Urteil des LAG Köln vom 27.10.2008
LArbG Köln: strafrechtliche verfolgung, werkstatt, wider besseres wissen, versetzung, chemie, beendigung, ingenieur, arbeitsgericht, schlusszeugnis, freiheitsberaubung
Landesarbeitsgericht Köln, 2 Sa 681/08
Datum:
27.10.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 681/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 1 Ca 2250/07
Schlagworte:
Direktionsrecht, außerordentliche Kündigung,
Klageerzwingungsverfahren
Normen:
§ 626 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die nachhaltige Verfolgung seiner nächsten Vorgesetzten mit einem
unbegründeten Klageerzwingungsverfahren kann im Einzelfall, wenn sie
der Durchsetzung nicht gegebener arbeitsrechtlicher Ansprüche dient
und angesichts der Zeugenaussagen erkennbar nicht erweisliche
Straftaten zur Grundlage hat, eine außerordentliche Kündigung
rechtfertigen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn
vom 06.03.2008
– Az.: 1 Ca 2250/07 – abgeändert:
Auf den Hilfsantrag wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein
Schlusszeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 93 %, die Beklagte zu 7
%.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß
§ 69 Abs. 2 ArbGG auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. Beide Parteien
haben das Urteil mit der Berufung angegriffen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.03.2008 – 1 Ca 2250/07 – teilweise
abzuändern, soweit das Arbeitsgericht Bonn der Kündigungsschutzklage
stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers und zur
Zahlung von 3.223,16 € brutto nebst Zinsen verurteilt hat und die Klage insoweit
vollständig abzuweisen.
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Der Kläger beantragt
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die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
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Er beantragt im Berufungsverfahren
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1. die Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.03.2008 – 1 Ca
2250/07 – und die Feststellung, dass die Versetzung des Klägers in die Werkstatt
des Instituts für Physikalische und Theoretische Chemie unwirksam ist;
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2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger in der Forschungsgruppe des Prof.
Dr. V im Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität B als
Elektro-Ingenieur zu beschäftigen;
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3. das beklagte Land zu verurteilen, an ihn weitere 20.699,72 € abzüglich 4.781,92 €
netto, die auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, zuzüglich Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.435,97 € ab dem
01.09.2007, aus weiteren 3.653,95 € ab dem 01.10.2007, aus weiteren 3.653,95 €
ab dem 01.11.2007, aus weiteren 3.653,95 € ab dem 01.12.2007, aus weiteren
3.653,95 € abzüglich 1.630,20 € ab dem 01.01.2008, aus weiteren 3.653,95 €
abzüglich 1.630,20 € ab dem 01.02.2008 zu zahlen.
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Der Kläger hat klargestellt, dass er hilfsweise für den Fall des Obsiegens der Beklagten
mit deren Berufung weiterhin den Hilfsantrag aufrecht erhält,
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ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, dass sich auf Führung und Leistung
erstreckt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der
geäußerten Rechtsansichten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Auf die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten war das erstinstanzliche
Urteil abzuändern und die Klage mit Ausnahme des hilfsweisen
Zeugniserteilungsanspruchs vollständig abzuweisen.
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Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund außerordentlicher Kündigung vom 10.08.2007 mit
Zugang des Kündigungsschreibens am 10.08.2007 geendet.
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Da die Personalvertretung ebenso wie das Integrationsamt ordnungsgemäß angehört
wurden, bestehen insoweit keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der
Kündigung.
