Urteil des LAG Niedersachsen vom 16.07.2013

LArbG Niedersachsen: minusstunden, treu und glauben, abrechnung, unterricht, übertragung, vergütung, erlass, arbeitsgericht, niedersachsen, schule

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Pädagogische Mitarbeiterin an einer Grundschule;
stundenweise Abrechnung
1. Es besteht kein allg. Rechtssatz, wonach die Zuweisung von
Arbeitseinsätzen von weniger als einer Stunde unzulässig ist.
2. Ist eine pädagogische Mitarbeiterin für den "stundenweisen Einsatz"
eingestellt, ist jeder einzelne Arbeitseinsatz in vollen Stunden abzurechnen.
3. Zur Berechnung von sog. Brückentagen und Sonderurlaub im
Zusammenhang mit den Sonderregelungen für die unterrichtsfreie
Zeit/Schulferien.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 11. Kammer, Urteil vom 16.07.2013, 11 Sa
142/13
§ 139 BGB, § 157 BGB, § 4 EntgFG, § 106 GewO, § 256 ZPO
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom
14.12.2012 – 3 Ca 453/12 Ö – teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Klägerin gegen das beklagte Land ein Anspruch
auf ein Zeitguthaben von 109,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012 zusteht.
Es wird festgestellt, dass Zeiten des Sonderurlaubs mit der vertraglich
vereinbarten Betreuungs- und Vertretungsstundenzahl abzurechnen sind.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ¼, das beklagte Land ¾.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie die Arbeitsleistung der Klägerin abzurechnen
ist, wie bestimmte arbeitsfreie Tage zu erfassen sind und ob der Klägerin im
Ergebnis ein Arbeitszeitguthaben zusteht.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Land als pädagogische Mitarbeiterin an der
Grundschule in B. seit dem 05.07.2004 beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt
ein sog. kombinierter Arbeitsvertrag für den regelmäßigen Einsatz und/oder den
Einsatz auf Abruf von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an
Grundschulen vom 05.07.2004 (Bl. 8-10 d.A.) zugrunde. Gemäß
Änderungsvertrag vom 01.02.2006 wurde die in § 1 des
Ausgangsarbeitsvertrages festgelegte Stundenzahl zur regelmäßigen Erteilung
von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten (sog.
Betreuungsstunden) ab dem 01.02.2006 von 3 auf 5 Stunden wöchentlich
erhöht. Zugleich wurden die in § 1 des Ursprungsarbeitsvertrages festgelegten
Stunden zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des
Vertretungskonzeptes ab dem 01.02.2006 von bisher 10 auf 7 Stunden
wöchentlich gekürzt. Dies entsprach einer von der Klägerin in rechnerischer
Hinsicht zu leistenden Gesamtstundenzahl von 480 Stunden im Schuljahr. Die
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Klägerin erhält dafür eine verstetigte, monatlich gezahlte Vergütung, in der die
Schulferienzeiten im Berechnungsfaktor rechnerisch berücksichtigt sind. Die von
der Klägerin geleisteten Arbeitszeiten wurden von der Schulleitung tageweise
notiert; eine Kopie liegt in der Akte nicht vor.
