Urteil des LAG Köln vom 28.11.2002
LArbG Köln: nebenberufliche tätigkeit, verlängerung der frist, abmahnung, einstweilige verfügung, kündigungsfrist, geschäft, arbeitsgericht, produktion, ehepartner, unternehmen
Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 566/02
Datum:
28.11.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 566/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 9 Ca 8598/01
Schlagworte:
Ehepartner; personenbedingte Kündigung
Normen:
§ 1 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Tatsache, dass die Ehe von Personen, die zugleich Vertragspartner
eines Arbeitsverhältnisses sind, zerrüttet ist, kann regelmäßig eine
personenbedingte Kündigung des als Arbeitnehmer tätigen Ehepartners
nicht rechtfertigen.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 27.02.2002 - 9 Ca 8598/01 - teilweise abgeändert: Es wird
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung
der Beklagten vom 20.08.2001 nicht beendet worden ist. Die Kosten des
Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung, um Weiterbeschäftigung
sowie um dieErteilung eines Zeugnisses.
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Der Kläger ist der Ehemann der Mitgeschäftsführerin der Beklagten, Frau U . Die Firma
befasst sich mit der Produktion und dem Verkauf von Backwaren. Frau U geht einer
versicherungspflichtigen Tätigkeit bei einer Großbank in Bonn nach und erzielt dort ein
geregeltes Einkommen.
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Der Kläger erhielt jeweils Lohnabrechnungen von der Beklagten, in denen als
Einstelltermin der 16.01.2001 genannt ist und worin jeweils monatlich 5.000,-- DM brutto
zu seinen Gunsten abgerechnet wurden. Steuer- und Sozialabgaben wurden für ihn
ordnungsgemäß abgeführt.
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Mit Schreiben vom 20.08.2001 erhielt der Kläger folgende Kündigung:
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"Sehr geehrter Herr U ,
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das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis kündige ich fristgerecht
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zum 15.09.2001, bis zu Ihrem Ausscheiden werden Sie hiermit mit
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sofortiger Wirkung bei vollen Bezügen von der Arbeit freigestellt.
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Das Betreten der Geschäftsräume ist Ihnen nicht mehr gestattet.
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Ihre Arbeitspapiere werden Ihnen rechtzeitig übergeben."
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Mit seiner Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung unter Berufung auf
Kündigungsschutz gewendet und die Kündigungsfrist gerügt, ein Zwischenzeugnis
sowie Weiterbeschäftigung verlangt.
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Der Kläger hat behauptet, seit 16.01.2001 als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen und in
erster Linie mit dem Verkauf von Backwaren befasst gewesen zu sein. Hintergrund der
Kündigung sei offensichtlich die Trennung des Ehepaars, was aber keinen Einfluss
nehme auf seine berufliche Tätigkeit.
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Es gebe einen schriftlichen Arbeitsvertrag, vom Kläger und nicht von der Beklagten
unterzeichnet, worin eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende
vorgesehen sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das mit der klägerischen Partei
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bestehende Arbeitsvertragsverhältnis durch die
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schriftliche Kündigung vom 20.08.2001, der
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klägerischen Partei am selben Tag zugegangen,
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zum 15.09.2001 nicht aufgelöst worden ist, sondern
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darüber hinaus fortbesteht,
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2. die beklagte Partei zu verurteilen, der klägerischen
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Partei ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen,
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1. die beklagte Partei zu verurteilen, die klägerische
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Partei für den Fall des Obsiegens mit dem Fest-
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stellungsantrag zu 1. zu den bisherigen Arbeitsbe-
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dingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung
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über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat den Arbeitnehmerstatus des Klägers bestritten. Ihm seien keine
Aufgaben übertragen gewesen. Vielmehr sei seine Ehefrau, Frau U , Geschäftsführerin
und Gesellschafterin, und sei als Geschäftsführerin angestellt.