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Die Kündigung ist als außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB wirksam,
da Kündigungsgründe gegeben sind, die es der Beklagten unzumutbar machen, den
Ablauf einer auch nur hypothetisch berechneten ordentlichen Kündigungsfrist
abzuwarten und da diese Kündigungsgründe der Beklagten erst innerhalb der Frist des
§ 626 Abs. 2 BGB bekannt wurden.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18.05.2007 ein Klageerzwingungsverfahren gegen
seine Vorgesetzten Prof. Dr. K W und Herrn M B eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt war
ihm der Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte bekannt, aus dem sich
ergab, dass sämtliche anderen Zeugen die vom Kläger geschilderten Sachverhalte nicht
bestätigt haben. Weiterhin war dem Kläger bei Einreichung des
Klageerzwingungsschriftsatzes vom 18.05.2007 durch das erstinstanzliche Urteil des
Arbeitsgerichts Bonn vom 15.03.2007 im Verfahren 1 (4) Ca 2250/06 bewusst, dass im
Einzelfall die Erstattung einer Strafanzeige, wenn sie auf wissentlich unwahren oder
leichtfertig falschen Angaben beruht, grundsätzlich die außerordentliche Kündigung
eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Weiter zu berücksichtigen ist, dass der
Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits arbeitsrechtlich durch seinen jetzigen
Prozessbevollmächtigten vertreten war, ohne die zwischen den Parteien streitige
Sachfrage, ob der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet war, in der Werkstatt
unter dem Vorgesetzten B Arbeitsleistungen zu erbringen, zu klären.
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Die Situation bei Einleitung des Klageerzwingungsverfahrens stellt sich damit anders
dar, als bei der ersten Anzeigeerstattung durch die Ehefrau des Klägers. Arbeitsgericht
und Landesarbeitsgericht haben im Vorverfahren über die erste Kündigung zum
Ausdruck gebracht, dass zu Gunsten des Klägers bei der ersten Anzeigeerstattung
zugrunde zu legen ist, dass zu diesem Zeitpunkt die entgegenstehenden
Zeugenaussagen der weiteren Mitarbeiter noch nicht vorlagen und der Kläger
zumindest subjektiv noch entschuldbar handelte. Diese Sachlage war bei Einleitung
des Klageerzwingungsverfahrens nicht mehr gegeben. Zum einen kannte der Kläger die
Aussagen der Beschuldigten und der weiteren Zeugen und wusste, dass keiner der
vernommenen Mitarbeiter seine Sachverhaltsdarstellung bestätigt hatte. Der Kläger
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selbst hat zum Ausdruck gebracht, dass er nicht damit rechne, dass die Zeugen zu
einem späteren Zeitpunkt eine andere Aussage machen werden. Auch wusste der
Kläger durch das erstinstanzliche Urteil, dass die Anzeigeerstattung grundsätzlich
ungeeignet war, um die arbeitsrechtliche Sachfrage zu klären und dass die
Anzeigeerstattung grundsätzlich auch ein Grund zur fristlosen Kündigung darstellen
kann. Vom Kläger war also zu erwarten, dass er spätestens, nachdem die Beschwerde
bei der Generalstaatsanwaltschaft zurückgewiesen wurde, es sich sehr genau
überlegen musste, ob er die Behauptung, seine Vorgesetzten seien der Rechtsbeugung,
der Nötigung, der Freiheitsberaubung, des Betruges und der üblen Nachrede schuldig
geworden, aufrecht erhalten wollte. Eine solche Abwägung hat der Kläger nicht
vorgenommen, obwohl er leicht zu dem Ergebnis hätte kommen können, dass nach
zweimaliger Verfahrenseinstellung und der gegebenen Begründung, dass die
erhobenen Vorwürfe auch nicht ansatzweise erweislich seien, keinerlei