Wegen der Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
in den Grundschulen besteht ein Runderlass der Ministerkonferenz vom
18.05.2004. Unter Ziffer 2 heißt es darin:
„Bei Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im
Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote sind Zeitstunden zugrunde
zu legen, beim Einsatz während der Unterrichtszeit in einer Klasse ist eine
Unterrichtstunde wie eine Zeitstunde zu rechnen.“
Die im Rahmen des Vertretungskonzepts geleisteten Stunden im Unterricht
wurden entsprechend dem Erlass mit 60 Minuten abgerechnet. Darüber besteht
kein Streit. Im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote
(Betreuungsstunden) wurde die Klägerin zunächst ausschließlich mit 45 – 50
Minuten mittags eingesetzt. Die Abrechnung bis Ende des Schuljahrs
2008/2009 ist unstreitig. Mit Beginn des Schuljahrs 2009/2010 wurde die
Klägerin in Umsetzung eines erweiterten Konzeptes, das in einer
Dienstbesprechung verabschiedet worden war, auch morgens von 7.45 – 8.10
Uhr eingesetzt. Zeitgleich war die Stelle der Schulleiterin infolge Pensionierung
der bisherigen Leiterin vakant geworden. In der Folgezeit wurden die
Betreuungsstunden der Klägerin „spitz“ abgerechnet, nämlich mit 25 Minuten
morgens (an 3 Tagen) und 45 Minuten mittags (an 4 Tagen). Für das Schuljahr
2010/2011 errechnete die Schulleitung ein Minus von 60 Stunden und teilte der
Klägerin mit, dass diese Minusstunden im folgenden Schuljahr nachzuarbeiten
seien. Die darauf eingeschaltete Landesschulbehörde teilte mit Schreiben vom
8.6.2012 (Bl. 12 d.A.) mit, dass „noch 11 Stunden, die wegen vermeintlicher
Minusstunden im 1. Halbjahr geleistet wurden, ebenfalls nicht angerechnet
wurden.“
Ferner hat die Klägerin mehrfach Sonderurlaub auf Grundlage der
SonderurlaubsVO (Bl. 105 ff. d.A.) in Anspruch genommen, um ihr eigenes
schwerstbehindertes Kind zu betreuen. Streitig ist auch, ob unterrichtsfreie
„Brückentage“ rechnerisch in Ansatz zu bringen sind oder nicht. So hatte die
Klägerin in der 20. Kalenderwoche vom 15.06. bis 16.05.2012 Sonderurlaub
erhalten, am 17.05.2012 war wegen Christi Himmelfahrt unterrichtsfrei, am
18.05.2012 fand wegen eines sog. Brückentages kein Unterricht statt. Die
Beklagte rechnete die Kalenderwoche der Klägerin mit 2,25 Stunden (3 x 25
Min.) ab.
Das beklagte Land geht davon aus, dass die tatsächlich geleisteten Zeiten
großzügig erfasst wurden und insgesamt der vertragliche Rahmen von 480
Stunden im Schuljahr 2011/2012 nicht überschritten ist.
Die Klägerin macht geltend, die von ihr im Rahmen der arbeitsvertraglich
geleisteten Tätigkeiten absolvierten Betreuungsstunden seien nicht „spitz“
abzurechnen, sondern jeweils mit 60 Minuten. Wenn die Schule sich entscheide,
für die Betreuung der Kinder nur 45 Minuten (mittags) oder 25 Minuten
(morgens) zur Verfügung zu stellen, seien den pädagogischen Mitarbeiterinnen
dennoch 60 Minuten anzurechnen. Sie errechnet daraus für das Schuljahr
2011/2012 eine Jahressumme von 592,75 Stunden.
Die Klägerin meint weiter, die Hinzurechnung von Minusstunden aus dem
Schuljahr 2010/2011 in das Folgeschuljahr sei rechtswidrig. Schließlich sei die
Beklagte verpflichtet, die Kalenderwochen, in denen der Klägerin Sonderurlaub
gewährt bzw. der Unterricht wegen sog. Brückentage ausgefallen ist, wie
Krankheitstage abzurechnen, d. h. für die Klägerin mit der vertraglichen
Wochenstundenzahl von 12,00 Stunden.
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Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass ihr gegen das beklagte Land ein Anspruch auf ein
Zeitguthaben in Höhe von 112,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012
zusteht;
2. festzustellen, dass die von der Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin
in der Grundschule B. zu leistenden Betreuungsstunden mit 60 Minuten
pro Betreuungsstunde abzurechnen sind und es unzulässig ist, für ein
abgelaufenes Schuljahr Minusstunden der Klägerin anzulasten, die in dem
nächsten Schuljahr zusätzlich zu der für das Schuljahr vereinbarten
Stundenzahl zu leisten sind;
3. festzustellen, dass Zeiten des Sonderurlaubes und von sog.
„Brückentagen“ mit der vertraglich vereinbarten Betreuung- und
Vertretungsstundenzahl abzurechnen sind.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 14.12.2012 die Klage
abgewiesen. Die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet.
