Urteil des LAG Niedersachsen vom 22.10.2013

LArbG Niedersachsen: betriebsrat, arbeitsgericht, zeiterfassung, initiativrecht, auflage, überstunden, niedersachsen, unparteilichkeit, zugang, reisekosten

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Besetzung einer Einigungsstelle
Regelungsgegenstand einer Einigungsstelle bei Festlegung der
Arbeitszeiten von Redakteuren im Fall praktizierter Vertrauensarbeitszeit ist
auch die Arbeitszeiterfassung. Diese schließt indessen kein Initiativrecht
des Betriebsrats zur Einführung und Anwendung von technischen
Einrichtungen mit ein, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die
Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Insoweit wäre die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 1. Kammer, Beschluss vom 22.10.2013, 1
TaBV 53/13
§ 98 ArbGG, § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 6
BetrVG
Tenor
Die Beschwerden des Betriebsrats (Beteiligter zu 1) und der Arbeitgeberin
(Beteiligte zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom
07. Juni 2013 – 3 BV 61/13 – werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Nach rechtskräftiger Einsetzung einer Einigungsstelle zum
Regelungsgegenstand „Lage und Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit und
die Durchführung von Überstunden in den Redaktionen des A.“ streiten die
Beteiligten im zweiten Rechtszug von Seiten der Arbeitgeberin und Beteiligten
zu 2) noch über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden und von Seiten
des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) darüber, ob auch eine Zeiterfassung für
Redakteure und Redakteurinnen einer Regelung durch die Einigungsstelle
zugänglich ist.
Das Arbeitsgericht Braunschweig hat mit seinem Beschluss vom 07.06.2013,
auf den im Übrigen hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten in erster
Instanz Bezug genommen wird, dem Antrag des Betriebsrats und Beteiligten
zu 1) folgend, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht B. und C. als
Einigungsstellenvorsitzenden eingesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass C. ein erfahrener und unparteiischer Vorsitzender sei, gegen den die
Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) innerhalb der gesetzten Schriftsatzfrist keine
Einwendungen erhoben hätte. Im Unterschied zu der
mitbestimmungspflichtigen Arbeitszeit- und Überstundenregelung sei die
Einigungsstelle aber für die vom antragstellenden Betriebsrat und Beteiligten
zu 1) begehrte Zeiterfassung für die Redakteurinnen und Redakteure
offensichtlich unzuständig. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 28.11.1989 – 1 ABR 97/88 – bestünde insoweit
kein Initiativrecht des Betriebsrats, er könne nur dann, wenn die Arbeitgeberin
eine Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen nach § 87
Abs. 1 Nr. 6 BetrVG plane, die dazu bestimmt seien, das Verhalten oder die
Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, Mitbestimmungsrechte geltend
machen. Zu den Einzelheiten der Beschlussbegründung wird im Übrigen auf
Blatt 36 – 43 d. A. verwiesen.
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Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig, der dem Betriebsrat
und Beteiligten zu 1) am 13. Juni 2013 (Blatt 44 d. A.) und der Arbeitgeberin
und Beteiligten zu 2) am 14. Juni 2013 (Blatt 45 d. A.) zugestellt worden ist,
haben die Arbeitgeberin am 21. Juni 2013 (Blatt 48 d. A.) und der Betriebsrat
am 26. Juni 2013 (Blatt 70 d. A.) Beschwerde zum Landesarbeitsgericht
jeweils mit Begründung eingelegt.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) beanstandet die Einsetzung des
Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht B. zum
Einigungsstellenvorsitzenden wegen Besorgnis der Voreingenommenheit.