Erfolgsaussichten für das Klageerzwingungsverfahren gegeben sind. Damit lässt sein
Verhalten allein den Rückschluss zu, dass der Kläger das Verhältnis zu den
Vorgesetzten B und Prof. W bewusst zerstören wollte, um diesen eine weitere
Zusammenarbeit mit dem Kläger unmöglich zu machen. Gerade die Tatsache, dass der
Kläger formal überhaupt nicht berechtigt war, Antrag auf Klageerzwingung zu stellen,
dass er gleichwohl an den von ihm aufgestellten und nicht erweislichen Behauptungen
festgehalten hat, die geeignet sind, seine Vorgesetzten und deren Ansehen im Betrieb
erheblich zu beschädigen, spricht dafür, dass es dem Kläger tatsächlich nicht in erster
Linie um die strafrechtliche Verfolgung ging, sondern darum, die Beklagte zu
veranlassen, dem Kläger einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen und nicht an der
Versetzung in die Werkstatt festzuhalten. Die Beklagte hat zu Recht darauf
hingewiesen, dass es insbesondere dem Vorgesetzten B nach den Vorkommnissen im
Zusammenhang mit der Anzeigeerstattung, der Beschwerde und dem
Klageerzwingungsverfahren nicht mehr zumutbar ist, mit dem Kläger
zusammenzuarbeiten. Spätestens, nachdem der Kläger durch einen Fachanwalt für
Arbeitsrecht vertreten und beraten war, hätte der Kläger den arbeitsrechtlichen Konflikt
durch Zuhilfenahme der Arbeitsgerichte und den geeigneten Antrag, den er allerdings
erstmals am 14.12.2007 im vorliegenden Verfahren angekündigt hat, klären lassen
können, ohne das Betriebsklima weiter negativ zu beeinflussen und ohne die ersichtlich
unbeweisbaren Behauptungen der Folter und der Freiheitsberaubung aufrecht zu
erhalten. Statt dessen hat der Kläger mit der Einleitung des
Klageerzwingungsverfahrens zum Ausdruck gebracht, dass ihm an der
fachgerichtlichen Überprüfung der streitigen Versetzung nicht gelegen ist, sondern ein
sinnvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und den Vorgesetzten B und Prof. W
möglichst verhindert werden soll.
Das gewählte Mittel der Strafverfolgung war dabei nicht nur ungeeignet, sondern auch
das erstrebte Ziel, nämlich Verhinderung der Weiterarbeit in der Werkstatt war nicht vom
Arbeitsvertrag des Klägers gedeckt. Der Kläger hat das Klageerzwingungsverfahren
vielmehr instrumentalisiert, um sich einer berechtigten Arbeitsanweisung zu entziehen.
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Die Versetzung des Klägers in die Werkstatt des Instituts für Physikalische und
Theoretische Chemie war zumindest seit der Zustimmung des Personalrats am
02.02.2006 wirksam. Der ursprüngliche Arbeitsplatz des Klägers unter Prof. Dr. Ba war
entfallen, da zum einen der Nachfolger von Prof. Dr. Ba keinen Dipl.-Ing. Elektrotechnik
mehr beschäftigt. Zudem hatte die Beklagte die Organisationsentscheidung getroffen,
möglichst alle Anforderungen nach elektrotechnischen Dienstleistungen in der
elektrotechnischen Werkstatt zusammenzufassen. Diese Organisations-entscheidung ist
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sowohl durch die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Wissenschaft als auch durch
die arbeitgeberseitige Berufsfreiheit geschützt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, eine
einmal geschaffene betriebliche Organisation aufrecht zu erhalten. Eine Verpflichtung,
einen Arbeitsplatz außerhalb der Werkstatt zu schaffen oder aufrecht zu erhalten
bestand nicht. Einen anderen freien Arbeitsplatz für einen Dipl.-Ing. der Elektrotechnik
hat der Kläger auch nicht benennen können. Dieser ist auch im Nachhinein weder durch
Mitarbeiter des Integrationsamtes noch des Personalrates aufgezeigt worden.