Ein Zeitguthaben in unstreitig berechneter Höhe von 112,75 Stunden für das
Schuljahr 2011/2012 stehe der Klägerin nicht zu. Das beklagte Land habe die
erbrachten Arbeitsleistungen gemäß den arbeitsvertraglichen Grundlagen
korrekt abgerechnet. Soweit die Klägerin ihr Begehren darauf stütze, dass die im
Rahmen der von ihr zu erbringenden Betreuungstätigkeit abgerechneten
Arbeitszeiten „spitz“ und nicht unter Zurechnung bis auf jeweils 60 Minuten
abgerechnet worden seien, bestehe keine Anspruchsgrundlage dafür. Die
Klägerin könne sich auch nicht auf den arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Mit dem Runderlass der
Ministerkonferenz vom 18.05.2004, auf den sich die Klägerin selbst beziehe,
habe das beklagte Land in zulässiger Weise eine Differenzierung bei der
Berechnung der Arbeitszeit bei Einsetzung pädagogischer Mitarbeiter je nach
Einsatzart vorgenommen. Auch ohne nähere Anhaltspunkte könne davon
ausgegangen werden, dass bei einem Einsatz während der Unterrichtszeit in
einer Klasse unterrichtsgleiche Tätigkeit zu absolvieren sei, die ggf. höheren
Qualitätsanforderungen gerecht werden müsse, als Zusatzangebote im Rahmen
der unterrichtsergänzenden Angebotstätigkeit.
Das beklagte Land sei auch berechtigt, die aus der vorgenommenen
Abrechnung der geleisteten Tätigkeiten des Schuljahres 2010/2011 auf dem
Arbeitszeitkonto der Klägerin sich ergebenden Minusstunden zu ihren Lasten in
das folgende Schuljahr zu übertragen.
Schließlich könne die Klägerin nicht verlangen, dass Zeiten des Sonderurlaubs
und sogenannte Brückentage mit den vertraglich vereinbarten Betreuungs- und
Vertretungsstunden abzurechnen sind. Auch hierfür finde sich keinerlei
Anspruchsgrundlage. Insbesondere ergebe sich keinerlei Anhaltspunkt dafür,
dass die Brückentage wie Krankheitstage abzurechnen seien. Im Gegenteil
hätten die Parteien arbeitsvertraglich in der Summe ein Stundenkontingent
vereinbart.
Gegen dieses ihr am 08.01.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am
06.02.2013 Berufung eingelegt und diese auch sogleich begründet.
Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts ergebe sich bereits aus
dem Runderlass der Ministerkonferenz vom 18.05.2004, dass der Einsatz der
pädagogischen Mitarbeiter im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote
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und beim Einsatz während der Unterrichtszeit gleich zu behandeln und jeweils
mit einer Zeitstunde abzurechnen sei. Andernfalls hätte es heißen müssen, dass
im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote die tatsächlich aufgewendete
Betreuungszeit zu Grunde zu legen sei. Die unterschiedliche Formulierung sei
dem Umstand geschuldet, dass eine Unterrichtsstunde von vornherein immer
auf 45 Minuten festgelegt ist. Auch der Sinn und Zweck der unterschiedlichen
sprachlichen Fassung spreche nicht gegen eine Gleichbehandlung. Entgegen
den Ausführungen des Arbeitsgerichts sei beim Einsatz während des Unterrichts
nicht per se von einer längeren Vorbereitungszeit auszugehen. Die
pädagogische Mitarbeiterin dürfe nicht wie eine Lehrerin tätig werden, ihr
Aufgabenbereich erstrecke sich lediglich auf die Aufsicht der Klasse. Dies
erfordere keinerlei Vorbereitungszeit. Hingegen biete die Klägerin im Rahmen
der unterrichtsergänzenden Angebote Basteln, Italienisch und Tänze an. Die
Bastelarbeiten müssten vorgefertigt und ausgewählt werden, Material müsse
ausgesucht und bestellt werden. Für das Angebot Italienisch seien
entsprechende Spiele, Lieder oder Texte auszusuchen. Für das Angebot Tänze
sei entsprechende Musik auszusuchen. Dies erfordere je Betreuungsstunde
einen nicht unerheblichen Vorbereitungsaufwand.
Eine Übertragung von Minusstunden aus dem vorangegangenen Schuljahr in
das laufende Schuljahr sei unzulässig. Das beklagte Land trage grundsätzlich
das Risiko, die Klägerin entsprechend ihrer arbeitsvertraglichen
Stundenvorgaben einzusetzen.