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Da diese bereits einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bei einer Großbank mit
geregeltem Einkommen nachgehe, werde der ihr neben den weiteren Geschäftsführern
zustehende Lohn auf den Namen des Klägers überwiesen, damit dieser, der keiner
Erwerbstätigkeit nachgehe, auch Anwartschaften bei der gesetzlichen
Rentenversicherung begründen könne. Er sei jedoch nicht Arbeitnehmer. Die
Kündigung sei lediglich ausgesprochen worden, damit ein Rechtsgrund für das erteilte
Hausverbot in den Geschäftsräumen geschaffen werde, und damit der Kläger, der
nunmehr von der Ehefrau getrennt sei, Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt beanspruchen
könne.
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Die Kündigung sei verhaltensbedingt ausgesprochen worden. Der Kläger habe die
Geschäftsführerin U auf das massivste bedroht und Übles in Aussicht gestellt, weshalb
sie eine einstweilige Verfügung erwirkt habe beim Amtsgericht Köln (AZ 140 C 195/01),
wonach der Kläger jeglichen Kontakt zu der Ehefrau U zu unterlassen habe, sowohl
verbal als auch körperlich. Es habe akute Gefahr für Leib und Leben von Frau U
bestanden. Aufgrund der Ausschreitungen des Kläges sei das Vertrauensverhältnis
zerstört und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte nicht mehr
zumutbar.
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Richtig sei, dass die Kündigungsfrist bis 30.09.2001 gemäß § 622 Abs. 2 BGB zu laufen
habe. Eine andere Kündigungsfrist sei nicht vertraglich vereinbart worden. Es gebe
keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, nur einen Entwurf. Der Kläger habe seine Frau
danach vertreten sollen, er habe das aber nicht gewollt, sondern sei lediglich aus
privaten Gründen in die Firma gekommen. In der Produktion habe er nie gearbeitet. Im
Übrigen sei eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung mit Schriftsatz vom
12.10.2001 ausgesprochen worden.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage durch ein am 11.03.2002 verkündetes Urteil
hinsichtlich des Kündigungsdatums aufgrund der Kündigung vom 20.08.2001 insoweit
stattgegeben, als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 30.09.2001
fortbestanden hat, im Übrigen jedoch die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Wegen
der Begründung der angefochtenen Entscheidung wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
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Gegen das Urteil des Arbeitsgericht hat der Kläger, dem es am 30.04.2002 zugestellt
worden ist, am 29.05.2002 schriftlich beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und
diese nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 01.08.2002 am
01.08.2002 begründet:
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Aufgrund § 1 NachwG treffe die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass
eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende entgegen dem von der
Beklagten selbst erstellten Arbeitsvertragsentwurf nicht vereinbart worden sei. Darüber
hinaus sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG. Das
Arbeitsgericht habe zum einen verkannt, dass die Geschäftsführerin der Beklagten und
Ehefrau des Klägers tatsächlich für die Gesellschaft keine Tätigkeit aufgrund
anderweitiger Tätigkeiten von ihr ausgeübt habe, so dass faktische
Auseinandersetzungen, die sich im Rahmen der Ehe ergeben hätten, sich nicht auf das
Arbeitsvertragsverhältnis hätten auswirken können. Auseinandersetzungen mit den
übrigen Mitarbeitern, die den Betriebsfrieden beeinträchtigt hätten, habe es nicht
gegeben. Die Auseinandersetzungen des Klägers mit seiner Ehefrau hätten sich auf das
Arbeitsverhältnis nicht ausgewirkt.
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Bereits aus dem Vortrag der beklagten Partei ergebe sich, dass der Ausspruch der
Kündigung allein aus dem Grund erfolgt sei, damit dem Kläger ein Hausverbot erteilt
werden könne, daraus ersichtlich, dass die Kündigung jedenfalls aus
verhaltensbedingten Gründen nicht gerechtfertigt werden könne. Insbesondere sei es zu
keinem Zeitpunkt zu einer Störung der betrieblichen Ordnung gekommen, davon
abgesehen sei vor Ausspruch der Kündigung dem Kläger keine Abmahnung erteilt
worden.