Zudem ergab sich das Versetzungsrecht der Beklagten sowohl aus § 106 GewO, als
auch aus dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Tarifvertrag. Dieses Direktionsrecht entfällt
auch nicht dadurch, dass ein Arbeitgeber über eine lange Zeit kein Bedürfnis hat, die
Arbeitsumstände eines Arbeitnehmers zu ändern. Hätte der Kläger Recht mit seiner
Ansicht, dass das Direktionsrecht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn es über eine
längere Zeit nicht ausgeübt wurde, würde das einen Arbeitgeber zwingen, zum Erhalt
des Direktionsrechts routinemäßige unsinnige Versetzungen vorzunehmen, um das
Recht nicht zu verlieren. Zudem übersieht der Kläger, dass ein möglichst weites
Direktionsrecht im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer liegt, denn je weiter die
Versetzungsmöglichkeiten gestaltet sind, desto größer ist der Kreis der vergleichbaren
Arbeitsplätze im Falle eines Kündigungsrechtsstreits. Wäre der Kläger bei Ausscheiden
von Prof. Dr. Ba nicht versetzbar gewesen, so hätte die Beklagte ihn ohne weiteres
betriebsbedingt kündigen können, denn die Beklagte war, wie bereits oben dargestellt,
in der Organisation der Arbeit frei und musste den Kläger nicht in der Forschungsgruppe
von Prof. Dr. V , der lediglich einen Chemie-Ingenieur gebrauchen konnte, belassen. Da
Prof. Dr. V keinen Elektro-Ingenieur beschäftigt, wäre die Situation des Klägers, wenn er
nicht versetzbar gewesen wäre, derjenigen eines Heizers auf der E-Lok vergleichbar.
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Dem Kläger konnte auch arbeitsvertraglich ein Arbeitsplatz zugewiesen werden, bei
dem er nicht unmittelbar einem Professor zuarbeitete, sondern einem Werkstattleiter
untergeordnet war. Hierarchieebenen und erst recht die jeweilige Person des
Vorgesetzten sind für die Beurteilung der Frage, ob dem Kläger am neuen Arbeitsplatz
Arbeitstätigkeiten zugeordnet wurden, die seiner tarifvertraglichen Eingruppierung
entsprachen, ohne Belang. Auch die Frage, ob der Arbeitsplatz als Einzelarbeitsplatz
ausgestaltet ist oder die Arbeit mit mehreren Mitarbeitern zusammen in einem Raum zu
erbringen ist, ist nach den anzuwendenden Eingruppierungskriterien unerheblich.
Maßgeblich ist vielmehr lediglich, ob die Tätigkeiten, die dem Kläger in der Werkstatt
zugeordnet werden sollten, nach dessen Einarbeitung und Vertrautmachung mit den
Arbeitsmethoden und Arbeitsbedingungen in der Werkstatt die zutreffende
Vergütungsgruppe erfüllt hätten.
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Dabei ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Anspruch des Klägers auf
Zuweisung vertragsgerechter Arbeit dann erfüllt, wenn sie in Tätigkeiten aus der
Vergütungsgruppe IV a der Vergütungsordnung zuweist. Da die Vergütungsgruppe IV a
in verschiedene Fallgruppen unterteilt ist, innerhalb der Vergütungsgruppe aber kein
Anspruch eines Arbeitnehmers besteht, Tätigkeiten ausschließlich aus einer
bestimmten Fallgruppe verrichten zu können, gehört zu den Tätigkeiten, die die
Beklagte dem Kläger zuordnen kann, auch die Tätigkeiten, die in Vergütungsgruppe IV
a Fallgruppe 10 c und Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 10 b beschrieben sind. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass bereits die selbständige Erledigung neuartiger Versuche
nach kurzer Weisung in einer Versuchswerkstatt den Tätigkeiten eines Dipl.-Ingenieurs
nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 21 entspricht. Nur dann, wenn es dem Kläger
gelungen wäre, darzustellen, dass er bereits vor der Versetzung in die Institutswerkstatt
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richtigerweise in Vergütungsgruppe III einzugruppieren gewesen wäre, hätten dem
Kläger in der Werkstatt Arbeiten aus einer der Fallgruppen 2, 2 a, 2 c, 2 b der
Vergütungsgruppe III zugeordnet werden müssen. Allerdings ist der Vortrag des Klägers
im Hinblick auf eine solche Eingruppierung bis zum Schluss der letzten mündlichen
Verhandlung unschlüssig geblieben. Weder die Vorlage des Zwischenzeugnisses, noch
die Vorlage der Arbeitsplatzbeschreibung für die Tätigkeiten unter Prof. Dr. Ba
rechtfertigen den Schluss darauf, dass die Tätigkeiten des Klägers bereits vor sechs
oder acht Jahren durchgehend solche nach Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 10 bzw.