Vertraglich vereinbart sei eine zu leistende Wochenarbeitszeit von fünf
Betreuungsstunden und sieben Vertretungsstunden. Wenn die Arbeitszeit
wegen Erkrankung der Klägerin nicht geleistet werden könne, sei unstreitig die
vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit im Rahmen der Entgeltfortzahlung zu
vergüten. Nichts anderes könne gelten in den Fällen, wenn der Unterricht wegen
Brückentagen oder genehmigten Sonderurlaubs ausfalle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14.12.2012 - 3 Ca
453/12 Ö - abzuändern und
1. festzustellen, dass der Klägerin gegen das beklagte Land ein
Anspruch auf ein Zeitguthaben in Höhe von 112,75 Stunden für das
Schuljahr 2011/2012 zusteht,
2. festzustellen, dass die von der Klägerin als pädagogische
Mitarbeiterin der Grundschule B. zu leistenden Betreuungsstunden
mit 60 Minuten pro Betreuungsstunde abzurechnen sind und es
unzulässig ist, für ein abgelaufenes Schuljahr Minusstunden der
Klägerin anzulasten, die in dem nächsten Schuljahr zusätzlich zu der
für das Schuljahr veranlagten Stundenzahl zu leisten sind,
3. festzustellen, dass Zeiten des Sonderurlaubs und von so
genannten „Brückentagen“ mit der vertraglich vereinbarten
Betreuungs- und Vertretungsstundenzahl abzurechnen sind.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die tatsächliche Arbeitszeit der
Klägerin in dem angegebenen Zeitraum sei korrekt eingestellt und abgerechnet
worden. Die Klägerin sei vertragsgemäß vergütet worden. Auch aus der
Berufungsbegründung werde nicht ersichtlich, woraus die Klägerin ihre
vermeintlichen Ansprüche auf Abrechnung auf 60-Minuten-Basis herleiten wolle.
Das Arbeitsgericht habe weiter zutreffend ausgeführt, dass das beklagte Land
bei den verschiedenen Arten der Einsatzzeit von pädagogischen
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern differenzieren könne. Die von der Klägerin
behaupteten angeblich höheren Vorbereitungszeiten im Rahmen der
unterrichtsergänzenden Angebote würden mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen
könnten diese keine Berücksichtigung finden, da dies zur berufsspezifischen
Tätigkeit von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehöre.
Das beklagte Land habe keine Minusstunden aus dem vorangegangenen
Schuljahren in das laufende Schuljahr übertragen.
Auch könne die Klägerin mit ihrer Argumentation, dass bei Sonderurlaub
entsprechend den Regelungen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall weiter zu
vergüten sei, nicht durchdringen. Eine derartige Vereinbarung gebe es nicht.
Auch an den Brückentagen habe die Klägerin keine Tätigkeit entfaltet, so dass
sie auch für die nicht geleistete Arbeitszeit keinen Anspruch auf Vergütung
geltend machen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen der Parteien Bezug
genommen.
Im Verhandlungstermin vom 16.07.2013 haben die Parteien einen Teilvergleich
dergestalt geschlossen, dass angefallene Minusstunden aus einem Schuljahr
nicht in das folgende Schuljahr übertragen werden können.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig gemäß §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.
Hinsichtlich des Berufungsantrages zu 3. ist zwar die Begründung äußerst
knapp. Da auch die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu diesem Punkt
recht knapp abgefasst wird, kann auch die Berufungsbegründung als noch
ausreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil angesehen
werden.
II.
1.
Der Klägerin steht für das Schuljahr 2011/2012 noch ein Zeitguthaben von
109,75 Stunden zu.
Der Feststellungsantrag ist diesbezüglich zulässig gemäß § 256 ZPO, weil
davon auszugehen ist, dass das beklagte Land dem gerichtlichen
Feststellungsurteil Folge leisten wird. Nicht geklärt ist damit allerdings die
Folgefrage, ob dieses Stundenguthaben der Klägerin auszuzahlen oder
möglicherweise im nächsten Schuljahr von dem vereinbarten Stundenkontingent
abzuziehen ist. Dies schließt aber ein Feststellungsinteresse „dem Grunde
nach“ nicht aus.