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Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.03.2002,
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Aktenzeichen: 9 Ca 8598/01, zu ändern und nach den
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Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
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Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Mit der Berufungserwiderung verteidigt sie die angefochtene Entscheidung und nimmt
auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Vertragsverhandlungen über eine
verlängerte Kündigungsfrist seien zwischen den Parteien nicht geführt worden. Dass die
Beklagte den Vertragsentwurf, in dem eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum
Quartalsende festgelegt worden sei, nicht unterzeichnet habe und der Vertrag nur ein
Entwurf geblieben sei, sei auf die vorwerfbaren Handlungen des Klägers gegenüber der
Geschäftsführerin A U zurückzuführen. Er habe Frau U und auch die beiden
gemeinsamen Kinder der Parteien bedroht, als er davon gehört habe, dass sie
Scheidungsantrag gestellt habe. Die Arbeiten, die ihm übertragen worden seien, habe
er nicht bzw. nicht zu Zufriedenheit der Beklagten erledigt. Er sei stattdessen seinen
Privatvergnügungen nachgegangen. Er habe während der Abwesenheit der Frau U
diese im Geschäft mit seiner Anwesenheit vertreten sollen, ohne jedoch
verfügungsberechtigt zu sein. Diese Aufgabe habe er jedoch nicht wahrgenommen. Der
Geschäftsführerin sei es nicht zumutbar, mit dem Kläger im gleichen Geschäft
weiterzuarbeiten, da er ihr gegenüber körperlich tätlich gewesen worden sei und damit
gedroht habe, sie umzubringen bzw. umbringen zu lassen. Die Bedrohungen,
Beleidigungen und Gewaltandrohungen und Gewaltanwendungen im Privatleben des
Klägers mit der Geschäftsführerin U hätten unmittelbare Auswirkungen auf das
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Klägers mit der Geschäftsführerin U hätten unmittelbare Auswirkungen auf das
bestehende Arbeitsverhältnis gehabt. Auch die übrigen Gesellschafter der Beklagten
seien nicht damit einverstanden gewesen, dass Frau U von dem Kläger regelrecht
fertiggemacht worden sei. Nicht richtig sei es, dass Frau U nicht im Betrieb der
beklagten Partei anwesend gewesen sei, sie habe vielmehr Arbeitszeiten bis zu 23.00
Uhr abends gehabt, so dass zwischen einer Privatsphäre und einer innerbetrieblichen
Arbeitssphäre nicht habe unterschieden werden können. Seit Oktober 2001 sei im
Übrigen Frau U ausschießlich im Geschäft tätig, ihre nebenberufliche Tätigkeit bei dem
anderen
Unternehmen, einer Bank in Bonn, gehe sie nicht mehr nach.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Schriftsatzvortrag der Parteien sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in
gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig.
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Sie hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die
Kündigung der Beklagten weder aus Gründen im Verhalten noch aus Gründen in der
Person des Klägers, die seiner weiteren Beschäftigung im Betrieb der Beklagten
entgegenstehen, sozial gerechtfertigt, § 1 Abs. 2 KSchG, und damit unwirksam.
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1. Das Arbeitsgericht hat zunächst zu Recht ausgeführt, dass zwischen den Parteien
ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Insoweit kann auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen werden. Die Beklagte
im Übrigen mit Schriftsatz vom 07.03.2002 selbst eingeräumt, dass der Kläger
Arbeitnehmer war, allerdings seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, über das
ein schriftlicher Vertrag nicht eingegangen worden sei, nicht ordnungsgemäß
erfüllt habe. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses wird schon dadurch
hinreichend dokumentiert, dass der Kläger als Arbeitnehmer gemäß den
vorgelegten Lohnabrechnungen bei der Sozialversicherung angemeldet und
entlohnt wurde, wobei auch die steuerlichen Abzüge in den Lohnabrechnungen
ausgewiesen sind. Den Ver-
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tragsparteien steht es im Rahmen der Vertragsfreiheit ohne weiteres frei, ein
Arbeitsverhältnis auch neben familienrechtlich bestehenden Beziehungen zu
vereinbaren, um dem beschäftigten Vertragspartner den Schutz des Arbeitsrechts zu
verschaffen, wie es im vorliegenden Fall, jedenfalls nach dem Vorbringen der
Beklagten, der Fall gewesen ist. Lediglich im umgekehrten Fall, dass einer tatsächlich
als Arbeitnehmer tätigen Person der Schutz des Arbeitsrechts durch eine anderweitige
Vertragsgestaltung entzogen werden soll, wird zwingendes Recht verletzt, eine solche
Vertragsgestaltung wäre daher unwirksam.