Dieser sei bereits als Einigungsstellenvorsitzender bei einer
Arbeitszeitregelung für Redakteure in der „D.“ Zeitung tätig gewesen. Es sei zu
befürchten, dass er im Abstimmungsverhalten bereits festgelegt sei, da die
vom Betriebsrat vorgeschlagene Arbeitszeitregelung sich auch auf die bei der
„D.“ getroffene Regelung stütze. Ferner entstünden auf Grund der Fahrzeiten
von B. nach E. unverhältnismäßige Kosten durch Fahrzeiten. Mit den in Rede
stehenden weiteren Personalvorschlägen, nämlich des Vorsitzenden Richters
am Landesarbeitsgericht F. sowie des vom Arbeitsgericht her benannten
Direktor des Arbeitsgerichts E. und G., habe sich das Gericht in seinen
Gründen überhaupt nicht auseinander gesetzt. Für ein erfolgreiches
Einigungsstellenverfahren seien Vertrauen und Akzeptanz erforderlich, hier
stünden dem vom Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden
konkrete Bedenken entgegen.
Soweit der Betriebsrat mit seiner Beschwerde auch eine Zeiterfassung für die
Redakteure zum Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens machen wolle,
fehle es in Übereinstimmung mit der vom Arbeitsgericht angeführten
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.11.1989 an einem
Initiativrecht des Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) b e a n t r a g t,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig – 3 BV 6/13 – vom
07.06.2013 insofern abzuändern, soweit in diesem Herrn C.,
Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht B., zum Vorsitzenden
einer Einigungsstelle bestellt wird.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) b e a n t r a g t,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig – 3 BV 6/13 – vom
07.06.2013 teilweise abzuändern und zum Vorsitzenden einer
Einigungsstelle, die über eine Regelung einer Zeiterfassung für
Redakteure und Redakteurinnen sowie über die Lage und Verteilung der
regelmäßigen Arbeitszeit unter Durchführung von Überstunden in den
Redaktionen des Braunschweiger Zeitungsverlages entscheiden soll,
Herrn C., Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht B., zu bestellen.
Die Zahl der Beisitzer pro Seite ist auf 2 festzusetzen.
Ferner wird b e a n t r a g t,
die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) bemängelt, dass vor Zurückweisung des
Antrags, zum Regelungsgegenstand der Einigungsstelle auch die Erfassung
der Arbeitszeit zu machen, kein Hinweis des Gerichts erfolgt und insoweit
Artikel 103 GG verletzt worden sei. Entgegen der arbeitsgerichtlichen
Entscheidung sei hier aber doch ein Initiativrecht des Betriebsrats gegeben, da
die Form der Zeiterfassung offengelassen und nicht auf eine Leistungs- und
Verhaltenskontrolle im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beschränkt
worden sei.
Eine offensichtliche Unzuständigkeit sei nicht gegeben, da diese entfalle, wenn
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gegen höchstrichterliche Rechtsprechung erhebliche Bedenken bestünden
oder sie beachtlicher Kritik durch die Rechtsprechung ausgesetzt sei. Die vor
24 Jahren getroffene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit einer
Einschränkung auf „die Abwehrfunktion“ des Mitbestimmungsrechts in § 87
Abs. 1 Nr. 6 sei weder mit Wortlaut noch mit der Gesetzgebungsgeschichte
vereinbar. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werde den
Belangen des Betriebsrats im Blick auf die neuere technische Entwicklung
nicht gerecht, insbesondere hinsichtlich der flexiblen Arbeitszeiten und der
damit verbundenen zeitlichen Überforderung durch unkontrollierte
Überstunden und Mehrarbeit. Dem Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG könne durch
Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung angemessen Rechnung getragen
werden im Sinne von § 80 BetrVG. Insoweit falle die Zeiterfassung in die
Gestaltungskompetenz der Einigungsstelle. Hierzu wird auf eine neuere
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.11.2010 – 1 ABR 75/09 –
sowie auf die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Bremen vom
19.09.2012 – 1 TaBV 19/12 – und des Landesarbeitsgerichts Berlin vom
29.11.2005 – 7 TaBV 1471/05 – verwiesen. Ein Schutz durch Kontrolle des
Betriebsrats (§ 80 BetrVG) bei Gleitzeit oder der bisher bei der Arbeitgeberin
praktizierten Vertrauensarbeitszeit sei nur im Zusammenhang mit
Arbeitszeiterfassung möglich.