IV a Fallgruppe 10 a gewesen wären. Für eine solche Darlegung, die voraussetzt, dass
der Kläger in den vergangenen acht bzw. sechs Jahren vor der Versetzung dauerhaft mit
Tätigkeiten dieser Fallgruppen beschäftigt war, wäre im Einzelnen eine langfristige
Beschreibung der tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten erforderlich gewesen, um den
Rückschluss zulassen zu können, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger mit
Tätigkeiten normaler Wertigkeit beschäftigt war und in welchem Umfang Tätigkeiten
verrichtet wurden, die über die selbständige Erledigung neuartiger Versuche nach
kurzer Weisung hinausgingen. Da der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 06.03.2008
überhaupt eine höhere Vergütungsgruppe als Vergütungsgruppe IV a geltend gemacht
hat und dabei zudem noch verkannt hat, dass ein Anspruch auf Tätigkeiten aus einer
bestimmten Fallgruppe nicht besteht, war die Beklagte bei der Versetzung in die
Werkstatt berechtigt, den Kläger jedenfalls auch Tätigkeiten der Fallgruppen 10 c und
10 b aus Vergütungsgruppe IV a zuzuordnen. Aufgrund der bislang nur äußerst kurzen
Tätigkeit in der Werkstatt kann auch nicht gesagt werden, dass der Kläger nicht zu
mindestens 50 % seiner Arbeitszeit mit tarifgerechten Tätigkeiten hätte beschäftigt
werden können.
Weiterhin zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Einleitung
des Klageerzwingungsverfahrens alles Erforderliche getan hatte, um für den Kläger
einen leidensgerechten Arbeitsplatz einzurichten. Neben der Einschaltung des
betrieblichen Fürsorgers und des Integrationsamtes hatte sich nicht zuletzt eine
Hörgeräteakustikerin mehrere Wochen lang damit befasst, dem Kläger ein
schmerzfreies Arbeiten in der Werkstatt zu ermöglichen. Unverzüglich, nachdem
feststand, dass dies durch Anpassung des Hörgerätes nicht zu erreichen sein würde,
wurde dem Kläger ein Schreibtisch im Büro des Vorgesetzten B zur Verfügung gestellt,
der nun durch die räumliche Trennung von den Lärmquellen der Behinderung des
Klägers gerecht wurde. Sowohl der letzte dem Kläger zugewiesene Arbeitsort als auch
die Zuordnung des Klägers zur elektrotechnischen Werkstatt selbst entsprachen damit
dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht. Bis zum heutigen Tag hat der Kläger keinen
Arbeitsplatz benennen können, der tatsächlich existiert und nicht erst neu geschaffen
werden müsste und der vom Kläger besetzt werden könnte.
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Damit steht fest, dass dem Kläger keinerlei Unrecht im Hinblick auf die vorgenommene
Versetzung geschehen ist. Der Kläger hätte dies bei Einleitung des
Klageerzwingungsverfahrens ohne Weiteres auch erkennen können. Dies alles
rechtfertigt den Rückschluss, dass es dem Kläger tatsächlich auch darum ging, seine
Vorgesetzten bei der Beklagten in Misskredit zu bringen und seine arbeitsrechtliche
Position dadurch zu verbessern, dass es den Angeschuldigten unmöglich werden sollte,
mit dem Kläger unbefangen und sachdienlich zusammenzuarbeiten.
