Betriebes in A-Stadt.
Die Beklagte vereinbarte am 18. März 2011 mit dem bei ihre gebildeten
Betriebsrat sowohl einen Interessenausgleich mit Namensliste als auch einen
Sozialplan (Bl. 6 - 14 d.A.).
Dieser Sozialplan enthält unter II. u.a. folgende Regelungen:
2. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem Abschluss dieses
Sozialplanes aufgrund der im Interessenausgleich beschriebenen
Maßnahme betriebsbedingt gekündigt wird oder mit denen aus diesem
Grund zugleich oder im Anschluss ein Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag
geschlossen wird, haben Anspruch auf eine Abfindung nach den
folgenden Regelungen:
Bruttomonatsentgelt x Lebensalter x Betriebszugehörigkeit
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5. Bei Teilzeitarbeitnehmern, die beim Arbeitgeber zuvor auch in Vollzeit
gearbeitet haben, errechnet sich ein fiktives Bruttomonatsentgelt aus
dem durchschnittlichen Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur
tariflichen oder bei außertariflichen Angestellten zur betriebsüblichen
Arbeitszeit in einem Vollzeitarbeitsverhältnis während der Gesamtdauer
des Arbeitsverhältnisses. Für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht,
fließt das im Zeitpunkt vor dem Eintritt in die Ruhephase bezogene
Bruttomonatsentgelt in die Berechnung ein.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin in der Folgezeit
fristgerecht zum 30.09.2011.
Bei der Berechnung der Sozialplanabfindung legte die Beklagte für
Arbeitnehmer, die zu irgendeinem Zeitpunkt in Teilzeit gearbeitet haben -
gleich, ob aufgrund von Elternzeit oder aus anderem Grund - ein fiktives
Bruttomonatsentgelt aus dem durchschnittlichen Verhältnis ihrer vertraglichen
Arbeitszeit zur tariflichen in einem Vollzeitarbeitsverhältnis während der
Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zugrunde.
Bei Arbeitnehmern, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Beschäftigung aufgrund
der Elternzeit überhaupt nicht arbeiteten, wurde für diesen Zeitraum das im
Zeitpunkt vor dem Eintritt der Elternzeit bezogene Bruttomonatsentgelt in die
Berechnung einbezogen.
Die Klägerin bekam während des Laufes der Beschäftigung drei Kinder und
befand sich bis zum 16.09.2009 wie folgt in Elternzeit:
Nach der Geburt des 1. Kindes am 02.07.2001 wurde ihr Elternzeit bis zum
01.07.2004 bewilligt (Bl. 19 d.A.). Am 05.09.2001 vereinbarten die Parteien
eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ab dem 01.11.2001 mit 8
Stunden wöchentlich (Bl. 20 d.A.).
Das 2. Kind der Klägerin wurde am 01.10.2003 geboren. Ihr wurde daraufhin
Elternzeit bis zum 30.09.2006 bewilligt (Bl. 21 d.A.). Sie arbeitete dann bis zum
30.09.2005 nicht und ab 01.10.2005 15 Stunden wöchentlich.
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Nach der Geburt des 3. Kindes am 17.09.2006 wurde ihr Elternzeit bis zum
16.09.2009 bewilligt (Bl. 22 d.A.). In der Zeit vom 01.02.2008 bis 31.10.2008
arbeitete sie während der Elternzeit 37,5 Stunden monatlich (Bl. 23 d.A.) und
ab 01.11.2008 bis 16.09.2009 41 Stunden monatlich (Bl. 24 d.A.).
Insgesamt arbeitete die Klägerin 107 Monate ihrer Beschäftigungszeit in
Vollzeit; für insgesamt 44,5 Monate ruhte ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ihrer
Elternzeit und 54 Monate arbeitete sie in Teilzeit während der Elternzeit. Nach
Beendigung der Elternzeit arbeitete sie ab 17.09.2009 bis zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses für weitere 24,5 Monate in Teilzeit mit 18 Stunden
wöchentlich.
Für die Berechnung der Sozialplanabfindung berücksichtigte die Beklagte für
die Klägerin im Hinblick auf die teilweise geleistete Teilzeit (auch während ihrer
Elternzeit) ein fiktives Bruttomonatsentgelt gemäß II. Nr. 5 des Sozialplanes
und legte hierbei einen Teilzeitfaktor von 0,646 zugrunde (Bl. 65 d.A.). Für die
Zeit, in der die Klägerin aufgrund der Elternzeit überhaupt nicht arbeitete,
wurde das im Zeitpunkt vor dem Eintritt in die Elternzeit bezogene
Bruttomonatsentgelt in die Berechnung einbezogen. Dies führte beispielsweise
dazu, dass aufgrund der ab 01.11.2001 während der ersten Elternzeit
geleisteten Teilzeitbeschäftigung von 8 Stunden wöchentlich für die
nachfolgende weitere Elternzeit ohne Arbeitsleistung vom 01.10.2003 bis
30.09.2005 ebenfalls lediglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 8 Stunden
zugrunde gelegt wurde.