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Im vorliegenden Fall besteht jedoch zwischen den Parteien Übereinstimmung darüber,
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dass der Kläger tatsächlich - wenn auch nach Vortrag der Beklagten nicht aufgrund
eines schriftlichen Arbeitsvertrages - im Arbeitsverhältnis gestanden hat.
Auch die Anwendungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes sind zwischen
den Parteien unstreitig. Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt jedenfalls mindestes
seit dem 16.01.2001 und damit länger als 6 Monate für die Beklagte tätig gewesen, § 1
KSchG, im Betrieb der Beklagten sind auch regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer
ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt gewesen, § 23 KSchG.
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Die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen vermögen die Kündigung weder aus
verhaltensbedingten Gründen noch aus personenbedingten Gründen zu rechtfertigen.
Für die Darlegung der Kündigungsgründe ist die Beklagte als Arbeitgeberin in vollem
Umfang darlegungs- und beweispflichtig, § 1 Abs.2 KSchG. Der vom Kläger bestrittene,
pauschale und unsubstantiierte, jedenfalls in zeitlicher Hinsicht nicht näher
konkretisierte Vortrag, der Kläger habe die Geschäftsführerin der Beklagten auch
innerhalb des Betriebes beleidigt und bedroht, vermag eine verhaltensbedingte
Kündigung schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil es an genügend substantiierten
Tatsachenvortrag fehlt. Insbesondere hat die Beklagte weder vorgetragen, zu welchen
Zeitpunkten oder bei welchen Anlässen der Kläger die von ihr behaupteten
Bedrohungen oder Beleidigungen in den Geschäftsräumen der Beklagten
ausgesprochen hat. Abgesehen davon ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten
Gründen in derartigen Fällen nach dem ultima-ratio-Prinzip erst dann in Betracht zu
ziehen, wenn zuvor der Arbeitnehmer wegen seines Fehlverhaltens abgemahnt worden
ist, wobei ihm arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Wiederholungsfall angedrocht
werden müssen. Dies entspricht ganz allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und
Kommentierung zu § 1 KSchG. Eine Abmahnung kommt insbesondere dann in Betracht,
wenn der Arbeitnehmer selbst die Störungen des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft
beheben kann und die Abmahnung geeignet ist, in zumutbarer Frist die störungsfreie
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den vereinbarten Bedingungen zu bewirken
(vgl. KR-Etzel, 6. Auflage, §1 KSchG Rdnr. 216). Dies trifft für alle von der Beklagten
dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen zu: Soweit der Kläger nach dem
Vorbringen der Beklagten seiner Arbeitspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist
und im Geschäft mit seinen "ständig wechselnden Freundinnen" erschienen ist, ohne
dort Arbeiten zu erledigen, ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass, da die Beklagte
dieses Verhalten offenbar über einen längeren Zeitraum zunächst hingenommen hat,
vor Ausspruch einer Kündigung zunächst die Erteilung einer Abmahnung erforderlich
und zumutbar gewesen ist. Ähnliches ergibt sich für das von der Beklagten behauptete
Verhalten des Klägers gegenüber seiner Ehefrau im Betrieb, gegenüber der er sich
nach Behauptung der Beklagten auch in Gegenwart von Arbeitnehmern und Kunden mit
Drohungen und Beleidigungen nicht zurückgehalten hat. All diese offensichtlich aus
dem familiären und privaten Bereich des Klägers stammenden Probleme mussten nicht
zwangsläufig Auswirkungen im Betrieb haben, wenn entsprechend dem allgemeinen
arbeitsrechtlichen Prinzip, dass jeder verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich
zunächst eine entsprechende Abmahnung voranzugehen haben, die Beklagte in dieser
Weise versucht hätte, das Verhalten des Klägers zu beeinflussen, was jedoch nach
ihrem eigenen Vorbringen nicht geschehen ist. Das Vorbringen der Beklagten enthält
insoweit
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aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten des Klägers derart
schwerwiegend den Betriebsfrieden beeinträchtigt hätte, dass die Weiterbeschäftigung
auch ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung schlechthin unzumutbar gewesen