Stichhaltige Gründe gegen den vom Arbeitsgericht bestimmten
Einigungsstellenvorsitzenden bestünden nicht; das Verfahren bei der
Arbeitszeitregelung der Redakteurinnen und Redakteure der „D.“ habe durch
einen Vergleich zwischen den Beteiligten geendet und nicht durch einen
Spruch der Einigungsstelle. Die Kostenersparnis durch die Fahrzeiten sei für
die Auswahl des Einigungsstellenvorsitzenden kein Kriterium. Der Vorsitzende
Richter C. sei bekanntermaßen durch seine straffe Verhandlungsführung und
gute Vorbereitung hinreichend qualifiziert. Konkrete Tatsachen, die gegen ihn
sprechen würden, gebe es nicht. Die vom erkennenden Gericht am
19.12.2012 – 1 TaBV 112/12 – getroffene Entscheidung zum Maßstab der
„offensichtlichen Unzuständigkeit“ bei älterer kritisierter höchstrichterlicher
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei hier nicht einschlägig.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) b e a n t r a g t,
die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das
Anhörungsprotokoll vom 22.10.2013 und die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze vom 21.06., 26.06., 09.07. und 31.07.2013 Bezug
genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) sowie des
Betriebsrats und Beteiligten zu 1) sind unbegründet. Das Arbeitsgericht
Braunschweig hat zu Recht den Vorsitzenden Richter am LAG B. und C. zum
Einigungsstellenvorsitzenden bestellt. Die Beschwerde der Arbeitgeberin war
insoweit zurückzuweisen. Über die Zeiterfassung im Rahmen der Arbeitszeit-
und Überstundenregelung für die Redakteurinnen und Redakteure der A. kann
innerhalb des vom Arbeitsgericht festgesetzten Rahmens, mit Ausnahme einer
Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, mitverhandelt werden, ohne
dass es einer Erweiterung des Regelungsgegenstands bedarf. Aus diesem
Grund ist auch die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) gegen
die Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.
1) a).Nach § 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestellt das Arbeitsgericht die Person
des Vorsitzenden, wenn eine Einigung darüber unter den Betriebspartnern
nicht zustande kommt. Bei der Bestellung des Vorsitzenden der
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Einigungsstelle ist das Arbeitsgericht zunächst an die Anträge der Beteiligten
gebunden. Hier ist das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats gefolgt und
hat den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht B. und C. zum
Vorsitzenden bestimmt. Die Arbeitgeberseite hat nach ihrem schriftsätzlichen
Vorbringen zwar in erster Instanz auch den Vorsitzenden Richter am
Landesarbeitsgericht F. im Anhörungstermin in Spiel gebracht, aber bis zum
Schluss der Anhörung in zweiter Instanz in ihrem Antrag keinen anderen
Einigungsstellenvorsitzenden namentlich benannt. Die Arbeitgeberin hat sich
vielmehr darauf beschränkt in ihrer Beschwerde Einwände gegen den vom
Arbeitsgericht bestimmten Einigungsstellenvorsitzenden zu erheben. Die
Ablehnung des bestellten Vorsitzenden ohne Nennung einer Ersatzperson
kann nur darin verstanden werden, dass das Gericht einen anderen als den
erstinstanzlich benannten Vorsitzenden benennen soll. Dies kann indessen
nur im Sinne der Arbeitgeberin geschehen, wenn der Vorsitzende Richter am
Landesarbeitsgericht B. und C. nicht die Gewähr für die erforderliche Eignung
(Sachkunde und Unparteilichkeit) für den Vorsitz bietet oder seine richterliche