Die Beklagte errechnete hiernach einen Abfindungsbetrag von 74.855,39 €
zuzüglich eines Betrages von insgesamt 9.000,00 € (3.000,00 € pro Kind
gemäß II. Nr. 7.1 des Sozialplanes), insgesamt also 83.855,39 €.
Mit Schreiben vom 10.10.2011 (Bl. 27, 28 d. A.) machte die Klägerin
gegenüber der Beklagten schriftlich eine erhöhte Abfindungsforderung geltend
mit der Begründung, für die Dauer ihrer Elternzeit müsse das vor der ersten
Elternzeit bezogene Vollzeitgehalt zugrunde gelegt werden. Die Beklagte
lehnte dies mit Schreiben vom 11.11.2011 (Bl. 29 d. A.) ab.
Das Arbeitsgericht hat durch ein der Beklagten am 08.05.2012 zugestelltes
Urteil vom 17.04.2012, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das
Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 78 - 82 d.A.), die Beklagte zur
Zahlung von 34.601,35 € brutto nebst Zinsen verurteilt.
Hiergegen richtet sich die am 08.06.2012 eingelegte und gleichzeitig
begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Sozialplan vom 18.03.2011 verstoße nicht
gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Diejenigen Arbeitnehmer, die
während der Elternzeit Teilzeit arbeiteten, seien nicht mit denjenigen
Arbeitnehmern vergleichbar, die dies nicht tun. Es sei durch zahlreiche
Untersuchungen und Studien belegt, dass Arbeitnehmer, die während der
Elternzeit Teilzeit arbeiten, weit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben
als Arbeitnehmer, die in dieser Zeit keiner Beschäftigung nachgehen. Bei einer
Teilzeittätigkeit während der Elternzeit könnten die Arbeitnehmer ihre
beruflichen Kenntnisse weiter vertiefen und auf einem aktuellen Stand halten.
Dieser Effekt verstärke sich insbesondere dann, wenn die Erziehungszeiten
wie im Falle der Klägerin kumulieren.
Da Sozialplänen eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion hinsichtlich der
künftigen Nachteile der geplanten Betriebsänderung zukomme, dürften die
Betriebsparteien die verschiedenen Arbeitnehmergruppen auch
unterschiedlich behandeln. Die unterschiedliche Behandlung sei gerechtfertigt
durch die weitaus besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
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Die im Streit stehende Sozialplanregelung beinhalte auch keine
Diskriminierung von Ehe und Familie. Es sei nicht zu beanstanden, wenn beim
Bruttomonatsverdienst auf das im letzten Monat bezogene Bruttomonatsgehalt
abgestellt werde und deshalb Arbeitnehmern, die nach Ablauf der Elternzeit in
Teilzeit arbeiten, eine geringere Abfindung erhielten. Grund und Anlass der
Teilzeitbeschäftigung seien deshalb bei der Berechnung des
Sozialplananspruchs ohne Bedeutung.
Es liege auch kein Verstoß gegen die Richtlinie 96/34/EG in Verbindung mit §
2 Nr. 6 Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 14.12.1995 vor. Bei
der Berechnung der Sozialplanabfindung bleibe der Anspruch des
Arbeitnehmers während der Elternzeit nicht nur bestehen, sondern werde
größer, weil sich die Beschäftigungszeit erhöhe. Die Regelung solle zudem nur
den status quo bis zum Ende der Elternzeit sichern. Erworbene Rechte
können grundsätzlich verändert werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beklagten im
Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf den Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 08.06.2012.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17.04.2012 abzuändern
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2012.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66
ArbGG.
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer
weiteren Sozialplanabfindung in Höhe von 34.601,35 € brutto nebst Zinsen
hat. Das Landesarbeitsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des
arbeitsgerichtlichen Urteils zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von
Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
Die Berufungsbegründung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden und
zusammenfassenden Ausführungen:
Das Arbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung die von dem
Bundesarbeitsgericht insbesondere in dem Urteil vom 22.09.2009 (1 AZR
316/08, AP Nr. 204 zu § 112 BetrVG 1972) aufgestellten Grundsätze
zutreffend angewandt. Hiernach ist zu berücksichtigen, dass Sozialpläne
grundsätzlich eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion
haben. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn bei der Berechnung einer
Sozialplan-abfindung auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen
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Arbeitnehmers abgestellt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zu
unterschiedlichen Abfindungsleistungen führenden Unterschiede bei der
zuletzt bezogenen Vergütung ihre Ursache in unterschiedlichen Tätigkeiten,
Vergütungsvereinbarungen oder Arbeitszeiten oder einer Kombination dieser
Faktoren haben (BAG vom 22.09.2009, a.a.O., Rn. 16). Genauso wenig ist zu
beanstanden, wenn die Betriebsparteien nicht auf das letzte
Bruttomonatsgehalt abstellen, sondern wie vorliegend auf eine die gesamte
Dauer des Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung
abstellen (BAG vom 22.09.2009, a.a.O., Rn. 23).