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Diese Veränderung der Situation zwischen der ersten Anzeigeerstattung durch die
Ehefrau des Klägers und der nachhaltigen und fortgesetzten Verfolgung seiner
Vorgesetzten in offensichtlicher Erkenntnis, dass die vorgetragenen Vorwürfe in keiner
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Weise beweisbar sein würden, stellt deshalb nicht nur einen neuen
Kündigungssachverhalt dar, sondern ist auch von der Wertigkeit nunmehr anders zu
bewerten, als bei der Einleitung des Strafverfahrens.
Auch die Einzelfallabwägung führt nicht dazu, dass das Interesse des Klägers am Erhalt
des Arbeitsverhältnisses das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt. Dabei hat
die erkennende Kammer insbesondere berücksichtigt, dass die Chancen des Klägers
auf dem Arbeitsmarkt voraussichtlich trotz des grundsätzlich erheblichen Bedarfs an
Dipl.-Ingenieuren auch seiner Fachrichtung nur gering sind, denn es ist dem Kläger seit
Ausspruch bereits der ersten fristlosen Kündigung zu keinem Zeitpunkt gelungen, auch
nur einen befristeten Arbeitsvertag bei einem anderen Arbeitgeber abzuschließen. Auch
die Schwerbehinderung, das Alter und die Unterhaltspflichten des Klägers wurden von
der Kammer gewürdigt. Gleichwohl ist es der Beklagten unzumutbar, den Kläger auch
nur einen Arbeitstag länger zusammen mit Herrn B und unter dessen Anweisungen
sowie unter dem weiteren Vorgesetzten Prof. Wandelt arbeiten zu lassen. Die
nachhaltige unbegründete strafrechtliche Verfolgung der beiden nächsten unmittelbaren
Vorgesetzten wider besseres Wissen, dass die behaupteten Straftaten nicht erweislich
sein werden, führen in der Einzelfallabwägung dazu, dass es der Beklagten nicht einmal
zumutbar ist, die Arbeitsleistung während einer auch nur hypothetischen Auslauffrist
entgegen zu nehmen.
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Damit war das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn auch im Hinblick auf die ausgesprochene
Weiterbeschäftigung des Klägers abzuändern. Durch die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zum 10.08.2007 ist der Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen,
ebenso steht dem Kläger für das Jahr 2007 weder die tarifliche Einmalzahlung in Höhe
von 300,00 € noch die tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 2.923,16 € zu, da insoweit
die Zahlungsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Auf den Hilfsantrag war die Beklagte
zu verurteilen, dem Kläger das begehrte Schlusszeugnis zu erteilen, da sie bisher trotz
der von ihr als gegeben angesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das
Zeugnis nicht erteilt hat.
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Demgegenüber war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Es
bleibt insoweit bei der erstinstanzlich bereits ausgesprochenen Klageabweisung.
Allerdings ist diese nunmehr damit begründet, dass das Feststellungsinteresse für die
Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung in die Werkstatt des Instituts für
Physikalische und Theoretische Chemie deshalb entfallen ist, weil das Arbeitsverhältnis
am 10.08.2007 geendet hat, Zahlungsansprüche aufgrund der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nach dem 10.08.2007 nicht mehr gegeben sind und ebenso der
Beschäftigungsanspruch bei Prof. Dr. V für die Zeit nach Wirksamkeit der Kündigung
nicht gegeben ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, da der Kläger aufgrund des Obsiegens mit
seinem Hilfsantrag zur Zeugniserteilung im Verhältnis der Streitwerte zueinander
teilweise obsiegt hat.
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Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht
zugelassen, insbesondere da die letztendliche Entscheidung auf der
Einzelfallabwägung und Bewertung der Schwere der Vertragspflichtverletzung des
Klägers beruht.
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Olesch Tesch Roll-Tholfus
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