Die Kammer ist davon ausgegangen, dass entsprechend der Klagebegründung
die geltend gemachte Gesamtstundenzahl sich wesentlich als Konsequenz der
Fragestellung ergibt, ob die Betreuungsstunden „spitz“ oder mit jeweils 60
Minuten abzurechnen sind. Da auch das beklagte Land eine taggenaue
Erfassung bzw. Abrechnung der geleisteten Betreuungsstunden nicht vorgelegt
hat, hat die Kammer das reine Rechenwerk insoweit als unstreitig behandelt,
auch wenn es im Detail nicht nachzuvollziehen war. Letztlich ergibt ein Vergleich
der beiderseitigen Rechenwerke auch, dass die Klägerin nicht 60 Minusstunden
aus dem Vorjahr „nachgeleistet“ hat. Dies haben die Parteien durch Teilvergleich
bestätigt; eine Korrektur der Berechnung ist insoweit nicht erforderlich. Lediglich
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für einen Brückentag gemäß Antrag 3. sind drei Stunden abgezogen worden.
Das beklagte Land ist verpflichtet, auch die von der Klägerin geleisteten
Betreuungszeiten von 25 bzw. 45 Minuten jeweils mit einer vollen Stunde a 60
Minuten abzurechnen. Zum Verständnis des Streitstandes ist insoweit
klarzustellen, dass die Klägerin in dem unbefristeten Arbeitsverhältnis eine
ganzjährig durchlaufend verstetigte Vergütung ausbezahlt erhält. Ein
Arbeitszeitkonto im tariftechnischen Sinne wird für die Klägerin nicht geführt.
Vielmehr sind mittels manuell geführter Listen von dem vertraglich vereinbarten
Gesamtstundenkontingent die geleisteten Arbeitsstunden sowie Ausfallzeiten
mit Entgeltfortzahlung gedanklich in Abzug zu bringen.
Spezialgesetzliche Vorschriften, die eine Anordnung geteilter Arbeitszeiten an
einem Tag mit dem Umfang von jeweils deutlich unter einer Stunde untersagen,
sind nicht vorhanden. In Betracht kämen allenfalls die Grenze des § 106 GewO
(billiges Ermessen) bzw. § 242 BGB (Treu und Glauben) bei der Zuweisung der
Arbeitseinsätze. Gegen die Zuweisung der Arbeitseinsätze als solche hat die
Klägerin sich aber zu keinem Zeitpunkt gewehrt. Vielmehr war dies Konzept in
der Schule einvernehmlich abgesprochen.
Der zu Grunde liegende Erlass vom 18.05.2004 ist vom reinen Wortlaut her
nach beiden Seiten hin auslegungsfähig. Einerseits macht der Erlass deutlich,
dass zwischen Tätigkeiten im Unterricht und anderen Betreuungstätigkeiten
unterschieden wird. Andererseits wird die Möglichkeit einer Abrechnung nach
geleisteten Minuten nicht angesprochen, die Rede ist vielmehr von
„Zeitstunden“. Auch die Möglichkeit von Bruchteilen von Zeitstunden wird nicht
genannt. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen.
Denn § 1 des Anstellungsvertrages vom 05.07.2004 spricht bezüglich der
unterrichtsergänzenden Angebote von einer „stundenweisen Erteilung“ sowie
einem „stundenweisen Einsatz auf Abruf“ im Rahmen des Vertretungskonzepts.
Aufgegriffen wird diese Formulierung noch einmal in § 8, wonach bei einer
vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Vergütung auf der
Grundlage der „tatsächlichen erteilten Stunden“ abgerechnet wird. Die
rechtlichen Grundlagen der wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem
Arbeitsverhältnis richten sich aber ausschließlich nach dem geschlossenen
Arbeitsvertrag, auch wenn dieser möglicherweise die Intention des Erlasses
nicht treffend wiedergeben sollte. Der Wortlaut des Anstellungsvertrages wird
bestätigt durch die von der Klägerin erstmalig mit Schriftsatz vom 08.07.2013
kurz vor dem Verhandlungstermin aufgestellte Behauptung, dass bis zum Jahre
2009 die mittäglichen Einsätze von 45 bzw. 50 Minuten von der damals
amtierenden Rektorin jeweils als eine volle Zeiteinheit/Stunde aufgeschrieben
worden seien. Das weitere unterrichtsergänzende Angebot von 25 Minuten vor
Schulbeginn hat die Klägerin erstmalig mit dem Schuljahr 2009/2010
aufgenommen.