Die Betriebsparteien haben allerdings insbesondere auch
Diskriminierungsverbote und die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen zu
beachten. Deshalb verstößt es gegen die Wertungen des Art. 6 GG, wenn
Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, damit
rechnen müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von
Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeit mitzählen (BAG vom
22.09.2009, a.a.O., Rn. 19; BAG vom 21.10.2003, 1 AZR 407/02, AP Nr. 163
zu § 112 BetrVG 1972, Rn. 14).
Vorliegend ist die von den Betriebsparteien in dem Sozialplan vom 18.03.2011
vorgenommene Differenzierung hinsichtlich der Mitarbeiter in Elternzeit, die
während der Elternzeit nicht für die Beklagte, möglicherweise aber anderweitig
in Teilzeit tätig sind, und den Mitarbeitern, die während ihrer Elternzeit eine
Teilzeitbeschäftigung bei der Beklagten aufnehmen, sachlich nicht begründet
und verstößt gegen die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen. Denn der
Schutzzweck des Art. 6 GG wird auch beeinträchtigt, wenn der Arbeitnehmer
bei seiner Entscheidung, während der Elternzeit nach § 15 Abs. 4 BEEG
Teilzeitarbeit auszuüben, damit rechnen muss, dass diese Teilzeittätigkeit bei
der Bemessung von Sozialplanansprüchen zu einer geringeren Abfindung
führt als bei einer Nichttätigkeit. Ein sachlicher Grund, diese
Arbeitnehmergruppen unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung kommt es insoweit
nicht darauf an, dass Sozialpläne zukunftsbezogene Ausgleichs- und
Überbrückungsfunktionen haben und deshalb grundsätzlich auch auf den
letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers abstellen können
unabhängig davon, ob die dann zu unterschiedlichen Abfindungsleistungen
führenden Unterschiede bei der zuletzt bezogenen Vergütung ihre Ursache in
der zuletzt ausgeübten Teilzeitarbeit haben. Denn die Betriebsparteien haben
vorliegend gerade nicht allein auf die zuletzt bezogene Monatsvergütung
abgestellt, sondern auf den Durchschnittsverdienst während der gesamten
Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob Arbeitnehmer, die während der
Elternzeit Teilzeit arbeiten, weit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben
als Arbeitnehmer, die in dieser Zeit keiner Beschäftigung nachgehen, und
damit ihre beruflichen Kenntnisse auch während der Elternzeit weiter vertiefen
und auf einem aktuellen Stand halten können. Dieser Gesichtspunkt tritt
zudem immer weiter in den Hintergrund, je länger die Elternzeit zurückliegt.
Wenn die Betriebsparteien eine Teilzeitarbeit während der Elternzeit, die bei
Abschluss des Sozialplans fast 10 Jahre zurück liegt, anspruchsmindernd
berücksichtigen, lässt sich dies nicht mehr mit den erheblich besseren
Chancen auf dem Arbeitsmarkt rechtfertigen.
Vielmehr wird die Klägerin dadurch, dass sie von ihrem Recht Gebrauch
gemacht hat, während der Elternzeit in teilweise sehr geringfügigem Umfang
Teilzeit tätig zu werden, deutlich schlechter behandelt als die
Arbeitnehmerinnen in Elternzeit, die überhaupt nicht tätig werden.
Das Arbeitsgericht hat schließlich auch zu Recht auf die Entscheidung des
EuGH vom 22.10.2009, Rs. C-116/08, NJW 2010, 1582, hingewiesen.
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Hiernach darf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht auf der
Grundlage eines Teilzeitgehalts während der Elternzeit berechnet werden.
Vielmehr muss sie auf dem Gehalt basieren, welches vor Beginn der Elternzeit
bezogen wurde.
Die von dem EuGH aufgestellten Grundsätze finden auch auf die vorliegende
Fallkonstellation Anwendung. § 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über den
Elternurlaub vom 14.12.1995 schreibt vor, dass die Rechte, die der
Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu
erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Hiergegen
verstößt die im Sozialplan vom 18.03.2011 vorhandene Regelung, da sie bei
der nahtlosen Aneinanderreihung von mehreren Elternzeiten gerade nicht auf
die Arbeitszeit abstellt, die der Arbeitnehmer vor Beginn der 1. Elternzeit
geleistet hat.
III.
Die Berufung der Beklagten war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO
zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.