Urteil des LAG Köln vom 02.09.2010
LArbG Köln (kläger, bedingung, aufhebungsvertrag, arbeitnehmer, arbeitsgericht, vertrag, arbeitsverhältnis, abschluss, mitarbeiter, mitteilung)
Landesarbeitsgericht Köln, 13 Sa 698/10
Datum:
02.09.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
13.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Sa 698/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 4 Ca 2890/09
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg
vom 15.12.2009
– 4 Ca 2890/09 G – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten über den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte.
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Der Kläger war bei der A GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), die als Zulieferer
für die Automobilindustrie tätig ist, bzw. deren Rechtsvorgängern im Betrieb B mit ca.
1600 Arbeitnehmern bis zum 31.05.2008 beschäftigt.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 01.04.2007 wurde über das Vermögen der
Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte
zunächst den Geschäftsbetrieb fort.
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Die Insolvenzschuldnerin verpflichtete sich, in einem am 12.03.2008 mit dem
Arbeitgeberverband Metall NRW und der IG Metall abgeschlossenen Betriebs- und
Beschäftigungssicherungstarifvertrag in Bergneustadt 1.532 Arbeitnehmer weiter zu
beschäftigen, 400 davon befristet.
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Der Insolvenzverwalter schloss mit der Beklagten am 21.03.2008 einen Kaufvertrag, der
unter der aufschiebenden Bedingung (sog. Closing-Bedingung) stand, dass sämtliche
Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin unwiderrufliche Angebote zum Abschluss eines
dreiseitigen Vertrages zur Aufhebung des Arbeitsvertrages mit der Insolvenzschuldnerin
zum 31.05.2008 und zum Wechsel in eine Beschäftigungs- und
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Qualifizierungsgesellschaft (BQG) zum 01.06.2008 unterbreiten. Gegenstand des
Kaufvertrages waren sämtliche Betriebsmittel sowie die immateriellen Werte der
Insolvenzschuldnerin wie Liefer- und Kundenbeziehungen und Aufträge.
Am 28.04.2008 schloss die Insolvenzschuldnerin mit dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen (BV
Auffangstrukturen) für den Betrieb B . Darin heißt es unter § 3:
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"Zur Vermeidung der Betriebsstilllegung ohne übertragende Sanierung ist daher
geplant, die Betriebsmittel der I zum 01.06.2008 an einen Dritten zu übertragen.
Der Dritte … hat jedoch die vorherige Beendigung der Arbeitsverhältnisse der
Beschäftigten verbunden mit dem Übertritt in eine Transfergesellschaft zur
Bedingung der Übernahme der Betriebsmittel gemacht, weil eine Fortführung
des Betriebes mit der gesamten Belegschaft und auch der Eintritt in alle
Arbeitsverhältnisse nach § 613 a BGB aus seiner Sicht nicht möglich ist.
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Die Arbeitsverhältnisse aller von dem Geltungsbereich dieser Vereinbarung
erfassten Beschäftigten sollen daher zum Ablauf des 31.05.2008 durch
Aufhebungsverträge im Rahmen von sog. dreiseitigen Verträgen beendet
werden. …
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Außerdem ist der Arbeitgeber auf der Grundlage dieser Vereinbarung
berechtigt, die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten arbeitgeberseitig
betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin zu kündigen, sofern feststeht,
dass der Dritte die Betriebsmittel erwirbt (Vollzug des Kaufvertrages). Die
Betriebsparteien vereinbaren diesbezüglich eine Kündigungsnamensliste (Liste
im Sinne des § 125 InsO), die als Anlage 1 dieser Vereinbarung angeheftet und
von beiden Betriebsparteien unterschrieben ist."
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Auf der Betriebsversammlung vom 03.05.2008, an der auch der Kläger teilnahm, wurde
sodann allen Mitarbeitern ein dreiseitiger Vertrag überreicht, nach welchem sie im
Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter zum 31.05.2008, 24:00 Uhr aus dem
Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin ausscheiden sollten und sogleich am
01.06.2008, 00:00 Uhr ein Wechsel in die Transfergesellschaft M GmbH erfolgen sollte.
Die Aufhebung war unter anderem aufschiebend dadurch bedingt, dass eine schriftliche
Mitteilung des Insolvenzverwalters und der Beklagten gegenüber dem nach der BV
Auffangstrukturen bestimmten Treuhänder über den Vollzug des Kaufvertrags erfolgt ist.
Gleichzeitig erhielten die Mitarbeiter vier Vertragsformulare, mit denen sie der Beklagten
verschiedene unwiderrufliche Angebote zum Abschluss eines Arbeitsvertrages machen
sollten, und zwar entweder unbefristet oder mit einer Befristung von 12, 20 oder 32
Monaten. Ihnen wurde erläutert, dass nur ein Teil der bisherigen Arbeitnehmer einen
neuen Arbeitsvertrag erhielten und sie daher ein Risikogeschäft eingingen.