Wenn nach dem Vertrag die Erteilung „stundenweise“ erfolgen soll, ergibt sich
daraus ohne ernstliche Zweifel, dass die Zeitstunde die Maßeinheit der
Arbeitsverpflichtung der Klägerin sein soll. Auch aus dem gesamten, ausführlich
abgefassten Arbeitsvertrag ergeben sich an keiner anderen Stelle inhaltliche
Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Zerlegung in Bruchteile von Stunden, d.
h. Minuten, vorgesehen sein soll. Dann ist es aber letztlich dem wirtschaftlichen
Risiko des beklagten Landes zuzurechnen, wenn die Klägerin tatsächlich mit
Aufgaben von weniger als einer vollen Zeiteinheit einer Stunde eingesetzt wird.
Der Anspruch ist auch nicht verfallen nach § 37 des anwendbaren TV-L. Da das
Stundenkontingent für die Dauer des gesamten Schuljahres vereinbart war,
können evtl. Stundendifferenzen erst mit dem Ende des Schuljahres festgestellt
werden. Unabhängig von der Frage einer Abrechnungserteilung beginnt die
Ausschlussfrist jedenfalls erst mit Schuljahresende zu laufen. Das Schreiben der
Schulbehörde vom 8.6.2012 enthält bereits eine Antwort auf ein anwaltliches
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Schreiben, dessen Datum und Inhalt nicht bekannt ist. Sowohl die Frage der
Spitzabrechnung als auch der Minusstunden ist darin aber behandelt. Die
Stundenabrechnung für das 2. Halbjahr wurde seitens der Klägerin mit
Schreiben vom 12.9.2012 angefordert (Bl. 101 d.A.).
2.
Bei der Formulierung des Teilvergleiches im Verhandlungstermin über die
Unzulässigkeit der Übertragung von Minusstunden ist nicht ausreichend
beachtet worden, dass der Antrag zu 2. zwei unterschiedliche Komponenten
enthielt, nämlich die Feststellung der Bemessung der Betreuungsstunden und
die Frage der Übertragung von Minusstunden. Die Erledigungsklausel, wonach
der Antrag zu Ziffer 2. insgesamt erledigt ist, ist insofern zu weit gefasst. Es mag
dahin gestellt bleiben, ob die Erledigungsklausel einschränkend dahingehend
auszulegen ist, dass die erste Hälfte des Antrags zu 2., nämlich die Übertragung
der Minusstunden, durch den Teilvergleich nicht erledigt ist. Denn jedenfalls sind
mit der ersten Hälfte des Antrages zu Ziffer 2. dieselben Rechtsfragen gestellt
und zu beantworten, wie in dem bezifferten Antrag zu Ziffer 1. auch.
3.
Auch der Berufungsantrag zu 3. enthält zwei unterschiedliche Komponenten, die
unterschiedlich zu beantworten sind. In beiden geht es darum, wie Wochentage
ohne tatsächlichen Arbeitseinsatz in der Abrechnung zu erfassen sind.
Bezüglich der Berücksichtigung von Brückentagen ist dem Arbeitsgericht darin
zu folgen, dass eine Anspruchsgrundlage für die Berücksichtigung nicht
erkennbar ist. Auch wenn ein entsprechender Erlass über die Grundlage der
Brückentage im Termin nicht vorgelegt werden konnte, muss die Funktion von
Brückentagen so verstanden werden, dass die durch ihren Einsatz
entstehenden langen Wochenenden in der Sache besondere Schulferientage
darstellen. Die Dauer der Schulferien ist aber bereits durch den
Berechnungsfaktor in § 7 des Anstellungsvertrages im Rahmen der verstetigten
Vergütung berücksichtigt. Da aus der Berechnung in der Klageschrift jedenfalls
ein streitiger Brückentag zu ersehen ist, nämlich in der 20. Kalenderwoche, sind
aus der Berechnung des Stundenguthabens gemäß Antrag zu 1 drei Stunden
abgezogen worden.