Befassung mit den Angelegenheiten auf Grund der Geschäftsverteilung droht
(§ 98 Abs. 1 Satz 5 ArbGG). Einwände der Arbeitgeberin gegen die
Unparteilichkeit des Vorsitzenden sind ausreichend, wenn die vorgebrachten
subjektiven Vorbehalte für das Gericht zumindest nachvollziehbar sind. Eine
schlagwortartige Ablehnung des vom Antragsteller vorgesehenen
Einigungsstellenvorsitzenden reicht hierzu nicht aus, allerdings soll die streitige
Bestellung nicht den gewünschten Erfolg der Einigungsstelle von vorn herein
gefährden (LAG Berlin-Stadt-Brandenburg, 03.06.2010, 10 TaBV 1058/10;
LAG Nürnberg, 02.07.2004, 7 TaBV 19/04 = NZA RR 2005, 100, Hessisches
LAG, 23.06.1988, 12 TaBV 66/88 = NZA 1988, 2173; ErfK/Koch 13. Auflage §
98 Rn. 5; HWK-Bepler 5. Auflage § 98 ArbGG Rn. 7, Düwell/Lipke-Lipke,
ArbGG, 3. Auflage, § 98 ArbGG, Rz. 18b und c).
b).Nach diesen Vorgaben dringen die Bedenken der Arbeitgeberseite nicht
durch.
Da es auf die erforderliche Eignung ankommt, können Reisekosten des zum
Vorsitzenden bestellten Richters keinen Ausschlussgrund bieten. Damit
würden qualifizierte Einigungsstellenvorsitzende, z. B. Richterinnen und
Richter des Bundesarbeitsgerichts keinen Zugang mehr zur Leitung von
Einigungsstellen besitzen. Zum anderen ist der Ort, an dem die Einigungsstelle
tagt, nicht an den Betriebssitz der Arbeitgeberin gebunden. Oft empfiehlt es
sich sogar aus atmosphärischen Gründen abseits vom Betriebsort der
Arbeitgeberin zu tagen.
Der Umstand, dass Herr C. bereits Verhandlungen zu einem ähnlichen
Regelungsgegenstand bei der „D.“ geleitet hat, zeigt auf, dass er mit den
Problemen der besonderen Arbeitszeit in Zeitungsredaktionen vertraut ist und
erhöht somit seine Qualifikation, zu einem ähnlichen Regelungsgegenstand im
Betrieb der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) eine Vereinbarung zu erzielen.
Der Betriebsrat hat hierzu unwidersprochen ausgeführt, dass die in der „D.“
getroffene Arbeitszeitregelung nicht durch einen Spruch, sondern durch eine
einvernehmlich geschlossene Betriebsvereinbarung getroffen wurde. Der
Umstand, dass der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) sich in seinem Entwurf auf
diese Regelung gestützt hat, gibt keinen Rückschluss auf eine Festlegung des
Vorsitzenden Richters C. in der anstehenden Einigungsstellenverhandlung.
Sollte sich die Besorgnis der Arbeitgeberin im Einigungsstellenverfahren
dagegen bestätigen, so kann ihn die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) zu
jeden Zeitpunkt des Einigungsstellenverfahrens deswegen ablehnen (BAG,
17.11.2010, 7 ABR 100/09 = EzA § 76 BetrVG 2001 Nr. 3). Da die
Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) – wie bereits ausgeführt – weder einen
eigenen Namen für den Einigungsstellenvorsitz genannt hat noch weitere
Vorschläge zu einer einvernehmlichen Besetzung des
Einigungsstellenvorsitzes vom Gericht im Anhörungstermin entgegennehmen
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wollte, verbleibt es bei dem vom Arbeitsgericht bestellten Vorsitzenden.
2) Auch die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) ist nicht
begründet.
a).Das Gericht bleibt bei seiner den Beteiligten bekannten Rechtsauffassung,
dass eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist, wenn es eine
gefestigte und abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, der
zufolge dem Betriebsrat zur begehrten Regelung kein Mitbestimmungsrecht
zusteht (LAG Niedersachsen, 19.12.2012, 1 TaBV 112/12 Rz. 37 m. w. N.).