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Die Zusage eines konkreten neuen Arbeitsplatzes erhielt der Kläger nicht. Er
unterzeichnete den dreiseitigen Vertrag und gab die vier Vertragsangebote ab. Die
Beklagte nahm keines dieser Vertragsangebote an. Der Kläger hat den dreiseitigen
Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
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64 Arbeitnehmer unterzeichneten den dreiseitigen Vertrag nicht. Die Beklagte nahm -
wie im Tarifvertrag vom 12.03.2008 vorgesehen - insgesamt 1.532
Arbeitsvertragsangebote an, davon 400 befristet. Mit diesen Arbeitnehmern führte sie mit
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den übernommenen Betriebsmitteln in der bisherigen Betriebsstätte die Produktion fort.
Am 31.05.2008 erfolgte die Mitteilung über den Vollzug des Kaufvertrages.
Der Kläger hat mit seiner Klage den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der
Beklagten geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das
Urteil wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers,
der weiter der Auffassung ist, der dreiseitige Vertrag sei wegen Umgehung des § 613 a
BGB unwirksam und habe das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.05.2008 beendet, mit der
Folge, dass dieses auf die Beklagte übergegangen sei. Insbesondere sei die
Transfergesellschaft sei nur zum Schein eingerichtet worden. Es habe auch kein
Risikogeschäft vorgelegen. Im Übrigen sei der Aufhebungsvertrag rechtswirksam wegen
arglistiger Täuschung angefochten worden. Die Beklagte habe arglistig darüber
getäuscht, dass sie bei Nichtunterzeichnung durch alle Mitarbeiter von einem Kauf
absehen werde. Schließlich sei, da 64 Mitarbeiter den Aufhebungsvertrag nicht
unterzeichnet hätten, auch die im Kaufvertrag vorgesehene Bedingung nicht
eingetreten.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil abzuändern und nach seinem erstinstanzlichen Schlussantrag zu
erkennen.
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Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die
eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das
Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Das
Berufungsgericht folgt der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts. Zwischen dem
Kläger und der Beklagten besteht kein Arbeitsverhältnis. Das zwischen dem Kläger und
der Insolvenzschuldnerin bestehende Arbeitsverhältnis ist nicht auf die Beklagte gemäß
§ 613 a Abs. 1 S. 1 BGB übergegangen. Es ist durch den dreiseitigen Vertrag beendet
worden. Der Kläger hat im Rahmen dieses Vertrages der Aufhebung seines
Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2008 zugestimmt und ein befristetes
Beschäftigungsverhältnis mit der Transfergesellschaft begründet. Dieser
Aufhebungsvertrag ist weder wegen einer Umgehung des § 613 a BGB noch der vom
Kläger erklärten Anfechtung oder dem Nichteintritt einer Bedingung unwirksam.
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1. Der dreiseitige Vertrag ist nicht wegen Umgehung des § 613 a BGB gemäß § 134
BGB nichtig.
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a. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die auch das Arbeitsgericht
seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages
mit einem Betriebsveräußerer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines
Arbeitsvertrages mit einer BQG trotz eines anschließenden Betriebsüberganges
grundsätzlich wirksam, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden des
Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. § 613 a BGB wird jedoch umgangen, wenn
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der Aufhebungsvertrag die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei
gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt, weil zugleich ein neues
Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird. Einen
Schutz vor einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen
Grund gewährt § 613 a BGB nicht, sondern nur einen Schutz vor einer Veränderung des
Vertragsinhaltes ohne sachlichen Grund (BAG 23.11.2006 – 8 AZR 349/06 – mwN).
b. Mit der oben beschriebenen Vertragsgestaltung unter Einschaltung einer
Transfergesellschaft umgehen die Arbeitsvertragsparteien § 613 a BGB nicht. Die
Vertragsparteien beenden vielmehr die Kontinuität des Arbeitsvertrages. Dies ist aber
aufgrund ihrer grundgesetzlich gewährleisteten Vertragsfreiheit möglich, die auch im
Rahmen des § 613 a BGB besteht. Der Arbeitnehmer könnte auch dem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprechen und damit den
Eintritt der Rechtsfolgen des § 613 a BGB verhindern. Es kommt also vor allem darauf
an, dass der Arbeitnehmer freiwillig einen Aufhebungsvertrag abschließt, die BQG
zwischengeschaltet ist und der Arbeitnehmer keine sichere Aussicht darauf hat, bei dem
Erwerber eingestellt zu werden. Eine Umgehung kann allenfalls dann vorliegen, wenn
die Übernahme in eine Beschäftigungsgesellschaft nur zum Schein vorgeschoben oder
offensichtlich bezweckt wird, die Sozialauswahl zu umgehen (BAG 23.011.2006 – 8
AZR 349/06 mwN).