Nach der Sonderurlaubsverordnung sind jedenfalls bis zu zehn Tage des
Sonderurlaubs im Kalenderjahr mit Entgeltfortzahlung anzurechnen. Insofern ist
unverständlich, warum das beklagte Land sich in der Berufungserwiderung auf
den Standpunkt stellt, eine Rechtsgrundlage sei nicht vorhanden. Da die
gesetzlichen Urlaubsansprüche der Klägerin im Rahmen der Schulferien
abgedeckt sind, erfolgt eine rechnerische Erfassung von Urlaubstagen nach
dem Bundesurlaubsgesetz nicht. Die zeitliche Erfassung von Tagen des
genehmigten Sonderurlaubs mit Entgeltfortzahlung kann sich daher
sinnvollerweise nur an der Erfassung von Krankheitstagen mit
Entgeltfortzahlung orientieren. In dem Arbeitsvertrag ist eine regelmäßige
wöchentliche Arbeitsstundenzahl vorgesehen, die zuletzt durch
Änderungsvertrag vom 01.02.2006 modifiziert wurde. Danach ist nun eine
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von zwölf Stunden vorgesehen. Bei einer
unstreitigen Verteilung der Arbeitszeit auf regelmäßig 4 Wochentage, nämlich
ohne den Montag, ergibt sich daraus eine durchschnittliche regelmäßige
tägliche Arbeitszeit von drei Stunden. Die Klägerin hat diese Tage daher zu
Recht in ihre Berechnung im Antrag zu 1 eingestellt. Dass im Kalenderjahr 2012
die Gesamtzahl der bezahlten Sonderurlaubstage von 10 bis Juni bereits
überschritten war, hat das beklagte Land nicht behauptet.
Soweit das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, nach
dem 30.04.2012 seien auch die tatsächlichen Einsatzzeiten der Klägerin auf nur
3 x 45 Minuten in der Woche reduziert worden, weil eine Erschöpfung des
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Stundenkontingents absehbar war (siehe Abrechnung Bl. 18 d.A.), führt dies
nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Nach § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz ist
jedenfalls für die Anrechnung von Krankheitstagen unzweifelhaft von der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszugehen, wie dies das beklagte
Land in der korrigierten Abrechnung auch getan hat. Dies führt allerdings
zwangsläufig dazu, dass eine größere Zahl von Krankheitstagen gegen Ende
der Vertragslaufzeit zu einer Überschreitung des vereinbarten
Stundenkontingents führen kann. Dem kann das beklagte Land auch nicht
dadurch ausweichen, dass die „Wochenarbeitszeit“ nun von 12 auf 2,25
Stunden herabgesetzt wurde. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, inwieweit
Verträge mit Vereinbarung eines Jahresstundenkontingentes, aber ohne
ausdrückliche Einrichtung eines tariflichen Arbeitszeitkontos, letztlich überhaupt
stimmig durchgeführt werden können. Denn, wie zu Ziffer 1. ausgeführt, bleibt
der Umgang mit entstandenen Plus- oder Minus-Stunden auch mit vorliegender
Entscheidung offen.
Da das beklagte Land im erheblichen Umfang Betreuungskräfte auf Grundlage
zumindest gleichartiger Vertragsmuster beschäftigt, ist die Revision gemäß § 72
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für das beklagte Land zugelassen worden.
Bezüglich der Kosten ist durch den Teilvergleich keine anteilige
Kostenprivilegierung eingetreten, so dass insoweit über die Gesamtkosten
gemäß §§ 92, 91a ZPO zu entscheiden war. Zwar ist nach der dargestellten
Berechnung in der Klageschrift selbst nicht ersichtlich, dass das beklagte Land
überhaupt eine Übertragung von Minusstunden in das folgende Schuljahr
tatsächlich vollzogen hat. Einen Klärungsbedarf hat das beklagte Land insoweit
jedoch durch die Anweisung seitens der Schulleitung selbst ausgelöst. Die
Kosten sind deshalb bezüglich dieses Punktes hälftig geteilt worden, so dass
sich insgesamt für die Klägerin eine Kostenquote von 1/4 ergibt.