Aus diesem Grund muss es dabei verbleiben, dass dem Betriebsrat
hinsichtlich des Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 kein
Initiativrecht zugestanden werden kann (BAG, 28.11.1989, 1 ABR 97/88 = EzA
§ 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung Nr. 18 Rz. 21ff).
b).Soweit der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) hier geltend macht, ohne
Arbeitszeiterfassung sei er außerstande die Einhaltung der Arbeitszeit,
insbesondere auch die praktizierte Vertrauensarbeitszeit, zu überwachen, so
ist dieser Umstand bereits in der genannten Entscheidung des BAG aus dem
Jahre 1989 mitgewürdigt worden. (BAG a. a. O. Rz. 27). § 80 Abs. 2 BetrVG
verschafft dem Betriebsrat lediglich einen Anspruch gegen den Arbeitgeber,
dass dieser ihn zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend
unterrichtet und ihm die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt, also
auch zur Arbeitszeitkontrolle. Allerdings kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber
nur diejenigen Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber selber besitzt.
Dem Betriebsrat ist insoweit zuzugestehen, dass die genannten
Entscheidungen des LAG Bremen vom 19. September 2012 – 1 TaBV 19/12 –
und des LAG Berlin vom 29.11.2005 – 7 TaBV 1471/05 – davon scheinbar
abweichen. Dem ist aber nicht so. Soweit es um Kontrollmechanismen im
Rahmen der Festlegungen in der Einigungsstelle nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3
BetrVG geht, stellt sich automatisch die Frage der Zeiterfassung. Darüber hat
die Einigungsstelle mit zu verhandeln, sozusagen in Annexkompetenz. Wie die
Erfassung der Arbeitszeit und der Überstunden erfolgt, kann deshalb der
Betriebsrat mitbestimmen, jedenfalls besteht insoweit keine „offensichtliche
Unzuständigkeit“ der Einigungsstelle. Ob die Arbeitszeiterfassung
handschriftlich oder elektronisch erfolgt, kann deshalb Gegenstand der
Einigungsstellenverhandlung sein. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo
der Betriebsrat eine Arbeitszeiterfassung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG verlangt, mit der das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer
durch Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen überwacht
wird. Der Betriebsrat hat im gesamten Einigungsstelleneinsetzungsverfahren
eine derartige technische Einrichtung nicht verlangt, sondern in dem
Erstentwurf der Betriebsvereinbarung in 2.2 allein die Notierung von Beginn
und Ende der Arbeitszeiten, Pausen und Ausfallzeiten in einem elektronischen
Zeiterfassungssystem durch die Redakteure als Vorschlag unterbreitet.
Schließlich ist die Einführung von Vertrauensarbeitszeit sowie die Modalitäten
hierzu ebenfalls nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 mitbestimmungspflichtig (Fitting
BetrVG 26. Auflage, § 87 BetrVG, Rz. 116 m. w. N.). Auf dieser Linie liegt auch
die den Beteiligten bekannte Entscheidung des BAG vom 09. November 2010
– 1 ABR 75/09 (EzA § 87 BetrVG 2001 Arbeitszeit Nr. 15), in der die von der
Einigungsstelle über die Erfassung der Arbeitszeit getroffene Regelung ohne
weitere Problematisierung für wirksam erachtet wurde (Rz. 37). Beinhaltet
somit der vom Arbeitsgericht umfasste Regelungsgegenstand auch
Verhandlungen zur Zeiterfassung, ohne das damit ein Initiativrecht des
Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verbunden ist, so bedarf es keiner
Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses.
3) Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen, das das
Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.
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4) Gegen diese Entscheidung ist nach § 98 Abs. 2 Satz 4 ein Rechtsmittel
nicht gegeben.