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c. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wie das Arbeitsgericht bereits im Einzelnen
zutreffend ausgeführt hat. Weder hatte der Kläger eine feste Zusage noch eine
begründete Aussicht, von der Beklagten übernommen zu werden. Das trägt er auch
nicht vor. Vielmehr ist ihm wie den übrigen Mitarbeitern ausdrücklich erläutert worden,
dass nicht alle der bisherigen Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag erhielten und
sie daher ein Risikogeschäft eingingen. Dieses Risiko des Arbeitsplatzverlustes
bestätigte sich dann beim Kläger. Denn er gehörte zu der Gruppe von Arbeitnehmern,
deren Arbeitsvertragsangebote von der Beklagten nicht angenommen worden sind.
Damit diente der Aufhebungsvertrag nicht der Beseitigung der Kontinuität des
Arbeitsverhältnisses, sondern war auf ein endgültiges Ausscheiden des Klägers
gerichtet.
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d. Der Kläger hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die BQG nur zum Schein
gegründet worden ist. Dagegen spricht bereits, dass er – nach seinem Vortrag mit 50
anderen Mitarbeitern - am 01.06.2008 in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung
seines Arbeitsverhältnisses zur Insolvenzschuldnerin (31.5.2008) in die
Transfergesellschaft gewechselt ist. Dieses Vertragsverhältnis ist bis zum Fristablauf
auch ordnungsgemäß abgewickelt worden, etwas Gegenteiliges hat der Kläger nicht
vorgetragen.
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e. Der Abschluss des dreiseitigen Vertrages erfolgte auch freiwillig. Das
Berufungsgericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger, wie auch die übrigen
Mitarbeiter, in seiner begründeten Sorge um den Arbeitsplatz unter einem erheblichen
Entscheidungsdruck stand. Dieser Druck resultierte jedoch, wie das Arbeitsgericht
bereits ausgeführt hat, aus der insolvenzbedingten Situation des Betriebes, die dessen
Zukunft und damit auch die aller Arbeitsplätze bei einer Aufgabe der Kaufabsicht durch
die Beklagte ungewiss machte. Die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses wurde dadurch
nicht ausgeschlossen. Der Kläger hätte sich auch - wie 64 seiner Kollegen - gegen die
Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrags entscheiden können.
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f. Der Aufhebungsvertrag mit Wechsel in die Transfergesellschaft hat auch nicht
offensichtlich bezweckt, die Sozialauswahl zu umgehen. Dazu fehlt konkreter
Sachvortrag. Der Kläger hat lediglich erstinstanzlich pauschal behauptet, mit der
gewählten Vorgehensweise habe die Sozialauswahl umgangen werden sollen.
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2. Der Aufhebungsvertrag ist auch nicht aufgrund der Anfechtung nach § 142 BGB
unwirksam. Der Kläger hat den behaupteten Anfechtungsgrund einer arglistigen
Täuschung gemäß § 123 BGB nicht substantiiert vorgetragen. Das Berufungsgericht
schließt sich der ausführlichen Begründung des Arbeitsgerichts dazu an. Der Kläger hat
auch in der Berufung nicht vorgetragen, dass die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt
der Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages nicht vorhatte, bei Nichtunterzeichnung
durch alle Mitarbeiter von einem Kauf abzusehen, zumal diese Bedingung Gegenstand
des Kaufvertrages war.
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3. Der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages steht außerdem nicht der Nichteintritt einer
Bedingung entgegen (§ 158 Abs. 1 BGB). Bedingung für das Wirksamwerden des
Aufhebungsvertrages war nach § 9 Abs. 1, 3. Spiegelstrich des dreiseitigen Vertrages
lediglich die schriftliche Mitteilung über den Vollzug (Closing) des abgeschlossenen
Kaufvertrages. Diese Mitteilung ist unstreitig mit Schreiben vom 31.05.2008 erfolgt.
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4. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass darüber hinaus viel
dafür spricht, dass der Kläger seine Rechte gegenüber der Beklagten aus dem
Betriebsübergang verwirkt hat, da er sich an diese erst nach über einem Jahr nach
seinem Ausscheiden bei der Insolvenzschuldnerin und seinem Wechsel zur
Beschäftigungsgesellschaft gewandt hat.
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II. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere hatte
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die entscheidungserheblichen
Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind und die Entscheidung im Übrigen auf den
besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a) ArbGG wird hingewiesen.
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Dr. von Ascheraden Schön Sommer
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