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wäre, wogegen im Übrigen auch schon der Umstand spricht, dass die Beklagte dem
Kläger nicht etwa fristlos, sondern lediglich fristgerecht gekündigt hat. Aus dem
Vorbringen der Beklagten lässt sich auch nicht ableiten, dass diese zunächst zur
Vermeidung einer Kündigung neben der bereits erwähnten Abmahnung wegen des
Arbeitsverhaltens des Klägers in Erwägung gezogen hätte, dass sie die Arbeitszeit des
Klägers so gestaltet, dass er mit seiner Ehefrau, der Geschäftsführerin der Beklagten
nicht aneinander geraten konnte. Insoweit hat die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen,
der Kläger habe die Aufgabe gehabt, die in einem anderweitigen Arbeitsverhältnis
stehende Geschäftsführerin der Beklagten im Betrieb zu vertreten, so dass von dieser
von der Beklagten behaupteten Aufgabenstellung des Klägers her ein unmittelbarer
Arbeitskontakt zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin der Beklagten, seiner
Ehefrau, grundsätzlich nicht für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich
war. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass die Beklagte nach Ausspruch der
Kündigung die Ehefrau ihre nebenberufliche Tätigkeit bei dem anderen Unternehmen
aufgegeben habe und seit Oktober 2001 ausschließlich im Geschäft der Beklagten tätig
ist, ist dies für die Kündigung ohnehin nicht zu berücksichtigen, da es für die Beurteilung
der Sozialwidrigkeit der Kündigung auf die Umstände im Zeitpunkt des Ausspruchs der
Kündigung ankommt. Im Übrigen muss davon ausgegangen werden, dass der Umstand,
dass die Geschäftsführerin nunmehr ausschließlich im Geschäft tätig ist, auch darauf
zurückgeführt werden muss, dass der Kläger aufgrund der ausgesprochenen Kündigung
nicht mehr als Vertreter zur Verfügung steht.
Nach alledem ist die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen schon deshalb nicht
gerechtfertigt, weil zum einen substantiiert Kündigungsgründe und Tatsachen, die eine
Kündigung rechtfertigen könnten, von der Beklagten nicht vorgetragen worden sind, zum
anderen vom Vorliegen arbeitsrechtlich relevanter Abmahnungen wegen dieses
Verhaltens gegenüber dem Kläger
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nicht ausgegangen werden kann, schließlich auch deshalb, weil die Möglichkeit einer
Änderungskündigung und eine Änderung des Arbeitsvertrages, die dem Privatkonflikt
des Kläger mit seiner Ehefrau, der Geschäftsführerin der Beklagten, Rechnung trägt,
nicht in Betracht gezogen worden ist.
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Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liegen auch personenbedingte Gründe für
eine Kündigung nicht vor. Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass
die Zerrüttung einer Ehe und die damit verbundenen Auseinandersetzungen der
beteiligten Ehepartner, die gleichzeitig Vertragspartner innerhalb eines
Arbeitsverhältnisses sind, schon allein deshalb die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Personenbedingt mag in derartigen Fällen
eine Kündigung ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn wegen der engen
Verbundenheit der Vertragspartner auch im Betrieb eine Fortsetzung der
arbeitsrechtlichen Beziehungen unzumutbar erscheint, wovon jedoch vorliegend
aufgrund der dargelegten Umstände, die sehr wohl eine Trennung von privatlichem und
beruflichem Bereich möglich erscheinen lassen, nicht ausgegangen werden kann. Im
Übrigen hätte auch hier die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung als dem am
schwersten den Kläger treffenden rechtlichen Gestaltungsmittel den Ausspruch einer
Abmahnung in Betracht ziehen müssen, weil nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden kann, dass eine Abmahnung, die dem Kläger die Fortsetzung der privaten
Auseinandersetzungen im Betrieb verbietet, unzweckmäßig und nicht
erfolgversprechend gewesen wäre.
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Nach alledem musste daher der Kündigungsschutzklage auf die Berufung des Klägers
stattgegeben werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die
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Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsbehelf, § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
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(Rietschel) (Frau Hilbert-Hesse) (Groeneveld)
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